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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.03.2024, RV/7103232/2021

Geschäftsführerhaftung nach § 9 BAO bei mangelndem Nachweis der Gläubigergleichbehandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***R1***, den Richter ***R2*** sowie den fachkundigen Laienrichter ***R3*** und die fachkundige Laienrichterin ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch BKS Steuerberatung GmbH & Co KG, Untere Hauptstraße 10, 3150 Wilhelmsburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung für Abgabenverbindlichkeiten der ***A*** GmbH sowie über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld, beide Steuernummer ***BfStNr***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:

I.

1. Der Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung für Abgabenverbindlichkeiten der ***A*** GmbH wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für folgende Abgabenverbindlichkeiten der ***A*** GmbH im Gesamtbetrag von € 50.537,55 in Anspruch genommen wird:


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Abgabe
Betrag
abzügl. Insolvenzquote 8,337249 %
Rest (Haftungsbetrag)
Umsatzsteuer
10/2018
1.387,21
115,66
1.271,55
Umsatzsteuer
11/2018
5.990,11
499,41
5.490,70
Umsatzsteuer
12/2018
28.093,08
2.342,19
25.750,89
Lohnsteuer
09/2018
2.067,73
172,39
1.895,34
Lohnsteuer
10/2018
4.052,27
337,85
3.714,42
Lohnsteuer
11/2018
4.674,15
389,70
4.284,45
Lohnsteuer
12/2018
164,12
13,68
150,44
Lohnsteuer
01/2019
2.702,35
225,30
2.477,05
Körperschaftsteuer
01-03/2019
125,00
10,42
114,58
Kammerumlage
07-09/2018
127,20
10,60
116,60
Kammerumlage
10-12/2018
68,83
5,74
63,09
Dienstgeberbeitrag
10/2018
1.076,18
89,72
986,46
Dienstgeberbeitrag
11/2018
1.894,72
157,97
1.736,75
Dienstgeberbeitrag
12/2018
881,44
73,49
807,95
Dienstgeberbeitrag
01/2019
795,65
66,34
729,31
Zuschlag zum DB
10/2018
110,38
9,20
101,18
Zuschlag zum DB
11/2018
194,33
16,20
178,13
Zuschlag zum DB
12/2018
90,41
7,54
82,87
Zuschlag zum DB
01/2019
77,54
6,46
71,08
Säumniszuschlag
2018
56,65
4,72
51,93
Säumniszuschlag
2018
199,74
16,65
183,09
Säumniszuschlag
2018
62,93
5,25
57,68
Säumniszuschlag
2018
66,56
5,55
61,01
Säumniszuschlag
2018
82,16
6,85
75,31
Säumniszuschlag
2018
93,48
7,79
85,69
Summe
50.537,55

2. Die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Haftung

Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Abgabenkonto der ***A*** GmbH Verbindlichkeiten im Ausmaß von € 55.134,22 aushaften und dass bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer dieser Gesellschaft seiner Verpflichtung zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft nicht vorschriftsgemäß nachgekommen ist. Die Forderung sei gegenüber der ***A*** GmbH nicht einbringlich, da über deren Vermögen ein Konkursverfahren anhängig war, welches mittlerweile nach Verteilung des Vermögens aufgehoben wurde. Für den Fall, dass die ***A*** GmbH bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt haben sollte, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. Diese Aufstellung habe alle damaligen Gläubiger (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) zu enthalten. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüberzustellen. Dem Beschwerdeführer wurde weiters mitgeteilt, dass es ihm freistehe, die maßgebliche finanzielle Situation zum Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekanntzugeben und dass ihm der Nachweis dafür obliege, welche finanziellen Mittel zur Verfügung standen und in welchem Ausmaß die Gläubiger befriedigt wurden. Werde der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liege es im Ermessen des Finanzamtes die Haftung für die o.a. Abgabenbeträge auszusprechen und sähe sich das Finanzamt im Hinblick auf den öffentlichen Auftrag zur Einbringung vollstreckbarer Abgaben auch hierzu veranlasst. Dem Schreiben war eine Aufstellung der aushaftenden Abgaben, der auf die einzelnen Abgaben entfallenden Insolvenzquote und des jeweiligen Haftungsbetrages (Forderung abzüglich Insolvenzquote; Gesamtbetrag € 51.633,20) angeschlossen. Zur Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer eine Frist bis zum eingeräumt.

Hierauf teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom mit, dass sich aus dem Anmeldeverzeichnis im Konkurs der ***A*** GmbH, in dem Verbindlichkeiten im Gesamtausmaß von € 498.763,40 aufscheinen, aus seiner Sicht ergebe, dass viele andere Forderungen ebenfalls nicht am Fälligkeitstag bedient werden konnten und diese Fälligkeitstage ident mit den Fälligkeitstagen der bezeichneten Abgabenansprüche seien. Ein genauer Nachweis könne jedoch aktuell nicht mehr erbracht werden. Der Beschwerdeführer habe in der hochsensiblen Bau(neben)branche als Geschäftsführer zweimal ein Insolvenzverfahren beantragen müssen bzw. habe er sofort nach Erkennen der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Er sei sich daher keines schuldhaften Verhaltens bewusst. Es sei ihm mittlerweile gelungen, einen Job im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu erlangen und versuche er, sich nach den beiden Insolvenzverfahren wirtschaftlich zu konsolidieren. Aufgrund des ersten Insolvenzverfahrens sei ebenfalls ein Haftungsverfahren eingeleitet worden, das durch eine BFG-Entscheidung erledigt worden sei. Den darin festgesetzten Haftungsbetrag habe er beglichen, sodass seine finanziellen Mittel erschöpft seien. Letztlich verwies er darauf, dass im Insolvenzverfahren rd. € 140.000,00 an Dienstnehmerforderungen angemeldet worden seien. Wenn ihm möglicherweise vorgehalten werde, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt noch Lohnzahlungen geleistet, die Abgabenbehörde aber nicht vollständig bedient habe, sei festzuhalten, dass bei einer vollständigen Begleichung der Abgabenforderungen die offenen Lohnforderungen noch höher gewesen wären und höhere Auszahlungen durch die IEF-Service GmbH zur Folge gehabt hätten. Es hätte sich daher der Anmeldebetrag im Insolvenzverfahren wie in kommunizierenden Gefäßen von einer Behörde (Abgabenbehörde) zu einer anderen Behörde (IEF-Service GmbH) verlagert. Zur abschließenden Bereinigung der Angelegenheit bot der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Abschlagszahlung i.H.v. € 6.000,00 gegen Restschuldbefreiung an. Dem Schreiben vom waren das vom Beschwerdeführer ausgefüllte Formblatt EV 7 "Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse" sowie Kontoauszüge betreffend einen Bausparvertrag und zwei Bauspardarlehen angeschlossen.

Mit Bescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer gem. § 9 i.V.m. §§ 80 ff BAO zur Haftung für folgende Abgabenverbindlichkeiten der ***A*** GmbH im Gesamtbetrag von € 51.633,19 heran:


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Abgabe
Betrag
Quote
Rest
Umsatzsteuer
10/2018
1.387,21
88,09
1.299,12
Umsatzsteuer
11/2018
5.990,11
380,37
5.609,74
Umsatzsteuer
12/2018
28.093,08
1.783,91
26.309,17
Lohnsteuer
09/2018
2.067,73
131,30
1.936,43
Lohnsteuer
10/2018
4.052,27
257,32
3.794,95
Lohnsteuer
11/2018
4.674,15
296,81
4.377,34
Lohnsteuer
12/2018
164,12
10,42
153,70
Lohnsteuer
01/2019
2.702,35
171,60
2.530,75
Körperschaftsteuer
01-03/2019
125,00
7,94
117,06
Kammerumlage
07-09/2018
127,20
8,08
119,12
Kammerumlage
10-12/2018
68,83
4,37
64,46
Dienstgeberbeitrag
10/2018
1.076,18
68,34
1.007,84
Dienstgeberbeitrag
11/2018
1.894,72
120,31
1.774,41
Dienstgeberbeitrag
12/2018
881,44
55,97
825,47
Dienstgeberbeitrag
01/2019
795,65
50,52
745,13
Zuschlag zum DB
10/2018
110,38
7,01
103,37
Zuschlag zum DB
11/2018
194,33
12,34
181,99
Zuschlag zum DB
12/2018
90,41
5,74
84,67
Zuschlag zum DB
01/2019
77,54
4,92
72,62
Säumniszuschlag
2018
56,65
3,60
53,05
Säumniszuschlag
2018
199,74
12,68
187,06
Säumniszuschlag
2018
62,93
4,00
58,93
Säumniszuschlag
2018
66,56
4,23
62,33
Säumniszuschlag
2018
82,16
5,22
76,94
Säumniszuschlag
2018
93,48
5,94
87,54
Summe
51.633,19

Begründend führte sie aus, dass die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung gegenüber der ***A*** GmbH aufgrund des mittlerweile abgeschlossenen Insolvenzverfahrens gegeben sei. Die Quote von 6,348295 % sei in Abzug gebracht worden. Das Vorbringen, wonach er sofort nach Erkennen der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt habe, entbinde den Beschwerdeführer nicht von der Haftung gem. § 9 BAO. Dem Vorbringen, wonach höhere Zahlungen an die Abgabenbehörde entsprechend höhere Forderungen der Dienstnehmer (und damit im Ergebnis der IEF-Service GmbH) zur Folge gehabt hätten, hielt die Behörde entgegen, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988 in dem Falle, dass die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet sei, die Lohnsteuer vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen, sowie dass in der Nichtbeachtung dieser Verpflichtungen jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken sei. Die Geltendmachung der Haftung stehe im Ermessen und stelle die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium darstelle. Die Abgabenschulden können bei der ***A*** GmbH nicht eingebracht werden und sei der Beschwerdeführer als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der in Betracht kommende Haftende i.S.d. § 9 i.V.m. §§ 80 ff BAO. Dem Vorbringen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers hielt die belangte Behörde entgegen, dass eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stehe und dass eine Tilgung des Haftungsbetrages in Form einer langfristigen Ratenvereinbarung möglich sei. Zur angebotenen Abschlagszahlung führte die belangte Behörde aus, dass darüber erst nach Rechtskraft des Haftungsbescheides, also nachdem der Haftungsbetrag endgültig feststeht, entschieden werden könne.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Darin wird - wie schon im Schreiben vom - ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers in Abrede gestellt. Aus dem Anmeldeverzeichnis zum Insolvenzverfahren ergebe sich, dass alle Gläubiger gleich behandelt worden seien. Die Gründe die zur Insolvenz geführt haben, seien nicht im Einflussbereich des Beschwerdeführers gelegen, sondern hätten sich kurzfristig aus einer Baustelle in Wien ergeben, bei der ein massiver Verlust erwirtschaftet worden sei, sodass eine Bedienung der Verbindlichkeiten nicht mehr möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe nach dem ersten Insolvenzverfahren versucht, den Betrieb der Gesellschaft fortzuführen, was ihm nicht gelungen sei und schlussendlich zur Liquidation der Gesellschaft geführt habe. Im Übrigen verwies er auf die Vorhaltsbeantwortung vom .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte sie aus, dass das Vorbringen, wonach sich aus dem Anmeldeverzeichnis zum Insolvenzverfahren ergebe, dass alle Gläubiger gleich behandelt worden seien und dass die Gründe für die Insolvenz außerhalb des Einflussbereiches des Beschwerdeführers gelegen seien, keinen geeigneten Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung darstelle.

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer Vorlageantrag gemäß § 264 BAO, in dem auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt wurde.

2. Entlassung aus der Gesamtschuld

Nachdem der Beschwerdeführer mit dem o.a. Bescheid vom zur Haftung für Abgabenverbindlichkeiten der ***A*** GmbH herangezogen wurde, beantragte er mit Schriftsatz vom gemäß § 237 BAO die Entlassung aus der Gesamtschuld. Die Einhebung der Abgabenschuld bei ihm sei nach der Lage des Falles unbillig. Wie schon im Haftungsverfahren verwies er darauf, dass sie Gründe für das Insolvenzverfahren nicht in seinem Bereich gelegen seien, sondern er nach Abschluss des ersten Insolvenzverfahrens versucht habe, das Unternehmen fortzuführen, was ihm aber nicht gelungen sei. Der Beschwerdeführer habe vor einigen Jahren einen Herzinfarkt erlitten und leide an Diabetes. Er sei nunmehr gesundheitlich soweit wiederhergestellt, dass er einer geordneten Beschäftigung beim ***AG*** als Vertragsbediensteter nachgehen und wirtschaftlich wieder Fuß fassen könne. Er sei de facto vermögenslos, wobei auf die Darstellung der Vermögenslage im Haftungsverfahren verwiesen wurde.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld ab. Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung sei nicht erkennbar. Die Inanspruchnahme zur Haftung als Geschäftsführer stelle keine anormale Belastungswirkung dar und führe - verglichen mit ähnlichen Fällen - zu keinem atypischen Vermögenseingriff, sodass nicht davon die Rede sein könne, dass hier ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes atypisches Ergebnis eingetreten sei. Auch eine persönliche Unbilligkeit liege nicht vor. Der Beschwerdeführer beziehe vom ***AG*** ein Einkommen von rd. € 2.300,00 pro Monat, verfüge über ein Bausparguthaben von rd. € 2.800,00 und habe (gemeinsam mit seiner Ehegattin) Darlehensverbindlichkeiten von rd. € 17.300,00. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Situation gefährde die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten i.H.v. € 51.633,19 die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers nicht. Er sei zudem durch die Bestimmungen, wonach ihm im Falle einer Exekutionsführung ein unpfändbarer Freibetrag von seinem Arbeitseinkommen ("Existenzminimum") zu verbleiben hat, geschützt und könne einer möglichen Härte der Abgabeneinhebung durch die Gewährung von Ratenzahlungen begegnet werden.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , in der die im Antrag vom vorgebrachten Gründe nochmals dargestellt werden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Auch die belangte Behörde wiederholte darin die bereits im Bescheid vom getroffenen Ausführungen bzw. verwies auf diesen Bescheid.

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer Vorlageantrag gemäß § 264 BAO, in dem - wie bereits im Haftungsverfahren - die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt wurde.

3. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, dass die belangte Behörde das Ermessen in keiner Weise begründet habe und dies zur Bescheidaufhebung führen müsse. Eine Unbilligkeit ergebe sich auch daraus, dass mittlerweile ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Zudem stellte es ein wirtschaftliches Missverhältnis dar, dass der Beschwerdeführer für längere Zeit mit dem Existenzminimum auskommen müsste. Im Rahmen des Ermessens sei auch zu berücksichtigen, dass die belangte Behörde eine Abschlagszahlung abgelehnt habe bzw. über eine allfällige Abschlagszahlung erst nach Abschluss des Haftungsverfahren entscheiden wolle.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war vom bis zum handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***A*** GmbH (FN ***FN-A***). Über deren Vermögen wurde mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom tt.09.2017, ***InsGZ1***, ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und nach Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplanes mit Beschluss vom tt.3.2018 aufgehoben. Nach dem Inhalt des Sanierungsplanes sollten die Gläubiger eine Quote von 21 % erhalten, von der 6 % binnen 14 Tagen ab rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes, 7 % binnen einem Jahr und 8 % binnen zwei Jahren ab Annahme des Sanierungsplanes zu bezahlen waren. Die erste Quote i.H.v. 6 % wurde am (noch vom Insolvenzverwalter) ausbezahlt. Die weiteren Quoten wurden nicht mehr entrichtet.

Mit Bescheid des (damaligen) Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom wurde der Beschwerdeführer gem. § 9 i.V.m. §§ 80 ff BAO zur Haftung für die nach dem Insolvenzverfahren ***InsGZ1*** offen gebliebenen Abgabenverbindlichkeiten der ***A*** GmbH herangezogen. Bereits damals hatte er sich zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung auf das Anmeldeverzeichnis im Insolvenzverfahren berufen, welches vom Finanzamt als unzureichend erachtet wurde. Aufgrund einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde die Haftung mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5101146/2019, insofern dem Grunde nach bestätigt, als auch das Bundesfinanzgericht den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung als nicht erbracht ansah, jedoch wurde die Haftung im Wege des Ermessens (von in Frage kommenden € 7.097,85 auf € 4.360,20) reduziert. Hierbei wurde das steuerliche Verhalten des Beschwerdeführers, der als Vertreter der Primärschuldnerin um eine Abstattung des Abgabenrückstandes bemüht war, zu seinen Gunsten berücksichtigt.

Mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom tt.5.2019, ***InsGZ2***, wurde erneut ein Insolvenzverfahren (nunmehr ein Konkursverfahren) über das Vermögen der ***A*** GmbH eröffnet. Dieses Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom nach Schlussverteilung aufgehoben. Auf die Insolvenzgläubiger entfiel zunächst eine Quote von 6,348295 %, wobei zum damaligen Zeitpunkt noch Haftrücklässe der Insolvenzschuldnerin i.H.v. € 20.563,61 offen waren, die nach Ablauf der jeweiligen Haftfrist eingefordert werden sollten und - je nach Berechtigung und Einbringlichkeit - zu einer Nachtragsquote führen werden. Am wurde die ***A*** GmbH gemäß § 40 FBG gelöscht. Aufgrund frei gewordener Haftrücklässe entfiel auf die Gläubiger schließlich eine weitere (Nachtrags-) Quote von 1,988954 %, welche im Februar 2024 durch den ehemaligen Masseverwalter als Treuhänder ausgeschüttet wurde.

Unter Berücksichtigung der insgesamt 8,337249 %igen Insolvenzquote haften bei der ***A*** GmbH die im Spruch näher aufgegliederten Abgabenforderungen im Gesamtbetrag von € 50.537,55 aus.

Der Beschwerdeführer ist beim ***AG*** als Vertragsbediensteter beschäftigt und bringt monatlich € 2.300,00 ins Verdienen. Er verfügt über ein Bausparguthaben i.H.v. € 2.800,00, einen Laptop, ein Tablet, zwei Fernseher und eine Spiegelreflexkamera, ansonsten jedoch über kein nennenswertes Vermögen. Gemeinsam mit seiner Ehegattin hat er Verbindlichkeiten aus zwei Bauspardarlehen i.H.v. € 17.300,00. Er ist nicht unterhaltspflichtig.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der ***A*** GmbH gründen sich auf das offene Firmenbuch, jene zum (ersten) Insolvenzverfahren ***InsGZ1*** des Landesgerichtes St. Pölten sowie zur (ersten) Inanspruchnahme des Beschwerdeführers für Abgabenverbindlichkeiten der ***A*** GmbH auf das (der FinDok entnommene) Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5101146/2019. Die Feststellungen zum (zweiten) Insolvenzverfahren ***InsGZ2*** des Landesgerichtes St. Pölten gründen sich auf die offene Insolvenzdatei, den vorgelegten Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom und den Schlussbericht des Treuhänders vom . Die bei der ***A*** GmbH aushaftenden (und vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen) Abgabenverbindlichkeiten sind dem Haftungsbescheid sowie den zugrunde liegenden Abgabenbescheiden und dem mit Schreiben der belangten Behörde vom nachgereichten Auszug aus dem Abgabekonto (aus dem die von der ***A*** GmbH gemeldeten Selbstbemessungsabgaben ersichtlich sind) entnommen. Festzuhalten ist, dass allfällige Einwände gegen die Höhe und/oder Zusammensetzung der Abgabenverbindlichkeiten des Primärschuldners ohnedies nicht im Haftungsverfahren, sondern durch Beschwerde gegen die Abgabenbescheide bzw. durch Beantragung (und allenfalls Bekämpfung) eines Abrechnungsbescheides im Sinne des § 216 BAO geltend zu machen wären (; , 2001/14/0154; , 96/15/0104). Die Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers gründen sich schließlich auf das von ihm ausgefüllte und mit der Äußerung vom vorgelegte Formular "Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse" und die angeschlossenen Beilagen (Kontoauszüge betreffend Bausparvertrag und Bauspardarlehen). Hinweise darauf, dass die darin gemachten Angaben unzutreffend sein könnten, liegen nicht vor. Auch die belangte Behörde bezweifelt diese Angaben offenkundig nicht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe/Abweisung)

1. Haftung

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen (darunter fallen etwa die Geschäftsführer von GmbHs: § 18 Abs. 1 GmbHG) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um sämtliche Gläubiger vollständig zu befriedigen, hat der Vertreter für eine gleichmäßige (anteilige) Befriedigung der Gläubiger zu sorgen. Hierbei trifft ihn eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast. Er hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich war (; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). Behauptet der Vertreter, dass die Mittel unzureichend waren, um sämtliche Gläubiger zur Gänze zu befriedigen, obliegt ihm der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (; , 96/15/0049). Er hat insbesondere die Quote und den Betrag zu errechnen, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde geflossen wäre (). Für Lohnabgaben besteht insofern eine Sonderregelung, als diese, wenn die verfügbaren Mittel zur Zahlung des vollen Arbeitslohnes nicht ausreichen, vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen sind (§ 78 Abs. 3 EStG 1988; diese Bestimmung ist gem. § 43 Abs. 2 FLAG 1967 sinngemäß auf den Dienstgeberbeitrag anzuwenden; § 122 Abs. 8 WKG verweist für den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag auf § 43 FLAG 1967 und damit indirekt ebenfalls auf § 78 Abs. 3 EStG 1988). Erbringt der Vertreter diesen Nachweis nicht, darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass eine schuldhafte Verletzung i.S.d. § 9 BAO vorliegt und diese Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war, sodass der Vertreter für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze haftet (; , 98/14/0082; , 2011/16/0187; , Ra 2020/13/0027). Um dieser Nachweispflicht nachkommen zu können, obliegt es dem Vertreter auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen ().

Im vorliegenden Fall verweist der Beschwerdeführer auf das Anmeldeverzeichnis im Konkursverfahren. Hierzu ist festzuhalten, dass sich aus dem Anmeldeverzeichnis lediglich ergibt, welche Forderungen bei Konkurseröffnung (noch) offen waren, nicht aber, welche Zahlungen an welche Gläubiger in der Zeit davor geleistet wurden. Auch die Fälligkeitszeitpunkte der einzelnen Konkursforderungen sind dem Anmeldeverzeichnis nicht zu entnehmen, sodass auch nicht beurteilt werden kann, ob die (übrigen) Konkursforderungen gleichzeitig mit den Abgabenforderungen fällig geworden sind. Das Anmeldeverzeichnis ist daher jedenfalls kein tauglicher Nachweis der Gläubigergleichbehandlung. Im Übrigen gesteht der Beschwerdeführer selbst zu, dass er einen genauen Nachweis nicht (mehr) erbringen kann. Er ist daher seiner qualifizierten Behauptungs- und Konkretisierungslast nicht nachgekommen, sodass nicht festgestellt werden kann, ob und in welchem Ausmaß bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bzw. bei Entrichtung der Lohnabgaben auf Basis der ausbezahlten Gehälter Zahlungen auf die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten zu leisten gewesen wären. Demnach muss nach der oben dargestellten Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass die Entrichtung der Abgaben aus einem Verschulden des Beschwerdeführers unterblieben ist, sodass der für diese Abgaben dem Grunde nach zur Gänze haftet.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, eine vollständige Begleichung der Abgabenforderungen hätte höhere offene Lohnforderungen und dementsprechend höhere Auszahlungen durch die IEF-Service GmbH nach sich gezogen, sodass sich der Forderungsbetrag wie in kommunizierenden Gefäßen lediglich von einer Behörde (Abgabenbehörde) zu einer anderen Behörde (IEF-Service GmbH) verlagert hätte, meint er offenbar, dass es sich bei beiden Stellen um den "Staat" handle und dass es daher keine Rolle spielen könne, ob die Forderungen nun bei der einen oder anderen Stelle auflaufen. Hierzu ist festzuhalten, dass es sich beim Rechtsträger der Abgabenbehörde (Republik Österreich bzw. Bund) einerseits und der IEF-Service GmbH (diese genießt als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eigene Rechtspersönlichkeit) andererseits um unterschiedliche Rechtssubjekte handelt. Auch der Insolvenz-Entgelt-Fonds, den die IEF-Service GmbH verwaltet und aus dessen Mitteln sie Insolvenz-Entgelt auszahlt, ist ein eigenes - vom Bund zu unterscheidendes - Rechtssubjekt (§ 13 Abs. 1 IESG). Eine Zahlung an Dienstnehmer (und daraus resultierend eine geringere Belastung des Insolvenz-Entgelt-Fonds) kann daher schon allein aus diesem Grund nicht einer Zahlung an die Abgabenbehörde gleichgehalten werden.

Auch die Frage, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der ***A*** GmbH trifft, ist für die Haftung nach § 9 BAO ohne Belang (). Dass die Gesellschaft - wie der Beschwerdeführer ausführt - nicht aus seinem Verschulden, sondern wegen eines massiven Verlustes aus einer Baustelle in Wien insolvent geworden ist, steht daher der Haftung nicht entgegen.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen (; , Ra 2020/13/0029). Ermessensentscheidungen sind gemäß § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sind hierbei die berechtigten Interessen der Partei zu verstehen, unter dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben (). Die Kriterien der Ermessensübung sind vorrangig dem Zweck jener Norm zu entnehmen, die das Ermessen einräumt ().

Da es sich bei Haftungen um Besicherungsinstitute handelt, ergibt sich aus dem Normzweck eine gewisse Nachrangigkeit der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme des Hauptschuldners. Der Haftende darf daher i.d.R. nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert wäre (). Für die Haftung nach § 9 BAO ist die Uneinbringlichkeit der Abgaben ausdrücklich Tatbestandsvoraussetzung. Dass die Abgabenverbindlichkeiten bei der ***A*** GmbH uneinbringlich sind, steht im vorliegenden Fall außer Zweifel. Über deren Vermögen war ein Konkursverfahren anhängig, welches nach Schlussverteilung aufgehoben wurde. Dies bedeutet, dass das Vermögen vollständig verwertet und (quotenmäßig) unter den Gläubigern aufgeteilt wurde, sodass über die Quote hinaus keine weitere Befriedigung der Gläubiger zu erwarten ist. Mittlerweile wurde die ***A*** GmbH gem. § 40 FBG, also wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, dass seine finanziellen Mittel durch die Begleichung des Haftungbetrages im vorangegangenen Haftungsverfahren erschöpft seien, ist festzuhalten, dass eine Vermögenslosigkeit des Haftenden in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht. Eine allfällige, derzeitige Uneinbringlichkeit schließt es nämlich nicht aus, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen und künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (). Im Übrigen bezieht der Beschwerdeführer ein monatliches Gehalt von € 2.300,00 beim ***AG***. Dieser Bezug ist gem. § 290a EO i.V.m. § 53 AbgEO beschränkt pfändbar, d.h. es hat dem Beschwerdeführer der nach der Bestimmung des § 291a EO i.V.m. § 53 AbgEO zu berechnende unpfändbare Freibetrag ("Existenzminimum") zu verbleiben, der sich nach der vom BMJ herausgegebenen Existenzminimumstabelle 1am bei einem Gehalt von € 2.300,00 auf € 1.411,00 beläuft. Bei diesem Freibetrag handelt es sich somit um jenen Betrag, den der Gesetzgeber als erforderlich und ausreichend erachtet, um die eigenen Lebensbedürfnisse und die Lebensbedürfnisse allfälliger unterhaltsberechtigter Personen zu bestreiten, sodass darin, dass der Beschwerdeführer für längere Zeit mit dem Existenzminimum auskommen muss, kein wirtschaftliches Missverhältnis erblickt werden kann. Der Restbetrag von € 889,00 (in Monaten mit Sonderzahlungen entsprechend mehr) ist pfändbar, sodass von einer zumindest teilweisen Einbringlichkeit auszugehen ist.

Ein weiterer für die Ermessensübung relevanter Umstand ist die Zeitdauer zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Primärschuldner einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits. Ist dieser Zeitabstand ohne sachliche Rechtfertigung ungewöhnlich lang, kann dies - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - eine Minderung der Haftung zur Folge haben ( m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass über das Vermögen der ***A*** GmbH ein Insolvenzverfahren anhängig war und demnach das tatsächliche Ausmaß des Forderungsausfalles erst mit dem Schlussbericht des Treuhänders vom , wonach auf die Konkursgläubiger eine Nachtragsquote von 1,988954 % entfällt, bekannt wurde. Die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers erfolgte daher noch vor Kenntnis über das tatsächliche Ausmaß des Forderungsausfalles, sodass nicht gesagt werden kann, die belangte Behörde hätte unangemessen lange mit dieser Inanspruchnahme zugewartet (vgl. ).

Eine Berücksichtigung des steuerlichen Verhaltens des Beschwerdeführers als Vertreter der Primärschuldnerin wie im früheren Haftungsverfahren bzw. im dort ergangenen Erkenntnis des , ist nach Auffassung des Gerichtes im nunmehrigen Haftungsverfahren nicht (mehr) möglich. Aufgrund des ersten Haftungsverfahren musste für den Beschwerdeführer jedenfalls klar sein, dass er die Gläubiger der ***A*** GmbH gleich zu behandeln hat und dass er diese Gleichbehandlung auch belegen können muss. Dennoch hat er erneut die Gläubiger nicht gleich behandelt bzw. Beweismittel für eine allfällige Gleichbehandlung nicht gesichert, sodass er den erforderlichen Beweis abermals nicht erbringen konnte. Dies steht einer Reduktion der Haftung im Ermessenswege entgegen.

Dass die belangte Behörde das Angebot des Beschwerdeführers, die Angelegenheit durch eine Abschlagszahlung zu bereinigen, - zumindest vorerst - nicht angenommen hat, kann nach Auffassung des Gerichtes ebenfalls nicht zu einer Minderung des Haftungbetrages im Ermessenswege führen. Einerseits ist es nachvollziehbar, dass die Behörde erst dann über eine Abschlagszahlung (und den damit verbunden teilweisen Forderungsverzicht) entscheiden will, wenn der Haftungsbetrag endgültig feststeht und damit die Angemessenheit des angebotenen Betrages beurteilt werden kann. Andererseits ist angesichts dessen, dass vom Gehalt des Beschwerdeführers (zumindest) € 889,00 monatlich pfändbar sind, davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit ein deutlich höherer Betrag hereingebracht werden kann, als die angebotenen € 6.000,00. Die Entscheidung der Behörde erscheint daher zweckmäßig und nicht unbillig.

Auch weitere Ermessenskriterien, die der Haftung ganz oder teilweise entgegenstehen könnten (z.B. verwaltungsökonomische Überlegungen, Treu und Glauben) sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, sodass die Zweckmäßigkeit i.S.d. § 20 BAO, also das öffentliche Interesse an einer Einbringung der Abgaben als überwiegendes Ermessenskriterium verbleibt. Die Inanspruchnahme erfolgte daher auch im Rahmen des Ermessens zutreffend.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, die belangte Behörde hätte das Ermessen nicht begründet, ist festzuhalten, dass auf Seite 4 des Haftungsbescheides vom das bei der Geltendmachung der Haftung geübte Ermessen sehr wohl begründet wurde. Im Übrigen würde eine fehlende Ermessensbegründung nicht jedenfalls zur Aufhebung des Bescheides führen, sondern kann diese im Rechtsmittelverfahren, also etwa im gegenständlichen Erkenntnis, nachgeholt werden ().

Der Höhe nach war der Haftungsbetrag jedoch um die im angefochtenen Bescheid (noch) nicht berücksichtigte Nachtragsquote zu reduzieren, sodass der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid insoweit teilweise Folge zu geben war (vgl. , wonach eine Konkursquote auf den Haftungsbetrag anzurechnen ist). Von den offenen Abgabenbeträgen war demnach die Gesamtquote im Ausmaß von 8,337249 % (Quote im Rahmen der Schlussverteilung 6,348295 % zzgl. Nachtragsquote 1,988954 %) abzuziehen, woraus sich der (reduzierte) Haftungsbetrag ergibt.

2. Entlassung aus der Gesamtschuld

Durch die Geltendmachung der Haftung wurden der Beschwerdeführer und die ***A*** GmbH zu Gesamtschuldnern (§ 7 Abs. 1 BAO). Gemäß § 237 Abs. 1 BAO kann ein Gesamtschuldner auf Antrag ganz oder teilweise aus der Gesamtschuld entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei ihm nach der Lage des Falles unbillig wäre. Der Begriff der Unbilligkeit entspricht hierbei jenem des § 236 BAO (Nachsicht; ), sodass die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung auch bei der Anwendung des § 237 BAO herangezogen werden kann. Die Unbilligkeit kann demnach entweder persönlicher oder sachlicher Natur sein. Eine persönliche Unbilligkeit besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen, also wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre (z.B. ; , 2005/17/0245; , 2006/17/0289). Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (; , 98/13/0091; , Ra 2018/13/0098), sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Daneben kommen Gründe in Frage, die in den Besonderheiten liegen, die zu der die Gesamtschuld begründenden Gemeinschaft führten (), z.B. eine Mitschuld der Abgabenbehörde an der Uneinbringlichkeit der Abgabe beim Primärschuldner (vgl. ). Wegen der Antragsgebundenheit dieses Verwaltungsaktes darf eine Entlassung aus der Gesamtschuld nicht über den Antrag hinausgehen (so zur Nachsicht: ). Der Antrag muss begründet sein und hat die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe, die im Sinne der den Antragsteller treffenden (erhöhten) Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels darzutun sind, zu prüfen (; , 99/14/0284; , 99/15/0023; zur Nachsicht: ; , 2013/15/0173; , Ra 2018/15/0014).

Im vorliegenden Fall stützt der Beschwerdeführer den Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld zunächst darauf, dass die Gründe für das Insolvenzverfahren der ***A*** GmbH nicht in seinem Bereich liegen und er nach Abschluss des ersten Insolvenzverfahrens versucht habe, das Unternehmen fortzuführen, was ihm aber nicht gelungen sei. Damit macht er offenbar eine sachliche Unbilligkeit geltend. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Frage, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der ***A*** GmbH trifft, für die Haftung nach § 9 BAO ohne Belang. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Beschwerdeführer die Gläubiger der ***A*** GmbH gleich behandelt hat. Im Falle einer - verschuldeten oder unverschuldeten - Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft kann sich deren Geschäftsführer also vor einer drohenden Haftung dadurch schützen, dass er die Gläubiger der Gesellschaft gleich behandelt. Behandelt er die Gläubiger nicht gleich (bzw. kann er eine allfällige Gleichbehandlung mangels rechtzeitiger Sicherung von Beweisen nicht belegen) und wird er daher zur Haftung herangezogen, kann darin - auch wenn ihn kein Verschulden an der Insolvenz trifft - kein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis erblickt werden. Eine sachliche Unbilligkeit liegt daher nicht vor.

Weiters stützt der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld darauf, dass er nach den beiden Insolvenzen und gesundheitlichen Problemen nun einer geordneten Beschäftigung als Vertragsbediensteter beim ***AG*** nachgehen und wirtschaftlich wieder Fuß fassen könne. Er sei jedoch de facto vermögenslos, wobei auf die Darstellung der Vermögenslage im Haftungsverfahren verwiesen werde. Damit macht der offenbar eine persönliche Unbilligkeit geltend. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer nicht vermögenslos ist. Er bezieht ein monatliches Gehalt von € 2.300,00 und ist durch das Existenzminimum i.H.v. € 1.411,00 vor unzumutbaren Härten geschützt (s.o.). Sollte trotz dieses Schutzes eine wirtschaftliche Härte eintreten, kann dem durch Zahlungserleichterungen begegnet werden (). Es kann daher nicht gesagt werden, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, z.B. nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten möglich wäre, oder gar die Existenz des Beschwerdeführers oder seiner Familie gefährden würde. Auch persönliche Unbilligkeit liegt demnach nicht vor.

Nachdem Unbilligkeit nicht vorliegt, kommt eine Entlassung aus der Gesamtschuld nicht in Frage. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Beurteilung, ob Unbilligkeit vorliegt, keine Ermessensfrage, sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes ist (so zur Nachsicht: ; , 95/15/0053; , 94/13/0047, 0049, 0050). Ermessen würde erst dann Platz greifen, wenn alle Voraussetzungen des § 237 BAO vorliegen und zu entscheiden ist, ob von der dort eingeräumten Möglichkeit der Entlassung aus der Gesamtschuld Gebrauch gemacht wird (so ebenfalls zur Nachsicht: ; , 2006/15/0259). Bei der Anwendung des § 237 BAO bestand daher für eine Ermessensübung im vorliegenden Fall kein Raum, sodass es auch keiner diesbezüglichen Begründung bedarf.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die jeweils zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, geklärt. So entspricht es insbesondere der ständigen Rechtsprechung, dass der potentiell haftungspflichtige Vertreter im Falle unzureichender finanzieller Mittel von sich aus glaubhaft darzulegen hat, dass er sämtliche Gläubiger gleich behandelt hat. Ob einem Vertreter dieser Nachweis im Einzelfall gelungen ist, stellt eine Tatsachenfrage dar. Das bei Anwendung des § 9 BAO auszuübende Ermessen geht, sofern weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (). Dasselbe gilt für die Billigkeitserwägungen der §§ 236 f BAO (; , Ra 2015/16/0085). Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren daher nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103232.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at