Beurteilung einer (Scheidungsfolgen-)vereinbarung als Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG 1957
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***RA***, ***AdrRA***, und ***G*** als Beteiligte gem § 257 BAO über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Vereinbarung vom zwischen dem Beschwerdeführer und ***G***, zu Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
Die Gebühr gem § § 33 TP 20 Abs 1 lit b GebG 1957 wird
von der Bemessungsgrundlage…………… 539.920,72 Euro
festgesetzt mit 2%................................... 10.798,41 Euro festgesetzt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Begleitschreiben vom wurde der belangten Behörde unter Vorlage einer Vereinbarung vom zwischen dem Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf) und ***G*** im Original samt einer beglaubigten Kopie der Vereinbarung diese gem § 33 TP 20 GebG vom Notar angezeigt.
Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Gebühr betreffend die Vereinbarung vom ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von € 875.413,55 iHv € 17.508,27 fest.
Die Bemessungsgrundlage setzt sich dabei aus dem von der belangten Behörde errechneten monatlichen Unterhalt iHv € 4.073,34 zusammen, bei dem der im Vertrag festgehaltene höhere Prozentsatz von 40% als bedingte Leistung gem § 26 GebG angesetzt worden ist.
Mangels beurkundeter Dauer der Unterhaltszahlung wurde diese folglich gem § 16 BewG entsprechend der Lebenswahrscheinlichkeit kapitalisiert.
Weiters wurde die Schenkungsverpflichtung von € 100.000,-- laut Punkt 8 der Vereinbarung der Bemessungsgrundlage hinzugerechnet.
Dagegen brachte der rechtsfreundlich vertretene Bf mit Schriftsatz vom Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, es handle sich bei der Vereinbarung um ein Anerkenntnis und nicht um einen Vergleich. Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter sei außer Acht gelassen worden und somit sei auch der Unterhaltsprozentsatz zu hoch, nämlich mit 40 % anstatt mit 36% angesetzt worden. § 26 GebG sei ebenfalls falsch angewendet worden. Die Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter sei keine Bedingung, sondern ein Ereignis, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten würde. Auch die Kapitalisierung auf Lebenszeit sei falsch. Es liege eine Leistung auf unbestimmte Zeit vor. Diese Leistung sei somit mit dem 9-fachen Jahreswert anzusetzen. Bezüglich der Schenkungsverpflichtung liege ebenfalls kein Vergleich vor.
Im Zuge der Beschwerde ist Frau ***G*** dem Verfahren beigetreten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.
Dagegen wurde mit Schriftsatz vom ein Vorlageantrag eingebracht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Mit Beschluss vom wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen. Mit E-Mail vom teilte Frau ***G*** mit, dass sie aus persönlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen könne. Die Verhandlung hat am stattgefunden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Notariatsakt vom schlossen der Bf und Frau ***G*** auszugsweise folgende Vereinbarung:
"Präambel: ***Bf1***, geb. ***DAT***, (im Folgenden auch "Ehemann") und ***G***, geb. ***DAT***, (im Folgenden auch "Ehefrau"), sind Ehegatten. Durch die gegenständliche Vereinbarung soll ihr Vermögen und Einkommen für die Dauer der Ehe und für den Fall der Auflösung der Ehe unter Lebenden umfassend geregelt werden. Die Vertragsparteien wollen in Zukunft finanziell möglichst voneinander unabhängig sein und ihr jeweils vorhandenes oder in Zukunft, auf welche Art auch immer, erworbenes, geschenktes oder geerbtes Vermögen sowie Einkommen (abgesehen von der bestehenden Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes gegenüber der Ehefrau) getrennt halten, und zwar auch im Fall einer allfälligen Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe.
Erstens: Die Ehegatten sind über Wunsch von ***Bf1*** übereingekommen, ab April 2019 räumlich getrennt zu leben. Eine Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft ist nicht beabsichtigt. ***Bf1*** anerkennt, dass er die Zerrüttung iSd § 55 EheG allein verschuldet hat.
***Bf1*** hat die eheliche Liegenschaft in ***Adr***, am unter Mitnahme seiner persönlichen Fahrnisse geräumt und ***G*** übergeben. ***Bf1*** verzichtet in Zukunft auf jegliche persönliche Benutzung der ehelichen Liegenschaft.
Zweitens: Ehewohnung ist die im jeweiligen Hälfteeigentum stehende Liegenschaft ***Adr*** und nachfolgendem Grundbuchsstand:
[…]
Das alleinige Nutzungsrecht an der ehelichen Wohnung steht ***G*** ab April 2019 bis 6 Monate nach jenem Zeitpunkt, in dem ***G*** das gesetzliche Pensionsalter erreicht bzw. 6 Monate nach Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit von ***N*** (der später eintretende Fall kommt zur Anwendung) alleine zu. Hiefür ist kein gesondertes Entgelt zu leisten, jedoch wird die Ehefrau die mit der Benützung der Liegenschaft verbundenen Betriebskosten (Strom, Gas, Haushaltsversicherung etc.) aus eigenem tragen. Die Rückzahlung des zu C-LNr. 4a sichergestellten Darlehens (Darlehen Nr. ***123***), welches per in der Höhe von restlich EUR 4.467,32 aushaftet und des zu C-LNr. 9a sichergestellten Hypothekardarlehens (Nr. ***234***), welches per in der Höhe von restlich EUR 2.402,56 aushaftet, wird von den Vertragsparteien je zur Hälfte bis zum beabsichtigten Verkauf der Liegenschaft durchgeführt.
Die Ehegatten verbleiben bis zur Beendigung des Nutzungsrechtes von ***G*** an der ehelichen Liegenschaft Miteigentümer dieser und vereinbaren, dass sie substanzerhaltende Investitionen und dringend notwendige Investitionen (z.B. betreffend Dach, Heizung u.ä.), die bis zum geplanten Verkauf der Liegenschaft anfallen, im Verhältnis 50:50 tragen.
Die Ehefrau trägt die laufenden Instandsetzungskosten wie z.B. Reparatur oder Austausch, Pflege des Gartens etc.
***G*** verpflichtet sich, die eheliche Liegenschaft bis spätestens 6 Monate nach jenem Zeitpunkt, in dem ***G*** das gesetzliche Pensionsalter erreicht bzw. 6 Monate nach Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit von ***N*** (der später eintretende Fall kommt zur Anwendung) unter Verzicht auf jeglichen Räumungsaufschub und unter Mitnahme sämtlicher persönlicher Fahrnisse zu räumen. Die Ehefrau ist berechtigt, die eheliche Liegenschaft zum Zwecke des vorzeitigen gemeinsamen Verkaufs auch früher zu räumen. Sie wird ihren geplanten Auszug dem Ehemann drei Monate im Vorhinein bekanntgeben.
[…]
Viertens: ***Bf1***, geb. ***DAT***, verpflichtet sich, an ***G***, geb. ***DAT***, ab einen monatlichen Unterhaltsbetrag in der Höhe von EUR 3.530,00 jeweils im Vorhinein am Ersten eines jeden Monats zu bezahlen. […].
Der vorstehenden Unterhaltsvereinbarung liegt ein Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen für das Jahr 2018 aus seiner beruflichen Tätigkeit von monatlich durchschnittlich netto EUR 12.233,33 (Jahresnettoeinkommen geteilt durch 12) und eine weitere Sorgepflicht für die eheliche Tochter ***N***, geb. ***Dat***, sowie ein Eigeneinkommen der Unterhaltsberechtigten für das Jahr 2018 von monatlich netto EUR 1.366,66 (Jahresnettoeinkommen geteilt durch 12) zugrunde. Die Unterhaltsverpflichtung beträgt daher derzeit 36 % des gemeinsamen durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des Ehemanns und der Ehefrau, wobei das Eigeneinkommen der Ehefrau in Abzug gebracht wird (36 % von gerundet EUR 13.600,00 = EUR 4.896,00 - EUR 1.366,66 = gerundet EUR 3.530,00). Bei Wegfall der Unterhaltsverpflichtung für die Tochter erhöht sich der Prozentsatz auf 40 % unter Beibehaltung der sonstigen Berechnungsmethode. Für den Fall der Erhöhung des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens der unterhaltsberechtigten Ehefrau wird vereinbart, dass das zusätzliche monatliche Einkommen mit dem Faktor 1,667 multipliziert zu dem gemeinsamen Einkommen addiert und von dem dadurch entstehenden fiktiven gemeinsamen Einkommen der Unterhaltsbetrag zugunsten der Ehefrau berechnet wird (z.B. erhöht sich das monatliche durchschnittliche Nettoeinkommen der Ehefrau um EUR 100,00, wird nicht dieser Betrag sondern EUR 166,00 zu dem gemeinsamen Einkommen hinzugerechnet).
Dieser Unterhalt wird von beiden Parteien für einen angemessenen Unterhalt gemäß § 94 Abs 2 ABGB gehalten. Im Falle einer Ehescheidung gem § 55 EheG wird der Ehemann einen Unterhalt gemäß § 69 Abs 2 EheG bezahlen.
Im Falle der Änderung der Verhältnisse (insbesondere Höhe des Arbeitseinkommens des Unterhaltspflichtigen oder der Unterhaltsberechtigten, Wegfall einer Unterhaltspflicht infolge Selbsterhaltungsfähigkeit) ist der Unterhalt entsprechend anzupassen und wird der jeweils angemessene Unterhalt unter Berücksichtigung der vorstehenden Bemessungsgrundlagen geschuldet. Bei gänzlichem Wegfall eines Eigeneinkommens der Ehefrau beträgt der Prozentsatz der Unterhaltsverpflichtung des Ehemanns 29% seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für die Tochter ***N***, bei deren Wegfall beträgt der Prozentsatz 33%.
[…].
Fünftens: ***Bf1*** verpflichtet sich ***G*** gegenüber, für den Unterhalt der gemeinsamen Tochter ***N***, geb. ***Dat***, in der derzeitigen Höhe von EUR 1.522,00 zuzüglich eines allfälligen Sonderbedarfs bis zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit aufzukommen und sie diesbezüglich vollkommen schad- und klaglos zu halten. ***Bf1*** verpflichtet sich, den Unterhaltsbetrag für ***N*** bis auf weiteres zu Händen der Kindesmutter auf deren Konto gemeinsam mit dem Ehegattenunterhalt zu bezahlen. ***G*** wird auch in Zukunft die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für ***N*** erhalten. Dies haben die Vertragsparteien bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt. Der Unterhaltsbetrag von EUR 1.522,00 wird im Hinblick auf das Alter der Tochter und das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen von EUR 12.233,33, welches er 2018 erzielt hat, für beiderseits angemessen gehalten, wobei der Unterhaltsbetrag von EUR 1.522,00 als Mittelwert zwischen dem 2,5-fachen des Regelbedarfs und 19 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Unterhalts verpflichteten die vereinbarte Basis der Berechnung darstellt.
[…]
Achtens: […]
Der Ehemann ist verfügungsberechtigt über ein Wertpapierdepot bei ***Bank*** zu Depot Nr. ***456***. Diesbezüglich vereinbaren die Ehegatten, dass der Ehemann ab Unterfertigung dieser Vereinbarung dieses Depot ausschließlich zugunsten der Tochter ***N***, geb. ***Dat***, verwaltet und jede anderweitige Verfügung unterlässt. Die Ehegatten verpflichten sich wechselseitig, der Tochter ***N*** zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt einen Betrag von EUR 100.000,00 (Euro einhunderttausend) schenkungsweise zu übereignen, wobei dieser Betrag durch den Liquidationserlös aus dem vorgenannten Wertpapierdepot finanziert werden soll. Ein allfällig fehlender Betrag auf die Summe von EUR 100.000,00 wird von den Ehegatten je zur Hälfte finanziert, ein allfälliger Überschuss bei Veräußerung der Aktien wird je zur Hälfte geteilt. Diese Schenkung soll ***N*** mit ihren Brüdern ***B1***, und ***B2***, finanziell gleichstellen, welche beide mit Schenkungsvereinbarung vom einen Betrag von jeweils EUR 100.000,00 erhalten haben.
In der Beschwerde vom ist von Frau ***G*** dem Verfahren als sonstige Partei gem § 257 BAO beigetreten.
Die Ehe wurde mit Urteil des BG Bruck ad Leitha vom ***2022*** rechtskräftig geschieden.
2. Beweiswürdigung
In der mündlichen Verhandlung wurden folgende Sachverhaltsergänzung vorgenommen:
Der Bf ist im April 2019 aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen und hat im Einklang mit der einschlägigen Rechtspraxis ab diesem Zeitpunkt Geldunterhalt sowohl an die ehemalige Gattin als auch an die in Ausbildung befindliche Tochter gezahlt. Im Mai desselben Jahres wurde durch wechselseitige Offenlegung sämtlicher Einkünfte die konkrete Berechnung der Zahlungen durchgeführt. Durch die übernommene Zahlungsverpflichtung hat der Bf auch faktisch seine Unterhaltspflichten anerkannt. Die in Streit befindliche Vereinbarung wurde aus Dokumentationszwecken errichtet.
Die Ehe wurde mit Urteil des BG Bruck ad Leitha vom ***2022*** rechtskräftig geschieden. Die Ehe wurde gem § 55 EheG aufgelöst und gem § 61 Abs 3 EheG festgestellt, dass den Bf das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft.
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gem § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
1. Beitritt gem § 257 BAO
Gem § 257 BAO kann einer Bescheidbeschwerde, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, jemand beitreten, der nach Abgabenvorschriften für die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Abgabe als Gesamtschuldner in Betracht kommt.
Gem § 28 Abs 2 Z 1 lit a GebG 1957 sind zur Entrichtung der Gebühr bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde verpflichtet.
Die Vereinbarung vom wurde sowohl vom Bf als auch von Frau ***G*** unterfertigt. Sie ist somit Gesamtschuldnerin iSd § 6 BAO und somit beitrittsberechtigt.
In der Beschwerde vom ist Frau ***G*** dem Verfahren gem § 257 BAO beigetreten und ist somit Partei des Verfahrens. Als Beigetretene können die gleichen Rechte geltend gemacht werden, die dem Bf zustehen.
Gem § 281 BAO können im Beschwerdeverfahren nur einheitliche Entscheidungen getroffen werden.
Die über die Bescheidbeschwerde ergehende Erledigung ist einheitlich (dem Bf und der Beigetretenen gegenüber) zu erlassen (vgl zB ).
2. Urkundenprinzip
Gem § 17 GebG 1957 (im Folgenden nur "GebG") ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.
Damit wird als wesentlicher Grundsatz des Gebührenrechts das Urkundenprinzip festgelegt, dass für die Beurteilung der Gebührenschuld allein der Inhalt der Urkunde maßgebend ist. Das Rechtsgeschäft unterliegt der Gebühr so, wie es beurkundet ist. Andere als in der Urkunde festgehaltene Umstände bzw nicht aus ihr hervorgehende Tatsachen oder Abreden sind irrelevant und können der Gebührenfestsetzung nicht zugrunde gelegt werden, da die Urkunde nur über das Beweis schaffen vermag, was in ihr beurkundet ist ().
Aus der alleinigen Geltung des schriftlich niedergelegten Inhalts ergibt sich auch die Belanglosigkeit der Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäftes, zu einer bestimmten Art oder Formulierung geführt haben (; ua).
Die Behörde ist nicht gehalten, die Parteien etwa über deren Willen und Motivation zu befragen ( ua).
Erfüllt also ein Schriftstück die Voraussetzung einer Urkunde über ein Rechtsgeschäft und enthält es alle für die Gebührenbemessung bedeutsamen Umstände, so richtet sich die Gebührenpflicht ausschließlich nach dem Urkundeninhalt (vgl zB ; Wukovits in Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I (2023), § 17 Rz 1f, Rz 8 mwN).
Das Vorbringen in der mündliche Verhandlung, aufgrund welcher Umstände und welcher Motivation die Vereinbarung getroffen wurde ist daher im Hinblick auf oben dargelegtes Urkundenprinzip im Rahmen der gebührenrechtlichen Beurteilung ohne jeden Belang.
3. Vereinbarung vom
Gem § 33 TP 20 GebG unterliegen (außergerichtliche) Vergleiche einer Gebühr von 1% wenn der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird, sonst 2% vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.
Da das GebG den Begriff des Vergleiches nicht definiert, ist diesbezüglich auf die zivilrechtliche Definition in § 1380 ABGB zurückzugreifen (; , 2006/16/0136). Danach ist ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun oder zu unterlassen verbindet, ein Vergleich.
Scheidungsfolgenvereinbarungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich als Vergleich zu werten (vgl zB , und die dort zitierte Vorjudikatur). Da im Gesetz die Folgen der Scheidung im Einzelnen nicht festgelegt sind und Unterhaltsvereinbarungen grundsätzlich der Disposition der Ehegatten unterliegen, handelt es sich bei einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung um die Regelung zweifelhafter Rechte (vgl ).
Hierbei ist es nicht erforderlich, dass bereits bestehende bzw. der Vereinbarung vorangegangene Streitigkeiten bereinigt werden, sondern liegt ein Vergleich auch dann vor, wenn mit der Vereinbarung pro futuro gegensätzliche Interessen der Vertragsparteien ausgeglichen werden sollen (). Die durch den Vergleich bereinigte Ungewissheit betrifft in einem solchen Fall daher zukünftige Rechts- oder Tatsachenfragen ().
Dies gilt insbesondere für die einvernehmliche Scheidung, bei der eine Einigung ua über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehegatten sogar Scheidungsvoraussetzung ist (§ 55a Abs 2 EheG). Bei einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung handelt es sich daher um die Regelung (zukünftiger) zweifelhafter Rechte mit Streitvermeidungsfunktion, bei der die Ehegatten zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit waren (; , 2000/16/0332; , 2003/16/0117).
Auch im vorliegenden Fall haben die Ehegatten eine solche Vereinbarung geschlossen. Die gegenständliche Vereinbarung regelt im Wesentlichen die Unterhaltsansprüche der Ehegattin und des minderjährigen Kindes und soll aufgrund der Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft einerseits sofort gelten, und andererseits auch im Falle einer Auflösung der Ehe (siehe Präambel). Daneben sind auch andere Fragen der Vermögensauseinandersetzung (zB bezüglich der ehelichen Liegenschaft) behandelt.
Dass der Vereinbarung kein Streit vorausgegangen ist, sondern dass der Bf "anerkennt,die Zerrüttung der Ehe iSd § 55 EheG allein verschuldet zu haben" (vgl Präambel Erstens), spielt hierbei nach dem soeben Gesagten keine Rolle, sondern besteht die Bereinigungsfunktion darin, dass die zukünftigen Ehegatten eine Regelung getroffen haben, die von den ungewissen zukünftigen Ansprüchen abweichen kann und liegt hierin das für einen Vergleich wesentliche beiderseitige Nachgeben. Die Vereinbarung vom ist daher als Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG zu qualifizieren.
4. Bemessungsgrundlage
Bemessungsgrundlage der Gebühr ist gemäß § 33 TP 20 Abs 1 GebG der Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen (vgl. ). Dabei sind die Werte aller im Vergleich vereinbarten Leistungen zusammenzurechnen ().
Gem § 26 GebG gelten für die Bewertung der gebührenrechtlichen Gegenstände, insoweit nicht in den Tarifbestimmungen abweichende Bestimmungen getroffen sind, die Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl Nr 148 (in weiterer Folge nur "BewG").
4.1. bedingte (betagte) Leistung
Abweichend von den Bestimmungen des BewG sind gemäß § 26 GebG bei der Bewertung gebührenpflichtiger Gegenstände bedingte ("unsichere") Leistungen und Lasten als sofort fällige bzw unbedingte ("sichere") zu behandeln (vgl ; , 88/15/0109; 16.10, 1989, 88/15/0032, , 89/15/0140; , 92/16/0130; , 95/16/0248, 0249). Diese Bestimmung stellt eine zur Wahrung des Urkundenprinzips im Gebührenrecht erforderliche Sondervorschrift dar (vgl. Themel in Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I (2023), § 26, Tz 39ff).
Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, handelt es sich bei der Erhöhung des Maßstabes für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs auf 40 % des gemeinsamen Einkommens bei Wegfall der Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter um eine betagte Erhöhung der Leistung, die als sofort fällig zu behandeln ist.
Die Sonderregelung des § 26 GebG, wonach bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind, setzt im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz eine eingeschränkte Anwendungsmöglichkeit nur auf Fälle voraus, in denen die für Gebühren und Verkehrsteuern zuständigen Finanzämter zur Feststellung der Bemessungsgrundlage Vorschriften des Bewertungsgesetzes direkt bzw unmittelbar anzuwenden haben, also nur soweit sie tatsächlich den Wert von Leistungen und Lasten zur Erstellung der Bemessungsgrundlage nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes zu bewerten haben ( und 88/15/0156, Themel in Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I (2023), § 26, Rz 39ff).
Eine bedingte Leistung ist eine solche, deren Erbringung vom Eintritt einer Bedingung abhängig ist. Dabei wird im Gesetz nicht zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen unterschieden.
Es mag zwar richtig sein, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter wie in der Beschwerde ausgeführt, mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" eintritt, dennoch ist der Eintritt von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig. Bei der eigentlichen Bedingung ist es nämlich möglich, dass sowohl ungewiss ist, ob das Ereignis eintritt (tritt die Selbsterhaltungsfähigkeit tatsächlich nach dem Abschluss der Ausbildung ein), als auch wann es eintritt, weshalb von einer (vertraglichen) Fixierung des Unterhalts (wie in der Entscheidung des ) nicht gesprochen werden kann.
Nach § 17 Abs 4 GebG ist es für die Entstehung der Gebührenschuld ohne Bedeutung, dass die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung abhängt. Für die Bewertung von Leistungen und Lasten, somit für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage einer Rechtsgebühr, wird im § 26 GebG die Unbeachtlichkeit einer Bedingung bestimmt.
Demzufolge ist die belangte Behörde zu Recht bei der Berechnung von 40% des gemeinsamen Einkommens, sohin - nach Abzug des Einkommens der Ehegattin - einem monatlichen Unterhalt von € 4.073,34, ausgegangen.
4.2. wiederkehrende Leistung
Da es sich bei der Unterhaltsleistung um eine wiederkehrende Leistung handelt, ist diese nach den Vorschriften der §§ 15 und 16 BewG zu bewerten.
Gem § 15 Abs 2 BewG sind immerwährende Nutzungen oder Leistungen mit dem Achtzehnfachen des Jahreswertes, Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich des § 16 mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten.
§16 Abs 1 BewG legt fest, dass der Wert von Renten, wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen sowie dauernden Lasten, die vom Ableben einer oder mehrerer Personen abhängen, sich aus der Summe der von der Erlebenswahrscheinlichkeit abgeleiteten Werte sämtlicher Rentenzahlungen, der einzelnen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen, sowie dauernden Lasten abzüglich der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen (versicherungsmathematische Berechnung) ergebe. Dabei sei der Zinssatz gemäß § 15 Abs 1 GebG anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 16 BewG auf die Lebensdauer der berechtigten Personen und sohin nicht auf andere Umstände wie etwa Beendigung bzw Einschränkung des Unterhaltes wegen Wiederverehelichung, Verwirkung oder des Eintritts der Anwendungsvoraussetzungen der clausula rebus sic stantibus ab. Nach herrschender Meinung stehen Unterhaltsverträge unter der clausula rebus sic stantibus. Zwar können die Parteien vereinbaren, dass die nachträgliche Veränderung der Umstände bedeutungslos sein soll und/oder dass die Unterhaltsverpflichtung auch bei Wiederverehelichung oder in den Fällen des § 74 EheG weiterbestehen soll. Nur dann könnte jedoch davon gesprochen werden, dass es sich um eine auf die Lebenszeit der Unterhaltsberechtigten beschränkte Nutzung iSd § 16 Abs 1 BewG handle; andernfalls läge eine Leistung von unbestimmter Dauer iSd § 15 Abs 2 BewG vor, die lediglich mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten wäre (vgl ).
Im streitgegenständlichen Vertrag wurde weder die Bedeutungslosigkeit von nachträglichen Veränderungen der Umstände noch ein Weiterbestehen der Unterhaltsverpflichtung bei Wiederverehelichung vereinbart, weshalb dem Beschwerdevorbringen, die Gebühr sei vom 9-fachen das Jahreswertes zu berechnen, zu folgen ist (vgl Bavenek-Weber in Bavenek-Weber/Petritz/Petritz-Klar (Hrsg), Gebührengesetz Kommentar (6. Lfg 2020) § 26 GebG Rz 73), va vor dem Hintergrund, dass der Unterhaltsanspruch des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehepartner mit dessen Wiederverheiratung oder mit dessen Tod von Gesetzes wegen erlischt (vgl §§ 75 und 77 EheG).
4.3. Schenkungsverpflichtung (Pkt 8 der Vereinbarung)
Wie bereits ausgeführt, ist Bemessungsgrundlage der Gebühr der Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Dabei sind die Werte aller im Vergleich vereinbarten Leistungen zusammenzurechnen.
Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes, ist die Gebühr vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen zu bemessen. Bei der unter Pkt 8 vereinbarten Schenkung iHv € 100.000,-- handelt es sich ebenfalls um eine übernommene Leistung, zu der sich der Bf ausdrücklich verpflichtet hat.
5. Berechnung der Gebühr
Aus dem oben Gesagten ergibt sich sohin folgende Bemessungsgrundage:
€ 13.600,00- x 40% = € 5.440,00 - € 1.366,66 = € 4.073,34 mtl Unterhalt.
€ 4.073,34 x 12 x 9 = € 439.920,72 + € 100.000,00 = € 539.920,72 (Bemessungsgrundlage)
Die Gebühr beträgt gem § 33 TP 20 GebG 1957 2% der Bemessungsgrundlage und wird sohin iHv € 10.798,41 festgesetzt.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In der Entscheidung wurde nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abgewichen und kann diesbezüglich auf die in der Entscheidung verwiesene Rechtsprechung verwiesen werden, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 TP 20 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102140.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at