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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.04.2024, RV/7103678/2022

Zurückweisung eines Antrages auf Verzinsung verspätet erfolgter Umsatzsteuergutschriften vor Inkrafttreten des § 205c BAO

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7103678/2022-RS1
wie RV/5100613/2022-RS1
Die Änderungsbefugnis („nach jeder Richtung“) ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (zB ; , 2012/15/0161; , Ra 2020/16/0137; , Ra 2018/16/0121). Eine Uminterpretation des Spruches des angefochtenen Bescheides in eine Abweisung ginge über die Sachentscheidungskompetenz des Gerichts hinaus (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 11 mit Hinweis auf ) und kommt somit nicht in Betracht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, AdresseBf.in, vertreten durch Stb., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zuerkennung von Verzugszinsen betreffend Umsatzsteuer 2014 zu Recht erkannt:

I.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom wurde ein Antrag auf Verzugszinsen aufgrund verspäteter Vorsteuererstattung gestellt und wie folgt ausgeführt:
Die Beschwerdeführerin hätte mit Kaufvertrag vom eine Wohnung in Wien um 700.000,00 € zuzüglich 20 % Umsatzsteuer in Höhe von 140.000,00 € erworben. Zuzüglich der Kaufnebenkosten hätten sich Vorsteuern in Höhe von 145.716,82 € ergeben.
Das Finanzamt hätte sowohl in den Umsatzsteuervoranmeldungen, sowie im Umsatzsteuerbescheid 2014 vom den Vorsteuerabzug in Höhe von 145.716,82 € nicht anerkannt, mit der Begründung, dass es sich bei der Vermietung der Wohnung um keine unternehmerische Tätigkeit handeln würde.
Gegen den Bescheid sei am Beschwerde erhoben worden, welche seitens der Finanzbehörde als unbegründet abgewiesen worden wäre.
In weiterer Folge sei ein Vorlageantrag an das BFG gestellt worden, welches am in seinem Erkenntnis die unternehmerische Tätigkeit bejaht hätte und den Umsatzsteuerbescheid 2014 dahingehend abgeändert hätte, dass die Vorsteuer gutzuschrieben sein würde. Die Gutschrift sei am erfolgt.
Der EuGH hätte in seiner ständigen Rechtsprechung (; , C-431/12; , C-844/19) bestätigt, dass im Falle einer verspäteten Vorsteuergutschrift ein finanzieller Ausgleich nach den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität zu gewähren sei. Die rechtzeitige Vorsteuererstattung stelle einen Grundsatz des europäischen Mehrwertsteuerrechtes dar.
Die Umsetzung dieses Grundsatzes in nationales Recht finde sich im Entwurf des AbgÄG 2022, welches sich im Begutachtungsverfahren befinde. Im neu geplanten § 205c BAO sei eine Verzinsung von Umsatzsteuergutschriften vorgesehen.
Im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung der Mehrwertsteuersystem-RL und einer analogen Anwendung der bestehenden Normen §§ 205, 205a und 212a BAO sei eine Verzinsung in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz für das zu Unrecht abgesprochene Vorsteuerguthaben zu gewähren. Der Zeitraum, für den Verspätungszinsen zustehen würden, sei jener zwischen Entstehung des Anspruches (UVA März 2014, da in diesem Zeitraum der Kauf erfolgt sei) und Erledigung der Rechtssache durch das BFG: In Summe würden 21.949,31 € beantragt werden.

Mit Bescheid vom wurde obiger Antrag auf Verzugszinsen zurückgewiesen unter anderem wie folgt:
Der Antrag sei aus folgenden Gründen nicht zulässig.
Gegenstand des Verzinsungsantrages sei der Umsatzsteuerbescheid 2014. Die Vorsteuergutschrift sei am erfolgt.
Der Gesetzgeber hätte die Umsatzsteuer bei Einführung der Anspruchsverzinsung mit BGBl. 142/2000 dezidiert nicht in die Bestimmung aufgenommen. Die gesetzliche Norm des § 205c BAO sei noch nicht in Kraft getreten und könne noch keine Rechtswirksamkeit entfalten.
Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut sei nach der Judikatur des VwGH nur dann zulässig, wenn eindeutig feststehe, dass der Gesetzgeber etwas andere gewollt habe, als er zum Ausdruck gebracht habe, das hieße dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in einer andere Richtung gegangen sei, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck komme. Im Zweifel sei das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts als beabsichtigt anzusehen (; , Ro 2014/10/0061).
Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass § 205 BAO eindeutig auf Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer abziele. Anträge auf Herabsetzung von Einkommen- und Körperschaftsteuervorauszahlungen hätten unattraktiver gemacht werden sollen. Der Tendenz, zu Nachforderungen führende Abgabenerklärungen möglichst spät und zu Gutschriften führende Erklärungen möglichst früh einzureichen, hätte entgegen gewirkt werden sollen.
Eine im Analogieschluss zu lösende Rechtsfrage durch Anwendung des § 205 BAO liege somit nicht vor.
Eine analoge Anwendung des § 205a BAO würde erfordern, dass im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Abgabenschuldigkeit bereits entrichtet gewesen wäre und durch die Erledigung der Bescheidbeschwerde herabgesetzt worden wäre. Auch dies sei gegenständlich nicht der Fall.

Mit Schreiben vom wurde Beschwerde gegen obigen Bescheid eingereicht und unter anderem wie folgt begründet:
…..
2. Ein Anspruch auf Verzinsung des Umsatzsteuerguthabens ergebe sich aus dem Europarecht:
Art 183 der MwStSystRL normiert:
"Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den ihnen festgelegten Einzelheiten erstatten."
Aus Art 167ff und insbesondere Art 183 der MwStSystRL ergebe sich der Neutralitätsgrundsatz, den der europäische Gerichtshof als einen der tragenden Grundsätze des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ansehe.
Zwar falle nach der Rechtsprechung des EuGH die Durchführung des Anspruches auf Erstattung eines Vorsteuerüberschusses in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, diese werde jedoch durch die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität begrenzt.
Aus dem Effektivitätsgrundsatz hätte der EuGH in mehreren Urteilen eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Verzinsung länger zurückgehaltener Umsatzsteuerguthaben abgeleitet bzw. die Detailregelungen verschiedener nationaler Verzinsungsbestimmungen im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit dem EU-Recht beurteilt.
Für die österreichische Rechtslage, die vor dem AbgÄG 2022 keine innerstaatliche Rechtsgrundlage für die Verzinsung von Umsatzsteuergutschriften und Nachforderungen vorgesehen hätte, hätte der EuGH in seinem Urteil vom , C-844/19 CS bzw. Technorent International GmbH den Anspruch der Steuerpflichtigen auf Verzugszinsen für verspätet erstattete Vorsteuerüberschüsse (Technorent International GmbH) bzw. Umsatzsteuergutschriften als Entgeltminderungen (CS) bejaht.
In Rn 40 des zitierten Urteiles halte der EuGH fest, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität - auch wenn Art 183 MwStSystRL weder eine Pflicht zur Zahlung von Zinsen auf den zu erstattenden Vorsteuerüberschuss vorsehe, noch angebe, ab wann solche Zinsen zu zahlen sein würden - es gebieten würde, dass die finanziellen Verluste, die dadurch entstanden wären, dass ein Vorsteuerüberschuss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet werde, durch die Zahlung von Verzugszinsen ausgeglichen würden.
Da weder die damals anwendbare österreichische Rechtsordnung eine Regelung zur Verzinsung von Vorsteuerüberschüssen enthalten hätte, noch aus Art 183 MwStSystRL eine unmittelbar anwendbare konkrete Verzinsungsregel abgeleitet werden könne, hätte der EuGH ausgesprochen (Rn 52), dass nach seiner ständigen Rechtsprechung sowohl die nationalen Verwaltungsbehörden, als auch die nationalen Gerichte, die im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechtes anzuwenden hätten, gehalten seien, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmung Sorge zu tragen.
Diese Verpflichtung verlange, dass das nationale Gericht gegebenenfalls das gesamte nationale Recht berücksichtige, um zu beurteilen, inwieweit es angewandt werden könne, dass kein dem Unionsrecht widersprechendes Ergebnis erzielt werde (Rn 53).
Der VwGH hätte daraufhin in seinem Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0035, im Wege einer Gesamtanalogie aus den Bestimmungen der §§ 212a, 205 und 205a BAO abgeleitet, dass Vorsteuerüberschüsse zugunsten des Steuerpflichtigen zu verzinsen seien.
3. Verpflichtung zu Gutschriftzinsen besteht rückwirkend nicht nur in dem vom VwGH entschiedenen Fall
Auch vor Inkrafttreten des AbgÄG 2022 wären die Rechtsanwender gehalten gewesen, dem EU-rechtlich gebotenen Neutralitätsgrundsatz dadurch Effektivität zu verleihen, dass im Wege einer Gesamtanalogie aus vergleichbaren Rechtsgebieten (Anspruchsverzinsung, Beschwerdezinsen, etc.) eine Verzinsungsregel für die USt abgeleitet werde.
Der Umstand, dass die Verzinsungsregelungen des AbgÄG 2022 eigene Inkrafttretensbestimmungen beinhalten würden und § 205c BAO auf den vorliegenden Sachverhalt dem Wortlaut nach nicht anwendbar sei, da die Gutschrift der Vorsteuer bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung erfolgt sei, stehe der Verpflichtung zur Leistung von Verzugszinsen nicht entgegen.
Den Urteilen des EuGH in Vorabentscheidungsersuchen komme grundsätzlich rückwirkende Kraft zu, denn sie würden verbindlich den Inhalt bzw. den Bestand des fraglichen EU-Rechts mit Wirkung vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestimmen.
Dass die vom EuGH im Urteil Technorent und CS festgestellte Verpflichtung zur Leistung von Verzugszinsen bei verspäteter Gutschrift von Vorsteuern auch in der Vergangenheit gelte, ergebe sich auch aus der umfangreichen Vorjudikatur.
Darüber hinaus komme auch den Auslegungsurteilen des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren de facto eine erga-omnes Wirkung zu. Somit sei die vom EuGH und ihm folgend VwGH festgestellte Rechtslage auch auf den vorliegenden Fall anwendbar.
4. Zur Höhe der Zinsen
…..
5. Zum Beginn des Fristenlaufes
…..
6. Zur Dauer der Verzinsung
…..
7. Berechnung der geltend gemachten Zinsen
…..

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und unter anderem wie folgt begründet:

Gemäß § 205 BAO seien Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisherige festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben würden, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gelte sinngemäß für Differenzbeträge aus
a.
Aufhebungen von Abgabenbescheiden;
b.
Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibe;
c.
auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

Gemäß § 205a Abs. 1 BAO seien auf Antrag der Abgabepflichtigen soweit eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhänge, herabgesetzt werde, Zinsen für den Zeitraum an Entrichtung bis zur Bekanntgabe des die Abgabe herabsetzenden Bescheides bzw. Erkenntnisses festzusetzen (Beschwerdezinsen).

Gemäß § 205c Abs. 1 BAO sei
Abs. 1
Mit Umsatzsteuerzinsen zu verzinsen
1. im Fall von Gutschriften:
a. ein in einer Voranmeldung erklärter Überschuss ab dem 91.Tag nach Einlagen der Voranmeldung bis zur Verbuchung des Überschusses auf dem Abgabenkonto:
b. eine Gutschrift aufgrund einer Abgabenfestsetzung, insoweit der Überschuss in der Voranmeldung geltend gemacht wurde, ab dem 91. Tag nach Einlangen der Voranmeldung bis zur Bekanntgabe des Bescheides bzw. Erkenntnisses;
c. eine Gutschrift aufgrund einer Abgabenfestsetzung infolge der Umsatzsteuerjahreserklärung, insoweit der Überschuss in der Umsatzsteuerjahreserklärung geltend gemacht wurde, ab dem 91. Tag nach Einlangen der Umsatzsteuerjahreserklärung bis zur Bekanntgabe des Bescheides bzw. Erkenntnisses.
2. Im Fall von Nachforderungen:
a. eine Vorauszahlung, die sich aus einer verspätet eingereichten Voranmeldung ergibt, ab dem 91. Tag nach Fälligkeit der Vorauszahlung bis zum Einlangen der Voranmeldung;
b. einen Nachforderung aufgrund einer Abgabenfestsetzung ab dem 91. Tag nach Fälligkeit der Vorauszahlung bis zur Bekanntgabe des Bescheides bzw. Erkenntnisses;
c. eine Nachforderung aufgrund einer Abgabenfestsetzung infolge der Umsatzsteuerjahreserklärung ab dem 1. Oktober des Folgejahres bis zur Bekanntgabe des Bescheides bzw. Erkenntnisses.

Laut , in der Rechtssache Technorent werde aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität abgeleitet, dass finanzielle Verluste durch Nichtrückerstattung eines Vorsteuerüberschusses innerhalb angemessener Frist durch die Zahlung von Verzugszinsen auszugleichen seien.
Laut , werde aufgezeigt, dass die BAO zwar keine allgemeinen Verzinsung von Abgabenschulden kenne, sehr wohl aber mehrere Zinsentatbestände enthalte, die dem VwGH - solange der nationale Gesetzgeber keine entsprechende Regelung getroffen habe - in Verfahren beantragter Zinsen on Umsatzsteueransprüchen einen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen angewandte Rechtsanalogie zur Auflösung des derzeit bestehenden Normenkonfliktes zwischen nationalem Recht und (nicht unmittelbar anwendbarem) Unionsrecht erlaube.
Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwehrtsteuersystemrichtlinie werde seitens der Abgabenbehörde auch nicht bestritten. Wie bereits im Zurückweisungsbescheid ausgeführt enthalte allerdings das österreichische Recht keine Regelung, die einen Anspruch von Steuerpflichtigen auf Zahlung von Zinsen vorsehe, "wenn die Erstattung aufgrund einer Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage nach Art. 90 Abs.1 MwStSystRL
bzw. die Erstattung einer Mehrwertsteuerüberschusses nach Art 138 leg. cit. nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolge".
Die Abgabenbehörde vertrete hierzu die Rechtsansicht, dass zwar nationales Recht unionskonform auszulegen sei, allerdings nur innerhalb bestimmter Grenzen. Diese Grenzen würden bei einer Auslegung contra legem überschritten.
Daher sei der weiteren Einwendung der Partei, dass sowohl die nationalen Verwaltungsbehörden, als auch die nationalen Gerichte im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechtes anzuwenden hätten und angehalten seien, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, zu entgegnen:
Die Abgabenbehörde könne dieser Rechtsmeinung- nur bedingt folgen, nämlich insofern als der VwGH eine unionskonforme Auslegung erst dann zulasse, wenn eine Rechtsanalogie hinsichtlich der im Rahmen der BAO getroffenen Verzinsungsnormen möglich sei.
Die Beschwerdeführerin verweise auf , wonach im Weg einer Gesamtanalogie als den Bestimmungen der §§ 212a, 205 und 205a BAO eine Verzinsung von Vorsteuerüberschüssen zugunsten des Steuerpflichtigen abgeleitet werde.
Man stimme dem Argument mir folgender Begründung nicht zu: Nach der Rechtsprechung des VfGH biete die Rechtsnatur von Entscheidungen (Judikaturänderungen) des EuGH keine Rechtfertigung dafür, die Rechtskraft in einem größeren Ausmaß als bei Entscheidungen anderer Gerichte zu durchbrechen; auch das rechtsschöpferische Element der Entscheidungen biete keine Grundlage für eine derartige Differenzierung ( G 5/09 ua.).
Der VwGH erachte iSd Grundsätze von Effektivität und Äquivalenz eine Verzinsung von Umsatzsteuergutschriften erst dann als rechtsrichtig, wenn ein Analogieschluss entsprechend den österreichischen Rechtsgrundsätzen durchgeführt werden könne. Diese Anwendungsvoraussetzung liege gegenständlich nicht vor. Die österreichische Gesetzgebung hätte die Umsatzsteuer bei Einführung der Anspruchsverzinsung im BGBl. 142/2000 eindeutig nicht in die Norm aufgenommen. Der Gesetzeswortlaut biete keinen Ansatz für das Vorliegen einer durch analoge Anwendung des § 205 BAO zu schließenden Lücke. Dies werde durch die korrespondierenden Gesetzesmaterialien, welche den historischen Willen der Gesetzgebung aufzeigen würden, untermauert. Es könne daher nicht von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes ausgegangen werden und sei somit ein Analogieschluss durch Lückenschließung über § 205 BAO nicht möglich.
Auch eine Rechtsanalogie im Hinblick auf § 205a BAO könne gegenständlich nicht angewendet werden. Der Normzweck des § 205a BAO bestehe darin, das Zinsenrisiko im Verhältnis zu jenen abgabepflichtigen Parteien auszugleichen, die eine Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO beantragen würden und bei erfolgloser Bekämpfung der Nachforderung Zinsen zahlen müssten. Jene Parteien, die keine Aussetzung der Einhebung beantragen würden, sondern die strittige Nachforderung entrichten, sollten nunmehr gemäß § 205a BAO bei erfolgreicher Bekämpfung Zinsen erhalten.
Gegenständlich sei eine Vorsteuergutschrift in Höhe von 145.716,82 € beantragt worden. Diese Vorsteuern seien zwar nicht anerkannt worden, doch würden sie insofern zu keiner Abgabenbelastung führen, als der strittige Betrag quasi keine Nachforderung darstelle. Vorliegend sei weder eine Abgabenschuldigkeit entrichtet worden, noch sei diese später herabgesetzt worden. Ein Streit über die Zurechnung einer Abgabengutschrift könne mangels "Entrichtung" zu keiner Verzinsung führen. Hier würden nach dem Wortlaut der Vorschrift Beschwerdezinsen nicht zustehen und es bleibe daher für einen Analogieschluss kein Raum. Durch den Normzweck sei eindeutig erkennbar, dass auch für §205a BAO keine planwidrige Lücke vorliege.
Es werde auf § 323 Abs. 75 BAO verwiesen, wo geregelt werde, dass § 205c BAO erst mit in Kraft trete. Ein offenes Verfahren liege gegenständlich nicht vor.
Der EuGH hätte in einigen Urteilen lediglich die Beachtung unionsrechtlicher Grundsätze des nationalen Gesetzgebers bei der Ausgestaltung einer innerstaatlichen Zinsenregelung bestätigt (den Urteilen des EuGH wären Sachverhalte zugrunde gelegen, wo nationale Zinsenregelungen vorherrschend gewesen wären; vgl. , C 591/10, Littlewoods und , C-431/12, SC Rafinaria Steaua Romana).
Die erga omnes Wirkung ergebe sich daraus nicht und könne die Anwendung der Rechtsgrundsätze für Rechtsanalogie im innerstaatlichen Kontext hierdurch nicht durchbrechen werden. Das "Interesse des Gemeinschaftsrechtes" an einer richtigen Auslegung bringe es mit sich, dass dadurch großzügigere Möglichkeiten der Rechtsanalogie als innerstaatlich vorgesehen, gerechtfertigt werden.
Aus diesen Gründen sei die geltend gemachte Gutschriftsverzinsung über Analogieschluss der §§ 205, 205a BAO bzw. im Hinblick auf den damaligen Gesetzesentwurf des § 205c BAO nicht anwendbar und es sei der Zurückweisungsbescheid zurecht erfolgt.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht eingereicht und unter anderem wie folgt ausgeführt:
2. Die Begründung der Behörde ist nicht überzeugend
2.1. Die Gewährung von Umsatzsteuerzinsen erfolgt nicht contra legem
Die Behörde widersetze sich der Rechtsprechung des , indem sie die vom VwGH für geboten erachtete Gesamtanalogie auf den vorliegenden Sachverhalt doch nicht anwenden möchte, sondern von einer Gesetzesauslegung contra legem spreche.
Tatsächlich hätte der VwGH in seinem Erkenntnis ausgesprochen, dass die Verzugszinsenbestimmung der BAO, wie sie vor dem Inkrafttreten des § 205c BAO in Bestand gewesen wäre, hinsichtlich der Umsatzsteuer mit dem EU-Recht unvereinbar gewesen wären. Zur Auflösung dieses Widerspruches sei eine Gesamtanalogie vorzunehmen, die auch eine dem Effektivitätsgrundsatz entsprechende Lösung für verspätete Gutschriften von Vorsteuern bzw. Umsatzsteuerguthaben ermöglichen würde.
Die Gewährung der Umsatzsteuerverzinsung würde gerade nicht contra legem erfolgen, sondern die durch den VwGH und den EuGH vorgefundene Rechtslage umsetzen.
2.2. Im vorliegenden Fall gehe es um eine Rechtskraftdurchbrechung
Die Amtspartei argumentiere in der Beschwerdevorentscheidung auch damit, dass eine neue oder geänderte EuGH-Rechtsprechung keinen Grund für eine Rechtskraftdurchbrechung in einem größerem Ausmaß darstellen würde, als Entscheidungen anderer Gerichte.
Das dazu zitierte Erkenntnis des G 5/09, betreffe eine Bestimmung der Tiroler Landesabgabenordnung iZm Getränkesteuerverfahren, die es der Behörde ermöglicht haben würde, bereits abgeschlossene Getränkesteuerverfahren in Folge der EuGH-Rechtsprechung zur Getränkesteuer zu Lasten des Abgabepflichtigen wieder aufzunehmen. Der VfGH hätte diesen gesetzgeberischen Eingriff in die Rechtskraft bereits abgeschlossener Verfahren als nicht verfassungskonform beurteilt.
Um eine Rechtskraftdurchbrechung gehe es im vorliegenden Fall gar nicht. Für die beanspruchte Umsatzsteuerverzinsung liege kein rechtskräftiger Verwaltungsakt vor.
Vielmehr sie im laufenden Verfahren zu klären, ob die Beschwerdeführerin eine Umsatzsteuerverzinsung auf Basis der im Antragszeitpunkt gültigen Rechtslage zustehe, wobei nach der Rechtsprechung des VwGH auch europarechtliche Aspekte, insbesondere der vom EuGH im Umsatzsteuerrecht in ständiger Rechtsprechung judizierte Effektivitätsgrundsatz zu berücksichtigen seien.
Es sei somit durch Interpretation der im Antragszeitpunkt bestehenden Rechtslage zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin den Anspruch auf Umsatzsteuerverzinsung zukomme. Diese Frage sei aber durch die Rechtsprechung des VwGH, die sich auf die ständige Rechtsprechung des EuGH in den im Verfahren mehrfach zitierten Urteilen berufen könne, geklärt.

Mit Vorlagebericht vom wurde die obige Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und auch wie folgt ausgeführt:
Für die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte gebotene Gesamtanalogie würden nach Rechtsansicht der Abgabenbehörde die Grundsätze der Effektivität und Äquivalenz gelten. Das hieße es solle effektiv der gesetzliche Gestaltungswille erfüllt werden, aber nur dann, wenn ein gesetzliches Äquivalent bestehe. Dieses liege vor, wenn innerstaatlich in der BAO eine planwidrige Lücke iVm den jeweiligen normierten Zinstatbeständen vorliege.
Demnach sei eine bestimmte Rechtsvorschrift auf einen inhaltlich ähnlichen Sachverhalt, das nicht explizit mitgeregelt sei, nur dann anzuwenden, wenn die Gesetzgebung einen Sachverhalt ungewollt nicht (mit)geregelt habe. Die analoge Anwendung einer Bestimmung dürfe jedoch nicht einer gesetzlich bezweckten Beschränkung widersprechen.
In § 205 BAO sei jedoch die Verzinsung von Differenzbeträgen aus der Umsatzsteuer bewusst nicht mitumfasst. Die ausdrückliche, gesetzlich bezweckte Beschränkung des Anwendungsbereiches auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer würden die Annahme einer planwidrigen Lücke ausschließen. Eine Anwendung des § 205 BAO auf Umsatzsteuerguthaben würde contra legem sein.
Ebenso die analoge Anwendung des § 205a BAO (Beschwerdezinsen), da diese auf eine entrichtete Abgabenschuldigkeit abstelle und somit bei Fällen ausstehender Zuerkennung eines Guthabens nicht zum Tragen komme.
Das Gesamtbild der Rechtslage lasse keinen (Gesamt-)Analogieschluss zu. Im Zeitpunkt der Antragstellung hätte die Rechtsfrage hinsichtlich eines Anspruches auf Umsatzsteuergutschrift-Verzinsung eindeutig geklärt werden können.
Die Rechtskraftdurchbrechung erblicke die Amtspartei dahingehend, als mit , ein rechtskräftiges Erkenntnis vorgelegen wäre und zu diesem Zeitpunkt eine Umsatzsteuergutschrift-Verzinsung noch nicht vorgesehen gewesen wäre.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Anbringen vom beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung von Verzugszinsen im Hinblick auf die nicht rechtzeitige Anerkennung von Vorsteuerbeträgen im Jahr 2014.
Zugrunde liegt ein Wohnungskauf im Jahr 2014, aus dem sich ein Vorsteuerbetrag von 145.716,83 € ergeben hat. Nach Nichtanerkennung des Vorsteuerbetrages durch die Amtspartei wurde der Rechtsweg beschritten und nach stattgebendem Erkenntnis des BFG am erfolgte schließlich eine Gutschrift.
Aus dem Erkenntnis des , iVm der Rechtsprechung des EuGH leitet die Beschwerdeführerin einen unionsrechtlichen Anspruch auf Verzugszinsen bzw. Umsatzsteuerzinsen ab.

Mit gegenständlichem Bescheid vom wurde dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

Am wurde Beschwerde erhoben und insbesondere aus Art 183 MwStSystRL und dem CS bzw. Technorent International GmbH ein Anspruch auf Verzinsung abgeleitet.

Nach Ergehen einer abweislichen Beschwerdevorentscheidung am wurde am der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung gestellt.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung von Verzugszinsen im Hinblick auf die nicht rechtzeitige Erstattung des Umsatzsteuer-Guthabens für das Jahr 2014 bzw. Vorenthaltung von Vorsteuerbeträgen und bezog sich auf die Judikatur des EuGH (, C-107/10; , C-431/12; , C-844/19, woraus sie einen unionsrechtlichen Anspruch auf Verzugszinsen bzw. Umsatzsteuerzinsen ableitete.

Nach § 85a BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen (§ 85 BAO) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

Mit Zurückweisung des Antrages auf Festsetzung von Verzugszinsen hat die belangte Behörde eine Sachentscheidung verweigert, zumal eine Zurückweisung nur dann zu erfolgen hat, wenn ein Anbringen aus formalen Gründen (etwa Fehlen der Antragslegitimation, Verspätung etc.) unzulässig ist. Der Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation (Ritz, ÖStZ 1988, 243) spricht für eine weite Auslegung des § 85a BAO. Daher unterliegen Anbringen, auch wenn sie nicht gesetzlich vorgesehen sind, jedenfalls dann der Entscheidungspflicht, wenn die Erledigung nicht im Ermessen liegt, wenn also die Behörde auch ohne Anbringen, amtswegig, zur Bescheiderlassung verpflichtet wäre.
Laut Erkenntnis des , ist ein Anspruch auf Umsatzsteuerzinsen schon vor Einführung des § 205c BAO unionsrechtlich gegeben.
Die Abgabenbehörde hätte eine inhaltliche Absprache über den Antrag vornehmen müssen.
Die Zurückweisung des gegenständlichen Anbringens mit der Begründung einer fehlenden gesetzlichen Grundlage ist folglich verfassungsrechtlich bedenklich.

Nach § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Änderungsbefugnis ("nach jeder Richtung") ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (; , 2012/15/0161; , Ra 2020/16/0137; , Ra 2018/16/0121).
Bei Zurückweisung eines Anbringens ist daher "Sache" und Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Frage, ob dem Antragsteller von der Abgabenbehörde zu Recht eine Sachentscheidung verweigert wurde (; ; , RV/6100449/2022).
Eine Uminterpretation des Spruches des angefochtenen Bescheides in eine Abweisung ginge über die Sachentscheidungskompetenz des Gerichts hinaus (Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 11 mit Hinweis auf ) und kommt somit nicht in Betracht.

Der angefochtene Bescheid war folglich aufzuheben (Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz. 6), da ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu Unrecht erlassen wurde und sich die belangte Behörde materiell-rechtlich mit dem geltend gemachten Zinsenanspruch hätte auseinandersetzen müssen.

2.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist unzulässig, da der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0035 bereits grundsätzlich den Anspruch von Umsatzsteuerzinsen schon vor Einführung des § 205c BAO als unionsrechtlich gegeben erachtete und daher das Erfordernis einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Antragsbegehren geboten war. Der Umfang der Abänderungsbefugnis des Gerichts ist durch die zitierte Rechtsprechung geklärt. Es liegt folglich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 205c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205c Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323 Abs. 75 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise







G 5/09





ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103678.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at