Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.03.2024, RV/6100067/2023

1. Veranlagungsfreibetrag steht aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auch Grenzgängern zu 2. Fehlerhafte Würdigung des ausländischen Lohnzettels bei einem Grenzgänger und diverse Werbungskosten

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100067/2023-RS1
Die Einschränkung des Veranlagungsfreibetrages auf Personen, die lohnsteuerpflichtige Einkünfte - und somit solche von einem Arbeitgeber mit Betriebsstätte im Inland - beziehen, ist geeignet, in Österreich ansässige Arbeitnehmer davon abzuhalten, einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nachzugehen. Sie steht daher in offensichtlichem Widerspruch zur Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV und ist daher nicht auf Personen anzuwenden, deren Einkünfte lohnsteuerpflichtige Einkünfte darstellen würden, wenn der Arbeitgeber eine Betriebsstätte im Inland hätte.
Folgerechtssätze
RV/6100067/2023-RS2
wie RV/2100676/2012-RS1
Für lediglich eintägige Dienstverrichtungen, die keine Übernachtung notwendig machen, gebührt kein Verpflegungsmehraufwand.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch August Proßegger, Fichtenweg 3/1, 5122 Hochburg-Ach, über

1. die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***Wohnort-Ö*** vom betreffend Einkommensteuer 2018 und

2. die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***Wohnort-Ö*** vom betreffend Einkommensteuer 2019,

beide zur Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die angefochtenen Bescheide werden wie folgt abgeändert:

a. Die Einkommensteuer 2018 wird mit 10.904,00 Euro festgesetzt.

b. Die Einkommensteuer 2019 wird mit 18.050,00 Euro festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgegenständlich sind neben der Höhe der zu versteuernden Einnahmen des Beschwerdeführers (Bf.) aus seiner ausländischen nichtselbständigen Arbeit auch unterschiedliche Positionen an Werbungskosten. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird dieses Erkenntnis daher nach den einzelnen Positionen gegliedert. Soweit es nicht für mehrere Punkte von Relevanz ist, werden Parteienvorbringen, Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung für jede Position einzeln dargestellt.

1. Verfahrensgang

Am reichte der Bf. über FinanzOnline seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2018 ein, in welcher er verschiedene Werbungskosten und Sonderausgaben geltend machte. Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens bezüglich der Dienstgeberbeiträge an die betriebliche Pensionskasse erließ die belangte Behörde am einen Einkommensteuerbescheid für 2018, mit welchem der Bf. erklärungsgemäß veranlagt wurde.

Am reichte der Bf. über FinanzOnline seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2019 ein, in welcher er wiederum verschiedene Werbungskosten geltend machte. Die belangte Behörde ersuchte den Bf. in der Folge telefonisch um Übermittlung von weiteren Unterlagen zu dieser Erklärung, was dieser auch tat. Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde den Bf. um weitere Auskünfte und Unterlagen, unter anderem auch zu einer vom Bf. erwähnten - aber nicht erklärten - Lehrtätigkeit des Bf. im Rahmen von ***Vortragstätigkeit***. Die gewünschten Auskünfte und Unterlagen reichte der Bf. der belangten Behörde am nach.

Inzwischen hob die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid für 2018 vom mit Bescheid gemäß § 299 BAO vom auf und erließ gleichzeitig einen neuen Einkommensteuerbescheid für 2018. Gegen den neuen Sachbescheid erhob der Bf. am über FinanzOnline fristgerecht Beschwerde. Am erließ die Behörde einen von der Erklärung abweichenden Einkommensteuerbescheid für 2019. Gegen diesen erhob der Bf. am ebenfalls über FinanzOnline fristgerecht Beschwerde.

Mit zwei Beschwerdevorentscheidungen vom gab die belangte Behörde den Beschwerden teilweise statt. Gegen diese Beschwerdevorentscheidungen wenden sich die vom steuerlichen Vertreter des Bf. rechtzeitig eingebrachten Vorlageanträge vom .

Die belangte Behörde - infolge der Finanzorganisationsreform nunmehr das Finanzamt Österreich - führte zunächst ein weiteres Vorhalteverfahren durch (Vorhalt vom sowie dessen Beantwortung vom ) und legte die Beschwerde (erst) am samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Gericht den Bf. um weitere Auskünfte sowie Unterlagen und teilte das Gericht dem Bf. seine Bedenken hinsichtlich bestimmter Positionen an Werbungskosten mit. Der Vorhalt wurde vom Bf. innerhalb der verlängerten Frist am beantwortet.

2. Allgemeines

2.1. Sachverhalt

Der Bf. ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Hauptwohnsitz in ***Wohnort-Ö***. Er hat im Jahr 2011 das Masterstudium "Kulturtechnik und Wasserwirtschaft" und im Jahr 2014 das Masterstudium "Wasserwirtschaft und Umwelt" an der Universität für Bodenkultur Wien abgeschlossen. In diesen Studien wurden Kenntnisse der (Wasser-)Bautechnik in Verbindung mit Hydraulik und (Gewässer-)Ökologie vermittelt. Er arbeitete zunächst nichtselbständig für ein Ziviltechnikerbüro, wo er im Rahmen der Projektierung von Wasserbauvorhaben, vorwiegend in der Siedlungswasserwirtschaft (betreffend Abwasserbeseitigungsanlagen) im kommunalen Bereich tätig war. Diese Tätigkeit stand in engem Zusammenhang mit dem Gewässerschutz sowie der ökologischen Funktionsfähigkeit von Gewässern.

Seit ist der Bf. nichtselbständig für die ***Arbeitgeberin-D***, ***Arbeitsort-D***, Deutschland, tätig (in der Folge: Arbeitgeberin). ***Arbeitsort-D*** grenzt unmittelbar an Österreich. Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Bf. und der Arbeitsstätte beträgt ungefähr 60 km. Er ist für seine Arbeitgeberin als Projektleiter im Bereich der Abwasserbeseitigung/Gewässerreinhaltung tätig und mittlerweile technischer Verantwortlicher (Betriebsingenieur) für die gesamte - sehr umfangreiche - Kanalisationsanlage des Werks ***Arbeitsort-D***. Bei dieser Tätigkeit steht er in engem Kontakt mit den zuständigen Wasserrechtsbehörden.

Für die geltend gemachten beruflichen Fahrten im streitgegenständlichen Zeitraum verwendete der Bf. seinen Mercedes Benz C 200 CDI, 85 kW, Diesel, Kennzeichen ***Kennzeichen***, Erstzulassung 2003, auf den Bf. zugelassen seit , jährliche Kilometerleistung im Durchschnitt 25.000 km, Verbrauch 7,32 Liter / 100 km. Das Fahrzeug wurde dem Bf. im Jahr 2012 von seinen Eltern geschenkt. Der durchschnittliche Dieselpreis betrug im Jahr 2018 1,215 € / Liter und im Jahr 2019 1,205 € / Liter.

2.2. Beweiswürdigung

Die vorstehenden Feststellungen gründen - soweit nichts anderes angegeben ist - auf der glaubwürdigen Darstellung des Bf. in seiner Stellungnahme an das Gericht vom , die auch weitestgehend mit seiner Stellungnahme an die Abgabenbehörde im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung vom übereinstimmt, welche von der Abgabenbehörde nicht in Zweifel gezogen wurde. Mit dieser Vorhaltsbeantwortung übermittelte der Bf. auch Dokumente, welche seine Angaben belegen. Die Feststellungen zur Staatsbürgerschaft und zum Hauptwohnsitz entsprechen dem Datenstand des Zentralen Melderegisters. All dies wurde von der Behörde auch nie bestritten und entgegenstehende Beweismittel liegen dem Gericht nicht vor, weshalb das Gericht diese Feststellungen seiner Entscheidung bedenkenlos zugrunde legen konnte.

Die Feststellungen zum Fahrzeug des Bf. gründen auf der amtswegigen Einsichtnahme in die Kfz-Zulassungsdatenbank, hinsichtlich der durchschnittlichen Kilometerleistung zusätzlich auf den Kilometerständen laut Gutachten aus der Zentralen Begutachtungsplakettendatenbank. Die historischen Kraftstoffpreise wurden entsprechend der einschlägigen Veröffentlichung des ÖAMTC auf seiner Homepage festgestellt. Der (kombinierte) Normverbrauch des gegenständlichen Fahrzeugs beträgt nach Herstellerangaben 6,1 Liter / 100 km, wozu das Gericht aufgrund der bekanntermaßen optimistischen Angaben der Hersteller 20 % zugunsten des Bf. aufschlug, sodass der Verbrauch mit 7,32 Liter / 100 km festgestellt wurde. Dass dem Bf. das gegenständliche Fahrzeug im Jahr 2012 von seinen Eltern geschenkt wurde, hat er in seiner Vorhaltsbeantwortung vom selbst angegeben und begegnet keinen Bedenken seitens des Gerichts.

2.3. Rechtliche Beurteilung (Schätzung der Fahrtkosten)

Der Bf. beantragte für seine beruflichen Fahrten die Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe des amtlichen Kilometergeldes (0,42 € pro Kilometer). Fahrtaufwendungen sind in der tatsächlich angefallenen Höhe als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zu berücksichtigen. Ein Wahlrecht auf Berücksichtigung der Fahrtkosten durch den Ansatz der amtlichen Kilometergelder an Stelle der tatsächlichen Aufwendungen besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht. Dem amtlichen Kilometergeld liegt eine angenommene Laufleistung von 15.000 km pro Jahr zugrunde, bei höheren Laufleistungen kann der Ansatz des amtlichen Kilometergeldes folglich zu Verzerrungen führen (; , 2005/15/0074; , 2007/15/0040).

Die tatsächlichen Kilometerkosten können mangels Aufzeichnungen nicht ermittelt werden und werden daher gemäß § 184 Bundesabgabenordnung (BAO) wie folgt geschätzt. Dem Bf. wurden die wesentlichen Grundlagen der Schätzung vorab bekanntgegeben und dieser tätigte dazu keine weiteren Ausführungen, sondern beantragte nur wiederholt das amtliche Kilometergeld.

Kilometerabhängige Kosten
Treibstoff (Diesel) pro Liter: 1,215 € (2018) bzw. 1,205 € (2019)
Treibstoffverbrauch: 7,32 Liter pro 100 Kilometer
Kosten pro km: 1,215 € x 7,32 / 100 = 0,089 € (2018) bzw. 1,205 € x 7,32 / 100 = 0,088 € (2019)

Kilometerunabhängige Kosten
AfA: nicht anzusetzen, da die 8 Jahre der gesetzlichen Nutzungsdauer bereits abgelaufen waren
Versicherung: 1.000 € pro Jahr [Erfahrungswerte des erkennenden Richters]
sonstige Kosten (Reparaturen): 1.500 € pro Jahr [Erfahrungswerte des erkennenden Richters]
Kilometerunabhängige Kosten gesamt: 2.500 € pro Jahr
Bei einer jährlichen Laufleistung von 25.000 km pro Jahr entspricht dies 0,10 € pro Kilometer

Die Schätzung der kilometerunabhängigen Kosten beruht auf Erfahrungswerten des erkennenden Richters, wobei das fortgeschrittene Alter des Fahrzeuges bereits berücksichtigt wurde. Die Schätzungsmethode entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanz-gerichts (vgl. ; , RV/3100264/2020; , RV/7101462/2020). Gerundet ergeben sich somit - für beide streitgegenständlichen Jahre - Kosten von 0,19 € pro Kilometer für die Nutzung des gegenständlichen Fahrzeugs durch die Bf.

3. Höhe der steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit

3.1. Parteienvorbringen

Streit besteht zwischen den Parteien ausschließlich über die Höhe der steuerpflichtigen Bruttobezüge (Kennzahl 350) aus dem Dienstverhältnis des Bf. mit seiner Arbeitgeberin, wobei die strittigen Teilbeträge in der folgenden Tabelle rot markiert sind:

3.2. Sachverhalt

Die Arbeitgeberin des Bf. hat in den streitgegenständlichen Jahren folgende Beträge an den Bf. ausbezahlt bzw. für diesen abgeführt:

3.3. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Jahreslohnzetteln in Zusammenschau mit den Gehaltsabrechnungen für den jeweiligen Dezember, auf denen die kumulierten Jahresbeträge ebenfalls ausgewiesen sind. Es liegen dem Gericht keine entgegenstehenden Beweismittel vor.

3.4. Rechtliche Beurteilung

Die belangte Behörde hat den auf den Lohnzetteln ausgewiesenen Bruttobezügen die Arbeitnehmerbeiträge zur Pensionskasse (2018: 1.154,30 € / 2019: 1.596,50 €) hinzugerechnet. Dabei ist der Behörde offenkundig ein Rechen- bzw. Denkfehler unterlaufen, da diese Beträge - wie anhand der vorstehenden tabellarischen Aufstellung zweifelsfrei erkennbar ist - bereits in den auf den Lohnzetteln ausgewiesenen und auch von der belangten Behörde als Basis herangezogenen Bruttobezügen enthalten waren. Die von der Behörde vorgenommene Hinzurechnung würde zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen doppelten Besteuerung dieser Beträge führen.

Der Bf. begehrt ferner in Bezug auf das Jahr 2019 eine Verminderung der Kennzahl 350 um 1.560,00 €, da dieser Betrag im Wege einer Entgeltumwandlung in die Pensionskasse eingezahlt worden und die daraus resultierende Rente erst mit der Auszahlung zu versteuern sei. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 15 lit. a EStG 1988 sind Zuwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer nur unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei und dies zudem nur insoweit, als sie 300 Euro nicht übersteigen. Die im Wege einer Entgeltumwandlung in die Pensionskasse eingezahlten Beträge dienen offenkundig der Altersvorsorge und unterliegen somit grundsätzlich dieser Bestimmung (vgl. Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/ Mayr/Zorn, EStG21a § 3 Rz 131 ff). Die belangte Behörde hat den nach dieser Bestimmung zustehenden Höchstbetrag von 300 Euro jedoch bereits im angefochtenen Bescheid abgezogen. Ein darüberhinausgehender Abzug steht dem Bf. nicht zu.

Der Betrag der Kennzahl 350 setzt sich daher richtigerweise folgendermaßen zusammen:

4. Einkünfte aus selbständiger Arbeit

4.1. Sachverhalt / Parteienvorbringen

Der Bf. hat im Jahr 2018 350,00 € und im Jahr 2019 600,00 € an Einnahmen aus der Abhaltung von ***Vortragstätigkeit*** in ***Vortragsort-Ö*** erzielt. Die Vortragstätigkeit übte der Bf. in beiden Jahren an jeweils zwei nicht zusammenhängenden Tagen aus. Er reiste jeweils von ***Wohnort-Ö*** an und kehrte am selben Tag wieder zurück. Die einfache Wegstrecke beträgt 73 km.

Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit hat er für 2018 Reisekosten in Höhe von 122,64 € und Diäten in Höhe von 52,80 € geltend gemacht und von den Einnahmen abgezogen, sodass ihm nach seiner Darstellung ein Gewinn von 174,56 € verblieben ist.

In der Erklärung für 2019 hat der die im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit stehenden Reisekosten und Diäten (Beträge gleich wie für das Jahr 2018) hingegen unter der Kennzahl 722 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend gemacht.

4.2. Beweiswürdigung

Die vorstehenden Feststellungen wurden aufgrund der Angaben des Bf. in seiner Vorhaltsbeantwortung vom getroffen, die dem Gericht schlüssig und glaubwürdig erscheinen und welchen seitens der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten wurde. Entgegenstehende Beweismittel liegen dem Gericht nicht vor. Das Gericht konnte sie daher bedenkenlos seiner Entscheidung zugrunde legen.

4.3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 stellen Mehraufwendungen aus Anlass ausschließlich beruflich veranlasster Reisen Werbungskosten dar, soweit sie die Beträge gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 nicht übersteigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist Grundvoraussetzung für die Geltendmachung von Tagesgeldern aufgrund dieser Bestimmung, dass dem Abgabepflichtigen auch tatsächlich ein Verpflegungsmehraufwand erwachsen ist (; , 2004/15/0130; , 2005/15/0135).

Bei den eintägigen Reisebewegungen stehen nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (und des BFG) überhaupt keine Tagesgelder zu. Allfällige aus der anfänglichen Unkenntnis über die lokale Gastronomie resultierende Verpflegungsmehraufwendungen können in solchen Fällen durch die entsprechende zeitliche Lagerung von Mahlzeiten bzw. die Mitnahme von Lebensmitteln abgefangen werden ().

Die Finanzverwaltung gewährt den Abzug von Tagesgeldern zwar auch für lediglich eintägige Dienstreisen (vgl. Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 311), bewegt sich dabei jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichtes außerhalb des gesetzlichen Rahmens und der Interpretation des Gesetzes durch das Höchstgericht. Die angeführten Lohnsteuerrichtlinien vermögen allenfalls die Finanzverwaltung an die unzutreffende Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen zu binden, stellen jedoch für das erkennende Gericht keine beachtliche Rechtsquelle dar.

Es steht dem Bf. für die gegenständlichen Kurstage daher entgegen der Ansicht sowohl des Bf. als auch der Abgabenbehörde schon dem Grunde nach überhaupt kein Abzug von Tagesgeldern zu. Die Fahrtkosten sind anhand der geschätzten Kilometerkosten (Abschnitt 2.3. dieses Erkenntnisses) neu zu berechnen.

Die Einkünfte des Bf. aus selbständiger Arbeit betragen daher zusammengefasst:

5. Werbungskosten

5.1. Parteienvorbringen

Der Bf. hat folgende Beträge als Werbungskosten geltend gemacht:

2018

2019

Über die Werbungskosten bestand zwischen dem Bf. und der belangten Behörde kein Streit. Das Gericht hatte dem Bf. jedoch aufgrund von Bedenken zu den geltend gemachten Werbungskosten mit Vorhalt vom seine Bedenken mitgeteilt und weitere Auskünfte verlangt. Dem ist der Bf. mit Stellungnahme vom nachgekommen.

5.2. Sachverhalt

Der Bf. hat die von ihm als Werbungskosten geltend gemachten Beträge tatsächlich im jeweiligen Jahr und in der angegebenen Höhe entrichtet, soweit es sich dabei nicht um AfA, Tages- oder Kilometergelder handelt. Für keine der angeführten Positionen hat der Bf. einen Privatanteil angesetzt, sondern vielmehr jeweils den gesamten bezahlten Betrag als Werbungskosten geltend gemacht.

Der Bf. nutzte seinen Internetzugang und sein Mobiltelefon sowohl beruflich als auch privat. Das genaue Ausmaß der beruflichen und privaten Nutzung von Internet und Mobiltelefon kann jedoch nicht festgestellt werden. Der Schreibtisch, für den der Bf. die AfA als Werbungskosten geltend gemacht hat, steht nicht in einem Raum, der den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Bf. darstellt.

Die Mitgliedsbeiträge für den Verein "***Verein1***" und die ***Verein2*** sowie die geltend gemachten Reisekosten des Bf. für Fahrten nach ***Fortbildungsort-Ö*** stehen im Zusammenhang mit seiner beruflichen Fortbildung auf den Gebieten Ökologie und Wasserwirtschaft. Der Bf. reiste in beiden streitgegenständlichen Jahren jeweils an zwei nicht aufeinander folgenden Tagen von ***Wohnort-Ö*** dorthin und kehrte immer am selben Tag wieder zurück. Die einfache Wegstrecke dorthin beträgt 210 km.

Im Jahr 2018 besuchte der Bf. an zwei nicht aufeinander folgenden Tagen, nämlich am 15.5. und am 17.5. die IFAT (Fachmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft) in München, wobei er jeweils von ***Wohnort-Ö*** anreiste und am selben Tag wieder zurückkehrte. Die einfache Wegstrecke nach München beträgt 154 km.

5.3. Beweiswürdigung

Die vorstehenden Feststellungen wurden auf Grundlage der widerspruchsfreien Angaben des Bf. in seinen verschiedenen Schriftsätzen getroffen, welche von der belangten Behörde auch nie bestritten wurden. Insbesondere hat auch die Behörde nie bestritten, dass die Mitgliedsbeiträge des Bf. für die angeführten Vereine im Zusammenhang mit seiner Fortbildung stehen. Dass der Bf. nicht über ein steuerlich anzuerkennendes Arbeitszimmer verfügt, hat er in seiner Stellungnahme vom selbst eingeräumt. Das Gericht konnte diese Angaben daher ohne Bedenken seiner Entscheidung zugrunde legen. Die Negativfeststellung zum Ausmaß der Privatnutzung von Internet und Mobiltelefon musste getroffen werden, weil der Bf. ein bestimmtes Ausmaß der beruflichen Nutzung weder vorgebracht noch nachgewiesen hat.

5.4. Rechtliche Beurteilung

Von den geltend gemachten Werbungskosten für Telefonie und Internet ist ein Privatanteil abzuziehen, welchen das Gericht mangels konkreter Nachweise entsprechend der bewährten Praxis gemäß § 184 BAO mit 40 % schätzt. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Abgabepflichtigen, sind die Einrichtungsgegenstände - insbesondere auch ein tatsächlich beruflich genutzter Schreibtisch - vom Abzugsverbot gemäß § 20 Abs. 2 lit. d EStG 1988 umfasst und kann die AfA für die Anschaffung eines solchen Schreibtisches daher nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden (Peyerl in Jakom EStG16, § 20 Rz 57).

Anstelle des geltend gemachten Kilometergeldes stehen dem Bf. die geschätzten tatsächlichen Fahrtkosten zu (siehe Abschnitt 2.3. dieses Erkenntnisses). Die für das Jahr 2019 geltend gemachten Fahrtkosten für Fahrten nach ***Vortragsort-Ö*** stehen im Zusammenhang mit den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Bf. und wurden vom Gericht daher bereits bei diesen in Abzug gebracht. Tagesgelder stehen dem Bf. für seine ausschließlich eintägigen Reisebewegungen nicht zu (siehe Abschnitt 4.3. dieses Erkenntnisses).

Zusammengefasst sind von den geltend gemachten Werbungskosten nach Ansicht des Gerichts nur jene abzugsfähig, die in den nachfolgenden Tabellen in der Spalte "laut Gericht" angeführt sind:

6. Zum Veranlagungsfreibetrag (§ 41 Abs. 3 EStG 1988)

Nach der herrschenden Ansicht und auch der bisherigen Judikatur des Bundesfinanzgerichtes gelangt der Veranlagungsfreibetrag gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1988 bei Grenzgängern nicht zur Anwendung, da deren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit keine "lohnsteuerpflichtigen Einkünfte", sondern "andere Einkünfte" im Sinne dieser Bestimmung darstellen (vgl. Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 41 Rz 50; Peyerl in Jakom EStG16, § 41 Rz 17; Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 41 Rz 35; , ; aA Prodinger, SWK 2006, 916).

Folgte man dieser Ansicht, würde der Veranlagungsfreibetrag gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1988 auch im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangen, da der Bf. (im Jahr 2019) keine "lohnsteuerpflichtigen Einkünfte" erzielt hat bzw. (im Jahr 2018) die "anderen Einkünfte" den Veranlagungsfreibetrag um mehr als das Doppelte überschritten haben, sodass der Freibetrag nach § 41 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 auf Null zu reduzieren wäre.

Die herrschende Ansicht ist für das erkennende Gericht nicht mit dem Unionsrecht vereinbar: Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sollen nämlich sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit von Unionsbürgern - insbesondere Art. 45 AEUV - die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im gesamten Gebiet der Union erleichtern. Sie stehen Maßnahmen entgegen, welche Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen (, Ritter-Coulais; , Lakebrink). Eine Regelung, die - wie die Einschränkung des Veranlagungsfreibetrags auf Personen, die im Inland lohnsteuerpflichtige Einkünfte erzielen - dazu führt, dass das zu versteuernde Einkommen eines Steuerpflichtigen erhöht wird, weil er seinen Arbeitslohn nicht im Ansässigkeitsstaat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat bezieht, ist geeignet, gebietsansässige Arbeitnehmer davon abzubringen, in einem anderen Mitgliedstaat einer Beschäftigung nachzugehen und stellt daher grundsätzlich eine nach Art. 45 AEUV verbotene Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar (, Bechtel und Bechtel; Zorn, ÖStZB 2018, 519). Rechtfertigungsgründe für eine solche Beschränkung sind im Zusammenhang mit dem Veranlagungsfreibetrag für das erkennende Gericht nicht erkennbar; insbesondere kann nach Ansicht des Gerichts nicht der verfahrensökonomische Zweck der Veranlagungsgrenze (§ 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988) zur Rechtfertigung herangezogen werden, da der Veranlagungsfreibetrag Abgabepflichtigen, die lohnsteuerpflichtige Einkünfte erzielen, nicht nur dann gewährt wird, wenn eine Veranlagung unterbleibt, sondern auch dann, wenn eine Veranlagung - aus welchen Gründen auch immer - tatsächlich erfolgt. Im Gegensatz zur Veranlagungsgrenze gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 verfolgt der Veranlagungsfreibetrag gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1988 somit nicht unmittelbar einen - allenfalls berücksichtigungswürdigen - verfahrensökonomischen Zweck (vgl. Prodinger, SWK 2006, 916).

Der Unabhängige Finanzsenat hielt in der Vergangenheit eine Steuerbefreiung für begünstigte Auslandstätigkeiten von Arbeitnehmern inländischer Betriebe für eine unzulässige Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und ließ die Einschränkung auf Arbeitnehmer inländische Betriebe im Sinne des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unter Anwendung der "acte-clair"-Doktrin unangewendet (-F/04; bestätigt unter anderem durch ; ua). Dies hält das erkennende Gericht für dahingehend verallgemeinerungsfähig, dass den in Österreich steuerpflichtigen Arbeitnehmern von Betrieben im EU-/EWR-Ausland alle innerstaatlichen Begünstigungen zu gewähren sind, die Arbeitnehmern inländischer Betriebe zustehen würden (vgl. Feurstein, SWK 2005, 972). Aufgrund der Vergleichbarkeit zu diesem Fall sowie der oben angeführten klaren Judikatur des EuGH hält das Gericht auch im gegenständlichen Fall im Sinne der "acte-clair"-Doktrin ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nicht für erforderlich.

Zusammengefasst ist die Einschränkung des Veranlagungsfreibetrages auf Personen, die lohnsteuerpflichtige Einkünfte - und somit solche von einem Arbeitgeber mit Betriebsstätte im Inland - beziehen, nach Ansicht des Gerichts geeignet, in Österreich ansässige Arbeitnehmer davon abzuhalten, einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nachzugehen. Sie steht daher in offensichtlichem Widerspruch zur Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV und ist daher nicht auf Personen anzuwenden, deren Einkünfte lohnsteuerpflichtige Einkünfte darstellen würden, wenn der Arbeitgeber eine Betriebsstätte im Inland hätte. Daher steht dem Bf. nach Ansicht des Gerichts der Veranlagungsfreibetrag zu.

7. Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob der Veranlagungsfreibetrag gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1988 infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auch Grenzgängern zusteht, existiert keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Diese Frage ist überdies von allgemeiner Bedeutung. Die Revision war daher zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 41 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 45 AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 202 vom S. 47
Verweise







-F/04
Zitiert/besprochen in
Hell in
Ehgartner/Knechtl in SWK 18/2024, 882
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100067.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at