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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 18.03.2024, RV/3100003/2017

Zwangsstrafe - angemessene Frist

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, den Richter***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom über die Festsetzung einer Zwangsstrafe, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Sachverhalt

Die am ***x.x.xxxx*** geborene Beschwerdeführerin (in Folge kurz. Bf) ist polnische Staatsbürgerin und ist seit polizeilich mit Nebenwohnsitz und seit mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Die Bf ist seit ***x.x.xxxx*** verheiratet und ist Mutter zweier Kinder.

In den Jahren 2012 bis 2014 hatte die Bf ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen aufgrund ihrer familiären Anbindung zu einer ihrer Töchter und ihrer Mutter, die Studien an der Universität Breslau sowie von beruflichen Aktivitäten als Vorstandvorsitzende zweier polnischer Unternehmen in Polen.

Vom bis bezog die Bf Arbeitslosengeld in Österreich.

Aufgrund des Verdachtes der widerrechtlichen Verwendung zweier Fahrzeuge im Inland wurde die Bf als Abgabepflichtige am von der Abgabenbehörde vorgeladen. Die Bf erschien in Beisein ihres Ehegatten zu diesem Termin, verweigerte jedoch die Beantwortung von Fragen ohne zuvor Akteneinsicht genommen zu haben.

In weiterer Folge übermittelte die Abgabebehörde am per RSa-Brief ein schriftliches Auskunftsersuchen an die Bf. Dieses Ersuchen enthielt dieselben Fragen, welche ursprünglich für die mündliche Befragung durch die Abgabenbehörde vorbereitet worden waren. Das behördliche Schriftstück wurde vom Zusteller (Post) an die Abgabenbehörde mit dem Vermerk, "bis ca. im Ausland!" sowie dem Poststempel mit Datum retourniert.

Schließlich übersandte die Abgabenbehörde das Auskunftsersuchen (nunmehr datiert mit ) - diesmal mit RSb Brief - erneut an die Bf. Das behördliche Schreiben wurde am vom Ehemann der Bf übernommen.

Die Bf wurde mit dem Auskunftsersuchen aufgefordert, die darin gestellten Fragen schriftlich bis zu beantworten. Gleichzeitig wurde ihr angedroht, dass bei Nichtbefolgung des Ersuchens, eine Zwangsstrafe iHv € 200,- festgesetzt werden kann. Ferner wurde die Bf als Auskunftsperson darauf hingewiesen, dass die Auskunft in den im § 171 BAO genannten Fällen verweigert werden könne. Außerdem wurde sie ermahnt, die Wahrheit anzugeben.

Das Auskunftsersuchen war in fünf Abschnitte unterteilt, die sich mit den Themen Fahrzeuge (2), Lebensumstände/Lebenserhaltungskosten, ausländische Firmen und Hundezucht befassten. Es enthielt insgesamt 38 Fragen. Darüber hinaus wurde die Bf ersucht, die erforderlichen Unterlagen zur Bestätigung ihrer Angaben beizufügen.

Am letzten Tag der Frist, sohin am , reichte die Bf persönlich bei der Abgabenbehörde ein Schreiben ein. Im Wesentlichen brachte die Bf darin vor, dass das Auskunftsersuchen am von ihrem Ehemann übernommen worden sei. Sie selbst habe sich zu dieser Zeit in Polen aufgehalten und habe daher erst letzte Woche Kenntnis vom Inhalt des Schreibens erhalten können. Ferner habe sie bereits bei ihrer damaligen Einvernahme im Juni 2016 beim Finanzamt erklärt, sie werde sich erst nach erfolgter Akteneinsicht auf die Fragen der Abgabenbehörde einlassen.

Da nach Ansicht der Abgabenbehörde die Bf nicht entsprechend geantwortet hatte, wurde am der für den Fall der Nichtbefolgung angedrohte Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe iHv € 200,- erlassen.

Am wurde die von der Bf bei der Einvernahme am schriftlich beantragte Akteneinsicht vom Finanzamt gewährt.

Mit rechtzeitig am eingebrachter Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe verwies die Bf im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen insbesondere auf ihr Aussageverweigerungsrecht und auf weitere beim Finanzamt geführten Verfahren in Bezug auf Familienbeihilfenangelegenheiten und Ordnungsstrafen.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Daraufhin stellte die Bf mit rechtzeitig am eingebrachter Eingabe einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Mit Vorlageantrag wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat beantragt.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Am nahm der Ehegatte der Bf - legitimiert durch eine Vollmacht der Bf - Akteneinsicht und erhielt eine Abschrift des elektronisch geführten BFG-Akts.

Die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht fand am statt. Die Bf wurde durch ihren Ehemann vertreten, während die Amtspartei nicht zur Verhandlung erschienen ist.

Ergänzend wird festgestellt, dass sich die Bf zumindest vom bis in Polen befand.

2. Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 111 Abs 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.

Gemäß § 111 Abs 2 leg cit muss der Verpflichtete, bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr in Verzug ist.

Gemäß § 111 Abs 3 leg cit darf die einzelne Zwangsstrafe den Betrag von 5 000 Euro nicht übersteigen.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Zweck einer Zwangsstrafe darin liegt, die Abgabenbehörde bei Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen (; ; ; ) und die Partei zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten zu verhalten (; ; , ). Darunter fallen zB die Beantwortung von Vorhalten und Auskunftserteilungen gemäß § 143 (). Eine Auskunftsperson kann in eigener Sache oder über nicht ihre Abgabepflicht betreffende Umstände befragt werden (Ritz, BAO6, § 143 Rz 43).

Demzufolge ist es daher grundsätzlich zulässig, dass die Abgabenbehörde bei Auskunftsersuchen nach § 143 BAO auch im Zusammenhang mit dem Verdacht einer widerrechtlichen Verwendung von Fahrzeugen im Inland sowie der Vorlage von Unterlagen bei Vorliegen aller tatbestandsmäßigen Voraussetzungen Zwangsstrafen festsetzen kann.

Die Einräumung einer unangemessen kurzen Paritionsfrist anlässlich der Androhung einer Zwangsstrafe macht deren Verhängung unzulässig ().

Ersatzzustellung nach § 16 Abs 1 ZustG werden nur wirksam, wenn sich der Empfänger der Zustellung regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (). Nach der höchstgerichtlichen Judikatur erfüllt eine Abwesenheit von wenigen Tagen (im Anlassfall von Mittwoch bis einschließlich Sonntag) das Tatbestandselement des regelmäßigen Aufenthaltes an der Abgabestelle nicht. Eine mehrtägige Abwesenheit macht eine Ersatzzustellung unwirksam. Eine Heilung dieses Mangels ist nur gemäß § 7 ZustG durch tatsächliches Zukommen des Schriftstückes möglich ().

Nach den getroffenen Feststellungen war die Bf zur Zeit der Zustellung des Auskunftsersuchens am und in weiterer Folge bis ortsabwesend und hielt sich daher nicht regelmäßig an der Abgabestelle auf. Dieser Umstand musste auch der Abgabenbehörde aufgrund der Retournierung des ursprünglichen schriftlichen Auskunftsersuchens bekannt sein. Die Bf konnte sich daher erst nach ihrer Rückkehr am Kenntnis vom Inhalt des Schreibens verschaffen. Das Schreiben ist ihr daher auch erst an diesem Tag tatsächlich zugekommen.

Folglich verblieben der Bf bis zum Ende der Frist am lediglich eine Zeitspanne von acht Tagen zur Beantwortung des Auskunftsersuchens. § 111 Abs 2 BAO fordert jedoch die Setzung einer angemessenen Frist.

Der Senat erachtet eine Frist von wenigen Tagen zur Beantwortung von 38 Fragen zu verschiedenen Themengebieten und zur Vorlage entsprechender Urkunden als unangemessen. Darüber hinaus hat die Abgabenbehörde nicht dargelegt, aus welchen Gründen die von ihr gesetzte Frist den tatsächlichen Gegebenheiten und den Verhältnissen der Abgabepflichtigen (zB Ortsabwesenheit) Rechnung getragen hat.

Zutreffend ist, dass das Auskunftsersuchen einen Hinweis auf § 171 BAO enthalten hat und daher zu einer Verwirrung in Bezug auf ihre Stellung im Verfahren beitragen konnte. Dennoch ist davon auszugehen, dass der Bf letztendlich bewusst war, nicht in einem ihre Gatten betreffenden Verfahren zur Auskunftsleistung herangezogen zu werden. Nicht anders lässt sich nämlich ihr Begehren um Akteneinsicht erklären.

Da der Beschwerde allein schon mangels angemessener Fristsetzung zur Leistungserbringung Folge zu geben war, erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Einwendungen der Bf.

3. Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung, ob im Beschwerdefall eine angemessene Fristsetzung zur Leistungserbringung erfolgte, handelt es sich um eine Sach- und keine Rechtsfrage. Diese Frage ist einer ordentlichen Revision nicht zugänglich.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 111 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100003.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at