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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.03.2024, RV/7100120/2023

Bestandvertrag, bei dem der Mieterin nach 5 Jahren jährlich ein ordentliches Kündigungsrecht zusteht und nur die Vermieterin für 30 Jahre gebunden ist

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ludwig & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Kohlmarkt 8-10 Tür Eing. Wallnerstr. 1, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Gebühren zu ***ErfNr***, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insofern abgeändert, als die Gebühr gemäß § 33 TP 5 GebG mit € 28.786,76 (1 % einer Bemessungsgrundlage von € 2.878.676,35) festgesetzt wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Gebührenanzeige vom - Bestandvertrag vom

Am wurde dem (damaligen) Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle für Sonderzuständigkeiten, kurz FA) ein am zwischen der ***V*** als Vermieterin und der ***Bf1*** (der nunmehrigen Beschwerdeführerin, kurz Bf.) als Mieterin abgeschlossener Bestandvertrag angezeigt.

Bescheid vom

Mit Bescheid vom setzte das FA die Gebühr mit € 64.770,19 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage iHv € 6.477.019,20 fest.

Die Begründung des Bescheides lautet wie folgt:

"Da die Bezahlung der Umsatzsteuer beurkundet wurde, ist sie dem Entgelt hinzuzurechnen.

Berechnung der Bemessungsgrundlage:

€ 29.986,20 Gesamtmietzins für die Bürofläche und die beiden Lagerflächen inkl. Nebenkosten und USt x 216 Monate = € 6.477.019,20
Zur Laufzeit ist zu sagen, dass die Mietdauer mit 30 Jahren bestimmt festgelegt wurde. Zwar kann der Mieter erstmals nach 5 Jahren unter Einhaltung einer 6- monatigen Kündigungsfrist und in weiterer Folge jedes halbe Jahr kündigen, jedoch verzichtet der Mieter in Punkt IV. Abs.3 schon wieder auf einige Kündigungsgründe und It. Abs. 6 ist der Mieter nur berechtigt, das vorliegende Bestandverhältnis vorzeitig zu kündigen, wenn der Mietgegenstand ohne sein Eigenverschulden unbenutzbar wird. Es kann daher nicht von einem schrankenlosen Kündigungsrecht gesprochen werden das zu einer unbestimmten Vertragsdauer führen würde. Auch treffen auf Grund der Verwendung des Mietgegenstandes {Geschäftszwecke) lediglich einige wenige Gründe des § 30 MRG zu, sodass auch hier keine uneingeschränkten Kündigungsrechte vorliegen.
Die Vertragsdauer wird weiterhin mit 30 Jahren angenommen, gem. § 15 (1) BewG darf der Gesamtwert das 18-fache des Jahreswertes nicht übersteigen daher wurden 18 Jahre angesetzt."

Beschwerde

Fristgerecht wurde dagegen Beschwerde erhoben und ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Die Beschwerde richtet sich gegen die Annahme einer bestimmten Dauer des Bestandverhältnisses von 30 Jahren.

Eingewandt wurde im Wesentlichen, dass der Mieter gemäß Punkt IV 2 des Mietvertrags zeitlich befristet für einen Zeitraum von 5 Jahren auf die Ausübung seines ordentlichen Kündigungsrechtes verzichtet habe. Nach Ablauf von 5 Jahren könne der Mieter das Mietverhältnis unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist erstmals zum und in Folge jeweils zum Ablauf des Vertragsjahres, somit jeweils mit Wirkung zum 30. September, aufkündigen.

Gemäß Punkt IV 3. des Mietvertrags stehe dem Mieter ansonsten kein Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung zu. Der Mieter verzichte jedenfalls auf sein Recht auf Aufkündigung, Auflösung oder Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums, Wegfalls der Geschäftsgrundlage sowie wegen geänderter Umstände oder wegen Nichteintritt des gewünschten oder erwarteten Erfolgs. D.h,, dass die Kündigungsmöglichkeit gern Punkt IV 2. des Mietvertrags dem Mieter dennoch zustehe.

Gem Punkt IV 6. habe der Mieter zusätzlich das Recht, das Bestandverhältnis gern § 1117 ABGB vorzeitig aufzulösen, wenn der Mietgegenstand ohne Verschulden des Mieters nahezu überwiegend unbenutzbar wird oder vom Vermieter nicht innerhalb von 6 Monaten nach Eintritt des Schadensereignisses wieder benutzbar gestellt wird. Auch diese Regelung bewirkt keine Einschränkung des Kündigungsrechts gern Punkt IV 2. des Mietvertrags.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sei bei der Ermittlung der Mietvertragsgebühr davon auszugehen, dass der Bestandsvertrag in den ersten fünf Jahren (Zeitraum des Kündigungsverzichts durch den Mieter) als befristet zu qualifizieren ist. Für den Zeitraum bis sei der Mietvertrag hingegen als in seiner Dauer unbestimmt zu qualifizieren. Grund dafür sei, dass der Mieter nach Ablauf von 5 Jahren das Recht habe, den Vertrag durch Kündigung aufzulösen.

Die Gebühr für den Mietvertrag sei daher auf Basis des achtfachen Jahreswertes (5-facher jahreswert für die befristete Mietdauer plus 3-facher Jahreswert für die als unbestimmt zu qualifizierende Mietdauer) zu berechnen.

Abschließend beantragte die Bf, den Gebührenbescheid hinsichtlich der Höhe der Gebührenschuld von EUR 64.770,19 auf EUR 28.786,76 abzuändern.

Beschwerdevorentscheidung

Die Beschwerde wurde vom FA mit BVE vom als unbegründet abgewiesen.

Die gesonderte Begründung lautet wie folgt:

"Gemäß Punkt IV 2. des Mietvertrages hat der Mieter für den Zeitraum von 5 Jahren auf die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechtes verzichtet. Danach kann der Mieter das Mietverhältnis unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist erstmals zum und in Folge jeweils zum Ablauf des Vertragsjahres, somit jeweils mit Wirkung zum 30. September aufkündigen. Diese Kündigungsmöglichkeit wird aber durch den Punkt IV 3. stark eingeschränkt. Dort verzichtet der Mieter das Vertragsverhältnis wegen Irrtum - mit Ausnahme von Zwang -, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, wegen geänderter Umstände oder wegen Nichteintritt des gewünschten oder erwarteten wirtschaftlichen Erfolges vorzeitig - vor Ablauf der (jeweils) festen Vertragsdauer - aufzukündigen. Dies gilt auch ausdrücklich, wenn sich das Geschäftsmodell des Mieters als Folge von Corona/COVID 19 nicht in der vom Mieter erwarteten Art und Weise entwickelt. Diese Einschränkungen beziehen sich nach Ansicht des Finanzamtes sehr wohl auf die vereinbarte Kündigungsmöglichkeit des Mieters. Das "ansonsten" bezieht sich nur darauf, dass der Mieter neben der Kündigung keine weitere Auflösungsmöglichkeit, also wie etwa eine außerordentliche Auflösung des Vertrages hat. Des Weiteren verzichtet der Mieter in diesem Punkt, das Vertragsverhältnis aus den oben genannten Gründen aufzukündigen. Es werden daher die Möglichkeiten den Vertrag zu kündigen eingeschränkt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen auf bestimmte Zeit und auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen, nach dem zweiten Satz des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG nicht im Wege steht (vgl. ).

In gegenständlichem Fall lässt sich aus dem Inhalt des Vertrages der Vertragswille herauslesen, dass beide Teile für die vereinbarte Zeit an den Vertrag gebunden sein wollen. Die Möglichkeit der Kündigung des Mieters nach 5 Jahren wird durch den Punkt IV 3. dermaßen eingeschränkt, dass eine Kündigung als sehr unwahrscheinlich einzustufen ist."

Vorlageantrag

Im Vorlageantrag führte die Bf. ua ergänzend aus wie folgt:

"Ein Bestandsverhältnis, welches zwar der Form nach auf eine bestimmte Zeit eingegangen wird, aber dennoch vor Ablauf dieser Zeit von jedem der beiden Vertragsteile oder auch nur von einem von ihnen beliebig aufgelöst werden kann, ist in seiner Dauer unbestimmt (vgl GebR Rz 687 und 696). Eine unbestimmte Vertragsdauer ist ebenfalls anzunehmen, wenn auch nur ein Vertragspartner in der Lage ist, den Vertrag jederzeit aufzulösen, wobei die Vereinbarung einzelner, bestimmt bezeichneter Kündigungsgründe (zB jene nach §§1117 und 1118 ABGB) nicht dazu führen, dass der Mietvertrag als auf bestimmte Dauer abgeschlossen anzusehen ist (vgl GebR Rz 695).

Unstrittig ist, dass der Mieter in den ersten fünf Jahren (bis zum ) auf die Ausübung seines ordentlichen Kündigungsrechts verzichtet hat und daher für diesen Zeitraum aus gebührenrechtlicher Sicht von einem auf bestimmte Dauer abgeschlossenen Bestandvertrag auszugehen ist.

Nach Ablauf dieses Zeitraums hat der Mieter jedoch gern Punkt IV. 2. des Bestandsvertrags das Recht, den Bestandvertrag unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist, jeweils zum 30.9., aufzukündigen. Als frühestmöglicher Kündigungstermin wurde der vereinbart. Das Vorliegen eines Kündigungsgrundes ist für die Ausübung des Kündigungsrechts nach dem Vertrag nicht vorgesehen. Es ist daher festzustellen, dass der Mieter das Mietverhältnis nach Ablauf von 5 Jahren ohne Angabe von Gründen, jedoch unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist jeweils zum 30.9. aufkündigen kann.

Entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamts wird dieses Kündigungsrecht durch die Bestimmung des Punktes IV.3. des Mietvertrags nicht berührt und dadurch folglich auch nicht eingeschränkt. Durch die Bestimmung verzichtet der Mieter lediglich darauf, das Vertragsverhältnis durch andere Mittel als durch die ordentliche Kündigung, welche nicht an Termin und Frist gebunden sind oder zu einer Auflösung des Vertrags ex tune führen würden, vorzeitig zu beendigen. Dies geht uE auch zweifelsfrei aus dem Wortlaut der Bestimmung hervor, wonach der Mieter "ansonsten" - also neben dem ordentlichen Kündigungsrecht - kein Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung hat.

Die Bestimmung ändert somit nichts daran, dass der Mieter das uneingeschränkte Recht hat, den

Mietvertrag jederzeit (unter Einhaltung von Kündigungsfrist und -termin) einseitig aufzukündigen, ohne dabei an das Vorliegen bestimmter Kündigungsgründe gebunden zu sein.

Insofern ist auch der Verweis des Finanzamts auf die Rechtsprechung des VwGH, wonach die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrags als auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen nicht im Wege steht, verfehlt. Im konkreten Fall wurde das Kündigungsrecht nämlich nicht an das Vorliegen einzelner bestimmt bezeichneter Gründe geknüpft. Vielmehr kann der Mieter dieses uneingeschränkt ausüben.

Somit kann die Behauptung des Finanzamts auch nicht nachvollzogen werden, dass aus dem Inhalt des Vertrags der Vertragswille herauszulesen sei, dass beide Teile für die vereinbarte Vertragsdauer von 30 Jahren an den Vertrag gebunden sein wollen. Wäre dies der Fall, hätten die Parteien einen Verzicht auf das Kündigungsrecht über die gesamte Vertragslaufzeit von 30 Jahren, und nicht nur für die ersten 5 Jahre vereinbart.

4. Ergebnis

Da dem Mieter nach Ablauf von 5 Jahren ein uneingeschränktes Kündigungsrecht zukommt, liegt grundsätzlich ein Vertrag auf unbestimmte Dauer vor (vgl GebR Rz 688). Im Zeitraum zwischen dem und dem ist das Bestandverhältnis als in seiner Dauer unbestimmt anzusehen. Es liegt somit ab dem ein Bestandvertrag von unbestimmter Dauer iSd § 33 TP 5 Abs 3 GebG vor, weshalb für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage betreffend diesen Zeitraum der dreifache Jahreswert heranzuziehen ist (vgl GebR 2019 Rz 697)."

Vorlage der Beschwerde an das BFG

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Darin merkte das FA zu Punkt IV.3. des Mietvertrages an, dass darin ausdrücklich auch die KÜNDIGUNG genannt sei ("aufzukündigen, aufzulösen oder sonst wie anzufechten."). Aufgrund der Textierung werde daher nicht "nur" auf die Auflösung oder Anfechtung verzichtet, sondern auch auf die Kündigung aus den davor genannten Gründen.

Zu den genannten Gründen würden insbesondere zählen: - geänderte Umstände, - der Nichteintritt des gewünschten oder erwarteten wirtschaftlichen Erfolges und - auch, wenn sich das Geschäftsmodell des Mieters als Folge von Corona/COVID-19 nicht in der vom Mieter erwarteten Art und Weise entwickelt.

Bei diesen Gründen handle es sich nicht um Anfechtungsgründe, Auflösungsgründe oder außerordentliche Kündigungsgründe (besonderes wichtige, zumeist verschuldensabhängige Gründe, wie zB jene des § 30 Abs. 2 MRG). Es handle sich vielmehr um typische Gründe für eine ordentliche Kündigung.

Der Mieter verzichte laut Punkt IV.3. JEDENFALLS das Vertragsverhältnis aus den aufgezählten Gründen aufzukündigen (aufzulösen oder sonst wie anzufechten).

Aus Sicht des Finanzamtes seien die vereinbarten Kündigungs- und Auflösungsgründe nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit nicht von so umfassender Natur, dass der grundsätzlich auf bestimmte Dauer abgeschlossene Bestandvertrag gebührenrechtlich (nach 5 Jahren) als Vertrag unbestimmter Dauer anzusehen sei.

Beweisaufnahme durch das BFG

Das BFG nahm Einsicht in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Aktenteile und ergibt sich dadurch der oben dargestellte Verfahrensablauf.

Mündliche Verhandlung

In der am durchgeführten Verhandlung berichtete die Richterin einleitend über die Ergebnisse der bisher durchgeführten Beweisaufnahme und wie sich der Sachverhalt für sie darstelle (siehe dazu die den Parteien bei Beginn der Verhandlung ausgehändigte Beilage ./1 zur Niederschrift).

Auf die Frage der Richterin, ob es zum Sachverhalt noch Ergänzungen gebe antworten die Parteien:

"Stb: Aus unsere Sicht kann die BF nach Ablauf von fünf Jahren mit einer ordentlichen Kündigung und unter Einhalten der sechs monatigen Kündigungsfrist aus dem Vertragsverhältnis ausscheiden.

FA: Verweise auf die bisherigen Ausführungen."

Zur rechtlichen Beurteilung führten die Parteien sodann aus wie in den Schriftsätzen im bisherigen Verfahren und ergänzten:

"Stb: Punkt IV 2 würde keinen Sinn ergeben, würde man der Vertragsauslegung des FA folgen.

FA: Ich verweise auf die Ausführungen in den Schriftsätzen."

Die Parteien stellten keine weiteren Fragen und Beweisanträge und wurde das Beweisverfahren geschlossen.

Die Vertretung der belangten Behörde beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

Die Vertretung der beschwerdeführenden Partei beantragte die Stattgabe der Beschwerde und die Abänderung des angefochtenen Bescheides.

Die Richterin verkündete den Beschluss, dass die Entscheidung gemäß § 277 Abs. 4 BAO der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am haben die ***V*** als Vermieterin und die Bf. als Mieterin durch Unterzeichnung der Vertragsurkunde einen Bestandvertrag über im Vertrag näher bezeichnete Büroräumlichkeiten und Lagerflächen abgeschlossen

Der Vertrag enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

I. Präambel

...

2. Das Mietverhältnis unterliegt den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes 1981 in der jeweils gültigen Fassung.

IV. Vertragsdauer

1. Das Mietverhältnis beginnt am und endet automatisch am , ohne dass es hierzu einer gesonderten Kündigung bedarf. Unberührt davon finden die Kündigungsbeschränkungen nach § 30 MRG in der jeweils gültigen Fassung und die Auflösungstatbestände gemäß § 1118 ABGB Anwendung, sodass der Vermieter das Mietverhältnis trotz Befristung nach § 30 MRG oder sonstigen vertraglichen vereinbarten Auflösungsgründen beenden kann.

Das Mietverhältnis wird unter der aufschiebenden Bedingung des Mietverzichts und der Rückstellung des Mietgegenstandes durch den Vormieter mit Wirkung zum abgeschlossen.

2. Der Mieter verzichtet zeitlich befristet auf die Ausübung seines ordentlichen Kündigungsrechtes. Das Mietverhältnis kann vom Mieter erstmals mit Wirkung zum unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist aufgekündigt werden. In der Folge kann das Mietverhältnis jeweils mit Wirkung zum Ablauf des nachfolgenden Vertragsjahres, somit jeweils mit Wirkung zum 30.09. jeweils unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist aufgekündigt werden. Teilkündigungen sind ausgeschlossen.

3. Dem Mieter steht ansonsten kein Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung - auch nicht innerhalb der jeweiligen Verlängerungsperiode - zu. Der Mieter verzichtet jedenfalls auf sein Recht auf Aufkündigung, Auflösung oder Anfechtung des Vertrags wegen Irrtum - mit Ausnahme von Zwang - wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, wegen geänderter Umstände oder wegen Nichteintritt des gewünschten oder erwarteten Erfolgs vorzeitig - vor Ablauf der (jeweils) festen Vertragsdauer aufzukündigen/ aufzulösen oder sonst wie anzufechten. Ausdrücklich gilt dies auch, wenn sich das Geschäftsrnodell des Mieters als Folge von Corona/COVID- 19 nicht in der vom Mieter erwarteten Art und Weise entwickelt.

4. Endet das Bestandsverhältnis - aus vom Mieter zu. vertretenden Gründen vorzejtig, soweit nicht das Bestandverhältnis nach Pkt. IV. 2 vom Mieter zu Recht aufgekündigt bzw. aufgelöst wurde, so hat der Mieter die Vermieterin unabhängig von einem Verschulden so zu stellen, als wäre das Mietverhältnis bis zur ordentlichen Vertragsauflösung oder zum ordentlichen Vertragsablauf oder der vertraglich entsprechen Vertragskündigung vom Mieter ordnungsgemäß und vollständig erfüllt worden, wobei den Vermieter eine Schadensminderungspflicht trifft.

5. Der Vermieter kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1117 ABGB die Auflösung des Mietverhältnisses verlangen.

6. Der Mieter ist nur berechtigt, das vorliegende Bestandverhältnis gernäß § 1117 ABGB vorzeitig aufzulösen, wenn der Mietgegenstand - ohne Verschulden des Mieters - nahezu überwiegend unbenutzbar oder vom Vermieter nicht innerhalb von 6 Monaten nach Eintritt des Schadensereignisses wieder benutzbar gestellt werden kann. Während der Dauer der Unbenützbarkeit besteht keine Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses."

Der Jahreswert des von der Bf. zu leistenden Mitzinses samt Nebenkosten beträgt € 359.634,54 (siehe dazu die Aufstellung der Bf. in der Beschwerde).

2. Beweiswürdigung

Zu den Sachverhaltsfeststellungen gelangte das Bundesfinanzgericht durch Einsicht in die vom Finanzamt vorgelegten Aktenteile. Es liegt keinerlei Hinweis dafür vor, dass der Inhalt der Vertragsurkunde nicht dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien entspricht.

Der nunmehr festgestellte Sachverhalt wurde in der mündlichen Verhandlung vorgetragen und wurde von der Bf. überzeugend dargetan, dass die Mieterin nach Ablauf von fünf Jahren mit einer ordentlichen Kündigung unter Einhalten der sechsmonatigen Kündigungsfrist aus dem Vertragsverhältnis ausscheiden kann. Dies steht auch im Einklang mit dem Inhalt der Urkunde, heißt es doch im Punkt IV.3 (der sich auf den vorangehenden Punkt IV.2 bezieht) ausdrücklich, dass dem Mieter "ansonsten" kein Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung besteht. Auch wenn der Mieter auf einige Gründe für eine vorzeitige Auflösung verzichtet, so bedeutet dies nicht, dass damit auch das im Vertragspunkt davor erstmals zum und danach jährlich zum 30.9 vereinbarte ordentliche Kündigungsrecht des Mieters hinfällig wäre. Gerade die Differenzierung im Vertrag zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung zeigt, dass sich die Mieterin (nur) für die Dauer von 5 Jahren gebunden hat und ihr anschließend jährlich - ohne Angabe von Gründen - zum 30.9 eine ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses zusteht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Rechtslage

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§§ 1090ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, im allgemeinen einer Gebühr von 1 v.H. nach dem Wert.

Gemäß § 33 TP 5 Abs 2 GebG zählen einmalige oder wiederkehrende Leistungen, die für die Überlassung des Gebrauches vereinbart werden, auch dann zum Wert, wenn sie unter vertraglich bestimmten Voraussetzungen auf andere Leistungen angerechnet werden können.

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 GebG sind bei unbestimmter Vertragsdauer die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG 1957 ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird auf Grund des § 17 Abs. 2 GebG 1957 bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

§ 1117 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, (ABGB), lautet:

Der Bestandnehmer ist berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem Vertrag ohne Kündigung abzustehen, wenn das Bestandstück in einem Zustand übergeben oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es zu dem bedungenen Gebrauch untauglich macht, oder wenn ein beträchtlicher Teil durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Aus dem Grunde der Gesundheitsschädlichkeit gemieteter Wohnräume steht dieses Recht dem Mieter auch dann zu, wenn er im Vertrage darauf verzichtet oder die Beschaffenheit der Räume beim Vertragsabschluss gekannt hat.

Erwägungen

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der gegenständliche Vertrag als Bestandvertrag iSd § 33 TP 5 Abs. 1 GebG zu qualifizieren ist. Ebenso unstrittig ist der Jahreswert der von der Bf. zu erbringen Leistungen.

Strittig ist lediglich die Vertragsdauer.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen "auf bestimmte Zeit" und "auf unbestimmte Zeit" abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen nicht entgegensteht. Ein nach seinem Wortlaut auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag ist als ein Vertrag auf vorerst bestimmte Dauer anzusehen, wenn nach seinem Inhalt das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist.

Ausnahmsweise bestehende Kündigungsmöglichkeiten vermögen die grundsätzliche Bindung einer Vertragspartei an ein nach dem Vertragsinhalt auf bestimmte Dauer abgeschlossenes Bestandverhältnis nicht aufzuheben ().

Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss (vgl. und 0112 mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertrages (etwa als auf unbestimmte Dauer abgeschlossen), sondern der gesamte Vertragsinhalt maßgeblich ().

Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, wird somit nicht nach der Form, sondern nach dem Inhalt des Vertrages beurteilt und hängt einerseits davon ab, wie umfassend die Kündigungsrechte sind, andererseits aber auch davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden kann (vgl. , mwN).

Zur Unterscheidung, ob ein Vertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, kommt es darauf an, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsparteien durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht.

Wenn zwar ein Vertragsteil sich durch Abgabe eines einseitigen Kündigungsverzichtes auf eine bestimmte Zeit bindet, während der andere das Vertragsverhältnis ohne Beschränkung auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Gründe durch Kündigung auflösen kann, dann ist (bloß) ein Bestandsverhältnis auf unbestimmte Dauer anzunehmen (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, § 33 TP 5 GebG Rz 142, unter Hinweis zB und 97/16/0038).

Im gegenständlichen Fall besteht zwischen den Vertragspartien insofern Einigkeit darüber, dass die Vermieterin für 30 Jahre gebunden ist und von Seiten der Vermieterin der Vertrag nur aus wichtigen Gründen vorzeitig gelöst werden darf.

Der Vertrag ist hier auslegungsbedürftig hinsichtlich der Frage, ob auch die Mieterin für 30 Jahre gebunden ist oder (nur) für 5 Jahre und diese den Vertrag nach Ablauf von 5 Jahren jährlich ohne Geltendmachung eines besonderen Auflösungsgrundes kündigen kann.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus Punkt I.2 das das Mietverhältnis den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliegt. Dazu ist zu bemerken, dass der VwGH erst jüngst im (mit dem die gegen die Entscheidung eingebrachte Amtsrevision zurückgewiesen wurde), ausgesprochen hat, dass aus dem in § 17 GebG 1957 normierten Urkundenprinzip nicht folgt, dass im Rahmen der Auslegung des Urkundeninhalts die Nichtanwendbarkeit des MRG und damit das Bestehen eines ordentlichen Kündigungsrechts nicht geprüft werden dürfte.

Aus dem Vertragswortlaut des Punktes IV verzichtet die Mieterin nur befristet für 5 Jahre auf ihr ordentliches Kündigungsrecht und kann von ihr der Vertrag erstmals mit und dann jährlich zum 30.9 gekündigt werden. Die Besonderheit hier ist nur, dass innerhalb des Zeitraumes von 5 Jahren auch außerordentliche Auflösungsmöglichkeiten von Seiten der Mieterin beinahe gänzlich ausgeschlossen wurden und auch anschließend im Ergebnis selbst bei Vorliegen einem wichtigen Grund eine Auflösung nur zum 30.9. unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten möglich ist und bis zu diesem Zeitpunkt nach Punkt IV. 4) eine Verpflichtung zur Leistung des Entgelts besteht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre bloß dann von einer bestimmten Vertragsdauer von 30 Jahren auszugehen, wenn eine auf die bestimmte Vertragsdauer geleistete Mietzinsvorauszahlung nicht zurückgefordert werden kann oder die Kündigung des nicht gebundenen Vermieters eine Zahlungspflicht des Mieters für die gesamte vertraglich fixierte Dauer auslöst. Eine Beendigung des Vertragsverhältnisses liege nur vor, wenn die durch die Aufkündigung erfolgende Beendigung des Vertragsverhältnisses die Befreiung beider Vertragspartner von ihren Verpflichtungen für die Zeit nach der Wirksamkeit der Auflösungserklärung nach sich ziehe (Bergmann/Wurm in Bergmann/Pinetz, GebG2, § 33 TP 5, Rz 209 mit Verweis auf ; ; ). Eine solche Zahlungsfrist der Mieterin für 30 Jahre ist dem Vertrag hier nicht zu entnehmen (sondern nach Ablauf von 5 Jahren bloß jeweils bis zum Ende des Vertragsjahres).

Die Vertragsauslegung ergibt daher, dass hier ein Vertrag von bestimmter Dauer von 5 Jahren mit anschließender unbestimmter Dauer vorliegt und ist die Bestandsvertragsgebühr daher ausgehend von einem Jahreswert iHv € 359.834,54 mit dem 8-fachen (5 Jahre bestimmte Dauer + 3 Jahre für die anschließende unbestimmte Dauer) zu berechnen (siehe dazu die Berechnung der Bf. in der Beschwerde)

Der Beschwerde ist daher Folge zu geben und der angefochten Bescheid wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die getroffene Entscheidung folgte bei der rechtlichen Beurteilung der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Entscheidend war hier letztendlich die Auslegung der konkreten Vertragsbestimmungen über das ordentliche Kündigungsrecht des Mieters im Einzelfall.

Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinne zu (vgl. ua. , , Ra 2016/16/0084, , Ra 2017/16/0088 und , Ra 2017/16/0111). Auch Einzelfragen der Auslegung von Verträgen stellen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. ). Die vertretbare Auslegung einer Urkunde geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und wirft in der Regel keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. ; sowie ).

Wien, am

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ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100120.2023

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