Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.04.2024, RV/5100328/2023

Dauernde Erwerbsunfähigkeit durch Gutachten bestätigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 04.2021-07.2022 Steuernummer zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Rückforderungsbescheid vom wurde die Familienbeihilfe (samt Geschwisterstaffel) für den Sohn der Bf. für den Zeitraum April 2021 bis Juli 2022 mit folgender Begründung zurückgefordert:

"Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zu. Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung wird als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt.

Da für Ihr Kind die allgemeine Familienbeihilfe nicht zusteht, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei Ihrem Kind ist das nicht der Fall (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Ihr Sohn ***1*** istvolljährig und steht in keiner Berufsausbildung. Laut Sachverständigengutachten vom und vom liegt keine Erwerbsunfähigkeit vor. Der Anspruch auf Familienbeihilfe war daher nicht mehr gegeben."

2. In der fristgerecht eingereichten Beschwerde vom ersucht die Bf. um ein neuerliches Gutachten für den Sohn. Er leide an einer Autismusspektrumsstörung, welche bei der letzten Untersuchung nicht berücksichtigt worden sei. Außerdem sei seine Erwerbsfähigkeit nicht geprüft worden.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

"Aufgrund Ihrer Beschwerden wurde am beim Sozialministeriumsservice ein neuerliches Gutachten für Sohn ***1*** angefordert.Dieses Gutachten wurde am erstellt und ergab Folgendes: Ab wurde bei Ihrem Sohn ***1*** eine Behinderung im Ausmaß von 30% bestätigt.Auch das vorherige Gutachten vom bestätigt, dass bei Ihrem Sohn eine Behinderung im Ausmaß von 50% ab und ab eine Behinderung von 30% vorliegt.Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit liegt laut beiden Gutachten nicht vor.Sohn ***1*** hat das 18.Lebensjahr im September 2020 vollendet und steht laut Aktenlage nicht in Berufsausbildung.Da ***1*** seit Vollendung des 18.Lebensjahres weder in Ausbildung steht noch eine vom Sozialministeriumservice bestätigte dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt und somit die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug des Grundbetrages und den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe bei Ihrem Sohn ***1*** nicht gegeben sind, kann die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag im 04/2021 - 07/2022 nicht gewährt werden.Ihre Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid war daher abzuweisen."

4. Am wurde fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht und der Akt mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Angeregt durch das Bundesfinanzgericht wurde seitens der belangten Behörde neuerlich ein Gutachten angefordert.

Das Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom , welches dem Bundesfinanzgericht am übermittelt wurde, brachte folgendes Ergebnis:

Der Sohn der Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Der Sohn der Bf., ***1***, ist am ***Datum*** 2002 geboren und vollendete am ***Datum*** 2023 das 21. Lebensjahr.

Laut Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom liegt ein Grad der Behinderung von 50 v.H. seit Juni 2019 vor. Der Sohn der Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

2. Beweiswürdigung

Dieser als erwiesen angenommene Sachverhalt beruht auf dem seitens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstelltem Gutachten. Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Eine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit des vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachtens vom ist für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar. Insbesondere bewegt sich der festgestellte Grad der Behinderung innerhalb der unter Position Nr. der Anlage I zur Einschätzungsverordnung (Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung vom , BGBl II 2010/261, zuletzt geändert durch BGBl II 2012/251) angegebenen Bandbreite.

Die von der Bf. vorgelegten Befunde wurden im aktuellen Gutachten gewürdigt und mitberücksichtigt und eine persönliche Begutachtung durchgeführt. Die Angaben im aktuellen Gutachten vom sind für das Bundesfinanzgericht nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967: "Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, …

c)für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen […]"

§ 8 Abs. 4 FLAG 1967: "Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, ab um € 155,9."

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungs-gesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Der Nachweis einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit des Sohnes der Bf. konnte erbracht werden.

Somit steht der Bf. der Grund - und der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu, weshalb der Rückforderungsbescheid ersatzlos aufzuheben war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Sowohl VfGH als auch VwGH bejahen eine Bindung an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten. Die vom Bundesfinanzgericht durchzuführende Schlüssigkeitsprüfung betrifft keine Rechtsfrage, sondern ist Ausfluss der dem BFG obliegenden freien Beweiswürdigung.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100328.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at