Zustellung von Bescheiden ohne Zustellnachweis; Nachweis der Tatsache der Zustellung
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/13/0064. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Berggasse 10, 1090 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 sowie Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2002 und 2003, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach antragsgemäßer Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die "neuerliche" Zustellung der Bescheide betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003, Anspruchszinsen 2002 und 2003 sowie betreffend Ablauf der Aussetzung und Festsetzung von Aussetzungszinsen. Er machte geltend, diese Bescheide, von deren Existenz er erst durch Einsichtnahme in den Steuerakt Kenntnis erlangt habe, seien ihm niemals zugegangen. Mit Schreiben vom teilte ihm das Finanzamt mit, es übermittle (im Anhang des Schreibens) "Duplikate" der geforderten Bescheide. Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen diese Bescheide. Die angefochtenen Bescheide sind darin u.a. bezeichnet mit Einkommensteuerbescheid 2002 und Bescheid betreffend Anspruchszinsen 2002, "beide vom , zugestellt am "; sowie mit Einkommensteuerbescheid 2003 und Bescheid betreffend Anspruchszinsen 2003, "beide vom , zugestellt am ". In der Beschwerde wurde u.a. ausgeführt, es sei erst jetzt möglich, gegen diese Bescheide Rechtsmittel einzubringen, da sie (zuvor) nicht zugestellt worden seien. Eingewandt werde Festsetzungsverjährung (§ 207 BAO). Es werde beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben oder abzuändern.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurück. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die nunmehr bekämpften Bescheide betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 seien am 10. bzw. aufgrund von Feststellungsmitteilungen zur H-KG gemäß § 295 Abs. 1 BAO erlassen worden. Aufgrund der sich daraus jeweils ergebenden Nachforderung seien mit demselben Datum automatisiert auch Anspruchszinsen festgesetzt worden. Diese Bescheide seien nach dem elektronischen Datenbestand unbescheinigt zugestellt worden (Zustellung ohne Rückschein). Da bis 2009 keine Zustellvollmacht erteilt worden sei, seien behördliche Schriftstücke bis 2009 an den Beschwerdeführer (persönlich) adressiert worden. Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers habe mit Schreiben vom einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 (jeweils samt Aussetzungszinsen) gestellt. Die im Antrag angeführten Beträge entsprächen jeweils exakt den in den Bescheiden angeführten Nachforderungen bzw. den festgesetzten Anspruchszinsen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Bescheide bereits im Februar 2006 zugestellt worden seien. Ein Zustellmangel sei damals nicht behauptet worden. Die Bescheide über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung und über die Festsetzung von Aussetzungszinsen (jeweils vom , nach Ergehen der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7103067/2010, in der Rechtssache der H-KG seien an die bevollmächtigte steuerliche Vertreterin zugestellt worden. Die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments löse keine Rechtswirkungen aus. Die Beschwerde erweise sich somit als verspätet und sei daher zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Mit Beschluss vom wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde mit der Begründung als unzulässig zurück, den dem bevollmächtigten Vertreter nachweislich am zugestellten Duplikaten mangle die Bescheidqualität.
Dieser Beschluss wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2023/13/0063, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben und in der Begründung ausgeführt, die Beschwerde habe sich nicht gegen die übermittelten "Duplikate" gerichtet, sondern gegen die in den bezeichneten Verfahren jeweils ergangene Erledigung. Diese Erledigung und nicht bloß eine von allenfalls mehreren Ausfertigungen dieser Erledigungen hätte nach dem Beschwerdevorbringen aufgehoben oder abgeändert werden sollen.
In dieser Weise habe auch das Finanzamt die Beschwerde verstanden und geprüft, ob eine diese Verfahren jeweils abschließende Erledigung wirksam ergangen und rechtzeitig bekämpft worden sei. Es sei dabei zum Schluss gekommen, dass diese Erledigungen bereits 2006 wirksam ergangen seien und die nunmehr erhobene Beschwerde daher verspätet sei.
Eine Zurückweisung der Beschwerde mit der Begründung, es liege kein Anfechtungsobjekt (kein wirksam ergangener Bescheid) vor, wäre nur dann rechtmäßig, wenn in der jeweiligen Rechtssache überhaupt keine wirksame Erledigung ergangen wäre. Dass im Jahr 2006 keine wirksame Erledigung ergangen sei, werde zwar vom Revisionswerber behauptet; diesen Behauptungen sei aber das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung ausführlich entgegengetreten. Erwägungen des Bundesfinanzgerichts zu dieser zwischen den Parteien des Verfahrens strittigen Frage könnten dem angefochtenen Beschluss nicht entnommen werden, sodass dem Verwaltungsgerichtshof eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht möglich sei.
Im fortgesetzten Verfahren nahm der steuerliche Vertreter den Antrag auf Durchführung einer Senatsverhandlung zurück.
Die für den anberaumte mündliche Verhandlung wurde abberaumt, weil der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom einen Antrag auf Zuerkennung von Verfahrenshilfe stellte. In diesem Schriftsatz beantragte er gleichzeitig die neuerliche zeugenschaftliche Einvernahme von AB zum Beweis dafür, dass weder ihm noch dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbringung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer 2002 und 2003 die diesbezüglichen Steuerbescheide zur Verfügung gestanden seien, sondern die allenfalls zu erwartende Steuernachzahlung von ihm selbst berechnet worden sei.
Mit Beschluss vom wurde dem Beschwerdeführer die Verfahrenshilfe bewilligt und gleichzeitig die Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen verständigt.
Mit Schreiben vom teilte die Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen mit, dass Herr Dr. Wolfgang Halm gemäß § 292 Abs. 11 BAO als Verfahrenshelfer bestellt worden sei.
AB nahm mit Schreiben vom , eingelangt beim Bundesfinanzgericht am zum Beweisthema Stellung und führte aus, der Beschwerdeführer habe sich im Jahr 2006 mit dem Betriebsprüfungsbericht betreffend die H-KG an ihn gewandt. Er erinnere sich daran, dass eine ursprüngliche Verlusttangente storniert und ein wesentlicher Gewinnanteil zugerechnet worden sei. Er habe ihm daher empfohlen, ein Rechtsmittel gegen die Feststellungsbescheide einzubringen.
In diesem Zusammenhang habe der Beschwerdeführer auch gefragt, welche steuerlichen Auswirkungen sich daraus für ihn persönlich ergäben. Er habe ihm mitgeteilt, dass er keine Einkommensteuerbescheide erhalten habe. Er habe daher dem Beschwerdeführer die Steuerlast berechnet und für ihn einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung eingebracht. Er glaube sich auch daran erinnern zu können, dass der Beschwerdeführer ihm bei einem späteren zufälligen Treffen mitgeteilt habe, noch keine Steuerbescheide erhalten zu haben.
Mit Beschluss vom wurde das Schreiben von AB beiden Parteien in Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.
In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung vor der Einzelrichterin rügte der Verfahrenshelfer, dass er die Stellungnahme des AB erst am erhalten habe und daher keine Möglichkeit gehabt habe, ergänzende Fragen an diesen zu richten, weil sich dieser derzeit auf Urlaub befinde. Er beantrage daher die Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins zwecks Einvernahme von AB als Zeuge.
In der Sache selbst merkte der Verfahrenshelfer an, das Finanzamt argumentiere ausschließlich auf Basis von Hypothesen. Die verfahrensgegenständlichen Bescheide seien nicht mehr vorhanden, weshalb nicht mehr festgestellt werden könne, ob sie überhaupt erlassen und wann sie dem Beschwerdeführer zugegangen seien. Der Aussage von AB sei zu entnehmen, dass ihm im Zeitpunkt der Einbringung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung die verfahrensgegenständlichen Bescheide nicht zur Verfügung gestanden seien.
Der Vertreter der Amtspartei wies darauf hin, dass im Jänner 2019 der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt und Aussetzungszinsen von ca. 90.000,00 € festgesetzt worden seien. Gegen diese Bescheide sei kein Rechtsmittel erhoben worden, obwohl laut Stellungnahme von AB dem Beschwerdeführer der behauptete Zustellmangel bereits seit 2006 bekannt gewesen sei. Es widerspreche der Lebenserfahrung, die Vorschreibung von Aussetzungszinsen zu akzeptieren, wenn die zugrundeliegenden Bescheide überhaupt nicht ergangen seien. Auch sei im August 2021 das Insolvenzverfahren eröffnet, die vom Finanzamt angemeldete Forderung aber nicht bestritten worden.
AB sei bereits am vor dem Bundesfinanzgericht als Zeuge einvernommen worden. Bestimmte Sachverhalte seien ihm damals nachvollziehbarerweise nicht mehr erinnerlich gewesen. Die Stellungnahme vom stimme mit der damaligen Zeugenaussage nicht überein. AB sei 2006 der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers gewesen. Der Beschwerdeführer habe diesem gegenüber laut der Stellungnahme erwähnt, dass er keine Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2003 erhalten habe. Fraglich erscheine, warum man damals schon gewusst habe, dass diese Bescheide weder erlassen noch zugestellt würden.
Unter den in der Stellungnahme geschilderten Voraussetzungen wäre eine Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt nachvollziehbarer und mit weniger Aufwand verbunden gewesen, weil die Abgaben nicht vom steuerlichen Vertreter mit eigener Software berechnet hätten werden müssen. Durch die Stellungnahme sei auch nicht erklärt worden, mit welchem Kenntnisstand der Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen am eingebracht worden sei.
Der Verfahrenshelfer führte ergänzend aus, die angebliche, durch keinerlei konkrete Beweismittel dokumentierte Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide umfasse eine Zeitspanne von 13 Jahren, sodass auch ein Indiz zugunsten des Beschwerdeführers beachtet werden müsse. Dieser habe, wie sich auch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2021 ergebe, offenbar ein "Leben mit Verbindlichkeiten" geführt und sei einem nicht näher aufzugliedernden Schuldenberg gegenübergestanden.
Das Finanzamt habe vor Einbringung des Insolvenzantrages trotz Kenntnis vom Bezug einer Alterspension durch den Beschwerdeführer auch keine Einbringungsmaßnahmen gesetzt.
Aufgrund der aufgezeigten organisatorischen Schwächen des Finanzamtes erscheine es durchaus glaubwürdig, dass die verfahrensgegenständlichen Bescheide niemals ergangen geschweige denn dem Beschwerdeführer zugestellt worden seien. Das grob unrichtige, rechtswidrige Verhalten des Finanzamtes könne nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen.
Am Ende der Verhandlung schloss die Richterin das Beweisverfahren und verkündete den Beschuss, dass die Entscheidung gemäß § 277 Abs. 4 BAO der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer war als Kommanditist mit 96,51% an der H-KG beteiligt.
Aufgrund von Feststellungsmitteilungen vom zur H-KG wurden am bzw. am gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 erlassen. Wegen der daraus resultierenden Nachforderungen wurden jeweils am selben Tag automatisiert auch Anspruchszinsen für 2002 und 2003 bescheidmäßig festgesetzt. Dem elektronischen Datenbestand zufolge sind die gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 und die Bescheide betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen 2002 und 2003, hinsichtlich derer der nunmehrige steuerliche Vertreter vorbringt, dass sie dem Beschwerdeführer nie zugegangen seien, mit (2002) und (2003) datiert. Sie sind an den Beschwerdeführer adressiert und wurden ohne Zustellnachweis versandt. Eine aufrechte Zustellvollmacht für den steuerlichen Vertreter lag im Jahr 2006 nicht vor. Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass diese Bescheide dem Beschwerdeführer tatsächlich zugegangen sind.
Aufgrund des nach einer erfolgten Akteneinsicht gestellten Ersuchens des nunmehrigen steuerlichen Vertreters wurden von der belangten Behörde Ausdrucke aus der Datenbank der Finanzverwaltung angefertigt und mit dem Stempelvermerk "Duplikat ausgestellt wegen Verlust des Originals + Datum " versehen.
Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Die angefochtenen Bescheide sind darin u.a. bezeichnet mit Einkommensteuerbescheid 2002 und Bescheid betreffend Anspruchszinsen 2002, "beide vom , zugestellt am "; sowie mit Einkommensteuerbescheid 2003 und Bescheid betreffend Anspruchszinsen 2003, "beide vom , zugestellt am ".
2. Beweiswürdigung:
Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die aktenkundigen Unterlagen und hinsichtlich der verspäteten Einbringung des Rechtsmittels auf folgende Beweiswürdigung:
I a) Bereits aufgrund einer Feststellungsmitteilung vom der H-KG wurde am ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeänderter Einkommensteuerbescheid 2002 erlassen und an den Beschwerdeführer zugestellt. Auf Basis des von der H-KG erklärten Ergebnisses wurde dem Beschwerdeführer ein Verlust in Höhe von rund 1 Million € zugewiesen. Die Neufestsetzung der Einkommensteuer 2002 mit Bescheid vom führte zu einer Einkommensteuergutschrift von etwa 80.000 €. Dieser gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeänderte Einkommensteuerbescheid 2002 vom wurde ebenfalls ohne Zustellnachweis zugestellt, ein Zustellmangel wurde bezüglich dieses Bescheides nicht behauptet. Dem Beschwerdeführer muss spätestens aus der Zustellung dieses Einkommensteuerbescheides erkennbar gewesen sein, dass die Zuweisung bzw. Änderung des Ergebnisses der H-KG auch die Erlassung eines neuen Einkommensteuerbescheides gemäß § 295 BAO zur Folge hat bzw. haben kann.
I b) Als Folge einer Außenprüfung der H-KG im Jahr 2005/2006 wurden datiert mit den Feststellungen der Betriebsprüfung Rechnung tragende Feststellungsbescheide für 2002 und 2003 erlassen. Die Feststellungen der Außenprüfung hatten auch Auswirkungen auf den Gewinnanteil des Beschwerdeführers, es wurden ihm für die Streitjahre 2002 und 2003 Einkünfte von insgesamt ca. 1.200.000,00 € zugerechnet. Im Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom wird auf ein Rechtsmittel verwiesen, das gegen die Feststellungsbescheide 2002 und 2003 eingebracht werden wird. Mit Schriftsatz vom wurde innerhalb verlängerter Frist tatsächlich Berufung gegen die Feststellungsbescheide eingebracht, welche mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7103067/2010, erledigt worden ist. Es ist daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die in der Außenprüfung getroffenen Feststellungen und die beiden Feststellungsbescheide 2002 und 2003 vom zur H-KG dem Beschwerdeführer bekannt waren. Dem Beschwerdeführer muss folglich auch die Erlassung neuer, gemäß § 295 BAO geänderter Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 im Februar 2006 bewusst gewesen sein.
II) Die vier nunmehr streitgegenständlichen, mit bzw. datierten Einkommensteuer- und Anspruchszinsenbescheide 2002 und 2003 waren mangels bestehender Zustellvollmacht an den Beschwerdeführer adressiert. Mit Schreiben vom brachte der damalige steuerliche Vertreter, AB, namens des Beschwerdeführers einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung betreffend
Einkommensteuer 2002 iHv € 73.837,22
Anspruchszinsen 2002 iHv € 6.074,59
Einkommensteuer 2003 iHv € 184.186,43
Anspruchszinsen 2003 iHv € 8.766,35
ein.
Diese Beträge entsprechen jeweils exakt den in den beiden Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen Nachforderungen und den aufgrund dieser Differenzbeträge bescheidmäßig festgesetzten Anspruchszinsen. Den Feststellungsbescheiden 2002 und 2003 war aber lediglich der auf den Beschwerdeführer entfallende Anteil an den Einkünften, nicht jedoch die konkrete Höhe der Einkommensteuernachforderungen zu entnehmen. Es wäre zwar denkmöglich, dass die im Antrag auf Aussetzung der Einhebung jeweils angeführten Beträge alleine durch die Buchungen am Abgabenkonto des Beschwerdeführers erkannt bzw. ermittelt wurden. Wesentlich glaubhafter ist es jedoch, dass bei der Formulierung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung durch den damaligen Steuerberater der Beschwerdeführer um Vorlage der jeweiligen Bescheide ersucht wurde. Wenn der damalige, nicht zustellungsbevollmächtigte steuerliche Vertreter bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am angab, betreffend die Einkommensteuerbescheide keine Angaben machen zu können, so ist dies infolge der Tatsache, dass seither 17 Jahre vergangen sind, nicht unglaubwürdig. Im Schreiben vom gibt er aber an, der Beschwerdeführer habe ihm bereits 2006 mitgeteilt, keine geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erhalten zu haben. Diese Aussage steht im Widerspruch zur Zeugenaussage vom . Dass er sich ein Jahr später plötzlich an die in der Stellungnahme angeführten Details erinnern kann, bei der unter Wahrheitspflicht durchgeführten Einvernahme am aber keine Angaben machen konnte, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und ist absolut unglaubwürdig.
Für die Tatsache, dass ihm die konkreten Zahlen vom Beschwerdeführer anhand der Abgabenbescheide bekannt gegeben worden sind, sprechen folgende Überlegungen:
a) Eine Überprüfung der Bescheide durch die steuerliche Vertretung wäre schon aufgrund der betraglichen Höhe der Nachforderungen von in Summe über 250.000,00 € bzw. der beantragten Aussetzungen tunlich gewesen, da durch die Bescheidänderungen gemäß § 295 BAO die beiden Einkommensteuerbescheide in jede Richtung hin abgeändert hätten werden können (keine Teilrechtskraft). Aus den Buchungen am Abgabenkonto wäre aber alleine die Höhe, nicht aber der konkrete Grund der Nachforderungen ersichtlich gewesen. Ob die Nachforderungen alleine mittelbare Folge der Feststellungen der Außenprüfung der H-KG und der abgeänderten Tangente waren oder gleichzeitig etwa auch die steuerliche Anerkennung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten versagt wurde, wäre nicht über die Buchungen am Abgabenkonto, sondern nur aus den Bescheidbegründungen ersichtlich gewesen.
b) Da die Bescheide nach Darstellung des Beschwerdeführers nicht ergangen/zugestellt worden sind, müsste der Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom alleine aufgrund der am Abgabenkonto erkannten Buchungen eingebracht worden sein. Die Bescheide wurden am bzw. am erlassen, die Buchungen auf dem Abgabenkonto erfolgten an denselben Tagen. Die Zustellungen der Bescheide und etwaiger Buchungsmitteilungen wurden mangels ZustellvolImacht an die Adresse des Beschwerdeführers verfügt. Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung wurde vom steuerlichen Vertreter bereits am eingebracht. Der Beschwerdeführer und/oder sein damaliger steuerlicher Vertreter hätte(n) somit gerade im Zeitraum bis einen (zufälligen) Blick auf das Abgabenkonto des Beschwerdeführers werfen müssen. In Kenntnis von den betraglich nicht unwesentlichen Buchungen/Nachforderungen und in Kenntnis von der nach Erlassung geänderter Feststellungsbescheide zwingenden Bescheidänderung gemäß § 295 BAO erfolgte keine Urgenz der (neuerlichen) Zustellung der Bescheide. Auch die Einbringung eines Antrags auf Aussetzung der Einhebung am (ohne irgendeinen Hinweis auf einen Zustellmangel) scheint wenig glaubhaft: Wie vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom vorgebracht wird, wären die am Abgabenkonto erkannten Nachforderungen im Zeitpunkt der Antragstellung am mangels erfolgter Zustellungen "noch" gar nicht wirksam gewesen. Eine (eventuell noch folgende) Zustellung der vier Bescheide wurde aber nicht abgewartet, es wurde auch weder ein Zustellmangel geltend gemacht und/oder eine (neuerliche) Zustellung der Bescheide urgiert. Diese Konstellation lässt es äußerst unglaubwürdig erscheinen, dass die streitgegenständlichen Bescheide sich nicht bereits im Verfügungsbereich des Beschwerdeführers befanden, weil sich ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung erübrigt hätte, wenn die streitgegenständlichen Bescheide tatsächlich nicht ergangen wären.
c) Im Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 sowie Festsetzung der Anspruchszinsen 2002 und 2003 vom führte der nunmehrige steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers aus, die Buchungen auf dem Finanzamtskonto stellten für den Beschwerdeführer das "einzige Indiz" für die im Jahr 2006 erfolgten Zustellungen dar (die Buchungen widersprächen jedoch dem Grundsatz keine Buchung ohne Beleg). Auch gerade aufgrund dieser Ausführungen des Beschwerdeführers selbst ("Indiz") ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen ein Zustellmangel nicht bereits ursprünglich geltend gemacht worden ist. Die Festsetzungen am Abgabenkonto, das "einzige Indiz" für die erfolgten Zustellungen, waren dem Beschwerdeführer und seinem damaligen Vertreter bereits in bzw. seit 2006 bekannt. Ein Zustellmangel wurde aber erstmals im Jahr 2022 behauptet.
Dass die Erlassung der streitgegenständlichen Bescheide nur aus den Buchungen am Finanzamtskonto geschlossen worden sei, widerspricht auch den Ausführungen von
AB in seiner Stellungnahme vom , wenn dieser angibt, er habe die Steuerbeträge mit seiner Software errechnet. Die in der Stellungnahme detailliert gemachten Angaben stehen aber auch im Widerspruch zur unter Wahrheitspflicht gemachten Zeugenaussage am . Die Unglaubwürdigkeit der Ausführungen in der Stellungnahme wird auch durch folgende Überlegung untermauert: Wenn AB bereits im Jahr 2006 vor Stellung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung am vom Beschwerdeführer auf die nichterfolgte Zustellung der streitgegenständlichen Bescheide hingewiesen worden wäre, so widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass er nicht selbst die Erlassung dieser Bescheide urgiert bzw. den Beschwerdeführer zu einer Urgenz geraten hätte.
Unabhängig davon, ob bzw. dass im gegenständlichen Fall ein Rechtsmittel gemäß § 252 BAO alleine gegen die Feststellungsbescheide zur H-KG zu richten war, wäre nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein etwaiger Zustellmangel hinsichtlich der streitgegenständlichen Bescheide wohl spätestens im März 2006 erkannt worden und bereits damals vom Beschwerdeführer oder seinem damaligen steuerlichen Vertreter aufgegriffen worden (bzw. wäre im Antrag auf Aussetzung der Einhebung zumindest ein Hinweis auf einen Zustellmangel erfolgt). Eingebracht wurde am aber nur ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung, in welchem kein Zustellmangel von AB (steuerlicher Vertreter bis 2009) gerügt wurde.
III) Mit Bescheid vom wurden die Einkommensteuervorauszahlungen für 2005 und die Folgejahre mit 0,00 € festgesetzt. Am kam es aufgrund der bescheidmäßigen Neufestsetzung der Einkommensteuer 2003 zeitgleich automatisiert auch zur Neuberechnung und Neufestsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2006. Die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2006 wurden mit Bescheid vom mit 99.777,95 € festgesetzt. Der am automatisiert erstellte Bescheid wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am selben Tag an den Zustelldienst übergeben, wie der Einkommensteuer- und Anspruchszinsenbescheid betreffend 2003. Die Zustellung des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides vom erfolgte ebenfalls ohne Zustellnachweis. In einem Schreiben des steuerlichen Vertreters AB vom wird die Behörde ersucht, die Einkommensteuervorauszahlungen 2006 aufgrund der in seinem Schreiben angeführten Prognoserechnung auf 16.300,00 € herabzusetzen. Im Schreiben wurde urgiert, dass die Herabsetzung "noch vor Fälligkeit der Einkommensteuervorauszahlung 04-06/2006" (am ) geschehen möge. Es wäre zwar denkmöglich, dass der Vorauszahlungsbescheid niemals zugestellt wurde und die ab gültigen vierteljährlichen Vorauszahlungen ebenfalls alleine (zufällig) am Abgabenkonto des Beschwerdeführers bemerkt wurden. Dass die Höhe der Einkommensteuervorauszahlungen regelmäßig am Abgabenkonto überwacht würde, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts jedoch unglaubwürdig. Insofern erscheint die wirksame Zustellung des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides an den Beschwerdeführer und dessen spätere Weiterleitung an seinen steuerlichen Vertreter wahrscheinlicher. Im Übrigen wurde auch nur eine Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 2006 beantragt, zu keinem Zeitpunkt wurde aber auch eine unterbliebene/mangelhafte Zustellung des Vorauszahlungsbescheides gerügt. Eine zumindest diesbezügliche Bemerkung hätte aber wohl dem Ersuchen auf rasche Herabsetzung gegebenenfalls mehr Nachdruck verliehen.
a) Dass aber dem Beschwerdeführer nur der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2006 vom mängelfrei zugegangen ist, die am selben Tage erlassenen Bescheide betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2003 jedoch nicht, steht im Widerspruch zur allgemeinen Lebenserfahrung und erweist sich als äußerst unwahrscheinlich.
b) Zudem ist auch der Begründung des Vorauszahlungsbescheides eindeutig zu entnehmen, dass ein neuer Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 erlassen worden ist. Die Begründung lautet nämlich wörtlich: "Die für die Festsetzung der Vorauszahlungen maßgebliche Veranlagung betrifft das Jahr 2003. Gemäß § 45 Abs. 1 EStG 1988 wurde daher die maßgebliche Abgabenschuld in Höhe von 87.524,52 € um 14,00 % erhöht." Die dem Antrag auf Herabsetzung vom beigeschlossene Prognoserechnung umfasste die für 2006 erwarteten Einkünfte des Beschwerdeführers aus fünf unterschiedlichen Einkunftsquellen. Die jeweiligen Beträge konnten wohl nur nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer ermittelt/angeführt werden. Ein etwaiger Zustellmangel des Einkommensteuerbescheides 2003 hätte somit im Jahr 2006 dem Beschwerdeführer nicht nur aufgrund der damals jedenfalls bekannten Buchungen am Abgabenkonto, sondern auch aufgrund des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides erkennbar sein müssen. Beantragt wurde vom steuerlichen Vertreter jedoch nur die Herabsetzung der Vorauszahlungen, ein Zustellmangel des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2003 wurde nicht aufgegriffen.
IV) Im Schriftsatz vom wird ausgeführt, der Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung und der Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen, jeweils vom , wären (erst) am wirksam zugestellt worden. Die beiden Bescheide wurden an die Kanzlei der seit 2009 zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertretung, Mag. RS, zugestellt. Die Zustellung dieser Bescheide erfolgte ebenfalls ohne Zustellnachweis. Im Schreiben vom nimmt Frau Mag. RS auf Seite 3 ihres Schreibens nicht nur explizit auf die Aufhebung der Aussetzung "mittels Bescheid Anfang 2019" Bezug, dem besagten Schreiben ist auch eine Kopie des Bescheides über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung samt Eingangsstempel der Kanzlei vom und die Buchungsmitteilung 1/2019 vom beigelegt. Ein Zustellmangel der beiden Bescheide aus 2019 betreffend Aussetzung der Einhebung wurde seitens der damals zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertretung RS bis heute nicht behauptet. Darüber hinaus wird im Schreiben der Kanzlei RS vom auf den - laut Anbringen vom angeblich niemals existierenden bzw. angeblich niemals wirksam zugestellten - Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 verwiesen, wenn darin ausgeführt wird, dass aufgrund des Erkenntnisses des in der Beschwerdesache H-KG, RV/70103067/2010, die Ergebnistangenten neu verteilt worden seien, weshalb die Verlusttangente "laut letztgültigem Bescheid 2003 vom " um ca. € 10.000,00 zu berichtigen wäre. Wörtlich führte sie wie folgt aus: "Wir ersuchen daher wie besprochen um Überprüfung des Sachverhalts, ob hier eine Bescheidneuausstellung samt Steuergutschrift - die die Konkursforderung verringern würde - für das Jahr 2003 korrekt und technisch überhaupt noch möglich ist." Wohl deshalb, weil das BFG-Verfahren zur H-KG Auswirkungen (nur) auf die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2003 hatte, wurde zum Schreiben der ehemaligen steuerlichen Vertretung vom an das Finanzamt auch eine Kopie des "letztgültigen" Einkommensteuerbescheides 2003 vom übermittelt. Im Briefkopf des Einkommensteuerbescheides 2003 wird als Behörde (richtigerweise) das damalige "Finanzamt Lilienfeld St. Pölten" angeführt. Unabhängig davon, wie der Kanzlei RS der Einkommensteuerbescheid 2003 zugegangen ist (Übergabe durch die vorangegangene steuerliche Vertretung oder den Beschwerdeführer, Übernahme/Nachdruck aus FinanzOnline), wird durch den als Beilage zum Schreiben vom übermittelten Einkommensteuerbescheid 2003 jedenfalls der Nachweis erbracht, dass der Einkommensteuerbescheid 2003 mit "richtigem" Briefkopf existiert(e). Die Ausführungen im und die Beilagen zum Schreiben lassen den Schluss zu, dass der ab 2009 steuerlichen Vertreterin das Rechtsmittelverfahren 2002 und 2003 zur H-KG, die Erlassung von gemäß § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheiden 2002 und 2003, die Aussetzung der nachgeforderten Beträge und der Ablauf dieser Aussetzung bekannt waren. Ein etwaiger Zustellmangel der Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 aus 2006 wäre - sofern tatsächlich vorhanden - im oder vor dem Jahr 2019 bzw. im Zuge des Verfassens des Schreibens vom , erkannt worden. Ein Zustellmangel der 2006 erlassenen Bescheide wird aber auch seitens der Kanzlei RS weder im Schreiben vom noch zu einem anderen Zeitpunkt behauptet.
V) Wären die Bescheide vom und vom entgegen der bisher angeführten Argumente tatsächlich nicht in 2006 zugestellt worden und der Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom und der Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 2006 vom alleine aufgrund von am Abgabenkonto erkannten Buchungen und Darstellungen eingebracht worden, so widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Zustellmangel der Einkommensteuer- und Anspruchszinsenbescheide 2002 und 2003 nicht bereits vor dem Jahr 2022 geltend gemacht worden wäre. Aber weder im Zuge der Einbringung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung der betreffenden Abgaben noch im Zuge des Antrages auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 2006 und auch nicht nach Zugang des Bescheides über die Aussetzung der Einhebung in 2006, der Zustellung der diversen Buchungsmitteilungen und des Erkenntnisses des BFG zur H-KG im Jahr 2018, des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung und des Bescheides über die Festsetzung von Aussetzungszinsen Anfang 2019, brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 niemals zugegangen seien. Die diesbezügliche Behauptung des Beschwerdeführers ist daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zutreffend, zumal die im Jahr 2006 festgesetzte Einkommensteuer 2002 und 2003 sowie die Anspruchszinsen 2002 und 2003 nicht nur Grundlage für die Festsetzung der Aussetzungszinsen in Höhe von 92.166,36 € waren, gegen welche kein Rechtsmittel eingebracht worden ist. Die Nachforderungen aus dem Jahr 2006 und die davon abgeleiteten Aussetzungszinsenbescheide führten vielmehr im August 2021 zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Landesgericht St. Pölten, 14 S 79/21i. Ein Zustellmangel und die sich daraus ergebende Rechtswidrigkeit gerade der konkursbegründenden Forderungen wurde auch nicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht. Es wurden vielmehr die Forderungen der Abgabenbehörde vom Beschwerdeführer und seinem Vertreter in der vor dem Landesgericht St. Pölten am durchgeführten Einvernahmetagsatzung anerkannt. Als Grund für die Nichtzahlung wurde laut Protokoll dieser Tagsatzung eine Zahlungsstockung angegeben, es wurde jedoch nicht vorgebracht, dass diesen Forderungen keine rechtswirksam ergangenen Bescheide zugrunde liegen würden und eine Festsetzung im Jahr 2021 wegen bereits eingetretener Verjährung nicht mehr erfolgen dürfe. Mit der Anerkennung der Abgabenforderung gibt der Beschwerdeführer aber indirekt zu, dass ihm die strittigen Bescheide entgegen der Behauptung seines nunmehrigen steuerlichen Vertreters in der Beschwerde sehr wohl ordnungsgemäß zugestellt worden sind.
Das Bundesfinanzgericht hat gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es hiebei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz/Koran, BAO7, § 167 Tz 8, und die dort zitierte Judikatur).
In Anbetracht der oben dargestellten Indizien ist daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sowohl die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 als auch die Anspruchszinsenbescheide 2002 und 2003 dem Beschwerdeführer am dritten Werktag nach Übergabe an das Zustellorgan tatsächlich im Jahr 2006 zugegangen sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I.
3.1.1. Antrag auf Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins zwecks neuerlicher zeugenschaftlicher Einvernahme von AB weist die Richterin im Hinblick auf folgende Erwägungen ab:
AB wurde bereits in der am durchgeführten Senatsverhandlung als Zeuge einvernommen. Der nunmehrige Verfahrenshelfer, der an dieser Verhandlung als steuerlicher Vertreter des Beschwerdeführers teilnahm, hat die zeugenschaftliche Einvernahme beantragt und hätte bereits im Rahmen dieser Verhandlung die Möglichkeit gehabt, den Zeugen ausführlich zu befragen. Dass er von der ihm eingeräumten Möglichkeit nicht Gebrauch machte, kann nicht dem Gericht zur Last gelegt werden. Außerdem wurde der Zeuge vom Gericht ersucht, schriftlich zu der vom Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter im Verfahrenshilfeantrag aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen. Diesem Ersuchen kam AB nach. Dass die Darstellung in der schriftlichen Stellungnahme der unter Wahrheitspflicht getätigten Aussage widersprach, unterliegt der Würdigung des Gerichts.
Da die Bundesabgabenordnung kein persönliches Befragungsrecht kennt und dieses dem Beschwerdeführer bzw. dessen steuerlichem Vertreter ohnehin in der am durchgeführten Senatsverhandlung eingeräumt worden ist, war der Antrag auf Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins zwecks neuerlicher Einvernahme von AB abzuweisen.
3.1.2. Beschwerde betreffend die Sachbescheide
Wird die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wurde nach § 26 Abs 1 ZustellG in der damals geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 10/2004) das Dokument zugestellt, indem es in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wurde. Nach § 26 Abs 2 ZustellG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Die Bescheidbeschwerde ist gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Die Zustellfiktion des § 26 Abs. 2 ZustG tritt nicht ein, wenn die Wirksamkeit der Zustellung vom Empfänger bestritten wird. In diesem Fall hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen, d.h. sie hat nachzuweisen, dass und wann das Dokument in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wurde. Gelingt ihr dieser Nachweis, findet die Zustellfiktion des § 26 Abs 2 ZustellG Anwendung (Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 26, K9). Die Vermutung, wonach Zustellungen am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt gelten, ist widerlegbar. Gegenteilige Behauptungen des Empfängers dürften reichen, es sei denn, die Behörde kann die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung beweisen; die Beweislast trifft somit die Behörde (zB EriRV 62 BigNR 15. GP, 12; ; , Sig 12.010; ; -0316; ; ; ; Stoll, BAO, 1167; Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren, 1949; Larcher, Zustellrecht, Rz 315).
Nach Walter/Mayer (Zustellrecht, 132) sind "Zweifel" iSd § 26 Abs. 2 ZustG immer dann gegeben, wenn die "Behauptung" nicht offenkundig richtig oder offenkundig falsch ist. Nach Meinung dieser Autoren reicht offenbar nicht jede gegenteilige Behauptung. Allein aus dem Umstand, dass die Partei gegen die als Bescheid intendierte Erledigung ein Rechtsmittel eingebracht hat, kann nicht der Schluss gezogen werden, diese Erledigung sei ihr auch zugestellt worden (; offenbar aM Stumvoll in Fasching/Konecny, II/2, § 7 ZustG Rz 23; Ritz/Koran, BAO7, § 26 ZustG Tz 3). Die Behörde hat bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zusteiinachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (; ). Das Bestreiten eines Empfängers führt zu Zweifeln, weiche die Behörde zur Feststellung der Tatsache der Zustellung verpflichtet (). Der bloße Hinweis der Behörde, die Behauptung der nicht erfolgten Zustellung sei eine "Schutzbehauptung", vermag den fehlenden Zustellnachweis nicht zu ersetzen ().
In der Beschwerde vom wird nicht der erst später wirksame Zeitpunkt der ursprünglichen Zustellungen, etwa aufgrund längerer Abwesenheiten vom Zustellort, behauptet; vorgebracht wird vielmehr, dass die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 und die Anspruchszinsenbescheide 2002 und 2003, in Summe sohin vier Bescheide, die an zwei unterschiedlichen Tagen erlassen und folglich wohl auch an zwei unterschiedlichen Tagen an den Zustelldienst übergeben wurden, dem Beschwerdeführer überhaupt niemals zugegangen wären. Da im Anbringen jeweils die Bewirkung der Zustellungen dem Grunde nach bestritten wird, trifft das Bundesfinanzgericht nach der eben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verpflichtung, die Tatsache der jeweiligen Zustellungen nachzuweisen. Mangels Zustellnachweisen ist der Beweis der erfolgten Zustellungen nach der Judikatur des Höchstgerichtes "auf andere Weise" zu erbringen.
Dieser Beweis der erfolgten Zustellung wurde anhand der im Rahmen der Beweiswürdigung angeführten Indizien erbracht. Der Verwaltungsgerichtshof sprach in der Randziffer 22 des aufhebenden Erkenntnisses vom , Ra 2023/13/0063, aus, die belangte Behörde sei der Behauptung, im Jahr 2006 seien keine wirksamen Erledigungen ergangen, ausführlich entgegengetreten. Das Bundesfinanzgericht schließt sich in seiner Beweiswürdigung der Argumentation der belangten Behörde an, dass die Zustellung der streitgegenständlichen Bescheide rechtskonform im Jahr 2006 erfolgte.
Die im Jahr 2022 eingebrachte Beschwerde gegen die Einkommen- und Anspruchszinsenbescheide der Jahre 2002 und 2003 war daher als verspätet zurückzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision):
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, ob die streitgegenständlichen Bescheide im Jahr 2006 ordnungsgemäß zugestellt wurden, ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine Tatsachenfrage, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu entscheiden war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 292 Abs. 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 277 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103469.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at