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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2024, RV/5100286/2024

§ 295a BAO iVm der Covid-19-Verlustberücksichtigungsverordnung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***2***, vertreten durch Vertreter, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 zu Recht erkannt:

I.
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtenen Bescheid wird aufgehoben.

II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 vom wurde eine COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € beantragt und Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 132.441,39 € erklärt.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom wurde die Rücklage in dieser Höhe festgesetzt.

Mit Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 wurde die Hinzurechnung der in der Veranlagung 2019 abgezogenen COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € beantragt und Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von -1.797,21 € erklärt.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom wurde der Bescheid vom gemäß § 295a BAO geändert. Als COVID-Rücklage wurde eine Betrag von -1.797,21 € festgesetzt und wie folgt begründet:
Da sich die gebildete COVID-19-Rücklage als zu hoch erwiesen hätte, wäre eine entsprechende Bescheidänderung vorzunehmen gewesen.

Mit Schreiben vom wurde gegen obigen Bescheid Beschwerde erhoben und wie folgt begründet: Die rückwirkende Kürzung der COVID-19-Rücklage mit Verweis auf § 295a BAO finde sich zwar in den EStR (Rz 3920), bei den Einkommensteuerrichtlinen handle es sich jedoch lediglich um einen Auslegungsbehelf. Diese rückwirkende Kürzung erscheine weder vom EStG 1988, noch von der COBID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung gedeckt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wie folgt begründet:
Die Einkommensteuerrichtlinien seien Auslegungsbehelfe, und die österreichische Finanzverwaltung halte sich an diese, sollten Rechtsbeurteilungen nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt sein.
Da es sich bei der für 2019 erklärten COVID-19-Rücklage nicht bloß um eine geringfügige betragliche Differenz zu den tatsächlichen Verlusten im Jahr 2020 handle, wäre die COVID-19-Rücklage entsprechend zu korrigieren gewesen.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht gestellt und wie folgt begründet:
Es werde die Anerkennung der COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € im Jahr 2019 und deren vollständige Auflösung im Jahr 2020 beantragt.
Im zeitlichen Zusammenhang mit der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2020 sei die COVID-19-Rücklage 2019 rückwirkend gekürzt worden mit der Begründung, dass sich diese nachträglich als zu hoch erwiesen hätte.
In der Beschwerdevorentscheidung berufe sich das Finanzamt auf die Einkommensteuerrichtlinien, ohne diese jedoch konkret zu zitieren. Es ergebe sich bei Einsicht in die Einkommensteuerrichtlinien auch gar nicht, dass die bei der Veranlagung für 2019 gebildete COVID-19-Rücklage zu einer Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2019 gemäß § 295a BAO führen könne, wenn sich bei der Veranlagung 2020 herausstelle, dass die gebildete COVID-19-Rücklage nicht dem tatsächlichen Verlust bei der Veranlagung entsprochen hätte.
Würde sich eine derartige Handlungsanweisung aber tatsächlich in den Einkommensteuerrichtlinien der Finanzverwaltung finden, so widerspreche diese klar dem Wortlaut der § 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, da darin ausdrücklich geregelt sei, dass die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen sei.
Es bestehe daher keine Rechtsgrundlage dafür, die Differenz zwischen der bei der Veranlagung 2019 berücksichtigten COVID-19-Rücklage und dem tatsächlichen Verlust bei der Veranlagung 2020 rückwirkend in die Veranlagung des Jahres 2019 einzubeziehen und den Bescheid gemäß dem § 295a BAO abzuändern.
§ 295a BAO setze nicht nur ein "Ereignis" voraus, sondern auch, dass dieses abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hätte, Dafür bedürfe es einer Rechtsgrundlage im Gesetz oder in einer Verordnung.
Dies sei bei einer Erlassmeinung des Bundesministeriums für Finanzen aber gerade nicht der Fall. Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen habe, würden Erlässe der Finanzverwaltung keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen begründen (; , 2010/13/0138). Sie würden lediglich die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen darstellen. Die Einkommensteuerrichtlinien würden in ihrer Einleitung sogar selbst darauf hinweisen, dass aus ihnen über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten nicht abgeleitet werden könnten.
Die Erlassung von Einkommensteuerrichtlinien des Bundesministeriums für Finanzen könne daher schon aus diesem Grund kein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO herbeiführen ().
Die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2019 gemäß § 295a BAO durch nachträgliche Hinzurechnung jenes Teiles der COVID-19-Rücklage, die nicht einem tatsächlichen Verlust im Jahr 2020 entspreche, bei der Veranlagung 2019 sei rechtswidrig und hätte daher die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2019 und eine Abgabennachforderung von 18.967,00 € für 2019 zu unterbleiben. Vielmehr sei die gesamte für das Jahr 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage gemäß § 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen.

Mit Vorlagebericht vom wurde die obige Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und unter anderem wie folgt ausgeführt:
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hätte am die Einkommensteuererklärung 2019 eingereicht. In dieser sei ein Antrag auf Berücksichtigung einer COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € gestellt und die Erklärung abgegeben worden, dass bei der Veranlagung 2020 der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte voraussichtlich negativ sein werde.
Im Einkommensteuerbescheid 2019 vom sei die COVID-19-Rücklage im beantragten Ausmaß anerkannt worden.
Nachdem sich aus der am eingereichten Einkommensteuererklärung für 2020 ein negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte in Höhe von lediglich 1.791,21 € ergeben hätte (Probebescheid 2020) hätte das Finanzamt am den angefochtenen, gemäß § 295a BAO geänderten Bescheid für 2019 erlassen und diesen bezüglich der COVID-Rücklage, die nur im Ausmaß des negativen Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte laut Einkommensteuererklärung 2020 anerkannt worden war, berichtigt.
Stellungnahme:
1. Rechtslage
§ 295a Abs. 1 BAO; § 124b Z 355 lit. a EStG 1988; COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl.II, Nr. 405/2020, § 1 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988
2. Verwaltungspraxis
Ergebe sich in Folge der Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage (im Jahr der Auflösung) ein positiver Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte sei die COVID-19-Rücklage zu hoch gebildet worden und es sei eine Korrektur vorzunehmen: Im Jahr der Bildung der COVID-19-Rücklage sei diese dahingehend zu kürzen, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasse. Die Korrektur sei im Wege des § 295a BAO vorzunehmen.
3. Rechtsauffassung des Finanzamtes
§ 295a BAO sei der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden - trete ein solches Ereignis nach Erlassen des Bescheides ein, dann sei § 295a BAO anwendbar.
In § 124b Z 355 lit. a EStG 1988 werde für den Verlustvortrag ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 295a BAO angeordnet.
Aus der am eingereichten Abgabenerklärung für 2020 sei ersichtlich, dass sich für dieses Jahr ein negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte in Höhe von lediglich 1.797,21 € ergeben hätte und dass sich aufgrund der Hinzurechnung der für 2019 gebildeten COVID-19-Rücklage ein positiver Gesamtbetrag in beträchtlicher Höhe ergeben haben würde. Damit wäre für das Finanzamt erwiesen, dass die COVID-19-Rücklage 2019 zu hoch gebildet worden wäre.
Das Finanzamt hätte den Einkommensteuerbescheid 2019 wie im Sachverhalt dargestellt geändert und werde folglich im Einkommensteuerbescheid 2020 eine Zurechnung der COVID-19-Rücklage nur in der Höhe des negativen Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2020 durchführen.
Die COVID-19-Rücklage sei eine vorweggenommene Berücksichtigung des Verlustrücktrages, der auf der COVID-19-Verlusberücksichtigungsverordnung beruhe, deren Rechtsgrundlage wiederum die Verordnungsermächtigung in § 124b Z 355 lit. a EStG 1988 darstelle. Der COVID- 19-Verlustverücksichtigungsverordnung könne im Weg der Auslegung keine über den Gesetzestext hinausgehende Bedeutung beigemessen werden. Der Gesetzestext des § 124b Z 355 EStG 1988 lasse ausschließlich die Berücksichtigung von Verlusten zu, nicht aber die Verschiebung von Gewinnen.
§ 1 Abs. 1 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung erfordere daher in gesetzeskonformer Auslegung einen negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr der Auflösung der Rücklage. Sei die Rücklage zu hoch gebildet worden, sei (allenfalls abgesehen von Bagatellfällen) immer eine Korrektur im Jahr der Bildung erforderlich.
Mangels eines ausreichenden negativen Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte im Veranlagungsjahr 2020 würde es im Falle eines stattgebenden Erledigung der Beschwerde zu einer willkürlichen Gewinnverschiebung kommen.

Mit Erkenntnis des RV/5100379/2022, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Nach ordentlicher Revision durch den Beschwerdeführer wurde diese Entscheidung mit Erkenntnis des , wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Einkommensteuererklärung 2019 des Beschwerdeführers langte am elektronisch beim Finanzamt ein. Der Beschwerdeführer beantragte darin für das Jahr 2019 eine COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € gemäß COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020.

Diese wurde ihm im ursprünglichen (ersten) Einkommensteuerbescheid vom im beantragten Ausmaß gewährt. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit wurden mit 132.441,39 € festgesetzt.

Die Einkommensteuererklärung 2020 langte am elektronisch beim Finanzamt ein, der Verlust aus den Einkünften aus selbständiger Arbeit laut Erklärung beträgt 1.797,21 €.

Mit dem beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheid gemäß § 295a BAO wurde die COVID-19-Rücklage des Jahres 2019 auf den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte des Kalenderjahres 2020 in Höhe von 1.797,21 € Euro gekürzt.

2. Beweiswürdigung

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den vorgelegten Aktenteilen und dem Parteienvorbringen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 124b Z 355 lit. a EStG 1988 lautet wie folgt:
a.
Verluste aus Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte im Rahmen der Veranlagung 2020 nicht ausgeglichen werden, können im Rahmen der Veranlagung 2019 bis zu einem Betrag von 5,000.000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abgezogen werden (Verlustrücktrag). Soweit ein Abzug im Rahmen der Veranlagung 2019 nicht möglich ist, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Veranlagung 2018 erfolgen. Dabei gilt:
- Die Verluste müssen durch ordnungsgemäße Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt worden sein.
- Der Verlustrücktrag erfolgt auf Antrag. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO.
- Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 nicht rückgetragen werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 in Folgejahren abgezogen werden (Verlustabzug).

Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann, um bei den Steuerpflichtigen früher positive Liquiditätseffekte herbeizuführen. Dabei sind auch die Voraussetzungen für die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2018 näher festzulegen.

Aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 124b Z 355 EStG 1988 wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Verlustberücksichtigung 2019 und 2018 (COVID-19-Verlustberücksichitgungsverordnung), BGBl. II Nr. 405/2020 erlassen, deren Abschnitt 1 unter anderem wie folgt lautet:
COVID-19-Rücklage
§ 1
Abs. 1
Zur Schaffung von positiven Liquiditätseffekten vor Durchführung der Veranlagung 2020 können voraussichtliche betriebliche Verluste 2020 bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch einen besonderen Abzugsposten (COVID-19-Rücklage) berücksichtigt werden. Dabei gilt:
1. Die Bildung der COVID-Rücklage setzt voraus, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. Als Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte gilt der Saldo der nach dem Tarif zu versteuernden Gewinne und Verluste (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988) aus Wirtschaftsjahren, die im jeweiligen Kalenderjahr enden.
Abs. 2
Die COVID-19-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019. Sie lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.
Abs. 3
Für die Ermittlung der Höhe der COVID-19-Rücklage gilt:
a.
Sie betrage ohne weiteren Nachweis bis zu 30 % des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen oder nur in Höhe der Mindeststeuer gemäß § 24a KStG 1988 festgesetzt wurden.
b.
Sie beträgt bis zu 60 % des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird.
c.
Sie darf fünf Millionen Euro nicht übersteigen.
…..
§ 2
Die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage ist im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen. Dieser lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.
…..
§ 4
Die Bildung einer COVID-Rücklage erfolgt auf Antrag. Der Antrag kann ab unter Verwendung des dafür vorgesehenen amtlichen Formulars gestellt werden. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO.

Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

In , wurde wie folgt ausgeführt:
"Mit § 124b Z 355 EStG 1988 wurde vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie ermöglicht, einen Verlustrücktrag für das Jahr 2020 in das Jahr 2019 bzw. das Jahr 2018 durchzuführen. Dabei ist der Verlust durch ordnungsgemäße Buchführung bzw. ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln. Das Gesetz sieht eine Verordnungsermächtigung vor, die es dem Bundesminister für Finanzen ermöglichen soll, den Verlust aus dem Jahr 2020 bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 im Jahr 2019 zu berücksichtigen, um positive Liquiditätseffekte zu erreichen.
Die dazu ergangenen COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung sieht vor, dass im Jahr 2019 auf Antrag bereits vor der Veranlagung 2020 der voraussichtliche Verlust 2020 im Rahmen einer Rücklage berücksichtigt werden kann, die im Jahr 2020 durch Hinzurechnung aufzulösen ist. Dabei können ohne weiteren Nachweis bis zu 30 % des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen, in die Rücklage eingestellt werden. Bis zu 60 % des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019 können in die Rücklage eingestellt werden, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird.
Diese pauschalen Ansätze tragen dem Anliegen Rechnung, dass rasch eine Liquiditätserleichterung für Unternehmen gewährt werden kann, um Verluste aus dem Jahr 2020 teilweise kompensieren zu können, und berücksichtigen, dass die Verluste 2020 vor der Veranlagung noch nicht endgültig feststehen.
Ob im Revisionsfall § 1 Abs. 1 Z 3 lit. a oder lit. b der Verordnung in Anspruch genommen wurde, wurde vom Bundesfinanzgericht nicht festgestellt. In beiden Fällen ist allerdings vorgesehen (§ 1 Abs. 1 der VO), dass nur der voraussichtliche Verlust des Jahres 2020 in die Rücklage gestellt werden kann. Deshalb hat der Antragsteller den voraussichtlichen Verlust, der im Zeitpunkt der Antragstellung erwartet wird, ordnungsgemäß zu ermitteln. Wenn dieser nicht mehr als 30 % der Einkünfte des Jahres 2019 beträgt, kann er ihn, ohne im Rahmen
der Veranlagung für das Jahr 2019 einen Nachweis vorlegen zu müssen, als Rücklage im Jahr 2019 geltend machen. Ist er voraussichtlich höher und beabsichtigt der Antragsteller mehr als 30 % der Einkünfte des Jahres 2019 geltend zu machen, muss der voraussichtliche Verlust 2020 dem Finanzamt glaubhaft gemacht werden. Für eine pauschale Rücklage von bis zu 30 % des Gesamtbetrages der Einkünfte aus dem Jahr 2019 ohne ordnungsgemäße Ermittlung im Zeitpunkt der Antragstellung besteht somit keine Rechtsgrundlage. In einem solchen Fall eines nicht ordnungsgemäßermittelten voraussichtlichen Verlustes wird im Allgemeinen ein Wiederaufnahmegrund vorliegen.
Die in § 1 Abs. 1 Z 3 lit. a der Verordnung enthaltene Wortfolge "ohne weiteren Nachweis" bedeutet daher nicht, dass der Antragsteller vom Finanzamt nicht nachträglich im Rahmen eines Vorhalteverfahrens zur Bescheinigung der ordnungsgemäßen Ermittlung des voraussichtlichen Verlustes 2020 aufgefordert werden kann, sondern sollte lediglich eine rasche Berücksichtigung von voraussichtlichen Verlusten zur Liquiditätsstärkung ermöglichen, weshalb unmittelbar bei der Antragstellung kein gesonderter Nachweis erfolgen musste.
Das Bundesfinanzgericht hat den vom Finanzamt als Verfahrenstitel für die Rechtskraftdurchbrechung herangezogenen
§ 295a BAO bestätigt.
Wie der VwGH wiederholt ausgesprochen hat, ist
§ 295a BAO nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses erlassenen Bescheiden. § 295a BAO ist nur anwendbar, wenn ein solches Ereignis nachträglich (nach Erlassung des Bescheides) eintritt. Es ist eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der materiellrechtlichen Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung zukommt ( Ra 2022/15/0057).
Die COVID-19-Rücklage ist aufgrund eines Antrages mit einer ordnungsgemäßen Ermittlung des (voraussichtlichen) Verlustes 2020 im Einkommensteuerbescheid für 2019 zu berücksichtigen. Auf eine exakte Übereinstimmung des geltend gemachten Verlustrücktrages mit dem tatsächlichen Verlust stellt das Gesetz iVm der hierzu ergangenen VO bei der Geltendmachung eines voraussichtlichen Verlustes - wie oben dargelegt - nicht ab und richtet dazu ein eigenes Hinzurechnungssystem ein, das Differenzen zwischen ordnungsgemäß ermitteltem voraussichtlichen Verlust 2020 und tatsächlichem Verlust 2020 ausgleicht. Vor diesem Hintergrund bleibt für das vom BFG angenommene rückwirkende Ereignis kein Raum.
Nach dem Gesagten erweist sich das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war."

Der VwGH sieht im Umstand, dass der im Rahmen der Veranlagung 2019 als COVID-19-Rücklage ausgewiesene Verlust für das Jahr 2020 tatsächlich nicht in dieser Höhe entstanden ist, kein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO, weshalb der Beschwerde stattzugeben und der gegenständliche Bescheid aufzuheben war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Erkenntnis wird dem , Rechnung getragen, weshalb eine ordentliche Revision unzulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020
§ 124b Z 355 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 1 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100286.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at