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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.05.2024, RV/7102737/2023

Horizontale Zusammenrechnung bei sukzessivem Erwerb einer wirtschaftlichen Einheit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102737/2023-RS1
Der sukzessive Erwerb einer wirtschaftlichen Einheit von Todes jeweils durch einen Großelternteil unterliegt der (horizontalen) Zusammenrechnung nach § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , betreffend Grunderwerbsteuer, ***3***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Mit Amtsbestätigung vom ***4*** erwarb Frau ***5*** das Eigentum an den Liegenschaftshälften ***6***. Mit Bescheid vom wurde die Grunderwerbsteuer mit dem Stufentarif in Höhe von 12.257,99 Euro festgesetzt. Für die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes wurde der Vorerwerb aus der Verlassenschaft nach ***8*** berücksichtigt.

Das Finanzamt berechnete wie folgt:

Die Begünstigung für die ersten 250.000€ (0,5%) ist durch den Vorerwerb komplett aufgebraucht. Die Begünstigung für die nächsten 150.000€ (2%) ist durch den Vorerwerb bis zu einem Betrag von 107.758,97€ verbraucht. Der nicht aufgebrauchte Betrag von 42.241,03€ wurde mit 2% versteuert, der Restbetrag von 315.517,94€ darüber hinaus wurde mit 3,5% versteuert.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Aus der Sicht der Beschwerdeführerin ist die Berücksichtigung des Vorerwerbes nicht gerechtfertigt, da die Erwerbe nicht von derselben Person an dieselbe Person erfolgt seien. Die Bf habe in den letzten fünf Jahren kein Liegenschaftsvermögen von ihrem verstorbenen Großvater, ***9***, erhalten, das im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 lit a) GrEstG zusammenzurechnen wäre; deshalb sei der Stufentarif vollumfänglich zu berücksichtigen. Der im bekämpften Bescheid ausgewiesene Betrag des früheren Erwerbs in Höhe von 357.758,97 Euro betreffe nicht den Rechtsvorgang mit der Verlassenschaft nach ***9***, sondern dessen vorverstorbener Ehegattin, ***10*** und sei mit Grunderwerbsteuerbescheid zu Erfassungsnummer ***11*** steuerlich gewürdigt worden. § 7 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG spreche eine eindeutige Sprache: Zusammenzurechnende Vorgänge seien jene, die von derselben Person an dieselbe Person erfolgten. Eine Zusammenrechnung der vorliegenden Erwerbsvorgänge finde im Gesetz somit keine Deckung und würde dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG widersprechen. Eine Ausweitung dieser eindeutigen Regelung kenne das Grunderwerbssteuergesetz nicht.

Weiters wendet die Bf ein, es handle sich in vorliegendem Sachverhalt auch nicht um ein Umgehungsgeschäft unter Lebenden iSd Entscheidung . Vielmehr handle es sich um einen Erwerb von Todes wegen. Die Bf habe hinsichltich des Zeitpunktes des Erwerbs keine Dispositionsmöglichkeit. Eine Steuerverfangenheit und Ausdehnung durch Berücksichtigung des Vorerwerbs der Bf sei somit sachlich nicht gerechtfertigt. Der Erwerb von Todeswegen unterliege daher einer anderen rechtlichen Würdigung als jene des Erkenntnisses des , weil ein Erwerb von Todeswegen zweifelsohne von Vertragsparteien nicht planbar sei. Ebenso wenig sehe der intendierte Wille des Gesetzgebers (ErlRV 684 BlgNR 25. GP 40) eine Ausdehnung der Steuerverfangenheit bei einem solchen Sachverhalt vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Mit Schriftsatz vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
II.1. Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes.

II.2. Rechtslage und Erwägungen

Als Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 GrEStG 1987 unterliegen der GrESt im wesentlichen Rechtsvorgänge, die den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstückes begründen.

Gemäß § 2 Abs. 1 GrEStG 1987 sind unter Grundstücken im Sinne dieses Gesetzes Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechtes zu verstehen.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 lit. b GrEStG 1987 gilt ein Erwerb als unentgeltlich, wenn er durch Erbanfall, durch Vermächtnis, durch Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs, wenn die Leistung an Erfüllung Statt vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens vereinbart wird, oder gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 WEG erfolgt.

§ 7 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987 in der anzuwendenden Fassung BGBl I 2015/163 lautet:

a) Die Steuer beträgt beim unentgeltlichen Erwerb von Grundstücken
- für die ersten 250.000 € 0,5 %
- für die nächsten 150.000 € 2 %
- darüber hinaus 3,5 %
des Grundstückswertes.

  • Dies gilt auch bei teilentgeltlichen Erwerben, insoweit keine Gegenleistung zu erbringen ist; insoweit eine Gegenleistung zu erbringen ist, gilt Z 3.

  • Folgende Erwerbsvorgänge eines Erwerbers innerhalb der letzten fünf Jahre sind durch Zusammenrechnung als Vorerwerbe für die Ermittlung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Erwerbe von derselben Person an den Erwerber (vertikale Zusammenrechnung) sowie Erwerbe einer wirtschaftlichen Einheit oder Teile einer wirtschaftlichen Einheit - durch zwei oder mehrere Erwerbsvorgänge - durch den Erwerber (horizontale Zusammenrechnung), jeweils soweit die Steuer nach dieser Litera berechnet wurde. Dabei sind frühere Erwerbe mit ihrem früheren Wert anzusetzen. Für die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils auf den Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld abzustellen. Werden Erwerbsvorgänge gleichzeitig verwirklicht, hat der Steuerschuldner die Reihenfolge für die Erfassung als Vorerwerb im Rahmen der Abgabenerklärung oder Selbstberechnung bekannt zu geben.

"Erläuterungen zum StRefG 2015/2016, ErlRV 684 XXV. GP, 38 (ErlRV)

Zu Artikel 6 (Grunderwerbsteuergesetz 1987)

Zur Abfederung der Umstellung der Bemessungsgrundlage sind vorgesehen: …

- Einführung eines Stufentarifs für unentgeltliche Erwerbsvorgänge (beginnend mit einem Steuersatz von 0,5 %) …

….

Zu Artikel 6 (Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes 1987)

Zu Z 4 (§ 7):
1. Abgrenzung Entgeltlichkeit/Unentgeltlichkeit (§ 7 Abs. 1 Z 1)

Unentgeltliche Erwerbe sollen gegenüber entgeltlichen Erwerben künftig dadurch begünstigt werden, dass für sie ein Stufentarif zur Anwendung kommt. Dadurch ist es notwendig, im Grunderwerbsteuergesetz den Begriff der Unentgeltlichkeit bzw. Entgeltlichkeit explizit und allgemein zu definieren. Damit nicht bereits durch geringe Gegenleistungen (vor allem durch im Rahmen von Schenkungen übernommenen Schulden) ein Verlust des Stufentarifs bewirkt wird, sollen Erwerbe mit Gegenleistungen bis zu 30% des Grundstückswertes noch zur Gänze als unentgeltlich gelten….

2. Stufentarif (§ 7 Abs. 1 Z 2 lit. a)
Der Stufentarif kommt grundsätzlich bei unentgeltlichen Erwerben sowie für den unentgeltlichen Teil bei teilentgeltlichen Erwerben zum Ansatz. Wie bei der Abgrenzung zwischen entgeltlich und unentgeltlich wird auch für die Berechnung der Grunderwerbsteuer anhand des Stufentarifs auf die einzelne wirtschaftliche Einheit bzw. auf den jeweiligen Erwerbsvorgang abgestellt.

3. Zusammenrechnung (§ 7 Abs. 1 Z 2 lit. a)
Für die Ermittlung der Grunderwerbsteuer nach dem Stufentarif sollen alle unentgeltlichen Erwerbe bzw. unentgeltlichen Teile von teilentgeltlichen Erwerben berücksichtigt werden, die zwischen denselben Personen innerhalb von fünf Jahren stattgefunden haben. Eine Zusammenrechnung soll somit auch dann vorgenommen werden, wenn die Erwerbe gleichzeitig (z.B. mit einem Schenkungsvertrag) erfolgen…
….
Der letzte Erwerbsvorgang, mit dem Erwerbe zu Lebzeiten zusammengerechnet werden müssen, ist der Erwerb von Todes wegen, weil sowohl der Erbe als auch der Vermächtnisnehmer noch vom Erblasser erwerben….
….
Eine Zusammenrechnung innerhalb der Fünfjahresfrist soll auch dann erfolgen, wenn eine Person von zwei oder mehreren Personen zum selben Zeitpunkt oder sukzessive eine wirtschaftliche Einheit erwirbt.

Beispiel: Vater und Mutter schenken das ihnen je zur Hälfte gehörende Einfamilienhaus an ihr Kind, Grundstückswert 300 000 Euro. Die Grunderwerbsteuer berechnet sich wie folgt:

Durch die in diesem Fall vorzunehmende Zusammenrechnung unterliegt der gesamte Betrag von 300 000 Euro dem Stufentarif: 0,5% von 250 000 Euro = 1 250 Euro + 2% von 50 000 Euro = 1 000 Euro Summe = 2 250 Euro

….

BMF Info vom , BMF-010206/0058-VI/5/2016 (BMF-Info)

2. Stufentarif (§ 7 Abs 1 Z 2 lit. a)

Der Stufentarif kommt grundsätzlich bei unentgeltlichen Erwerben sowie für den unentgeltlichen Teil bei teilentgeltlichen Erwerben zum Ansatz. Wie bei der Abgrenzung zwischen entgeltlich und unentgeltlich wird auch für die Berechnung der GrESt anhand des Stufentarifs auf die einzelne wirtschaftliche Einheit bzw. auf den jeweiligen Erwerbsvorgang abgestellt.

….."

Dazu auch bei Fellner, Kommentar zum GrEStG11, §7, Tz 13:

"Nach dem letzten Satz des § 7 Abs. 1 Z 2 lit.a GrEStG erfolgt als zweite Alternative eine Zusammenrechnung auch dann, wenn - durch zwei oder mehrere Erwerbsvorgänge - eine wirtschaftliche Einheit oder Teile einer wirtschaftlichen Einheit innerhalb der Fünfjahresfrist an dieselbe Person anfallen (von der Finanzverwaltung als horizontale Zusammenrechnung bezeichnet). Eine Zusammenrechnung erfolgt also auch, wenn die Anteile an einer wirtschaftlichen Einheit von verschiedenen Übergebern stammen, aber innerhalb der Fünf-Jahres-Frist erworben werden (BMF-010206/0058-VI/5/2016)."

Wie den Erläuterungen zum StRefG 2015/2016, ErlRV 684 XXV. GP, 38 (ErlRV) zu entnehmen ist, ist auch der Erwerb von Todes wegen mit dem Erwerbe zu Lebzeiten zusammenzurechnen, weil sowohl der Erbe als auch der Vermächtnisnehmer noch vom Erblasser erwerben. Eine unterschiedliche Betrachtungsweise ist den Erläuterungen nicht zu entnehmen.

In vorliegendem Fall hat das Finanzamt zu Recht den Vorerwerb aus der Verlassenschaft nach ***8*** im Zuge der Zusammenrechnung berücksichtigt. Die Bemessungsgrundlage wurde außer Streit gestellt. Die Berechnung ist korrekt.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

III. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zu der mit dem StRefG 2015/2016 neu eingeführten Tarifbestimmung des § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987 bis dato noch keine Rechtsprechung des VwGH ergangen ist, war die Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

BMF-010206/0058-VI/5/2016
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102737.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at