Nachsicht, monatliches Einkommen von netto mehr als € 4.000,00, laufende EVZ werden nicht bezahlt, Abgabenrückstand erhöht sich laufend, Sohn zahlt zudem die Miete sowie Gas- und Stromrechnung, hohes Alter von 97 Jahren kein Nachsichtsgrund
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde des Abgabepflichtigen vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Abweisung eines Ansuchens um Nachsicht gemäß § 236 BAO zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom (persönlich überreicht) beantragte ***Bf1*** (in weiterer Folge: Bf.) die Abschreibung bzw. Löschung und Nachsicht gemäß §§ 236, 237 BAO, da er alle Voraussetzungen dieser §§ erfülle. Auch habe er seine Wohnung aufgeben müssen, da er die Miete nicht bezahlen habe können. Er sei notgedrungen in seiner Ordination wohnhaft. Seine Existenz sei enorm gefährdet, da er auf die Hilfe seines Sohnes abhängig sei. Angeschlossen war eine Auskunft der wirtschaftlichen Verhältnisse.
Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 vom wurde dieser Antrag auf Nachsicht der Abgabenschuld von € 40.079,23 mit folgender Begründung abgewiesen:
"Gem. § 236 Abs. 1 BA0 können fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Eine persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Einhebung die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet bzw. die Einhebung mit außergewöhnlich en wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden ist.
Eine sachliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, das einer anormalen Belastungswirkung verbunden mit einem atypischen Vermögenseingriff kommt.
In Ihren Unterlagen führten Sie an, dass sich Ihr monatliches Einkommen (**A** und **B**) auf insgesamt € 3.756,00 beläuft und somit deutlich den allgemeinen Grundbetrag (Existenzminimum) übersteigt. Es handelt sich dabei um einen Betrag, von dem anzunehmen ist, dass dieser ausreicht, um den notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Demnach liegt weder eine Gefährdung der Existenzgrundlage noch eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Härte bei Anwendung des Gesetzes vor.
Das Nachsichtsansuchen war daher abzuweisen.
Gem. § 235 BA0 können fällige Abgabenschuldigkeiten nur amtswegig gelöscht werden und liegt im Ermessen der Behörde. Es steht kein Rechtsanspruch auf die Löschung zu. Ihr Antrag auf Löschung ist daher als unzulässig zurückzuweisen."
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom (Eingangsstempel ) wird ausgeführt, dass sich das monatliche Einkommen von € 3.756,00 verkürze wegen der Miete von € 1.076,80, Heizkosten von 199,00, Stromkosten € 72,00, Krankenversicherung € 480,74, Mobilitätshilfe (Begleitperson) siehe Behindertenpass von € 1.000,00, verbleiben € 838,54.
"Ein Lebensunterhalt von EUR 838,54 monatlich für 2 Personen ist nicht möglich. Die Existenzgrundlage ist gefährdet. Meine Existenz ist lediglich durch meinen Sohn möglich."
Mit Beschwerdevorentscheidung des nunmehr zuständigen Finanzamtes Österreich Dienstelle 07 vom wurde die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet abgewiesen:
"Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Eine sachliche Unbilligkeit des Einzelfalles liegt aber nicht vor, wenn die Abgabennachforderung ganz allgemein die Auswirkung genereller Rechtsnormen ist, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage trifft. Materiell-rechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 BAO (vgl. Ritz, BAO § 236 Tz 13).
Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde und mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
Die von ihnen angeführte monatliche Nettoeinkommen in Höhe von € 3.756,00 lässt keinen Schluss auf eine Existenzgefährdung, die durch die Einhebung des Abgabenrückstandes bedingt wäre, zu. Dieses Einkommen liegt weit über dem gesetzlichen Existenzminimum. Es handelt sich dabei um einen Betrag, von dem anzunehmen ist, dass dieser ausreicht, dass der Verpflichtete seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten kann (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Exekutionsordnungs-Novelle 1991 - 181 BlgNR XVIII. GP).
Ist die Abgabenschuld in weiterer Folge tatsächlich nicht einbringlich, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine persönliche Unbilligkeit in Form einer Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung im Sinne des § 236 BAO gegeben (vgl. ).
Mangels Vorliegens einer persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit der Einhebung bleibt daher für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
Im Vorlageantrag vom (Datum Poststempel) beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Auf den Tenor seiner Beschwerden vom sowie und sei nicht berücksichtigt worden.
Im Vorlagebericht vom erstattet die belangte Behörde folgende Stellungnahme, die dem Beschwerdeführer zugestellt wurde:
"Gemäß § 236 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliegt, ist keine Ermessensfrage (), sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (; , 94/13/0047, 0049, 0050).
Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles kann eine persönliche oder sachliche sein. Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers (bzw aller Gesamtschuldner). Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des bzw der Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (; , 2003/14/0098). Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (; , 98/15/0176; , 98/13/0091; , 2001/14/0022; , 2005/17/0245, AW 2005/17/0061), "sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Abgabepflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist" ().
Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (; , 96/15/0154; , 99/16/0099; , 2003/17/0253; , 2004/16/0151; , 2013/17/0498). Materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 (Stoll, BAO, 2421).
Sind alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde (; , 2004/16/0151; , 2006/15/0259).
Bei der Ermessensübung wird vor allem das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen sein (Stoll, Ermessen, 164; ; , 93/15/0165, 93/15/0166; , 94/13/0020; , 2004/16/0077).
Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungslast und Beweislast beim Nachsichtswerber. Seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl ).
Den Antragsteller trifft eine erhöhte Mitwirkungspflicht (zB , 97/14/0091; , Ra 2018/15/0014). Er hat somit "einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann" (zB ; , 2010/16/0219; , 2013/16/0114; , Ra 2018/15/0014).
Die Nachsicht dient nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Bescheidbeschwerden) nachzuholen (; , 97/14/0013; , 2004/16/0151; , 2002/14/0138).
Im Vorlageantrag verweist der Bf. auf den Umstand hin, dass der Tenor seiner Beschwerden vom (Vorliegen einer schweren Gehbehinderung und der damit einhergehenden Ausgaben für die Mobilitätshilfe), (Ansuchen um Nachsicht) und (die Forderungen aus den Jahren 2013 und 2014 wären verjährt) nicht berücksichtigt worden wären.
Grundsätzlich wird von Seiten der Abgabenbehörde auf die Begründungen des angefochtenen Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung verwiesen. Zum Einwand, die Abgabennachforderungsbeträge 2013 und 2014 seien verjährt, ist festzuhalten, dass gemäß § 238 Abs 3 lit b BAO die Verjährung gehemmt ist, solange die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist. Da die Einhebung der ggstl Abgabennachforderungen lt. beigelegten AEH-Bescheiden ausgesetzt war, liegt eine Verjährung nicht vor.
Das Finanzamt Österreich als Abgabenbehörde beantragt die vollinhaltliche Abweisung der Beschwerde."
Zur Prüfung der aktuellen wirtschaftlichen Lage wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom um Auskunft ersucht:
"1. Wie hoch ist Ihr aktuelles monatliches Einkommen?
2. Sie haben im Jahr 2019 angegeben, über keine wesentlichen Sparguthaben zu verfügen. Hat sich daran zwischenzeitig etwas geändert? Wenn ja, in welcher Höhe? (z.B. Sparguthaben bei Banken, wie hoch ist der derzeitige Kontostand ihres Bankkontos etc.)?
3. Erhalten Sie neben den Pensionen noch finanzielle Unterstützung von anderen Personen? (Sie haben Ihren Sohn erwähnt). Wenn ja in welcher Höhe?
4. Wie hoch sind Ihre monatlichen Fixausgaben?
5. Haben Sie neben den Schulden beim Finanzamt noch Schulden bei anderen Personen/Organisationen/Behörden/Banken? Wenn ja, in welcher Höhe?
6. Haben andere Gläubiger (Banken, Energieunternehmen etc.) auf ihre Forderungen (zum Teil) verzichtet?
7. Sie haben eine körperliche Behinderung laut Behindertenpass geltend gemacht. Beziehen Sie und/oder Ihre Ehefrau Pflegegeld? Wenn ja, in welcher Höhe für welche Pflegestufe?"
Am langte dazu folgende kurze Antwort ein, die nur einen Teil der Fragen beantwortete:
"Mein monatliches Einkommen beträgt: **B** € 549,83; **C** € 585,85; Sparguthaben habe ich keines. Mein Sohn bezahlt die Miete sowie die Gasrechnung und Stromrechnung.
Meine privaten Schulden betragen € 65.000,00 von Frau **D** in Wien ohne Verzicht.
Mein Behindertenpass verzeichnet eine Behinderung von 80 % sowie eine Begleitperson."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Rechtslage:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
In der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II 435/2005 idF BGBl. II 236/2019, wird ausgeführt:
§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme. Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt ().
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben (; ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters im Zusammenhang mit der Nachsicht nach § 236 BAO ausgesprochen, dass eine persönliche Unbilligkeit einer Abgabenbelastung in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen besteht. Eine solche Unbilligkeit ist stets gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet. Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte (vgl. ; ).
Zur sachlichen Unbilligkeit:
Die Behörde hat im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen (). Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt daher beim Nachsichtswerber (). Ihn trifft eine erhöhte Mitwirkungspflicht, dabei ist es seine Sache, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (). Die Nachsicht dient nicht dazu, im vorangegangenen Festsetzungsverfahren allenfalls unterlassene Einwendungen nachzuholen (). Bei der Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen ist stets die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Abgabenbehörde bzw. im Falle eines Beschwerdeverfahrens im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses durch das Verwaltungsgericht maßgeblich.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu Recht, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum ().
Im Ansuchen werden ausschließlich Gründe zur wirtschaftlichen Lage vorgebracht, sodass eine sachliche Unbilligkeit nicht eingewendet wurde. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass sich der aktuelle Rückstand am Abgabenkonto laufend erhöht, da der Beschwerdeführer von zwei unterschiedlichen Stellen Lohnzettel über Bezüge ausgestellt erhält, die "nachversteuert" werden müssen. Diese Tatsache ist dem Beschwerdeführer seit Jahren bekannt, ohne dass er für die Entrichtung der anfallenden Einkommensteuern Vorsorge getroffen hätte.
Zur Steuernummer ***BF1StNr1*** des Beschwerdeführers erhöhte sich dadurch der offene Rückstand seit Erlassung des Abweisungsbescheides am von damals € 40.079,23 auf zwischenzeitig € 50.813,10 (Stand: ). In diesem Zeitraum wurden gesamt lediglich € 602,81 überwiesen.
Eine sachliche Unbilligkeit liegt - selbst bei amtswegiger Prüfung - nicht vor, da die Veranlagung von mehreren Lohnzetteln von allen Abgabepflichtige gleich durchzuführen ist.
Persönliche Unbilligkeit:
Persönliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn die Einhebung der Abgabe, also die Einziehung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, insbesondere das Vermögen und das Einkommen des Abgabenschuldners in besonderer Weise unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend mitverursacht sein. Die Abstattung der Abgabenschulden muss mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden sein, die außergewöhnlich sind, in ihren wirtschaftlichen Folgen atypisch und schwerwiegend sind und geradezu die Lebensfähigkeit der Person des Abgabepflichtigen gefährden. (Stoll, BAO-Kommentar 2430-2431 und die dort angegebene Judikatur). Die Unbilligkeit der Einhebung ist fallbezogen zu verstehen, die Unbilligkeit wird vom Gesetz nicht als abstrakter Standardwert normiert, sondern ist als einzelfallbedingte persönliche Beschwer gedacht, die überdies nicht isolierend auf den Einzelfall bezogen zu verstehen ist, sondern auch unter Bedachtnahme auf alle Abgabepflichtigen in gleichartigen Situationen. (Stoll, BAO-Kommentar 2432 und die dort angegebene Judikatur).
Auch zur Prüfung der persönlichen Unbilligkeit liegt das Hauptgewicht der Behauptungslast und Beweislast naturgemäß beim Nachsichtswerber. Seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann ().
Ein Nachlass von Abgabenschuldigkeiten kommt dann nicht in Frage, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass die Gewährung des Nachlasses keinen Sanierungseffekt hätte ().
Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme () bzw. wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet wäre (vgl. ; , mwN).
Persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ist nach der ständigen Rechtsprechung (jedenfalls) dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht keinen Sanierungseffekt hätte (vgl. , mwN). Eine solche Unbilligkeit ist also dann nicht anzunehmen, wenn sich an der Existenzgefährdung des Abgabenschuldners nichts ändert, gleichgültig, ob die fraglichen Abgabenschuldigkeiten eingehoben würden oder nicht. Vielmehr muss die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet sein (vgl. , mwN; ; ).
Angesichts der im bisherigen Verfahren dargestellten bzw. behaupteten schwierigen wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers, wonach für das Leben für zwei Personen (den Beschwerdeführer und seine Ehefrau) im Jahr 2019 bekannt gegebenen Nettobetrag von € 3.756,00 monatlich ein Lebensunterhalt von € 838,54 verbleiben würde, würde auch eine Nachsicht nichts an der behaupteten Existenzgefährdung ändern, da der Beschwerdeführer seit rund vier Jahren seine laufenden Einkommensteuerzahlungen großteils nicht entrichtete, sodass sich der offene Rückstand am Abgabenkonto wie bereits erwähnt von damals € 40.079,23 auf zwischenzeitig € 50.813,10 (Stand: ) erhöhte. Bei dieser wirtschaftlichen Lage ist auch nicht davon auszugehen, dass bei dem geringen Betrag an verbleibendem Lebensunterhalt der Beschwerdeführer die laufenden Einkommensteuervorauszahlungen entrichten wird, somit ein Sanierungseffekt nicht eintreten würde.
Dem Ansuchen war zudem nicht zu ersehen, ob der Beschwerdeführer Schulden auch bei anderen Gläubigern hat und/oder auch diese allenfalls einen Teil der offenen Schulden nachsehen oder nachgesehen haben, sodass insoweit eine Gläubigerbevorzugung nicht ausgeschlossen werden kann. Käme die Nachsicht nur anderen Gläubigern zugute, so ist die persönliche Unbilligkeit der Einhebung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch zu verneinen (vgl. auch dazu - mit weiteren Nachweisen - ; ).
Laut Antwort vom hat der Beschwerdeführer private Schulden von € 65.000,00, für die es keinen (auch nicht zum Teil) Verzicht gibt, sodass ein Sachverhalt ähnlich dem letztzitierten VwGH-Erkenntnis vorliegt.
Im Übrigen ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer seit Jahren bekannt ist, dass er aufgrund der zwei Lohnzettel mit Nachforderungen von Einkommensteuer zu rechnen hat, ihm somit die Vorsorge für die Entrichtung der Abgaben zumutbar gewesen wäre. Wenn der Beschwerdeführer daher seine diesbezügliche Sorgfaltspflicht verletzt, kann daraus keinesfalls eine persönliche Unbilligkeit als Voraussetzung für die Gewährung einer Nachsicht abgeleitet werden.
Wie der Beschwerdeführer ausführte, musste er seine Wohnung aufgeben, da er die Miete nicht bezahlen habe können. Laut Antwort vom werden die Miete sowie Gasrechnung und Stromrechnung vom Sohn bezahlt, sodass dem Beschwerdeführer seine Gesamtpension von netto mehr als € 4.000,00 pro Monat für Krankheitskosten und Lebenshaltung bleiben.
Dem Akt ist zwar zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer vorbringt, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert und er für die Essenszubereitung eine Hilfsperson benötige, die auch Kosten verursacht. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer keine Angaben zu einem möglichen Bezug von Pflegegeld gemacht hat. Bei der geschilderten körperlichen Beeinträchtigung beziehen Personen in dem doch sehr hohen Alter des Beschwerdeführers gerade zur Abmilderung entsprechender Ausgaben wie der Essenszubereitung durch Hilfspersonen Pflegegeld. Auch in der Vorhaltsbeantwortung vom wurde über den Bezug von Pflegegeld keine Angaben gemacht.
Im Übrigen hat schon die belangte Behörde zu dem vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen monatlichen Nettoeinkommen von zunächst € 3.756,00 korrekt darauf hingewiesen, dass dieser Betrag deutlich den allgemeinen Grundbetrag (Existenzminimum) übersteigt. Es handelt sich dabei um einen Betrag, von dem anzunehmen ist, dass dieser ausreicht, um den notwendigen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Soweit der Beschwerdeführer auf einen monatlichen Bezug der **B** von € 549,83 verweist und den Bezug der **C** mit (monatlich) € 585,85 darstellt ist festzuhalten, dass laut Steuerakt -Jahreslohnzettel **A** Pensionsservice - der Beschwerdeführer im Jahr 2023 brutto gesamt € 75.650,00 an "normaler" Alterspension bezogen hat, woraus sich ein Monatspensionsbezug netto von rund € 3.700,00, 14 Mal pro Jahr errechnet. Inklusive des Bezuges der **B** errechnet sich somit (ohne Pensionsanpassung für 2024) schon für 2023 ein monatliches Einkommen von rund € 4.250,00. Zudem werden vom Sohn sowohl die Miete als auch die Gas- und Stromrechnung bezahlt, sodass diese Lebenshaltungskosten nicht vom Beschwerdeführer selbst zu entrichten sind. Eine Existenzgefährdung kann darin nicht erkannt werden.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass das zweifellos hohe Alter des Beschwerdeführers für sich allein keine persönliche Unbilligkeit darstellt.
Angesichts der Höhe des Gesamteinkommens wäre eine Nachsicht unbillig gegenüber allen Abgabepflichtigen, die über ein wesentlich niedrigeres Einkommen verfügen, ihre Abgabenschuldigkeiten fristgerecht entrichten und dementsprechend ihren Lebensstandard gestalten müssen.
Zusammengefasst liegt daher bei der gegebenen Pensionshöhe eine persönliche Unbilligkeit nicht vor.
Da die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, eine Unbilligkeit jedoch nicht vorliegt, war die Beschwerde schon aus Rechtsgründen abzuweisen, ohne dass für eine Ermessensentscheidung Raum gewesen wäre.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Angesichts der eindeutigen höchstgerichtlichen Judikatur lag eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die einer ordentlichen Revision zugänglich wäre, nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100662.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at