Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.03.2024, RV/5100250/2023

Haftung gemäß § 9 BAO - Vertrauen auf Rechtsauskunft des Steuerberaters

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/13/0063.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom zu Steuernummer ***Bf1StNr***, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §§ 9, 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***R*** GmbH i.L. im Ausmaß von 520.311,27 € in Anspruch genommen wurde, nach der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
11/2016
4.561,87
Umsatzsteuer
12/2016
4.450,10
Umsatzsteuer
01/2017
4.134,30
Lohnsteuer
11/2016
671,20
Lohnsteuer
12/2016
64,56
Lohnsteuer
01/2017
75,83
Lohnsteuer
02/2017
75,83
Lohnsteuer
03/2017
90,56
Dienstgeberbeitrag (DB)
11/2016
176,88
Dienstgeberbeitrag (DB)
12/2016
88,44
Dienstgeberbeitrag (DB)
01/2017
80,96
Dienstgeberbeitrag (DB)
02/2017
80,96
Dienstgeberbeitrag (DB)
03/2017
109,20
Zuschlag zum DB
11/2016
14,15
Zuschlag zum DB
12/2016
7,08
Zuschlag zum DB
01/2017
7,11
Zuschlag zum DB
02/2017
7,11
Zuschlag zum DB
03/2017
9,59
Summe
14.705,73

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom war die im Firmenbuch zu FN ***1*** protokolliert gewesene Firma ***B*** GmbH gegründet worden. Als Geschäftsführer fungierte ***K***, der auch Alleingesellschafter war, bis diese Funktion ***S*** übernahm.

In der außerordentlichen Generalversammlung am wurde die Firma der Gesellschaft in ***R*** GmbH (Primärschuldnerin) geändert.

Mit Abtretungsvertrag vom trat der Alleingesellschafter ***S*** seinen gesamten Geschäftsanteil an den Beschwerdeführer ab, der sodann Alleingesellschafter war. In dieser Funktion hat der Beschwerdeführer den bisherigen Geschäftsführer ***S*** am selben Tag mit sofortiger Wirkung abberufen und sich selbst zum alleinigen Geschäftsführer bestellt.

Nachdem auf Grund des am abgeschlossenen Abtretungsvertrages die ***C*** GmbH (FN ***2***) Alleingesellschafterin der ***R*** GmbH geworden war, berief diese am selben Tag den Beschwerdeführer mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Gesellschaft ab. Diese Funktion übernahm Dr. ***Ö***, der auch Geschäftsführer der neuen Alleingesellschafterin war.

Der Beschwerdeführer war daher im Zeitraum bis alleinverantwortlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Aufgrund der Prüfungsaufträge vom und wurde bei der ***R*** GmbH (Primärschuldnerin) gemäß § 147 BAO eine Betriebsprüfung durchgeführt. Im Besprechungsprogramm vom wurde auf eine im Jahr 2016 begonnene Umsatzsteuerprüfung verwiesen, in der unter anderem festgestellt worden war, dass der Beschwerdeführer als Treuhänder 75 % der Gesellschaftsanteile für den vormaligen Alleingesellschafter ***K*** gehalten hatte.

Die Primärschuldnerin war eine Spedition, welche mit unterschiedlichen Subunternehmern (Transportpartnern) Transportaufträge für ihre Kunden durchführte. Die Primärschuldnerin bezog über die ***T*** GmbH sogenannte "Full Service Cards" der Firma ***U*** für ihre Subunternehmer, und stellte den Subunternehmern über diese Full Service Cards einen Kreditrahmen mit einem 14-tägigen Zahlungsziel zur Verfügung, welcher der Höhe der offenen Forderungen gegenüber dem jeweiligen Subunternehmer entsprach. Mit diesem Kreditrahmen konnten die Subunternehmer durch Vorlage der Full Service Cards Treibstoff, Maut, Fähren, Züge, Verbrauchsmaterialien und Werkstättenaufträge bei den Partnerunternehmen von ***T*** EU-weit bezahlen. Dies sicherte die Liquidität der Subunternehmer und die Einsatzbereitschaft der Fahrzeuge.

Die ***T*** GmbH rechnete die auf den Full Service Cards verbuchten Beträge mit 20% österreichischer Umsatzsteuer gegenüber der Primärschuldnerin ab, unabhängig davon, durch welche Leistungen und in welchem Land die Subunternehmer den Kreditrahmen in Anspruch nahmen. Die Primärschuldnerin nahm für die von der ***T*** GmbH bezogenen Leistungen den Vorsteuerabzug in Anspruch und verrechnete den Nettobetrag ohne Zuschlag gegenüber ihren jeweiligen (allesamt in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässigen) Subunternehmern weiter.

Der Prüfer unterwarf im Schätzungsweg jene Beträge der 20%-igen österreichischen Umsatzsteuer, die von der Primärschuldnerin an ihre bulgarischen Subunternehmer weiterverrechnet worden waren, und über die genannten Full Service Cards in Österreich bezogene Diesellieferungen und österreichische Maut betrafen. Dies führte zu einer zusätzlichen Umsatzsteuer von 220.000,00 € für 2015 und 180.000,00 € für 2016 (siehe Punkt 8 des Besprechungsprogrammes bzw. des BP-Berichtes vom ).

Ferner vertrat der Prüfer hinsichtlich einer weiteren Rechnung der Primärschuldnerin aus dem Jahr 2016 an einen bulgarischen Subunternehmer in Höhe von 246.000,00 € netto mit der Bezeichnung "Weiterverrechnung Abschlag Dieselpreis" die Ansicht, dass die Weiterverrechnung mit 20%-iger Umsatzsteuer (49.200,00 €) erfolgen hätte müssen; eine von der Gesellschaft vorgenommene Stornierung der Rechnung wurde nicht anerkannt (siehe Punkt 7 des Besprechungsprogrammes bzw. des BP-Berichtes vom ).

Schließlich stellte der Prüfer unter Punkt 4 (Sonstige Weiterverrechnungen) fest, dass im Jahr 2014 sonstige Aufwendungen für Golfausrüstung und Grand Prix Tickets verbucht worden wären, die der privaten Lebensführung des ***K*** zuzurechnen wären und damit verdeckte Ausschüttungen an diesen darstellen würden. Die Kapitalertragsteuer wurde diesem direkt vorgeschrieben, für die Primärschuldnerin ergab sich aus dieser Feststellung eine Umsatzsteuernachforderung von 1.014,31 €.

Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ am entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2014 bis 2016. Durch die Berücksichtigung des in der bereits am eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung 08/2016 ausgewiesenen, vom Finanzamt aber nicht verbuchten Vorsteuerüberschusses von 67.481,29 € reduzierte sich die Nachforderung für 2016 von 229.200,00 € auf 161.718,71 €.

Die letzte Überweisung auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin erfolgte mit Wirksamkeit . Die am fällig gewesene Umsatzsteuer 11/2016 wurde erst am am Abgabenkonto verbucht. Die ab dem fällig gewordenen und haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben wurden dem Finanzamt zwar bekanntgegeben, aber nicht (auch nicht anteilig) entrichtet.

Am wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Primärschuldnerin abberufen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom wurde ein Antrag des Finanzamtes auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin mangels Kostendeckung abgewiesen.

Am wurde die Firma der Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht.

II. Verfahrensgang

In einem Vorhalt vom wies das Finanzamt den Beschwerdeführer darauf hin, dass er seit Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei und bei dieser aufgrund der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Vermögen näher aufgegliederte Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 414.682,97 € uneinbringlich wären. Es wurde um Bekanntgabe der Gründe für die Nichtentrichtung der Abgaben, einen Nachweis der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes und eine Darstellung seiner aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse ersucht.

In seiner Stellungnahme vom gab der Beschwerdeführer zu den Umsatzsteuern 2015 und 2016 an, dass die "Diesellieferungen" nach vertretbarer Rechtsauffassung als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt worden seien. Diese Rechtsauffassung sei zu diesem Zeitpunkt offenbar auch die gängige Verwaltungspraxis gewesen und von der Finanzverwaltung bei allen Unternehmen der Branche akzeptiert worden. Erst im Zuge der Betriebsprüfung sei diese Rechtsauffassung nicht mehr akzeptiert worden, weshalb es zur Verrechnung der Umsatzsteuer gekommen sei. Ein wirtschaftlicher Schaden sei dadurch nicht entstanden, da sich der Abnehmer bei der Verrechnung mit Umsatzsteuer diese als Vorsteuer in Abzug hätte bringen können. Eine Bezahlung der Beträge durch die Gesellschaft sei nicht möglich gewesen, da die Gesellschaft die Umsatzsteuer auch den Abnehmern, die sich diese ohnedies wieder als Vorsteuer zurückgeholt hätten, nicht verrechnet habe. Da kein Steuerausfall eingetreten sei, bestehe kein Bedarf einer Haftungsinanspruchnahme. Selbst wenn man es nicht in wirtschaftlicher Betrachtungsweise sehe, bestehe kein Haftungsfall, weil die Gesellschaft die Steuer nicht bezahlen habe können und im Sinne der Gläubigergleichbehandlung gehandelt worden sei. Vorwerfbares Verhalten liege nicht vor. Zur Umsatzsteuer 6/2016 und 7/2016 wandte der Beschwerdeführer ein, dass die Umsatzsteuern Mai, Juni und Juli 2016 per zur Gänze bezahlt worden seien, wobei das Guthaben vom August 2016 abgezogen und daher ein Betrag von 5.386,86 € überwiesen worden sei. Die Umsatzsteuer 10/2016 sei am bezahlt worden. Laut Umsatzsteuererklärung 2016 habe sich ein Guthaben von 67.481,29 € ergeben. Aufgrund der eingereichten Umsatzsteuererklärung 2016 sei es bei diesen Abgaben auch zu keiner Pfändung gekommen. Dadurch sei der Beschwerdeführer davon ausgegangen, dass nach Veranlagung der Umsatzsteuer 2016 die offenen Steuerverbindlichkeiten durch dieses Guthaben getilgt würden. Im Jänner 2017 sei er daher seinen Verpflichtungen noch vollständig nachgekommen und habe dem Finanzamt 36.978,97 € überwiesen. Dadurch sei ein offener Saldo von 69.424,08 € entstanden, der durch das Guthaben aus der Jahresveranlagung 2016 bzw. der Umsatzsteuervoranmeldung 8/2016 abgedeckt gewesen sei. Ab Mitte/Ende Jänner 2017 seien keine liquiden Mittel mehr vorhanden gewesen und sei die Geschäftstätigkeit eingestellt worden. Das Personal sei zur Gänze gekündigt und abgebaut worden. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, aus den restlichen, noch offenen Kundenforderungen die Finanzamtsverbindlichkeiten, welche über dem Umsatzsteuerguthaben 8/2016 gewesen seien, bedienen zu können. Leider sei es bei diesen Kundenforderungen zu Zahlungsausfällen gekommen, sodass er die Restverbindlichkeiten nicht begleichen habe können. Er habe in diesem Zeitraum aber mit bestem Wissen und Gewissen gehandelt und alle Gläubiger gleich behandelt. Ein ihm vorwerfbares, haftungsbegründendes Verhalten liege nicht vor. Die geltend gemachte Umsatzsteuer habe nicht mehr entrichtet werden können, weil im Unternehmen ab Jänner 2017 Zahlungsschwierigkeiten aufgetreten seien und der Geschäftsführer nicht mehr alle Verbindlichkeiten voll befriedigen habe können. Das Finanzamt sei in diesem mit Zahlungsschwierigkeiten behafteten Zeitraum nicht schlechter behandelt worden als andere Gläubiger.

Der Beschwerdeführer fügte seiner Stellungnahme einen Bank- und Kassabericht 2017, die Steuerberechnung der Umsatzsteuer 2016 und einen Auszug des Steuerkontos bei.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß §§ 9, 80 ff BAO für folgende Abgabenschulden der Primärschuldnerin im Ausmaß von insgesamt 520.311,27 € in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Umsatzsteuer
2014
1.014,31
Umsatzsteuer
2015
220.000,00
Umsatzsteuer
2016
161.718,71
Umsatzsteuer
6/2016
22.268,39
Umsatzsteuer
7/2016
37.883,66
Umsatzsteuer
11/2016
23.411,04
Umsatzsteuer
12/2016
22.837,44
Umsatzsteuer
1/2017
21.216,79
Lohnsteuer
11/2016
2.061,85
Lohnsteuer
12/2016
1.202,40
Lohnsteuer
1/2017
1.203,79
Lohnsteuer
2/2017
1.203,79
Lohnsteuer
3/2017
1.305,07
Dienstgeberbeitrag
11/2016
907,72
Dienstgeberbeitrag
12/2016
453,86
Dienstgeberbeitrag
1/2017
415,47
Dienstgeberbeitrag
2/2017
415,47
Dienstgeberbeitrag
3/2017
560,41
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
11/2016
72,62
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
12/2016
36,31
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
1/2017
36,48
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2/2017
36,48
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
3/2017
49,21


Nach Hinweis auf die allgemeinen Voraussetzungen für eine Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO begründete das Finanzamt die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers im Wesentlichen damit, dass seine Einwendungen gegen die Umsatzsteuernachforderungen für die Jahre 2015 und 2016 ausschließlich das vorangegangene Abgabenverfahren betreffen würden. Die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sei im Haftungsverfahren nicht zu prüfen. Es treffe - aus näher ausgeführten Gründen - nicht zu, dass die Umsatzsteuern für Mai, Juni und Juli 2016 zur Gänze bezahlt worden wären. Aus der Umsatzsteuer 8/2016 habe sich kein Guthaben ergeben. Die teilweise unzutreffenden und ansonsten allgemein gehaltenen Ausführungen sowie der Hinweis, stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, seien nicht geeignet, den Haftungsbetrag auf eine Differenzquote zu beschränken, weswegen die Haftung in voller Höhe geltend gemacht werde. Zur haftungsgegenständlichen Lohnsteuer verwies das Finanzamt auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschulden beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sei. Da die Einbringlichkeit bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht gegeben sei, habe die Abgabenbehörde die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigen können.

Das Finanzamt legte dem Haftungsbescheid die Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 je vom bei.

In der gegen diesen Haftungsbescheid erhobenen Beschwerdevom wandte der Beschwerdeführer ein, dass die im Haftungsbescheid erwähnte objektive Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht bestätigt werden könne, da er das Rechtsmittel aus dem vorausgegangenen Abgabenverfahren nicht kenne und keine Möglichkeit gehabt habe, die Richtigkeit festzustellen. Eine Vertreterhaftung komme nur dann infrage, wenn der Vertreter über das Verfahren in Kenntnis gesetzt und ihm die Möglichkeit eines Rechtsmittels gegeben werde. Er sei über den Fortgang und Ausgang des Verfahrens nicht informiert worden. Zu klären sei die Frage, ob die Abgabenfestsetzungen der Jahre 2014 bis 2016 überhaupt Ihre Berechtigung hätten, da die Umsatzsteuernachforderungen ein Geschäft betreffen würden, das entweder eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sei oder laut , Vega International, eine steuerbefreite, von der Umsatzsteuer ausgenommene Finanzdienstleistung. Dieses Urteil stütze sich auf ein Urteil des Jahres 2003. Der Erwerb von Tankkarten und die Zurverfügungstellung dieser an einen Subfrächter stelle keine Warenlieferung und auch kein Reihengeschäft dar. Die Primärschuldnerin sei nie Inhaberin der Ware gewesen, und die Subfrächter hätten frei über Ort des Bezuges und Qualität der Ware entscheiden können. Den Beschwerdeführer als Vertreter treffe auch kein Verschulden. Am seien die offenen Abgaben mit Ausnahme von 1.942,79 € fast zur Gänze beglichen worden. Der am Abgabekonto offene Saldo sei mit der Umsatzsteuervoranmeldung 8/2016 fast zur Gänze abgedeckt worden. Der Beschwerdeführer habe sich vor der Zahlung am (gemeint offenbar: am ) selbst noch einmal von der Steuerberechnung für das Jahr 2016, die auch in der Beilage vorhanden sei, überzeugt, um korrekt und im Sinne eines ordentlichen Kaufmanns zu handeln. Zum Beweis lege er einen Auszug des Steuerkontos der Primärschuldnerin vom , Seite 1, Buchungstag , vor. Warum die Steuer 8/2016 nicht gebucht worden sei, könne er nicht sagen. Es habe keine Information der Abgabeneinbringungsstelle gegeben. Die Umsatzsteuer 2016 habe eine Abgabengutschrift von 67.481,29 € ergeben. Diese sei in der Zahlung im Jänner berücksichtigt worden, weshalb von keinem schuldhaften Verhalten ausgegangen werden könne. Ab Mitte bis Ende Jänner 2017 sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufgrund von Auftragsrückgängen drastisch eingeschränkt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe es aber noch genügend ausstehende Forderungen gegenüber Lieferanten gegeben. Aufgrund des Auftragsrückganges und der zögerlichen Zahlung der Kunden sei es in dieser Zeit zu Zahlungsverzögerungen gekommen. Eine Überschuldung bzw. eine Voraussetzung für eine Insolvenzeröffnung hätten aber noch nicht bestanden. Ein Verschulden liege nicht vor und stehe auch dieser Umstand einer Haftungsinanspruchnahme entgegen. Im Übrigen sei festzuhalten, dass selbst für den Fall eines Verschuldens der bestehende Haftungsfonds der Gesellschaft niemals einen Betrag von 520.000,00 € erreicht hätte, weil ja die bestehenden Forderungen der Gesellschaft - wie sich aber erst im Nachhinein herausgestellt habe - nicht einbringbar gewesen seien. Es sei daher denkunmöglich, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer für Beträge hafte, die selbst dann, wenn er - unzulässigerweise - die gesamten liquiden Mittel der Finanzverwaltung überwiesen hätte, nicht zur Zahlung gelangt wären. Die Haftung könne in keinem Fall mehr ausmachen als an vorhandenem Haftungsfonds vorhanden gewesen sei. Daher wäre selbst für den Fall eines Verschuldens eine Begrenzung in Höhe des Haftungsfonds gegeben. Dieser wäre ausgehend von einem möglichen - aber hier nochmals ausdrücklich bestrittenen - Verschulden gegeben mit den Eingängen ab mit 13.207,20 € (das seien die Eingänge in Höhe von 1.095,60 €, 12.000,00 € und 111,60 €). Aber selbst von dieser Obergrenze könnte die Finanzverwaltung nur den ihr aliquot im Sinne der Gläubigergleichbehandlung zustehenden Teil von ca. 50 % als Haftung einfordern. Daher ergebe sich aus Sicht des Beschwerdeführer - selbst bei Verschulden - eine Haftungsobergrenze von ca. 6.500,00 €. Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen beantrage der Beschwerdeführer, von einer Haftungsinanspruchnahme abzusehen. Der Beschwerdeführer stelle daher die Anträge, die genannten Bescheide aus obigen Gründen ersatzlos aufzuheben, die Einhebung der Abgaben aus dem Haftungsbescheid in Höhe von 520.311,27 € gemäß § 212a BAO bis zur Erledigung der Beschwerde auszusetzen und für den Fall, dass nicht im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die Aufhebung der Haftung ausgesprochen werde, auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Als Beilagen wurden der Beschwerde eine Abfragen des Abgabenkontos für den Zeitraum bis und bis , der Kassabericht Nr. 1 für den Zeitraum bis , Buchungsjournale zum , sowie die Bankberichte Nr. 1 bis 7 für das Jahr 2017 angeschlossen.

Der Beschwerdeführer brachte gemäß § 248 BAO auch eine Beschwerde gegen die der Haftung zugrundeliegenden Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 ein und wiederholte darin seine in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde vorgetragene Rechtsansicht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet ab. In der Begründung wurde zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass im Jänner 2017 ein Abgabenrückstand von mehr als 90.000,00 € ausgehaftet habe. Den Prüfungsfeststellungen lasse sich nicht entnehmen, dass die Umsatzsteuerverkürzungen lediglich aufgrund einer vertretbaren, abweichenden Rechtsansicht zustande gekommen seien, vielmehr sei eine missbräuchliche Gestaltung zur Vermeidung österreichischer Umsatzsteuern vorgelegen. Die vom Beschwerdeführer ermittelte Haftungssumme für den Fall eines möglichen, jedoch ausdrücklich bestrittenen Verschuldens in Höhe von 6.500,00 € sei schon deshalb unrichtig, weil die Eingänge ab April 2017 nicht die im Haftungszeitraum gesamt zur Verfügung gestandenen Mittel darstellen könnten. Für die Ermittlung der sogenannten "Differenzquote" sei eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen erforderlich. Dem Gesamtbetrag dieser Verbindlichkeiten seien alle im Haftungszeitraum verfügbar gewesenen liquiden Mittel gegenüberzustellen. Als Beginn des Haftungszeitraumes sei dabei der Fälligkeitstag der ersten, nicht vollständig entrichteten Abgabe anzunehmen. Zur haftungsgegenständlichen Lohnsteuer wurde neuerlich auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Zur Beschwerde gemäß § 248 BAO führte das Finanzamt aus, dass zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden sei, weil sich erst aus dieser Entscheidung die Legitimation des Beschwerdeführers zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Abgabenanspruch ergäbe. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens betreffend den Haftungsbescheid sei daher allein die Frage, ob der Geschäftsführer zu Recht als Haftender für die nicht entrichteten Abgaben der Primärschuldnerin herangezogen worden sei oder nicht, nicht jedoch, ob die der Gesellschaft vorgeschriebenen Abgaben zu Recht bestünden oder nicht. Gründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung sprechen würden, lägen nicht vor.

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag und brachte ergänzend zur Beschwerde im Wesentlichen vor, dass sich der Hauptbetrag der Haftung aus einer Steuerprüfung zu einem Zeitpunkt ergeben habe, als er nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Die nachträgliche umsatzsteuerpflichtige Behandlung von steuerfreien Umsätzen könne nicht zu seinen Lasten gehen. Einerseits sei aus der umsatzsteuerlichen Behandlung kein Schaden für die Finanzverwaltung entstanden, weil selbst bei steuerpflichtiger Behandlung Umsätze an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer vorgelegen wären, die die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wieder als Vorsteuer hätten abziehen können, andererseits werde seine Rechtsauffassung auch durch die seither ergangene Judikatur des EuGH gestützt. Ein schuldhaftes Verhalten seinerseits liege jedenfalls nicht vor. Es könne auch nicht verfahrensökonomisch sein, dass die Klärung dieser Vorfrage erst im Verfahren gegen die Grundlagenbescheide erfolge. Zur Frage der zur Verfügung stehenden Mittel für die Gläubigergleichbehandlung verwies der Beschwerdeführer neuerlich auf seine Rechtsansicht, dass die Umsätze aus den Diesel-Tankungen als steuerfreie Umsätze zu behandeln wären. Selbst wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass hier Umsatzsteuer zu verrechnen gewesen wäre, hätten sich die Unternehmer diese wieder als Vorsteuer erstatten lassen können. Dieser Umstand habe auch dazu geführt, dass diese Umsatzsteuer nicht verrechnet worden sei und somit auch nicht zur Steuerzahlung zur Verfügung gestanden sei. Erst im Zuge des Uminterpretierens in eine steuerpflichtige Leistung durch die Finanzverwaltung sei das zum haftungsgegenständlichen Thema geworden. Da ihm aufgrund dieser seiner Ansicht nach richtigen, aber jedenfalls vertretbaren Rechtsansicht keine Schuld vorwerfbar sei, könne auch eine mögliche Zahlungspflicht und deren Erfüllbarkeit durch die Gesellschaft erst zu diesem späteren Zeitpunkt Beurteilungspunkt sein. Zu diesem Zeitpunkt seien die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung gestanden und sei daher der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden. Die Mittel seien deswegen nicht zur Verfügung gestanden, weil keine Umsatzsteuer an die abnehmenden vorsteuerabzugsberechtigen Unternehmer verrechnet worden sei. Daher sei von diesen auch keine Vorsteuer geltend gemacht worden. Er stelle daher die Anträge, die Grundlagenbescheide und/oder Haftungsbescheide ersatzlos aufzuheben, die Einhebung der Abgaben aus dem Haftungsbescheid gemäß § 212a BAO auszusetzen, "für den Fall, dass nicht im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die Aufhebung der Haftung ausgesprochen wird", die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Akteneinsicht betreffend das vorangegangene Abgabenverfahren betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 2014, 2015 und 2016.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

In einem Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom war auf Punkt 7 des Besprechungsprogrammes zur Betriebsprüfung und die dort getroffenen Feststellungen verwiesen worden. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, bekannt zu geben, wie er zur Rechtsansicht gelangt sei, dass es sich bei diesen Dieselumsätzen um innergemeinschaftliche steuerfreie Lieferungen gehandelt habe. Dazu wären geeignete Nachweise wie Hinweise auf die betreffenden Gesetzesbestimmungen, Judikatur oder Erlassmeinungen vorzulegen. Er möge außerdem bekanntgeben und glaubhaftmachen, ob er sich bei geeigneten Stellen (Finanzamt, Steuerberater, etc.) erkundigt habe.

In der dazu abgegebenen Stellungnahme vom stellte der Beschwerde die bereits oben festgestellte Verwendung der Tankkarten näher dar. Es sei für jeden LKW eine eigene Tankkarte (Full Service Card) ausgestellt worden, mit denen neben Treibstoff auch die Maut, Fähren, Züge, Verbrauchsmaterialien und Werkstättenaufenthalte hätten bezahlt werden können. Das Limit der Tankkarten habe somit einen Kreditrahmen dargestellt, welcher vom Subunternehmer benutzt werde konnte, um die anfallenden Kosten für die oben genannten Dinge zu decken. Mit dieser Karte habe in jedem europäischen Land die Maut bezahlt bzw. an mehr als 13.000 Tankstellen in Österreich und über 55.000 Tankstellen quer durch Europa Treibstoff getankt werden können. An welcher Tankstelle bzw. welche Sorte (Qualität) von Treibstoff getankt worden sei bzw. zu welchem Zeitpunkt der Subunternehmer die Karte eingesetzt habe, sei in dessen Verantwortung gelegen. Aufgrund des Transportweges durch Österreich (Nord-Süd-Achse) und dem günstigeren Treibstoffpreis sei die Tankkarte auch in Österreich verwendet worden. Die ***T*** GmbH habe die anfallenden Kosten der Tankkarten unabhängig vom Land, in dem die Karte in Anspruch genommen worden sei, mit 20 % USt an die Primärschuldnerin fakturiert. Hier sei aber keine Ware, sondern lediglich der Betrag weiterverrechnet worden, der in Anspruch genommen worden sei. Die Primärschuldnerin habe dann die Beträge weiter an die ausländischen Transportpartner ohne Umsatzsteuer fakturiert, da dies nach Ansicht des Beschwerdeführers kein Warengeschäft, sondern lediglich ein Kreditgeschäft betreffe. Laut § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994 seien Kreditgeschäfte in der EU von der USt befreit. Zu derselben Auffassung sei der EuGH in seinem Urteil vom , C-235/18, Vega International, gekommen. Dieses Urteil stütze sich auf ein Urteil des EuGH aus dem Jahr 2003, Rs Auto Lease Holland. Der Erwerb von Tankkarten und die Zurverfügungstellung dieser an einen Subfrächter stelle keine Warenlieferung im allgemeinen Sinne und auch kein Reihengeschäft dar. Die Primärschuldnerin sei nie Inhaberin der Ware gewesen, und auch die Subfrächter hätten frei über Ort des Bezuges und Qualität der Ware entscheiden können.

Der Ablauf stelle sich wie folgt dar:

[...]

Des Weiteren habe der Frachtführer den Kraftstoff zwar in Österreich bezogen, aber immer ins Ausland verbracht. In diesem Fall liege eine steuerfreie ig Lieferung vor (). Beide Fälle würden bestätigen, dass korrekt gehandelt worden sei und der Republik Österreich keine Steuer vorsätzlich vorenthalten worden bzw. kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Weiters sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Unternehmerkette in Betracht zu ziehen. Zur Erlangung seiner Rechtsauffassung führte der Beschwerdeführer aus, dass im Jahr 2013/2014 ein Subunternehmer Tankkarten direkt von seiner Auftraggeberin, der ***TL*** GmbH, bezogen habe. Die GmbH habe die Tankkarten nach demselben Prinzip an die ausländischen Transportpartner fakturiert. 2013/2014 habe die GmbH eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung gehabt, wo es zu dieser Praxis keine Beanstandung gegeben habe. Der damalige Geschäftsführer, Herr ***H***, sei in diesem Fall Zeuge, da es ihm nicht möglich gewesen sei, die Unterlagen zu erlangen. Auch nach Rücksprache mit der steuerlichen Vertretung sei dieses Vorgehen als praktikabel angesehen worden, und da es keine Beanstandung seitens des Finanzamtes gegeben habe, sei dies auch so praktiziert worden. Die Buchhaltung habe der Steuerberater durchgeführt. Der Beschwerdeführer habe stets im Sinne eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt. Nie sei, wie in Punkt 7 der Steuerprüfung angeführt, vorsätzlich eine Firma zwischengeschaltet worden, um die Steuer in Österreich zu vermeiden. Dieses Vorgehen habe dazu gedient, mit den Transportaufträgen gegenzurechnen und das Kreditlimit zu kontrollieren. Ein wirtschaftlicher Schaden für die Republik Österreich sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Da kein schuldhaftes Verhalten vorliege, sei eine Haftungsinanspruchnahme nicht gerechtfertigt. Er sei bei der Steuerprüfung nicht anwesend gewesen und habe den Sachverhalt nicht klarstellen können.

Dem Finanzamt wurden am Vorhalt und Stellungnahme mit der Einladung übermittelt, dazu binnen vier Wochen Stellung zu nehmen. Das Finanzamt machte davon keinen Gebrauch.

Mit Erkenntnis vom , GZ. RV/5100547/2022, wurde die Beschwerde - ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - abgewiesen. Auf die dortigen Entscheidungsgründe wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Aufgrund einer außerordentlichen Revision des Beschwerdeführers hob der Verwaltungsgerichtshof wegen dieses Verfahrensmangels die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes mit Erkenntnis vom , Ra 2022/13/0113, auf.

Die für das fortgesetzte Verfahren zuständig gewesene Richterin trat in den Ruhestand. Aufgrund eines Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Gerichtsabteilung des erkennenden Richters zur Erledigung der Beschwerde zuständig.

Mit Beschluss vom wurde das Finanzamt aufgefordert, zu den fünf wesentlichen Haftungsbereichen (Haftung für Umsatzsteuer 2015 und 2016, Umsatzsteuer 2014, Umsatzsteuer 06 und 07/2016, Umsatzsteuern 11/2016 bis 01/2017 und Lohnabgaben 11/2016 bis 03/2017) näher Stellung zu nehmen.

Dieser Aufforderung kam das Finanzamt am nach. Zusammengefasst vertrat das Finanzamt die Ansicht, hinsichtlich der Umsatzsteuern 2015 und 2016 sei das Vorliegen einer vertretbaren Rechtsansicht vom Beschwerdeführer nicht überzeugend dargelegt worden. Es liege eine widersprüchliche Verantwortung vor; einmal würden die Leistungen der Primärschuldnerin als Kreditgeschäft und dann wieder als innergemeinschaftliche Lieferung gewertet. Läge ersteres vor, dann wären die Umsätze zwar steuerfrei gewesen, es wäre dann aber aufgrund der unechten Befreiung nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG der Vorsteuerabzug zu Unrecht in Anspruch genommen worden. Im Fall einer zutreffenden Wertung als ig. Lieferung wären jedenfalls die Mautumsätze unrichtig erklärt worden, da es sich bei diesen nicht um eine ig. Lieferung, sondern um eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung handle. Die Erkundigung bei einem Geschäftspartner, wie dieser gleich gelagerte Sachverhalte umsatzsteuerrechtlich behandle, sei keinesfalls ausreichend.

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer mit Vorhalt vom eingeladen, sich zu den fünf Haftungsbereichen und der Stellungnahme des Finanzamtes zu äußern.

In der Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst zur Haftung für die Umsatzsteuern 2015 und 2016 vor, dass der steuerliche Vertreter (***Stb*** GmbH, MMag. ***W***) für die Primärschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum nicht nur mit der Beratung in steuerrechtlichen Fragen, sondern auch mit der monatlichen Buchhaltung beauftragt gewesen sei. Somit wären dem steuerlichen Vertreter jedenfalls sämtliche Buchhaltungsbelege der Primärschuldnerin zugekommen. Darin wären jeweils Aufstellungen über die Tankkartenumsätze, welche auf das Verrechnungskonto der bulgarischen Gesellschaften verbucht wurden, enthalten gewesen. Kernaufgabe der Beratung im Rahmen der Buchhaltung sei die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung und richtige Verbuchung sämtlicher Umsätze gewesen. Nicht steuerbare Umsätze, wie eben die Tankkartenumsätze, seien deshalb besonders kritisch hinterfragt und genau geprüft worden. Zusätzlich zur Übermittlung der Buchhaltungsbelege habe der Beschwerdeführer den Sachverhalt, welcher den nicht steuerbaren Tankkartenumsätzen zugrunde liege, persönlich mit dem Steuerberater erörtert und sei der Steuerberater zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Umsätze nicht steuerbar sind. Darüber hinaus habe eine Großbetriebsprüfung bei der ***TL*** GmbH keine Einwendungen zu dieser Frage von Seiten der Finanzbehörde ergeben. Der Beschwerdeführer habe sich beim Geschäftsführer der ***TL*** GmbH über deren Handhabung der Verrechnung und über die diesbezügliche Positionierung der belangten Behörde erkundigt. Der Beschwerdeführer habe daher keine Zweifel an der Richtigkeit der Ansicht seines Steuerberaters, dass es sich hierbei um nicht steuerbare Umsätze handelt, haben müssen. Der Beschwerdeführer habe sich entgegen der Meinung des Finanzamtes nicht isoliert auf die Erkundigung über das Ergebnis der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei einem Geschäftspartner gestützt, sondern lediglich zusätzlich zur Rechtsmeinung seines steuerlichen Vertreters mit einem Geschäftspartner darüber gesprochen. Damit sei auch das Argument des Finanzamtes, dass die Erkundigung beim Geschäftspartner keinesfalls ausreichend sei, widerlegt, weil der Beschwerdeführer eben nicht ausschließlich diese Erkundigung bei einem Geschäftspartner eingeholt habe. Er habe vor allem Rat bei seinem steuerlichen Vertreter eingeholt und sich damit jedenfalls an geeigneter Stelle erkundigt. Ein Abgabenpflichtiger bzw. dessen Vertreter sei nicht verpflichtet, bei jeder strittigen Rechtsfrage auch die Meinung des Finanzamtes einzuholen. "Geeignete Stelle" sei nicht ausschließlich das Finanzamt, sondern auch der steuerliche Vertreter als Steuerrechts experte.

Zur Haftung für die Lohnabgaben 11/2016 bis 3/2017 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass für diese Abgaben kein Bescheid erlassen worden sei, sondern sich die Haftung auf die von der Gesellschaft dem Finanzamt bekannt gegebenen Selbstbemessungsabgaben stütze. Aus diesem Grund könne die Richtigkeit dieser Selbstbemessungsabgaben nach ständiger Rechtsprechung im Haftungsverfahren angefochten werden. Die Unrichtigkeit der Selbstbemessung ergäbe sich daraus, dass die Lohnsteuer unrichtigerweise auch vom Gehalt von ***K*** ermittelt worden sei. Lohnsteuerabzugspflicht des Arbeitgebers bestehe nur bei Auszahlung von Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG. Die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden, seien Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 EStG. Eine Person sei dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25% betrage. Die Beteiligung durch Vermittlung eines Treuhänders oder einer Gesellschaft stehe einer unmittelbaren Beteiligung gleich (§ 22 Abs. 2 EStG). Für § 22 EStG seien die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten und die Art der Tätigkeit irrelevant (EStR Rz 5271 und 5267). Laut Firmenbuch sei der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum (11/2016 bis 3/2017) 100%iger Gesellschafter-Geschäftsführer gewesen. Es habe aber ein Treuhandvertrag vom existiert, wonach der Beschwerdeführer seit 75% der Gesellschaftsanteile treuhändig für ***K*** (Treugeber) gehalten habe. ***K*** sei deshalb im Zeitraum 11/2016 bis 3/2017 als Treugeber von 75% der Geschäftsanteile ein mehr als zu 25% beteiligter Beschäftigter gewesen und habe deshalb Einkünfte im Sinne des § 22 EStG bezogen. Auf die Art der Tätigkeit, insbesondere auf eine geschäftsführende Tätigkeit, komme es nicht an. Das Gehalt von ***K*** sei jedoch bei der Selbstbemessung der Lohnsteuer fälschlich als Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit iSd § 25 EStG behandelt worden. Tatsächlich hätte die Primärschuldnerin vom Gehalt des ***K*** aber keinen Lohnsteuerabzug vornehmen müssen. Dieser sei nur für namentlich genannte Dienstnehmer vorzunehmen gewesen, wodurch sich die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern auf 977,98 € reduzieren würden.

Schließlich wurde für die nach dem fällig gewesenen und ab dem gebuchten Abgabenschuldigkeiten eine Differenzquotenberechnung erstellt. Der Anteil der Finanzamtsverbindlichkeiten an den Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft wurde mit rund 6,57 % ermittelt. Im Zeitraum bis zum Ausscheiden des Beschwerdeführers als Geschäftsführer am wären Zahlungen an andere Gläubiger in Höhe von 101.889,31 € erfolgt. Dem Finanzamt wäre ein Anteil von 6,57% an dieser Summe, somit ein Betrag von 6.697,63 € zugestanden. Da im Zeitraum bis keine Zahlungen an das Finanzamt geleistet worden wären, betrage die Differenzquote daher € 6.697,63. Insgesamt reduziere sich die Haftung damit auf einen (näher aufgegliederten) Betrag von 7.583,91 €. Dabei wurde zu Unrecht die Differenzquote auch von den vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommenen Lohnsteuern in Abzug gebracht. Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern sind daher um diese Differenzquotenbeträge von insgesamt ohnehin nur 91,70 € zu erhöhen. Damit ergäbe sich ein Haftungsbetrag von 7.675,61 € (6.697,63 + 977,98).

Mit Beschluss vom (der auch an den Beschwerdeführer erging) wurde das Finanzamt aufgefordert, zu dieser Verantwortung des Beschwerdeführers Stellung zu nehmen. Zur Differenzquotenberechnung wurde dabei angemerkt:

Zwischen dem und dem (Ausscheiden als Geschäftsführer) wurden keine Zahlungen mehr an das Finanzamt geleistet. Der Rückstand am betrug 156.064,26 €. Davon sind die (zu Unrecht nicht gebuchte) Gutschrift aus der UVA 8/2016 in Höhe von 67.481,29 € und die vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommenen Lohnsteuern abzuziehen, woraus sich im Beurteilungszeitraum zu berücksichtigende Finanzamtsverbindlichkeiten von 81.606,07 € ergeben. Diese betragen rund 7,***Bf1StNr*** % der Gesamtverbindlichkeiten von 1.086.604,76 €. Dem Finanzamt wäre demnach eine Differenzquote von 7.651,98 € (7,51 % der vorhandenen Mittel von 101.889,31 €) zuzüglich der ungekürzten Lohnsteuern zugestanden (der Beschwerdeführer hat in der Tabelle in Punkt 6 seiner Stellungnahme zwar auch einen Teil der Differenzquote für die Lohnsteuern ausgewiesen, aber zutreffend den ungekürzten Lohnsteuerbetrag als Haftungsbetrag in Ansatz gebracht). Entsprechend adaptiert ergäbe sich daher ein Haftungsbetrag von 8.630,06 € (siehe beiliegende Tabelle 1).

Am wurde laut Bankbericht Nr. 5 das zugunsten der Bank verpfändete Sparbuch "lt. Hrn ***Bf***" aufgelöst und ein Betrag von 100.830,94 € zur teilweisen Abdeckung des offenen Saldos am Girokonto verwendet. In der Stellungnahme vom wurde dazu ausgeführt, dass dieses Sparbuch aufgrund der Verpfändung zur Besicherung des Bankkredites der Primärschuldnerin nicht zur (anteiligen) Tilgung der Finanzamtsverbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sei. Auch wenn das Sparbuch von einem Dritten zur Besicherung des Kredites zur Verfügung gestellt wurde, liegt in der Verfügung des Beschwerdeführers über das Sparbuch eine Verfügung des Vertreters über liquide Mittel der Gesellschaft; insoweit ist er zur Gleichbehandlung des Abgabengläubigers verpflichtet; ein Verstoß gegen diese Verpflichtung führt zu seiner Haftung (vgl. ). Grund dafür ist, dass mit diesen Mitteln eben ein Gläubiger der Gesellschaft - die Bank - teilweise befriedigt wurde (vgl. auch , zur Gleichbehandlung bei Vorliegen eines Zessionsvertrages). Damit ergäbe sich ein Haftungsbetrag von 16.202,65 € (siehe beiliegende Tabelle 2).

In der Stellungnahme vom bezweifelte das Finanzamt die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe hinsichtlich der Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der Lieferungen tatsächlich den Steuerberater konsultiert. Dieser habe lediglich die Buchhaltung besorgt. Dass der Steuerberater die Tankkartenumsätze "besonders kritisch hinterfragt und genau geprüft" habe, dürfe angesichts der eigentümlichen Kontenführung in der Buchhaltung bezweifelt werden. Wenn der Steuerberater die Treibstoffumsätze - wie behauptet - als innergemeinschaftliche Lieferung qualifiziert hätte, sei eine Zuordnung zum Konto 4113 - Erlöse sonstige Leistungen EU anstatt des ebenfalls geführten Kontos 4100 - Erlöse ig. Lieferungen mit einer gewissenhaften und nachvollziehbaren Buchführung nicht vereinbar. Die Systematik der Umsatzsteuer verlange eine klare und erkennbare Trennung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen, auch in der Buchhaltung. Darüber hinaus stehe die buchhalterische Behandlung als sonstige Leistung im Widerspruch zur später in der Betriebsprüfung vorgebrachten Rechtsansicht, es handle sich um innergemeinschaftliche Lieferungen. Die Divergenz zwischen buchhalterischer Behandlung (sonstige Leistung) und späterer Behauptung (Lieferung) durch den Steuerberater deute also darauf hin, dass der Steuerberater mit den konkreten Vorgängen nicht betraut war. Dies zeige sich erneut deutlich bei der nicht vorgenommenen Trennung der Mautanteile (sonstige Leistung) von den Treibstoffumsätzen (Lieferung). Die Umsatzsteuern 2015 und 2016 wären daher in die Differenzquotenberechnung einzubeziehen, sodass sich ein Haftungsbetrag von 64.505,32 € ergäbe.

Dem Vertreter des Beschwerdeführers wurde diese Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Dieser teilte am mit, dass er zur Frage der Einbeziehung des Guthabens auf dem Sparbuch in die Differenzquotenberechnung noch eine abschließende Stellungnahme abgeben möchte.

In der Stellungnahme vom wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass verpfändetes Vermögen wie das Sparbuch nicht zu den vorhandenen Gesellschaftsmitteln zähle. Der Beschwerdeführer hätte gegenüber der Bank jedenfalls einen Vertragsbruch begangen, wenn er die Mittel am Sparbuch zur Tilgung von Finanzamtsverbindlichkeiten herangezogen hätte. Die Verpflichtung zur Gläubigergleichbehandlung beziehe sich nur auf Gläubiger im gleichen Rang wie das Finanzamt. Sei ein Gläubiger zum Zeitpunkt einer Insolvenzeröffnung durch (wirksam begründete) Sicherheiten besichert, so sei er aus diesen Sicherheiten auch im Rahmen des Insolvenzverfahren bevorrechtet zu befriedigen. Der Bargeldbestand auf dem Sparbuch sei eigens für die Besicherung erlegt worden und hätte unverändert fortbestanden. Die Sicherungszession von Kundenforderungen (Globalzession) unterliege dagegen laufend Veränderungen und stünden die von den Kunden eingebrachten Mittel dem Abgabepflichtigen sehr wohl zur Tilgung von Finanzamtsverbindlichkeiten zur Verfügung, ohne dass er gegenüber dem Besicherten vertragsbrüchig werde. Die Mittel stünden jedenfalls so lange zur Verfügung des Geschäftsführers, als die Bank die Disposition darüber zulasse. Auch durch die Verpfändung selbst sei keine Gläubigerungleichbehandlung erfolgt. Die Sicherheit sei durch einen Dritten lange vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gestellt worden. Selbst wenn diesbezüglich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verletzt worden wäre, müsst die getilgte Forderung der Bank (in der Differenzquotenberechnung) als Verbindlichkeit berücksichtigt werden.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wies der Beschwerdeführer neuerlich darauf hin, dass er die umsatzsteuerliche Behandlung der Weiterverrechnung der Tankkartenumsätze an die bulgarischen Subunternehmer damals mit seinem steuerlichen Vertreter (MMag. ***W*** von der ***Stb*** GmbH) besprochen hat. Dieser habe ihm gesagt, dass die Weiterverrechnung ohne Ausweis einer Umsatzsteuer erfolgen könne. Dies wurde vom ehemaligen steuerlichen Vertreter in einem im Zuge der Verhandlung vorgelegten E-Mail ausdrücklich bestätigt. Ferner wurde nochmals auf die Umsatzsteuersonderprüfung bei der Firma ***TL*** Logistics GmbH (Geschäftsführer ***H***) verwiesen, bei dem diese Weiterverrechnung ohne Umsatzsteuer nicht beanstandet worden ist. Das sei überall das Thema gewesen (z.B. auch in Deutschland), die Weiterverrechnung sei ohne Umsatzsteuer erfolgt. Zur Frage der Einbeziehung der Erlöse aus der Auflösung des Sparbuches in die Differenzquotenberechnung wurde vom Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass dieses Sparbuch bereits vor Übernahme seiner Geschäftsführung zugunsten der Bank verpfändet war und als Sicherheit für den von der Bank gewährten Überziehungsrahmen am Girokonto (100.000,00 €) diente. Der Richter wies wie schon im Vorhalt vom auf den Bankbericht Nr. 5 hin, auf dem die Auflösung dieses Sparbuches "laut Herrn ***Bf***" vermerkt ist. Dies wurde nicht bestritten, der Beschwerdeführer gab dazu aber lediglich an, dass er nicht mehr wisse, was die Bank im Zuge der Auflösung des Sparbuches damals genau gesagt habe. Jedenfalls sei das Sparbuch bereits vor seiner Geschäftsführertätigkeit zugunsten der Bank verpfändet worden. Diese Verpfändung sei nicht mit dem Abschluss eines Zessionsvertrages vergleichbar.

III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

1) Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin

Die haftungsgegenständlichen Abgaben resultieren betragsmäßig zum Großteil aus der im Jahr 2018 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung, die zu den mit Bescheiden vom festgesetzten Nachforderungen an Umsatzsteuern 2014 bis 2016 führten, sowie aus den von der Gesellschaft dem Abgabengläubiger bekannt gegebenen Selbstbemessungsabgaben.

Die Nachforderungsbescheide sind wirksam an die Primärschuldnerin ergangen. Im Haftungsverfahren ist die Abgabenbehörde grundsätzlich an den Inhalt der vorangegangenen Abgabenbescheide gebunden. Gemäß § 254 BAO wird durch die Einbringung einer Beschwerde die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten. Bescheide gehören mit ihrer Erlassung dem Rechtsbestand an. Beschwerden, gleichgültig, ob vom Primärschuldner oder vom Haftungsschuldner eingebracht, berühren die Wirkungen des Bescheides nicht (). Aufgrund der Bescheide vom liegen daher wirksame Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin vor.

Die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen resultieren aus den von der Primärschuldnerin dem Abgabengläubiger bekannt gegebenen Voranmeldungen, die gemäß § 21 Abs. 1 UStG als Steuererklärungen gelten. Die Richtigkeit dieser von der Gesellschaft selbst ermittelten Abgaben ist unbestritten, nach Ansicht des Beschwerdeführers hätten die Umsatzsteuervorauszahlungen für Juni und Juli 2016 aber durch den in der Voranmeldung für August 2016 ausgewiesenen Vorsteuerüberschuss abgedeckt werden müssen.

Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Haftungspflichtigen und der Abgabenbehörde darüber, ob eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, sind nicht im Haftungsverfahren, sondern im Verfahren auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO zu klären (z.B. und ). Davon zu unterscheiden ist die Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung, wenn ein zustehendes Guthaben aus einer Umsatzsteuervoranmeldung vom Finanzamt am Abgabenkonto nicht gebucht wird (siehe dazu unten Punkt 4.3.)

Die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben 11/2016 bis 3/2017 wurden dem Finanzamt ebenfalls von der Primärschuldnerin als Ergebnis der von ihr vorgenommenen Selbstberechnung bekannt gegeben. In der Revision gegen das Erkenntnis vom war erstmals vorgebracht worden, dass die den Lohnabgaben zugrunde liegenden Gehälter nicht mehr in voller Höhe ausbezahlt worden wären.

Erfolgten in einem bestimmten Lohnzahlungszeitraum tatsächlich keine Lohnzahlungen mehr, bestand auch keine Pflicht zur Einbehaltung und Abfuhr von Lohnabgaben. In einem solchen Fall entsteht schon mangels Verwirklichung des Tatbestandes, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, kein Abgabenanspruch im Sinne des § 4 BAO, der Grundlage für einen Abgabenzahlungsanspruch sein könnte, dessen Verletzung allenfalls haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen würde (; , ; ).

Gleiches gilt für den Fall, dass tatsächlich nur mehr geringere Löhne ausbezahlt wurden, als dies der Selbstberechnung der Lohnabgaben zugrunde gelegt wurde. In einem solchen Fall erstreckt sich die Haftung nur auf den tatsächlich durch die Lohnzahlungen entstanden Abgabenanspruch.

Der Nachweis für die (teilweise) Nichtzahlung der den haftungsgegenständlichen Lohnsteuern zugrunde liegenden Löhne wurde in der Stellungnahme vom zwar nicht erbracht, es wurde aber näher dargelegt, dass der Beschwerdeführer 75 % der Gesellschaftsanteile treuhändig für ***K*** gehalten habe. Die Beteiligung des ***K*** durch Vermittlung eines Treuhänders sei gemäß § 22 Zif. 2 EStG einer unmittelbaren Beteiligung gleichgestanden. Die Primärschuldnerin habe daher zu Unrecht die Bezüge des ***K*** als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit gewertet und von diesen Lohnsteuer berechnet und dem Finanzamt bekannt gegeben.

Tatsächlich seien Lohnsteuern nur für die beiden Dienstnehmer ***5*** und ***6*** in folgender Höhe angefallen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lohnsteuer
11/2016
671,20
Lohnsteuer
12/2016
64,56
Lohnsteuer
01/2017
75,83
Lohnsteuer
02/2017
75,83
Lohnsteuer
03/2017
90,56
Summe
977,98

Da im gegenständlichen Fall die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern auf der Selbstbemessung der Primärschuldnerin beruhen und kein Lohnsteuerhaftungsbescheid gemäß § 82 EStG ergangen war, ist über den Abgabenanspruch (seine Höhe) im Haftungsverfahren abzusprechen (Ritz, BAO7, § 248 Tz 5 mit Hinweis auf ).

Das Finanzamt trat dem zutreffenden Vorbringen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom nicht entgegen. Die DB- und DZ-Pflicht der Bezüge des ***K*** ist unbestritten (§ 41 Abs. 2 FLAG 1967 iVm § 22 Z 2 EStG 1988; § 122 Abs. 8 WKG). Die Haftung für Lohnsteuer wurde hinsichtlich der angeführten Zeiträume (11/2016 bis 3/2017) auf die genannten Beträge in Höhe von insgesamt 977,98 € eingeschränkt. Die Dienstgeberbeiträge samt Zuschläge wurden in der Differenzquotenberechnung (siehe unten Punkt 4.4.) berücksichtigt.

2) Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter der Primärschuldnerin

Die Bestellung des Geschäftsführers durch Gesellschafterbeschluss wird mit der Fassung des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses und der Annahme der Bestellung durch den Bestellten wirksam; die Eintragung ins Firmenbuch hat nur deklarative Bedeutung (z.B. ). Der Beschwerdeführer war aufgrund der eingangs zitierten Gesellschafterbeschlüsse von bis alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und damit für die Wahrnehmung der diese treffenden abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlich. Zu diesen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Sämtliche haftungsgegenständlichen Abgaben weisen Fälligkeitstermine zwischen Beginn und Ende der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers aus.

3) Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin

Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Hauptschuldner liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (Ritz, BAO7, § 9 Tz 5 mit Judikaturnachweisen). Bei Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens wie im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin fest (Ritz, a.a.O, § 9 Tz 6 mit Judikaturnachweisen).

4) Schuldhafte Pflichtverletzung

4.1. Umsatzsteuer 2015 und 2016

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entbindet die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten zwar den Vertreter nicht von seinen Pflichten. Sie kann ihn allerdings entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vorträgt, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren lassen hat, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters vorgelegen wären ( mwN).

Während der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers wurde die Primärschuldnerin von der ***Stb*** GmbH vertreten, als deren Geschäftsführer MMag. ***W*** fungierte. Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Stellungnahme vom darauf hingewiesen, dass er hinsichtlich der Frage der "Fakturierung der Tankkarten an die ausländischen Transportpartner" mit der steuerlichen Vertretung Rücksprache gehalten habe und diese das gewählte Vorgehen (Weiterverrechnung ohne Ausweis der Umsatzsteuer) als "praktikabel" angesehen habe. In der Revision war präzisiert worden, dass er hinsichtlich der steuerrechtlichen Behandlung der mit den Full Service Cards zusammenhängenden Umsätze mit dem Geschäftsführer der steuerlichen Vertreterin (MMag. ***W***) Rücksprache gehalten habe. In der Stellungnahme vom wurde darauf hingewiesen, dass er den Sachverhalt mit den nicht steuerbaren Tankkartenumsätzen persönlich mit dem Steuerberater erörtert habe und der Steuerberater zum Ergebnis gekommen sei, dass diese Umsätze nicht steuerbar seien. In der mündlichen Verhandlung wies der Beschwerdeführer neuerlich darauf hin, dass er die umsatzsteuerliche Behandlung der Weiterverrechnung der Tankkartenumsätze an die bulgarischen Subunternehmer damals mit seinem steuerlichen Vertreter besprochen hat. Dieser habe ihm gesagt, dass die Weiterverrechnung ohne Ausweis einer Umsatzsteuer erfolgen könne. Dies wurde vom ehemaligen steuerlichen Vertreter in einem im Zuge der Verhandlung vorgelegten E-Mail ausdrücklich bestätigt.

Dass der Beschwerdeführer der Auskunft des steuerlichen Vertreters hätte misstrauen müssen oder aus eigenem Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft gehabt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Im Gegenteil wurde der Beschwerdeführer in der Richtigkeit der Auskunft seines Steuerberaters dadurch bestärkt, dass bei einem ihm bekannten Geschäftspartner die Weiterverrechnung der monatlichen Abrechnungen der Ausstellerin der Tankkarten an die ausländischen Subunternehmer ohne Ausweis von Umsatzsteuer nicht beanstandet worden war. Im Zuge der am bei der ***TL*** Logistics GmbH in ***3*** (Geschäftsführer: ***H***) von der Großbetriebsprüfung Österreich, Standort ***4***, abgeschlossenen UVA-Prüfung wurden keine Feststellungen getroffen, die zu einer Änderung der eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen geführt hätten. Der Prüfer hielt in seiner Stellungnahme zur vom Finanzamt angezeigten Verdachtslage fest, dass ab Juli 2012 die monatlichen Abrechnungen der Firma ***U*** betreffend Treibstoff, Maut etc. an die bulgarische Firma ***T*** Eood weiterverrechnet worden wären und verwies dazu auf die entsprechenden Saldenlisten und Konten, auf denen keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird.

Bei dieser Sachlage liegt aber kein haftungsrelevantes Verschulden des Beschwerdeführers vor, wenn er sich hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Weiterverrechnung der Aufwendung, die mit den Tankkarten bezahlt worden waren (Betankung der LKW mit Diesel, Bezahlung der Maut, Bezahlung sonstiger Aufwendungen), auf die Auskunft des steuerlichen Vertreters der Primärschuldnerin verlassen hat. Weitergehende Erkundigungen - etwa beim Finanzamt - brauchte der Beschwerdeführer nicht mehr einholen. Die Sorgfaltspflichten würden überspannt, wäre der Vertreter einer Gesellschaft stets gehalten, sich nicht nur bei seinem steuerlichen Vertreter zu informieren, sondern auch noch Erkundigungen bei der Abgabenbehörde einzuholen; derartiges wird auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht verlangt. In Zweifelsfällen hat ein Unternehmer bei der Behörde anzufragen oder sich bei einem befugten Parteienvertreter kundig zu machen (vgl. etwa ). Der Vertreter muss sich an geeigneter Stelle erkundigen (vgl. für viele etwa ) bzw. geeignete Erkundigungen über die Rechtslage einholen (z.B. ). Dieser Pflicht hat der Beschwerdeführer entsprochen, sodass eine schuldhafte Pflichtverletzung hinsichtlich dieser Umsatzsteuern nicht vorliegt, und diese daher auch im Rahmen der Differenzquotenberechnung (siehe dazu unten Punkt 4.4.) nicht zu berücksichtigen sind.

4.2. Umsatzsteuer 2014

Bei dieser Nachforderung handelt es sich in Relation zur gesamten Haftungssumme um einen Bagatellbetrag (1.014,31 €), der aus verdeckten Gewinnausschüttungen an den wahren Machthaber der Primärschuldnerin (***K***) resultiert (Anschaffung von Golfausrüstung und Grand Prix Tickets, die über die Primärschuldnerin verrechnet wurden). Zwar besteht bei Betrauung Dritter (Buchhaltungskraft) mit abgabenrechtlichen Pflichten eine entsprechende Überwachungspflicht des Geschäftsführers und führt eine Verletzung derselben zur Haftung (Ritz, a.a.O., § 9 Tz 13 mit Judikaturnachweisen). Die Sorgfaltspflichten eines Geschäftsführers würden aber überspannt, wenn man von diesem verlangen würde, die Buchhaltung stets auf "Heller und Pfennig" zu kontrollieren (). Gegen das Ausscheiden dieses Bagatellbetrages aus der Haftung wurde seitens des Finanzamtes ausdrücklich kein Einwand erhoben (Stellungnahme vom zu Punkt 2).

4.3. Umsatzsteuer 06/2016 und 07/2016

Am wurde die Umsatzsteuervoranmeldung 08/2016 eingereicht, in der ein Vorsteuerüberschuss von 67.481,29 € erklärt wurde. Gemäß § 21 Abs. 1 UStG ist ein vorangemeldeter Überschuss gutzuschreiben, sofern nicht Abs. 3 zur Anwendung gelangt (Festsetzung bei unrichtiger Selbstberechnung). Die Gutschrift eines vorangemeldeten Überschusses wirkt auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung zurück.

Der vorangemeldete Überschuss wurde im Zuge der Prüfung nicht beanstandet. Durch die Berücksichtigung des Überschusses erst im Rahmen des Jahresbescheides reduzierte sich die Nachforderung aus der Prüfung von 229.200,00 € um 67.481,29 € auf 161.718,71 €; dieser Nachforderungsbetrag wird auch im Bescheid vom ausgewiesen.

Damit wurde die Bestimmung des § 21 Abs. 1 UStG verletzt, derzufolge ein vorangemeldeter Überschuss, der sich nicht als unrichtig erweist, gutzuschreiben ist, und die Gutschrift auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung zurückwirkt.

Zum Stichtag bestand ein vollstreckbarer Rückstand in Höhe von exakt 67.481,29 €, nachdem mit Wirksamkeit und Überweisungen mit Verrechnungsweisung (1.633,42 €, 1.692,57 €, 9.019,00 € und 22.573,11 €) und die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Zahlung von 5.386,86 € ohne Verrechnungsweisung geleistet worden waren. Mit dieser letztgenannten Zahlung sollte - unter Berücksichtigung der Gutschrift aus der UVA 08/2016 - der gesamte zu diesem Zeitpunkt vollstreckbare Rückstand einschließlich der Umsatzsteuervorauszahlungen 06/2016 und 07/2016 abgedeckt werden.

Bei der aufgezeigten Sach- und Rechtslage scheidet aber eine Haftungsinanspruchnahme für die Umsatzsteuern 06/2016 und 07/2016 aus, da diese Abgaben ausschließlich deswegen offen geblieben sind, weil das Finanzamt entgegen der Bestimmung des § 21 Abs. 1 UStG den in der UVA 08/2016 vorangemeldeten und korrekt ermittelten Überschuss nicht gutgeschrieben hat. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters liegt in einem solchen Fall nicht vor.

4.4. Umsatzsteuern 11/2016 bis 01/2017

Diese Umsatzsteuern wurden vor dem Ausscheiden des Beschwerdeführers als Geschäftsführer am , und fällig und ab dem ab Abgabenkonto gebucht. Es erfolgten jedoch bis zum Ausscheiden des Beschwerdeführers als Geschäftsführer am (aber auch bis zur Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ) keinerlei Zahlungen mehr auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin.

Werden Abgaben nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung hat, so verletzt der Vertreter keine abgabenrechtliche Pflicht; werden mangels Vorhandenseins irgendwelcher Gesellschaftsmittel keinerlei Zahlungen der Gesellschaft an wen immer geleistet, liegt kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor ( mwN).

Gegen das Fehlen sämtlicher Mittel im haftungsrelevanten Zeitraum (bis ) sprechen aber die im Zuge der Beschwerde vorgelegten Bankberichte.

Der Geschäftsführer haftet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ( mwN).

Dabei kommt es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann (). Demzufolge ist bei der Berechnung einer Quote auf die Zeiträume der jeweiligen Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Abgaben bis zur Eröffnung eines allfälligen Insolvenzverfahren oder bis zum vorherigen Ausscheiden des Vertreters als Geschäftsführer abzustellen ().

Demzufolge wurde der Beschwerdeführer im Vorhalt vom aufgefordert, eine entsprechende Differenzquotenberechnung für den Zeitraum bis vorzulegen.

Eine solche Differenzquotenberechnung wurde mit der Stellungnahme vom vorgelegt, woraus sich hinsichtlich der im Zeitraum bis zum Ausscheiden als Geschäftsführer am am Abgabenkonto neu angefallenen Selbstbemessungsabgaben (ohne Lohnsteuern) eine Differenzquote von 6.697,63 € ergab. Zuzüglich der Lohnsteuern von 977,98 € (siehe oben Punkt 1) ermittelte der Beschwerdeführer einen Haftungsbetrag von 7.583,91 €.

Das Bundesfinanzgericht stimmte dieser Quotenberechnung im Beschluss vom im Wesentlichen mit der Maßgabe zu, dass der Betrag von 100.830,94 € aus der Auflösung des Sparbuches, mit dem der offene Saldo am Girokonto der Gesellschaft bis auf einen geringen Restbetrag ausgeglichen wurde, im Rahmen der Quotenberechnung Berücksichtigung finden müsse. Der Beschwerdeführer sprach sich dagegen aus. Das Sparbuch sei als Sicherheit für die Bank durch einen Dritten lange vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gestellt worden.

Die Haftung eines Vertreters gemäß § 9 BAO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet (vgl. z.B. , mwN). Eine Haftung des Vertreters, die dessen Verschulden voraussetzt, kann nur durch dessen Verhalten (Handeln oder Unterlassen) begründet werden. Bei Zahlungen von Dritten ist demnach nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu differenzieren: Liegt eine Zahlung eines Dritten an einen Gläubiger des Abgabepflichtigen vor, auf die der Vertreter keinen Einfluss nehmen konnte (etwa bei Befriedigung eines Gläubigers des Abgabepflichtigen im Wege einer Drittschuldnerexekution), scheidet eine Haftung des Vertreters, die auf einen Verstoß gegen die Gläubigergleichbehandlung gestützt werden soll, aus. Zahlt ein Dritter hingegen an einen Gläubiger des Abgabepflichtigen auf Anweisung des Vertreters des Abgabepflichtigen in Erfüllung einer Verbindlichkeit dieses Dritten gegenüber dem Abgabepflichtigen, so liegt in dieser Anweisung eine Verfügung des Vertreters über liquide Mittel des Abgabepflichtigen. Insoweit ist aber der Vertreter zur Gleichbehandlung des Abgabengläubigers verpflichtet; ein Verstoß gegen diese Verpflichtung führt zu seiner Haftung ().

Wie bereits im Beschluss vom wurde auch in der mündlichen Verhandlung festgestellt, dass am laut Bankbericht Nr. 5 das zugunsten der Bank verpfändete Sparbuch "laut Herrn ***Bf***" aufgelöst und ein Betrag von 100.830,94 € zur teilweisen Abdeckung des offenen Saldos am Girokonto verwendet wurde. Dies wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten, sondern mehrfach darauf hingewiesen, dass das Sparbuch bereits vor Übernahme der Geschäftsführung von einem Dritten zur Besicherung des Kredites (Überziehungsrahmen am Girokonto) zur Verfügung gestellt worden sei. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass in der Auflösung des Sparbuches "laut Herrn ***Bf***" eine Verfügung des Beschwerdeführers über das Sparbuch und damit eine Verfügung des Vertreters über Mittel der Gesellschaft liegt, und mit diesen Mitteln ein Gläubiger der Gesellschaft - eben die Bank - befriedigt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im Abschluss eines (globalen) Mantelzessionsvertrages, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt wird, andererseits andere andrängende Gläubiger - insbesondere der Bund als Abgabengläubiger - benachteiligt werden, eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung liegen. Der Abschluss eines Mantelzessionsvertrages ist dem Vertreter dann vorzuwerfen, wenn er es unterlassen hat - insbesondere durch entsprechende Vertragsgestaltung - vorzusorgen, dass auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt als nicht unvorhersehbar zu werten ist, die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, durch diesen Vertrag nicht beeinträchtigt wird ().

Das bedeutet aber nicht, dass eine Haftungsinanspruchnahme nur dann zulässig wäre, wenn der Vertreter den Zessionsvertrag selbst abgeschlossen hätte. Wurde ein solcher Vertrag, der den Vertreter hindert, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß wahrzunehmen, bereits von seinem Vorgänger abgeschlossen, so muss er entweder sofort diese Behinderung abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden, sonst trifft ihn die Haftung für die Abgabenverbindlichkeiten der GmbH (). Somit befreit der Umstand, dass der Zessionsvertrag vor Übernahme der Vertretung abgeschlossen worden war, nicht automatisch von der Haftung. Dies gilt analog auch für den Fall, dass ein Dritter der Gesellschaft bereits vor Übernahme der Vertretung Mittel (hier: ein Sparbuch zur Besicherung des Überziehungsrahmens am Girokonto) zur Verfügung gestellt hat.

In der konkreten Auswirkung besteht zwischen beiden Besicherungsinstrumenten kein Unterschied: Liegt ein Zessionsvertrag vor, wird im Fall der Überziehung des von der Bank gewährten Rahmens die Zession schlagend, und die Bank verwendet die eingehenden Zahlungen der Kunden der Gesellschaft zur (teilweisen) Tilgung der offenen Bankverbindlichkeiten, mit der Folge, dass der Vertreter das Gleichbehandlungsgebot nicht beachten kann, da er über die eingehenden Mittel nicht mehr verfügen kann. Wird der Rahmen am Girokonto durch ein Sparbuch besichert und der Rahmen überzogen, wird das Sparbuch zur (teilweisen) Tilgung der offenen Bankverbindlichkeiten verwendet, was zu einer Begünstigung dieses Gläubigers führt. Beide Besicherungsinstrumente führen somit zu einer Begünstigung der Bank, was zwar im Wesen dieser Besicherungsinstrumente liegt, den Vertreter einer Gesellschaft aber an der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes hindert.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zählt das von Dritter Seite "zur Verfügung" gestellte Sparbuch bereits ab dem Zeitpunkt der Überlassung zu den Gesellschaftsmitteln und ist daher einer Zahlung von Dritten im Sinne der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gleichzuhalten.

Damit sind nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes in die Differenzquotenberechnung sowohl der Betrag von 100.830,94 € als Gesellschaftsmittel, aber selbstverständlich auch die zu diesem Zeitpunkt offenen und mit diesen Mitteln zum Großteil abgedeckten Bankverbindlichkeiten (offener Saldo am Girokonto der Primärschuldnerin von 118.487,69 €) als zusätzliche und bisher nicht berücksichtigte Verbindlichkeiten zu berücksichtigen.

Stellt man daher den Gesamtverbindlichkeiten von 1.205.092,45 € (1.086.604,76 zuzüglich 118.487,69) den im haftungsrelevanten Zeitraum angefallenen Finanzamtsverbindlichkeiten gegenüber, ergibt ein Anteil der Verbindlichkeiten des Abgabengläubigers an den Gesamtverbindlichkeiten von 6,7717684 %. Von den Gesamtmitteln in Höhe von 202.720,25 € (liquide Mittel 101.889,31 € + 100.830,94 € Sparbuch) hätte daher ein Betrag in Höhe der Differenzquote, somit 13.727,75 € an den Abgabengläubiger abgeführt werden müssen.

Zuzüglich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer von 977,98 € ergibt sich daraus der spruchgegenständliche Haftungsbetrag von 14.705,73 €. Auf die als Beilage angeschlossene Differenzquotenberechnung wird verwiesen.

4.5. Lohnabgaben 11/2016 bis 03/2017

Zur Haftung für jene Lohnsteuer, die auf die tatsächlich noch ausbezahlten Löhne entfiel, hat bereits das Finanzamt zutreffend auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG und die dazu ergangene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt. Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden und unterliegt (auch) bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot. Somit trifft den Vertreter nach § 80 BAO die Verpflichtung, die Lohnsteuer einerseits einzubehalten und andererseits - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des Gleichbehandlungsgebotes - zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen ( mwN). Die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern wurden daher ungekürzt (ohne Berücksichtigung im Rahmen der Ermittlung der Differenzquote) unter Berücksichtigung der Ausführungen unter Punkt 1 mit 977,98 € angesetzt.

Die Dienstgeberbeiträge samt Zuschlägen unterliegen dagegen dem Gleichbehandlungsgebot und wurden im Rahmen der Differenzquotenberechnung berücksichtigt.

5) Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit

Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft gewesen ist. Zudem spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall ( mit Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049). Die Nichtentrichtung der noch verbleibenden haftungsgegenständlichen Abgaben ist auf eine Nichtbeachtung des Gleichbehandlungsgebotes zurückzuführen, die kausal für den Abgabenausfall war. Zur Lohnsteuer wurde bereits auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG und die dazu ergangene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen

6) Ermessen

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Im Antrag vom , mit dem begehrt wurde, der außerordentlichen Revision vom selben Tag gegen das Vorerkenntnis aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war auf ein geringes Jahreseinkommen (21.483,99 € im Jahr 2021) und die aufrechte Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind (geb. tt.mm.2018) hingewiesen worden. Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein aber noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Für die Ermessensübung bedarf es daher keiner Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenssituation des Haftungspflichtigen (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen (). Andere Billigkeitsgründe, die gegen eine Geltendmachung der Haftung sprechen würden, wurden weder vorgebracht, noch sind solche aktenkundig. Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung war daher zweckmäßig, um einen Teil der bei der Primärschuldnerin uneinbringlichen Abgaben im Haftungsweg doch noch einzubringen.

Revisionsbegründung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100250.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at