Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2024, RV/7105183/2018

Aufteilung von Menüentgelten auf die unterschiedlichen Steuersätze

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Fingernagel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungs- gesellschaft m.b.H., Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Umsatzsteuer 2011 - 2013, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer erfolgt endgültig.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhen der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe der als Beilage angeschlossenen Berechnungsblätter zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdeführerin (Bf) ist der Betrieb von Fast-Food-Restaurants.

Im Rahmen einer die Jahre 2011 bis 2013 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung wurde ua die Feststellung getroffen, dass die Aufteilung der USt-Bemessungsgrundlage der Menüs nicht linear erfolgt sei. Die Bf habe in ihren Restaurants außerdem sog "***1***" verkauft, die neben einer Getränke- und Speisekomponente auch eine Beigabe in Form eines ***2*** enthalten würden. In der Berechnung für die Aufteilung der Umsatzsteuersätze, die grundsätzlich nach der Kostenmethode erfolgt sei, sei die Beigabe "***2***" nur in Höhe des Wareneinsatzes angesetzt worden. Es seien somit keine anteiligen Herstellungsaufwendungen und Systemkosten und kein einheitlicher Gewinnaufschlag zugeordnet worden. Nachdem nicht für alle Komponenten des ***1*** Einzelverkaufspreise vorlägen, habe die Aufteilung des Pauschalentgeltes nach der Kostenmethode im Verhältnis der Einstandspreise zu erfolgen. Bei den übrigen angebotenen Menüs sei die Aufteilung nach der linearen Methode durchzuführen.

Entsprechend dieser Feststellungen wurden am der Umsatzsteuerbescheid 2011 sowie jeweils am die Umsatzsteuerbescheide 2012 und 2013 (alle vorläufig) erlassen.

Dagegen brachte die Bf nach mehrmaliger Fristverlängerung mit Schriftsatz vom Beschwerde ein und führte im Wesentlichen zur Begründung aus, dass der Beigabe "***2***" bei den ***1*** kein Aufschlag hinzugerechnet worden sei, da diese ein Geschenk darstelle und den Zweck habe einen zusätzlichen Anreiz zum Kauf zu schaffen. Ein Deckungsbeitrag bzw Gewinn werde dabei nicht angestrebt. In Eventu werde beantragt, die Aufteilung der Entgelte nach einer annähernd linearen Methode vorzunehmen, da seit Anfang 2016 alle Komponenten des ***1*** auch einzeln erworben werden könnten, sodass ab 2016 Einzelverkaufspreise vorhanden seien. Die Einzelverkaufspreise könnten unter Anwendung der durchschnittlichen Preissteigerungen auf die beschwerdegegenständlichen Jahre rückgerechnet werden. Außerdem werde die Entscheidung durch den Senat und eine mündliche Verhandlung beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Bf das "***1***" als Gesamtprodukt bewerbe. Der Werbeauftritt der Bf enthalte keinen Hinweis darauf, dass die Beigabe "***2***" unentgeltlich erfolgen würde. Da nicht für alle Komponenten des ***1*** Einzelverkaufspreise vorgelegen seien, sei bei Aufteilung des Pauschalentgeltes die Kostenmethode im Verhältnis der Einstandspreise anzuwenden.

In der Folge beantragte die Bf mittels Vorlageantrag vom , dass die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt werde. Diesen Antrag begründete sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen damit, dass nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Rs C-291/03, MyTravel) die Marktwertmethode die vorrangige Methode der Aufteilung der Menüpreise sei. Die Marktwerte ließen sich aus den seit 2016 für alle Komponenten des ***1*** vorhandenen Einzelverkaufspreisen eindeutig ableiten. Der Markt habe sich zwischen dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum und dem Jahr 2016 - mit Ausnahme einer geringen Inflation, die berücksichtigt worden sei - auch nicht geändert.

Das Finanzamt legte daraufhin am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom zog die Bf die in der Beschwerde gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Gegenstand des Unternehmens der Bf ist der Betrieb von Fast-Food-Restaurants. Unter anderem werden in den Restaurants verschiedene Menüs angeboten, in denen sowohl Speisen als auch Getränke enthalten sind. Die in den Menüs enthaltenen Speisen und Getränke können (zumeist) auch einzeln gekauft werden, wobei die Pauschalentgelte der Menüs geringer als die Summe der Einzelentgelte sind.

***1*** sind Kombi-Angebote, die sich speziell an ***5*** richten. Sie beinhalten folgende Komponenten: Eine Speise (zB Hamburger, "***3***"), ein Getränk sowie eine Beigabe in Form eines ***2***. Seit Sommer 2013 wurde als weitere Komponente Obst hinzugefügt.

Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum bestanden für die Komponenten ***2***, "***3***" und Obst keine Einzelverkaufspreise.

Seit Anfang 2016 können alle Komponenten des ***1*** auch einzeln erworben werden, sodass Einzelverkaufspreise vorhanden sind.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 4 Abs 1 UStG 1994 wird der Umsatz für Lieferungen und Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder Leistung zu erhalten.

Wird - wie im vorliegenden Fall - für eine Mehrzahl von selbständigen Leistungen, die unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen, ein Pauschalpreis verrechnet, ist das Entgelt sachgerecht aufzuteilen und sind die Entgeltsteile dem jeweils anzuwendenden Steuersatz zu unterwerfen (vgl Ruppe/Achatz UStG5, § 10 Tz 26).

Bereits im Erkenntnis vom , 2008/15/0075, hat sich der VwGH mit der Frage der Aufteilung pauschaler Menüpreise befasst und ausgesprochen, dass der Aufteilung des Pauschalentgeltes im Verhältnis der Einzelverkaufspreise der Vorzug zu geben ist, weil diese bereits feststehen und keine eigene Kalkulation erfordern ("lineare Kürzung"). Dazu verwies der VwGH auf die , Madgett und Baldwin, und vom , C-349/96, Card Protection Plan, denen sich entsprechende Vorgaben zur Aufteilung eines Gesamtentgelts auf verschiedene Leistungen entnehmen lassen.

Mit Beschluss vom , V B 125/12, ist auch der deutsche Bundesfinanzhof zur Ansicht gelangt, es könne nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass die Aufteilung eines Gesamtkaufpreises bei so genannten "Spar-Menüs" nach der "einfachstmöglichen" Aufteilungsmethode zu erfolgen habe. Liefere der Unternehmer die im Rahmen eines Gesamtkaufpreises gelieferten Gegenstände auch einzeln, sei der Gesamtkaufpreis grundsätzlich nach Maßgabe der Einzelverkaufspreise aufzuteilen. Der Unternehmer übe die ihm zukommende Preisbestimmungsautonomie durch die Bildung des von ihm gewählten Gesamtpreises aus. Eine weiter gehende Preisaufteilungsautonomie im Sinne einer Entscheidungsfreiheit über die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Rechtsfolgen bestehe nicht.

Mit Erkenntnissen vom , Ro 2014/15/0039 und Ro 2014/15/0036, hat der VwGH zu gleicher Rechtsproblematik entschieden, dass bei der Aufteilung pauschaler Menüpreisentgelte nicht die Kostenmethode, sondern die lineare Kürzungsmethode anzuwenden sei.

Der VwGH lehnt eine Aufteilung des Pauschalpreises im Verhältnis der Kosten ausdrücklich ab, weil

- eine Aufteilung nach den Kosten aufwendig ist, zB in der Aufteilung von Fixkosten und hinsichtlich unterschiedlicher Einstandspreise und Zubereitungszeiten für unterschiedliche Speisen,

- die Einstandspreise während eines Jahres in der Regel nicht gleich bleiben, sondern schwanken,

- die Konsumenten in der Regel keinen Einblick in die Kostensituation des leistenden Unternehmers haben und

- der tatsächliche Kostenanfall und das Nachfrageverhalten der Kunden bei der Kalkulation ungewiss sind.

Anderes ergibt sich nach Ansicht des VwGH auch nicht aus dem , My Travel plc. Unter RN 34 führt der EuGH aus, dass die Aufschlüsselung des Pauschalpreises zwischen den erworbenen Leistungen und den eigenen Leistungen grundsätzlich immer dann auf der Grundlage des Marktwertes der letztgenannten Leistungen erfolgen müsse, wenn dieser Wert bestimmt werden könne. Der Methode der linearen Aufteilung ist, wie der Generalanwalt in RN 51 seiner Schlussanträge in der Rechtssache My Travel betont, schon deshalb der Vorzug zu geben, weil diese (auf den Marktwert der Einzelleistungen gestützte) Aufteilungsmethode "aus sich heraus gegenüber der auf die tatsächlichen Kosten gestützten Methode den Vorteil der Einfachheit bietet". Sie ist "aus sich heraus einfacher als die auf die tatsächlichen Kosten gestützte Methode" (RN 64 der Schlussanträge in der Rechtssache My Travel).

Zu allfälligen Ausnahmen von der Aufteilung des Pauschalpreises anhand von Marktpreisen verweist der EuGH in RN 34 seines Urteils in der Rechtssache My Travel auf RN 69 der Schlussanträge. Solche Ausnahmen hat der Generalanwalt für möglich gehalten, wenn das Kriterium des Marktwertes nicht sachgerecht sei. Als Beispiel der fehlenden Sachgerechtigkeit führt der Generalanwalt in der Folge den Fall an, dass der Betrag, der als Besteuerungsgrundlage für die von den Finanzbehörden zu erhebende Steuer dient, höher wäre als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat.

Dass im vorliegenden Beschwerdefall ein derartiger Ausnahmefall vorläge, hat die Bf nicht behauptet.

Zudem ist Folgendes zu bedenken: Frischwaren (wie zB Gurken, Tomaten, Salate) unterliegen erfahrungsgemäß saisonalen Preisschwankungen und raschem Verderb, sodass die Menüpreise fortlaufend eine Änderung erfahren müssten, um eine "feste Gewinnspanne auf jeden Kostenbestandteil" zu erzielen. Auch ist es nicht evident, dass etwa die Fertigungslöhne "Küche" (insbesondere die Einzelkosten) pro konkretem einzelnen Gericht stets gleichbleibend wären. Werden nun Menüs mit unterschiedlichen(Einstands-)Kosten der Speisen zu einem identen Menüpreis angeboten, kann die tatsächliche Gewinnspanne auf die Speisen- bzw Getränkekomponente im Vorhinein schon systembedingt nicht feststehen, weil sie davon abhängt, welche konkreten Menüs von den Kunden tatsächlich in welcher Anzahl nachgefragt werden. Würde es zutreffen, dass die Bf auf jeden Kostenbestandteil dieselbe feste Gewinnspanne in Ansatz gebracht hatte, müssten jedenfalls zwischen den unterschiedlichen Kombinationen von Speisen einerseits und Getränken anderseits entsprechend unterschiedliche Gesamtentgelte zur Verrechnung gelangen. Daraus ergibt sich, dass eine Aufteilung des Gesamtentgelts nach den betrieblichen Kosten nicht nur aufwendige Berechnungen voraussetzt, sondern darüber hinaus derartige Berechnungen nicht in der Lage sind, der tatsächlichen Struktur des Pauschalangebots iSd RN 34 des exakt Rechnung zu tragen, weil der tatsächliche Kostenanfall und das Nachfrageverhalten der Kunden bei der Kalkulation ungewiss sind.

Die Kostenmethode - wie von der Bf durchgeführt - ist daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Dasselbe gilt für die von der Betriebsprüfung herangezogene Methode der Aufteilung anhand der Einstandspreise, die ebenfalls eine Abwandlung der Kostenmethode darstellt.

Bezüglich der linearen Methode ist anzuführen, dass die Einzelverkaufspreise der meisten Menübestandteile schon in den Jahren 2011-2013 vorgelegen sind. Lediglich die Einzelverkaufspreise für die Beigaben "***3***", "***2***" und Obst waren im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht bekannt. Seit dem Jahr 2016 können auch diese Komponenten einzeln erworben werden, wodurch nun alle Einzelverkaufspreise vorhanden sind. Die Preise für die "***3***" können außerdem von den Preisen für die "***4***" abgeleitet werden. Die Einzelverkaufspreise müssen nach der Rsp auch nur "bestimmbar" sein, was im vorliegenden Fall eindeutig gegeben ist. Die lineare Methode ist daher - wie in der Beschwerde in eventu beantragt - anzuwenden und der Beschwerde ist insofern stattzugeben.

Der endgültige Bescheid, der nach einem vorläufigen erlassen wird, kann in jeder Hinsicht vom vorläufigen Bescheid abweichen (vgl zB , mwN).

Im Hinblick auf die nach jeder Richtung bestehende Abänderungsmöglichkeit (§ 279 Abs 1 BAO) ist auch das BFG berechtigt, einen vorläufigen Bescheid im Falle der Beseitigung der Ungewissheit oder im Fall, dass die Erlassung des vorläufigen Bescheides zu Unrecht erfolgt ist, für endgültig zu erklären (vgl zB Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren3, § 200 Anm 2).

Das Rechtsmittelverfahren, auf welches sich die Abgabenbehörde bezieht und mit dem sie die Vorläufigkeit der Umsatzsteuersteuerbescheide 2011-2013 begründete, wurde vom BFG mittlerweile entschieden. Es liegt daher im Zeitpunkt der Entscheidung jedenfalls keine Ungewissheit mehr vor. Die vorläufig festgesetzte Umsatzsteuersteuer für die Jahre 2011-2013 ist daher endgültig festzusetzen.

Die Berechnung der Umsatzsteuer erfolgte auf Grundlage der in Anlage 2 der Beschwerde durchgeführten Berechnung auf Basis der Einzelverkaufspreise des Jahres 2016.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur gegenständlichen Rechtsfrage existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des VwGH und des EuGH, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7105183.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at