Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.04.2024, RV/6100040/2023

Keine Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an Mutter mangels entsprechender Nachweise der Zwangsläufigkeit.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:

I.
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die Einkommensteuerfestsetzung bleibt bei EUR -2.325,00 und die steuerlich anzusetzende außergewöhnliche Belastung beträgt EUR 0,00.

II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FE 2 und damit in die Zuteilungsgruppe 7002. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen.

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (kurz Bf.) ist Innovationsmanager. Er bzw. seine Partnerin bezogen 2020 Familienbeihilfe für ein Kind. Er reichte am via FinanzOnline die Einkommensteuererklärung 2020 (Arbeitnehmerveranlagung) ein und machte neben eigenen Krankheitskosten von EUR 410,00 weitere Zahlungen in Höhe von EUR 11.560,00 für seine Mutter als außergewöhnliche Belastung geltend.

Das Finanzamt (kurz FA) forderte daraufhin am detaillierte Unterlagen dazu an.

Mit Schreiben vom wies der Bf. eigene Arzthonorare und Apothekenrechnungen in Höhe von etwa EUR 761,00 nach.

Weitere Zahlungen von EUR 11.439,11 untermauerte der Bf. mit einer Differenzrechnung zwischen eigenen Einkünften seiner Mutter (***Mutter***, SVNr. #### ######; St.Nr. ## ###/####) und für diese angefallenen Zahlungen. Seine Mutter sei ***##*** Jahre alt, habe 2014 einen Schlaganfall erlitten und sei seither auf 24-Stunden-Betreuung angewiesen. Sie lebe allein im Haus in ***Ort X*** und bestreite zusammen mit der Pflegerin auf eigene Kosten den Lebensunterhalt. Aufgrund der Kosten für 24-Stunden-Betreuung und die Krankenpflege (Krankenpflegeverein ***Ort X***) seien die Aufwände zusammen mit der Lebenshaltung durch ihre Rente und Witwenpension nicht abgedeckt. Der Fehlbetrag sei von ihm aufgebracht worden. Der Bf. gab die Pensionseinnahmen mit EUR 22.250,00 (netto EUR 20.993,00) und die Differenzkosten zwischen Krankenpflege sowie der Förderung der 24-Stunden-Betreuung und des Pflegegeldes mit EUR 20.686 an.

Die Aufwände für die Lebenshaltung errechnete er mit EUR 8.280,00 (12 x EUR 690,00). Zuzüglich der Betriebskosten für das Haus (Strom, Heizung, Wasser, Telefon, Kanal, GIS etc.) von EUR 3.466,11 ermittelte er daraus laufende Kosten von EUR 11.746,11. Die Lebenshaltungskosten wurden einem Beispiel der "Budget Beratung Österreich" entnommen und setzen sich wie folgt zusammen:

Daraus ergeben sich die folgenden Beträge:

Dazu legte er auf ihn lautende Abrechnungen für das Objekt ***Wohnhaus Mutter*** vor:

  1. Strom-Jahresabrechnung eines Energieversorgers von bis (Gesamtverbrauch von 2.345 kWh)

  2. Fernwärmeabrechnung von

  3. Wassergenossenschaft von Oktober 2019 bis Oktober 2020

  4. Betriebskostenabrechnungen der Gemeinde (Grundsteuer, Kanal, Müllabfuhr)

Weiters legte er Monatsabrechnungen für ein an dieser Anschrift existierendes Festnetz Telefon (offenbar noch auf seinen verstorbenen Vater lautend) vor und kam zum Schluss, die daraus errechnete Differenz müsse durch ihn zugeschossen werden (EUR 11.677,00). Eine dazu eingereichte Aufstellung weicht geringfügig von diesen Beträgen ab und weist eine Finanzierungslücke von EUR 11.439,11 aus.

Daraufhin erließ das FA den hier bekämpften Einkommensteuerbescheid vom und anerkannte EUR 471,00 als außergewöhnliche Belastung, die allerdings unter dem mit EUR 8.588,83 errechneten Selbstbehalt blieben. Die Abweichung zu den für den Bf. selbst geltend gemachten EUR 761,00 begründete das FA nicht, was aber mangels Unterschreitens der Selbstbehalts-Grenze ohne Auswirkung bleibt. Die Nichtberücksichtigung der darüber hinausgehenden Zahlungen begründete die Abgabenbehörde damit, sie beträfen Pflegekosten für die Mutter des Bf. und seien weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen.

Dies bekämpfte der Bf. mit Beschwerde vom . Er verwies dazu nur auf die Web-Site https://www.oesterreich.gv.at/themen/steuern_und_finanzen/unterhalt/Seite.530100.html.

Es bestehe eine Unterhaltsverpflichtung von Kindern gegenüber ihren Eltern (Großeltern). Sind Eltern oder Großeltern nicht im Stande, sich selbst zu erhalten, so hätten sie einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Kindern. Nachdem seine Mutter ihre Unterhaltsverpflichtung gröblich verletzt habe, bestehe ein gesetzlicher Anspruch auf den Unterhalt und der Unterhalt sei steuerlich zu berücksichtigen.

Mit Vorhalt vom teilte das FA mit, es gehe davon aus, dass seine Mutter über Vermögen in der Form eines Hauses verfügt. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung gehe es weiters davon aus, dass der Bf. Gegenleistungen für die Zahlungen an seine Mutter erhalte/erhalten werde. Wenn Pflegekosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern übernommen würden (z.B. durch Übergabeverträge, Schenkungsverträge) oder wenn einem Steuerpflichtigen Aufwendungen nur deshalb erwachsen, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist, so sei eine Auswirkung auf die (einkommensbezogene) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen. Insoweit liege keine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 vor. Habe die Pflegebedürftige Vermögen bereits unter der Bedingung der späteren Pflege übertragen oder sei die Vermögensübertragung in zeitlicher Nähe (sieben Jahre) zur Übersiedlung in das Pflegeheim erfolgt, liege bis zur Überschreitung des Vermögenswertes durch die Summe der Zahlungen keine außergewöhnliche Belastung vor. Habe die Pflegebedürftige ihr Vermögen (z.B. Wohnung, Sparbuch) noch nicht übertragen, gingen die Pflegekosten zunächst zulasten dieses Vermögens. Erst ein im Nachlass voraussichtlich nicht gedeckter Teil komme bei den vorgesehenen Erben als außergewöhnliche Belastung in Betracht, insoweit sie den potentiellen Erbteil überstiegen. Da die genaue Höhe der dem Bf. tatsächlich anfallenden Kosten nicht feststehe, könnten die von ihm beantragten Leistungen an seine Mutter nicht berücksichtigt werden.

Abschließend ersuchte das FA den Bf. um eine Stellungnahme.

Der reagierte mit via FinanzOnline eingebrachtem Schreiben vom und bestätigte, dass seine Mutter alleine im Haus in ***Ort X*** lebt. Dieses Haus sei bereits 1998 an ihn übergeben worden. Im vorgelegten Übergabevertrag sei festgelegt, dass seine Mutter ein Wohnrecht im Haus hat. Nicht festgelegt sei, dass er als Gegenleistung für die Übertragung des Hauses zur Leistung des Pflegegeldes oder weiterer Leistungen verpflichtet ist. In dem Fall gehe es nicht nur um die Kosten der Pflege, es gehe um die Bestreitung des gesamten Lebensunterhaltes; die Pflege sei nur ein Bestandteil der Gesamtaufwände. Es lägen keine weiteren Vermögensgegenstände vor, die zuvor zur Deckung der Kosten herangezogen werden könnten. Damit seien die Kosten von ihm zu tragen und seien steuerliche zu berücksichtigen.

Aus dem Übergabevertrag vom ***##.##.*** 1998 geht hervor, dass dem Bf. das hier relevante Objekt von seiner Mutter und seinem Vater jeweils zu 50% übereignet wurde. Die Übergeber bedungen sich dafür neben einem Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie einem Vermietungsverbot unter anderem auch die folgenden, grundbücherlich sichergestellten, Rechte aus:

  1. Unentgeltliches Wohnungsrecht an der darin befindlichen abgeschlossenen Wohnung im Erdgeschoß (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Wohnküche, Bad, Klosett, Speis und Flur im Ausmaß von ca. 70 m2) sowie Mitbenützung des Kellers, der Werkstätte im Kellergeschoß, des Dachbodens sowie des Gartens sowie das Recht auf Ernte des halben Ertrages des Obstgartens.

  2. Alleinbenutzung der Garage.

  3. Die Wohnung ist von dem Übernehmer in stets gut bewohn- und beheizbarem Zustand herzuhalten und herzurichten sowie in einer den Übergebern angenehmen Wärme zu beheizen und

  4. in Krankheits- und Gebrechlichkeitsfällen der Übergeber wöchentlich mindestens einmal auszuputzen und jedes dritte Jahr einmal auszumalen.

  5. Die Wohnung steht den Übergebern licht-, strom- und wasserzins-, kaminfeger-, müllabfuhr-, sowie überhaupt betriebskostenfrei zur Verfügung. Sie müssen nur von sämtlichen Gebrechen sofort Mitteilung machen. Die Kosten für die Fernwärme trägt der Übernehmer.

  6. Im Falle der Krankheit und Gebrechlichkeit ist den Übernehmern die persönliche, ortsübliche Pflege und Wartung im zumutbaren Ausmaß und bei entsprechendem Gesundheitszustand - entsprechend höchstens dem Pflegebedarf der Stufe 1 - zu bieten. Diese Pflege erfolgt ausschließlich in der Austragswohnung. Außerhalb dieses Bereiches oder eine Pflege durch Dritte ist vom Übernehmer nicht zu tragen.

  7. Sollte die Pflege auf Grund der vorstehenden Bestimmungen vom Übernehmer aus tatsächlich durchgeführt werden, steht ihm das Pflegegeld in voller Höhe zu.

Daraufhin erließ das FA die Beschwerdevorentscheidung vom und erhöhte die anerkannte außergewöhnliche Belastung auf EUR 2.873,86. Aufgrund des Unterschreitens des Selbstbehaltes (EUR 8.588,83) blieb dies ohne Auswirkung.
Die Abgabenbehörde führte aus, Unterhaltsleistungen seien nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Die außergewöhnlichen Belastungen seiner Mutter beliefen sich eigenen Angaben zufolge auf EUR 20.686,00. Die wesentlichen Lebenserhaltungskosten seien durch das Wohnrecht abgedeckt. Vom Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen müssen laut FA der pflegebedürftigen Person 20% des Ausgleichszulagenrichtsatzes für alleinstehende Personen (im Jahr 2020 zwölfmal EUR 966,65 = EUR 11.599,80; davon 20% = EUR 2.319,96) verbleiben. Der Rest des Einkommens sei für die pflegebedingten Kosten anzusetzen.

Das Einkommen der Mutter (vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen) habe 2020 EUR 20.933,18 betragen. Davon habe die Mutter für pflegebedingte Leistungen aus eigenen Mitteln EUR 18.613,22 (EUR 20.933,18 minus EUR 2.319,96) aufwenden müssen. Der nicht gedeckte und damit beim Bf. als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt zu erfassende Anteil der außergewöhnlichen Belastungen seiner Mutter habe sich deshalb auf EUR 2.072,78 (EUR 20.686 minus EUR 18.613,22) belaufen.

Dem widersprach der Bf. mit Vorlageantrag vom und führte aus, im Übergabevertrag sei die Aufteilung der Kosten zwischen seiner Mutter und ihm genau geregelt. Auch habe er eine exakte Aufstellung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten seiner Mutter der Arbeitnehmerveranlagung beigelegt, sodass die Kosten in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen seien. Damit erhöhten sich die Aufwände für seine Mutter und in gleichem Maß seine für den Unterhalt notwendigen Leistungen. Das sei entsprechend zu berücksichtigen. Das FA legte die Beschwerde in der Folge mit an das Bundesfinanzgericht vor.

Dieses fasste den Aktenstand zusammen und forderte den Bf. mit Beschluss vom (Fristsetzung bis ) zur Vorlage ergänzender Unterlagen bzw. zur ergänzenden Stellungnahme auf (siehe unten). Darauf reagierte der Bf. nicht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Die Mutter des Bf. ist pflegebedürftig und bezog 2020 Pflegegeld Stufe 3 (12 x EUR 459,90 = EUR 5.518,80). Sie ist in 24-Stunden-Pflege und erhielt dafür einen Zuschuss von EUR 6.600,00 jährlich (bzw. EUR 550,00 monatlich). Sie selbst verfügt über eigenes Einkommen, das der Bf. mit EUR 20.993,00 angegeben hatte, was aber - wie ihm widerspruchlos zur Stellungnahme mitgeteilt wurde - richtig der Kennzahl 245 aus deren Lohnzettel entspricht. Tatsächlich standen ihr mit Sonderzahlungen netto EUR 24.619,16 zur Verfügung. Allein diese Korrektur führt dazu, dass sich die maximal denkbare als außergewöhnliche Belastung anzusetzende Finanzierungslücke auf EUR 8.573,85 reduziert.

Dabei ist zu beachten, dass darin auch Lebenshaltungskosten der Mutter enthalten sind.

Der Bf. wurde darauf hingewiesen, dass sich eine außergewöhnliche Belastung steuerlich nur in dem Kalenderjahr auswirken kann, in dem der Abfluss und damit die Zahlung erfolgte. Er wurde in der Folge aufgefordert, alle Zahlungs- bzw. Überweisungsbelege vorzulegen, aus denen hervorgeht, welche Kosten im Jahr 2020 tatsächlich vom Beschwerdeführer für die Mutter bezahlt wurden und woher (von welchem Konto) diese Geldmittel stammten. Dem entsprach er nicht.
Zusätzlich wurde der Bf. aufgefordert, das eigene Vermögen der Mutter ziffernmäßig darzustellen und alle eigenen Vermögenswerte seiner Mutter (insbesondere Wertanlagen, Sparbücher, Kunstwerke etc.) anzugeben. Auch wurde er aufgefordert nachzuweisen, welchen Wert das ihm von seiner Mutter 1998 übergebene Haus im Jahr 2020 hatte, welche Investitionen von ihm seit der Übergabe getätigt wurden und wie das vorbehaltene Wohnrecht zu bewerten ist. Auch dem kam er nicht nach.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach der ständigen Judikatur des VwGH genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO). Eine in der Begründung einer Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung des Finanzamtes wirkt dabei wie ein Vorhalt und es obliegt dem Abgabepflichtigen, die vom Finanzamt in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung zu widerlegen bzw. zumindest deren Unrichtigkeit zu behaupten (vgl. etc.).

Mit BGBl. I Nr. 136/2017 wurde in Umsetzung der bisherigen Judikatur in § 115 Abs. 1 letzter Satz BAO gesetzlich verankert, dass die Ermittlungspflicht durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen eingeschränkt wird. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1660 BlgNR 25. GP 24) trifft dies etwa dann zu, wenn durch faktische Gegebenheiten oder rechtliche Schranken die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes eingeschränkt oder verhindert ist. Dies gilt wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann, wenn der Abgabepflichtige zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, wenn der Abgabepflichtige Unübliches oder Außergewöhnliches behauptet, wenn der Abgabepflichtige Begünstigungen oder Befreiungen in Anspruch nehmen möchte oder wenn die Abgabenbehörde auf Antrag des Abgabepflichtigen tätig wird.

In Fällen der erhöhten Mitwirkungspflicht liegt es am Abgabepflichtigen, alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind. Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.

Schon bisher wies Ritz zu Recht darauf hin (Ritz, BAO5, § 115 Tz 13), dass den Bf. auch dann eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (vgl. ; , 99/15/0250; , 2002/13/0091; , 2004/17/0105), die nur er aufklären kann. Dies trifft auch dann zu, wenn typische Aufwendungen der privaten Lebensführung steuerlich verwertet werden sollen. Im Hinblick auf seine eigene Nähe zum Beweisthema hat hier der Beschwerdeführer von sich aus eine Nachweispflicht (vgl. etwa ).

In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen:

3. Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Dabei ist es an Akte mit normativem Inhalt gebunden, nicht aber an Erlässe der Finanzverwaltung, die keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen begründen, worauf diese regelmäßig hinweisen. Bei Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung hat das Bundesfinanzgericht diese Normen vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten, selbst gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen sind aber bis zur Aufhebung durch dieses Höchstgericht für jedermann und damit auch die Gerichte verbindlich. Eine derartige Bindung besteht aber nur für Akte von staatlichen Organen, die einen normativen Inhalt für einen unbestimmten Adressatenkreis aufweisen. Bei Steuerrichtlinien handelt es sich - wie im Begleitschreiben zu diesen Richtlinien ausdrücklich angeführt wird - lediglich um einen Auslegungsbehelf, der im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt werde. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten könnten aus den Richtlinien nicht abgeleitet werden. Damit handelt es sich bei diesen Richtlinien um keine Akte, die einen normativen Inhalt aufweisen (vgl. ), weshalb sie gegenüber Gerichten keine Bindungswirkungen entfalten (vgl. zuletzt unter Hinweis auf V 4/2017).

Erläuterungen zur Regierungsvorlage können im Rahmen der Interpretation des bezughabenden Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten (vgl. , mit weiteren Nachweisen), sofern sie nicht in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehen (vgl. mit weiteren Nachweisen).

3.1. Selbstbehalt

Gem. § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, die außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

  1. Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

  2. Sie erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

  3. Sie beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Der Selbstbehalt beträgt gem. § 34 Abs. 4 EStG 1988 bei einem Einkommen von höchstens EUR 7.300,00 6%, von mehr als EUR 7.300,00 bis EUR 14.600,00 8%, von mehr als EUR 14.600,00 bis EUR 36.400,00 10% und von mehr als EUR 36.400,00 12%. Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt für jedes Kind im Sinne des § 106 EStG 1988.

Die Berechnung des Selbstbehaltes hat auf Basis der Verhältnisse des Jahres zu erfolgen, für das die Zahlungen geltend gemacht werden. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um die sonstigen Bezüge gem. § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 (hier Urlaubsgeld und Weihnachtsrenumeration) zu erhöhen (§ 34 Abs. 5 EStG 1988) und um die auf diese entfallenden Sozialversicherungsbeträge zu vermindern.

Für den konkreten Streitfall bedeutet das wie schon im bekämpften Einkommensteuerbescheid richtig dargestellt, dass Zahlungen nur dann steuerlich wirksam werden können, wenn sie den folgenden Betrag übersteigen:

3.2. Zwangsläufigkeit und Abzugsfähigkeit des Unterhalts an die Mutter

Gem. § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG 1988 auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

Diese Umschreibung schließt beispielsweise die Anerkennung laufender Unterhaltszahlungen von Kindern an mittellose Eltern und sonstige nahe Angehörige von einer Begünstigung nach § 34 EStG 1988 aus (Hinweis auf Hofstätter/Reichel, EStG, Tz 23 zu § 34 Abs. 6 bis 9 EStG 1988). Unterhaltsleistungen bleiben insoweit abziehbar, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltspflichtigen selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Dazu zählen vor allem Krankheits- oder Pflegekosten (vgl. mit weiteren Nachweisen). Nicht dazu zählen allgemeine Lebenshaltungskosten, wie sie vom Bf. pauschal und nur unter Berufung auf "Budget Beratung Österreich" mit EUR 11.746,11 errechnet und angesetzt wurden.

Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer schon aufgrund des von ihm vorgelegten Übergabevertrages vom ***##.##.*** 1998 und damit aufgrund einer freiwilligen Entscheidung zur Deckung der gesamten Wohnkosten sowie von Basispflegekosten der Mutter verpflichtet war. Dazu zählen Beheizung, Fernwärme, Reinigung, Strom, Wasser, Kaminkehrer, Müllabfuhr und andere Betriebskosten. Im Falle der Krankheit und Gebrechlichkeit ist er aufgrund dieses Vertrages zur persönlichen, ortsüblichen Pflege und Wartung im zumutbaren Ausmaß höchstens dem Pflegebedarf der Stufe 1 verpflichtet. Kosten für eine Pflege durch Dritte muss er zwar aufgrund dieses Vertrages nicht tragen, dennoch ergeben sich damit aus dem Akt Hinweise darauf, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Lebenshaltungs- und Wohnungskosten auch aus diesen Gründen nicht abzugsfähig sind. Damit verblieben nur die reinen, die Stufe 1 (EUR 160,10 pro Monat bzw. 1.921,20 pro Jahr) überschreitenden Pflege- bzw. Krankheitskosten.

Aus sittlichen Gründen geleistete Unterhaltszahlungen können nicht in einem weiteren Ausmaß berücksichtigt werden als die gesetzlich geregelten Unterhaltslasten (z.B. ; , 2011/15/0008). Der Unterhaltsanspruch gegen Nachkommen, der nach der Wertung des § 143 ABGB einen Ausnahmefall darstellt, setzt nach § 143 Abs. 1 ABGB eine fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit der unterhaltsberechtigten Eltern voraus (Hinweis auf ). Mehrere Nachkommen gleichen Grades schulden den Unterhalt anteilig nach Kräften (, unter Hinweis auf mit weiteren Nachweisen). Obwohl die Verwaltungsübung insoweit großzügiger ist, als sie die Kosten nur dann vom Abzug beim Verpflichteten ausschließt, wenn der Unterhaltsberechtigte die Aufwendungen in vollem Umfang aus eigenem Einkommen tragen kann (LStR 2002 Rz 872; kritisch Doralt, RdW 1998, 645), verneint der Verwaltungsgerichtshof eine steuerliche Verwertbarkeit dann, wenn der Unterhaltsberechtigte auf Grund eigener Einkünfte selbst in der Lage ist, die Kosten zu tragen (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG20, § 34 Rz 58 unter Hinweis auf ; ).

Nach einer Grundstücksschenkung eines pflegebedürftigen Elternteils ist zusätzlich zu beachten, dass dem Geschenkgeber nach § 946 ABGB zwar in der Regel nicht das Recht zusteht, die Schenkung zu widerrufen, ihm aber Ansprüche nach § 947 ABGB zustehen, die wie andere vermögensrechtliche Ansprüche gegen Dritte zu behandeln sind, welche ein Elternteil zur Deckung seines Bedarfs einsetzen kann und daher auch einsetzen muss. Ein Unterhaltsanspruch gegen Kinder kommt nach der Rechtsprechung des OGH daher nur in Betracht, soweit trotz des Bestehens von Ansprüchen nach § 947 ABGB die Selbsterhaltungsfähigkeit zu verneinen ist, das heißt im Umfang der verbleibenden "Bedarfslücke" (). Gerät der Geschenkgeber nach einer Schenkung in der Folge in eine solche Dürftigkeit, dass es ihm an dem nötigen Unterhalte gebricht, so ist er nach dieser Bestimmung nämlich befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, insoweit die geschenkte Sache oder derselben Wert noch vorhanden sind, und ihm der nötige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Bei der Beurteilung der Notlage der Mutter sind damit auch ihre Ansprüche nach § 947 ABGB als "eigene Mittel" zu berücksichtigen, wenn ihre Geltendmachung zumutbar ist und sie rechtzeitig durchgesetzt werden können (Hinweis auf , mwN). Das mindert einen Unterhaltsanspruch der Mutter gegen den Sohn von vornherein ().
Die Übergeberin hat damit einen Anspruch auf eine jährliche Rente in Höhe der gesetzlichen Zinsen in Höhe von 4% (§ 1000 Abs. 1 ABGB) von dem im Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit noch vorhandenen Geschenkwerts. Dieser Wert kann sich während der Zeit der Bedürftigkeit ändern und ist jeweils entsprechend anzupassen. Der Gesetzgeber wollte den Geschenkgeber am noch vorhandenen Wert partizipieren lassen. Bei gemischten Schenkungen ist der Wert der Gegenleistung vom Wert der geschenkten Sache abzuziehen und werterhöhende Investitionen des Übernehmers sind bei der Berechnung des Wertes außer Ansatz zu lassen (Parapatits in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar Band 652021, § 947 ABGB Rz 4f unter Hinweis auf Löcker in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 947 Rz 1 und ; , 92/08/0190, sowie ).

Keine Verpflichtung zur Unterstützung der Eltern existiert im Übrigen auch beim Vorhandensein von eigenen Vermögenswerten und dabei insbesondere von Sparbüchern. Deshalb ist es die Aufgabe der Partei, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels die Umstände darzulegen, die für die Begünstigung sprechen (Hinweis auf ). Dazu muss sie auch ziffernmäßig darstellen, inwieweit die eigenen Einkünfte der Mutter (unter Einbeziehung von Pflegegeld etc.) bzw. deren Vermögen nicht zur Deckung der gem. § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 geltend gemachten Aufwendungen ausreichten. Das erfordert eine genaue Auflistung der angefallenen und vom Übernehmer bezahlten Aufwendungen, des vorhandenen Vermögens und der eigenen Einkünfte der Mutter.

Hier kam der Bf. weder der Aufforderung nach, die von ihm geltend gemachten Zahlungen betraglich nachzuweisen, noch legte der Unterlagen hervor, die beweisen, dass weder eigenes Einkommen noch ausreichende Vermögenswerte vorhanden waren, um die strittigen Aufwendungen zu decken. Das gilt auch für einen allfälligen Anspruch gem. § 947 ABGB. Dazu kommt, dass sich allein aus dem obigen Zahlengerüst ergibt, dass der steuerliche Selbstbehalt von EUR 8.588,83 hier selbst bei Berücksichtigung allgemeiner Lebenshaltungskosten durch die maximal denkbare Bedarfslücke (siehe oben) von EUR 8.573,85 nicht überschritten wird. Das alles schließt eine steuerliche Auswirkung allfälliger Zahlungen aus.

Daraus ergibt sich, dass für 2020 (auch mangels Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch den Bf.) keine außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist. Nach Abzug des Selbstbehaltes von den Aufwendungen beträgt der Saldo hier EUR 0,00 und die festgesetzte Einkommensteuer beträgt EUR -2.325,00.

3.3. Zur Zulässigkeit einer Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100040.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at