Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 14.02.2024, RV/6100228/2021

§ 27 Abs 3 EStG 1988 Bewertung von Anteilen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Albert Salzmann, die Richterin Dr. Susanne Zankl sowie die fachkundigen Laienrichter Christine Höll und Dr. Rupert Mayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Etschbacher & Partner Wirtschafts- und Steuerberatungs OG, Forstamtsgasse 6, 5580 Tamsweg, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2014, 2015, 2016 und 2017 zur Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Premm Helene zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach Durchführung eines Außenprüfungsverfahrens hat das Finanzamt (FA) am Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2016 und 2017 sowie Einkommensteuerbescheide für 2014, 2015, 2016 und 2017 erlassen.

Mit Schriftsatz des steuerlichen Vertreters vom hat die beschwerdeführende Partei (bP) fristgerecht Beschwerde gegen die genannten Bescheide erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das FA die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Schriftsatz der steuerlichen Vertreterin vom hat die bP die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragt.

Mit Vorlagebericht vom hat das FA die Beschwerde dem BFG elektronisch zur Entscheidung vorgelegt.

Am fand die mündliche Verhandlung vor dem Senat statt. Im Zuge der Verhandlung hat die bP die Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2016 und 2017 zurückgenommen.

Nach erfolgter Beratung hat der Senatsvorsitzende das Erkenntnis über die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2017 sowie den Beschluss über die Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2016 und 2017 verkündet.

Mit Datum wurde der Beschluss über die Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2016 und 2017 schriftlich ausgefertigt und am zugestellt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Anfang 2010 hat der Bruder A der bP für die Errichtung seines Einfamilienhauses € 300.000,00 vom gemeinsamen Vater geschenkt erhalten. Der gleiche Betrag wurde der bP und deren Bruder B als Schenkung zugesagt, aber aufgrund der nicht vorhandenen Liquidität vorerst vom Vater nicht ausbezahlt. Zur Besicherung dieser Zusage hat der Vater mit Notariatsakt vom der bP und deren Bruder B jeweils eine 0,5%ige Beteiligung an der D Beteiligungs GmbH unentgeltlich übertragen.

Mit notariell errichteten Verträgen, ebenfalls vom , gaben die bP und deren Bruder B Erb- und Pflichtteilsverzichte ab. Gleichzeitig wurden Abtretungsanbote der bP und deren Bruders B über jeweils € 300.000,00 für die soeben unentgeltlich erhaltenen Gesellschafts-anteile gelegt, die jederzeit und unbefristet vom Vater angenommen werden konnten.

Beginnend mit hat die bP von ihrem Vater Geldbeträge erhalten, für die sie jeweils "Anrechnungsvereinbarungen" unterfertigt hat. Laut diesen Vereinbarungen waren die erhaltenen Beträge für den Fall der Annahme des og Abtretungsanbots gegen den vereinbarten Abtretungspreis zu verrechnen.

Mit Notariatsakt vom hat der Vater das og Abtretungsanbot der bP angenommen. Im Punkt "Zweitens" wird festgehalten, dass zum Zeitpunkt der Annahme des Abtretungs-anbots das Entgelt in der Höhe von € 300.000,00 bereits vollständig bezahlt und verrechnet ist.

Bis zum wurden insgesamt € 392.534,40 vom Vater an die bP überwiesen oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten der bP verwendet und entsprechende Anrechnungsvereinbarungen von der bP unterfertigt. Von dieser Gesamtsumme wurden bis zum insgesamt € 88.765,15 überwiesen bzw verwendet und entsprechende Anrechnungsvereinbarungen von der bP unterfertigt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Notariatsakten vom und , den vorgelegten Abrechnungsvereinbarungen, dem Beschwerdeschriftsatz, der Beschwerdevorentscheidung, dem Vorlageantrag, dem Vorlagebericht und der Zeugenaussage von C (Vater der bP).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtslage

§ 21 Abs 1 BAO idgF lautet:
"Für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend."

§ 27 EStG 1988 idgF lautet:
"1) Einkünfte aus Kapitalvermögen sind Einkünfte aus der Überlassung von Kapital (Abs. 2), aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen (Abs. 3) und aus Derivaten (Abs. 4), soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 gehören. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.
2) Zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gehören:
1. a) Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien oder
Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung;
b) Gleichartige Bezüge und Rückvergütungen aus Anteilen an
Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften;
c) Gleichartige Bezüge aus Genussrechten und sonstigen
Finanzierungsinstrumenten sowie Bezüge aus Partizipationskapital
gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988;
d) Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten
Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform
(Agrargemeinschaften) im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z 3 des Bundes-
Verfassungsgesetzes;
2. Zinsen, und andere Erträgnisse aus Kapitalforderungen jeder Art,
beispielsweise aus Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Einlagen, Guthaben
bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des VAG 2016,
ausgenommen Stückzinsen;
3. Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen;
4. Gewinnanteile aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller
Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen
Gesellschafters, soweit sie nicht zur Auffüllung einer durch Verluste
herabgeminderten Einlage zu verwenden sind.
3) Zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen
gehören Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen
Abschichtung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge Einkünfte aus der
Überlassung von Kapital im Sinne von Abs. 2 sind (einschließlich
Nullkuponanleihen).
4) …. ."

§ 27a Abs 1 EStG 1988 idgF lautet:
"Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen
1. im Fall von Geldeinlagen und nicht verbrieften sonstigen Forderungen bei
Kreditinstituten, ausgenommen Ausgleichzahlungen und Leihgebühren
gemäß § 27 Abs. 5 Z 4, einem besonderen Steuersatz von 25%,
2. in allen anderen Fällen einem besonderen Steuersatz von 27,5%
und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen
weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen
(§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 5)
anzuwenden ist.
…. ."

§ 27a Abs 3 Z 2 lit a EStG 1988 idgF lautet:
"Als Einkünfte anzusetzen sind:
2. Bei realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 3)
a) der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös, dem
Einlösungs- oder Abschichtungsbetrag und den Anschaffungskosten,
jeweils inklusive anteiliger Stückzinsen;"

§ 27a Abs 4 Z 1 EStG 1988 idgF lautet:
"Für die Anschaffungskosten gilt folgendes:
Bei unentgeltlichen Erwerb sind die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgeblich."

§ 124 b Z 185 lit a EStG 1988 idgF lautet:
"Die §§ 27, 27a… in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl I Nr.111/2010 treten mit nach Maßgabe der folgenden Regelungen in Kraft, soweit sich nicht aus der Z 193 anderes ergibt.
a) § 27 Abs 3 und 4 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl I
Nr.111/2010 sind ab erstmals anzuwenden auf
- Beteiligungen, die am die Voraussetzungen des § 31 erfüllen.
Bei vor dem erworbenen Beteiligungen, an denen der
Steuerpflichtige zum mit weniger als einem Prozent beteiligt
ist, gilt dies nur dann, wenn die Beteiligungen innerhalb der Frist gemäß
§ 31 Abs. 1 oder innerhalb einer durch das Umgründungssteuergesetz
verlängerten Frist veräußert wird;
- Anteile an Körperschaften, die nach dem entgeltlich erworben
worden sind.
- …. .
Auf sie ist bei Veräußerung nach dem daher bereits der
besondere Steuersatz von 27,5% (bis von 25%) anwendbar."

§ 31 Abs. 1 EStG 1988 idgF lautet:
"Zu den sonstigen Einkünften gehören die Einkünfte aus der Veräußerung eines Anteiles an einer Körperschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens einem Prozent beteiligt war. Eine solche Beteiligung liegt auch dann vor, wenn der Veräußerer mittelbar, zum Beispiel durch Treuhänder oder durch eine Körperschaft, beteiligt war. Hat der Veräußerer Anteile unentgeltlich erworben, tritt die Steuerpflicht auch dann ein, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, aber der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens einem Prozent beteiligt war."

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe; Abänderung des Bescheides)

Strittig ist, ob die am erfolgte Rückveräußerung der Anteile an der D Beteiligungs GmbH im Ausmaß von 0,5 % von der bP an den Vater eine Beteiligungsveräußerung im Sinne des § 124b Z 185 lit a iVm § 31 Abs 1 EStG 1988 und damit einen steuerpflichtigen Vorgang darstellt. Der Erlös aus dem Verkauf wäre gem § 27 Abs 3 iVm § 27a Abs 3 EStG 1988 als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerlich in Ansatz zu bringen.

Zunächst ist auszuführen, dass, sollte der Senat zu dem Ergebnis kommen, dass eine Beteiligungsveräußerung vorliegt, die formalrechtlichen Voraussetzungen für eine Steuerpflicht (unentgeltlicher Erwerb des 0,5% Anteiles, Verkauf der Beteiligung innerhalb von 5 Jahren, Beteiligungsausmaß…) gegeben sind.

Ob es sich bei der zu bewertenden Konstellation tatsächlich um eine Beteiligungsveräußerung handelte, war aufgrund der vorliegenden Beweise in freier Beweiswürdigung zu erkennen.

Dazu wurde der unter dem Punkt II. festgestellte, entscheidungsrelevante und zwischen den Verfahrensparteien unbestrittene Sachverhalt von mehreren Seiten beleuchtet und auf dessen Steuerbarkeit bzw. Steuerpflicht überprüft.

Ein steuerrechtlicher Grundsatz für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen ist dabei, den zu beurteilenden Sachverhalt nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht nach der äußeren Erscheinungsform auszulegen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist immer dort anzuwenden, wo der Tatbestand selbst keine rechtliche Betrachtungsweise bzw. keine formalrechtliche Anknüpfung mehr erfordert.

Nach den für das erkennende Gericht glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen des Zeugen C, Vater der bP, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt für den zu beurteilenden Sachverhalt und damit für die Werthaltigkeit des 0,5% Anteiles in dem Umstand zu finden, dass der uneheliche Sohn (= Bruder A der bP) im Jahr 2010 an seinen Vater herangetreten war, und gebeten hatte, ihm für den Bau seines Wohnhauses einen Teil seines Erbes, als väterlicher Erb-und Pflichtteilsvorempfang, in Höhe von € 300.000,00 auszuzahlen. Um eine Gleichbehandlung aller drei Kinder im Jahr 2010 zu gewährleisten, wurde - über Anraten seines damaligen steuerlichen Vertreters - das gegenständlich zu beurteilende rechtliche Konstrukt gewählt (Schenkung des 0,5% Anteiles an die bP, Pflichtteilsverzicht durch die bP, Rückkauf des 0,5% Anteiles durch den Vater der bP mit € 300.000,00). Das rechtliche Konstrukt war für den Vater insoweit schlüssig gewesen, da dem 0,5% Anteil genau der Wert beigemessen wurde, der dem an den unehelichen Sohn ausbezahlten vorweggenommen Erbteil entsprach. Der Wunsch des Vaters war es gewesen, den beiden anderen, ehelichen, Kindern ebenfalls einen vorweggenommenen Erbteil von je € 300.000 zukommen zu lassen bzw diesen infolge eines damals bestehenden Liquiditätsengpasses in der GmbH abzusichern.

Der Wert des 0,5% Anteiles an der GmbH hat sich durch die Höhe des an den unehelichen Sohn ausbezahlten Geldbetrages ergeben. Hätte der uneheliche Sohn einen anderen Geldbetrag gefordert, hätte der 0,5% Anteil eine andere Werthaltigkeit gehabt, losgelöst und unabhängig davon, was der Pflichtteilsverzicht tatsächlich wert gewesen wäre und unabhängig vom tatsächlichen Verkehrswert des Anteiles.

Auf die Frage des Amtsbeauftragten an den Vater der bP, was ihm denn der Verzicht auf den Pflichtteil wert gewesen sei, antwortete dieser "mir war der Verzicht gar nichts wert" … "für mich war es wichtig, meinen beiden ehelichen Kinder auch je € 300.000,00 zukommen zu lassen". Auf die weitere Frage des Amtsbeauftragten, ob denn der 0,5% Anteil für ihn daher € 300.000,00 wert gewesen wäre, antwortete der Vater bP "das weiß ich nicht, wird so sein, weil der Vorschlag ja vom Steuerberater gekommen ist".

Der Vater der bP beabsichtigte sohin, jedem seiner 3 Kinder € 300.000,00 zukommen zu lassen, wobei er auf Anraten seines steuerlichen Vertreters diese Schenkung jeweils mit einem Erb- und Pflichtteilsverzicht verbunden hat. Es war nie beabsichtigt, das wirtschaftliche Eigentum an jeweils 0,5 % der D Beteiligungs GmbH zunächst an die bP und deren Bruder B zu schenken, um diese dann in die Lage zu versetzen, über diese unentgeltlich erworbenen Beteiligungen frei verfügen zu können; zB diese an Fremde zu veräußern.

Dies zeigt auch der Umstand, dass gleichzeitig mit der "Schenkung" der GmbH-Beteiligungen ein verbindliches und unbefristetes Kaufanbot der Kinder an den Vater gelegt wurde. Das Finanzamt sieht gerade darin die tatsächliche Werthaltigkeit der jeweiligen Beteiligung, übersieht jedoch, dass der Vater auf Grundlage dieser Anbote nicht verpflichtet war, die Anteile tatsächlich zurückzukaufen, geschweige denn den ausgewiesenen Kaufpreis zu bezahlen. Vielmehr wurden durch diese unbefristeten Anbote die Kinder verpflichtet, die unentgeltlich erhaltenen Beteiligungen ausschließlich an den Vater und um höchstens € 300.000,00 zu "veräußern".

Die Richtigkeit der Beurteilung als Schenkung vom Vater an die Kinder zeigt sich auch im Resultat der ungewöhnlichen Vorgangsweise:
Nachdem der Vater seinen Kindern jeweils € 300.000,00 zukommen hat lassen, war er (wieder) 100%iger Eigentümer der D Beteiligungs GmbH. Alle Kinder waren - wie von Anfang an beabsichtigt - jeweils um € 300.000,00 bereichert und der Vater der bP (wieder) Alleingesellschafter der D Beteiligungs GmbH.

Auch der Umstand, dass der Vater insgesamt deutlich mehr als die laut Kaufanbot zu leistenden € 300.000,00 an die bP bezahlt hat, zeigt, dass es sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht um den entgeltlichen Erwerb einer Beteiligung durch den Vater der bP, sondern um die freigiebige Schenkung mit Bereicherungsvorsatz vom Vater an die bP gehandelt hat.

Nach , ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise iSd § 21 Abs 1 BAO immer dann anzustellen, wenn sich der Abgabenbehörde ein Sachverhalt darbietet, bei dem eine rein formalrechtliche Beurteilung zu Ergebnissen führen würde, die dem Sinn und Zweck des betreffenden Abgabengesetzes klar zuwiderlaufen würde.

Aus der Gesamtschau der obigen Ausführungen ergibt sich für das erkennende Gericht, dass es sich bei dem zu bewertenden Sachverhalt um eine Sicherungsübereignung der Beteiligung vom Vater an die bP handelt, deren ausschließlicher Zweck die "formale" Sicherung des Pflichtteilsanspruches der bP war. Zivilrechtliche Folgen im Sinne einer tatsächlichen freien Eigentumsverschaffung an der unentgeltlich übertragenen Beteiligung samt tatsächlicher Verfügungsfreiheit durch die bP waren von deren Vater nie beabsichtigt. Diese sind aufgrund des verbindlichen und unbefristeten Kaufanbotes der bP an ihren Vater auch tatsächlich nie eingetreten.

Mit der Annahme des Anbotes auf Rückabtretung des Anteiles wollte der Vater die bP mit € 300.000,00 bereichern. Vater und bP waren sich subjektiv des Charakters der Leistung als unentgeltlich bewusst und haben die Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt (siehe dazu auch ).

In Abwägung aller vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungsergebnisse, vor allem und insbesondere der Auswertung der Ausführungen des Zeugen C, kommt der Senat daher zu der Einschätzung, dass es sich hier um kein entgeltliches Rechtsgeschäft und somit um keine Beteiligungsveräußerung im Sinne des § 27 EStG 1988 handelt, sondern vielmehr um Zuwendungen unter nahen Angehörigen, die als Schenkungen nicht steuerbare Vermögensvermehrungen sind und nicht der Einkommensteuer unterliegen.

Aber selbst dann, wenn in dem zu bewertenden Sachverhalt nicht ein einheitlicher Vorgang, sondern zwei unabhängige Rechtsgeschäfte zu sehen wären, nämlich eine Schenkung (des 0,5% Anteiles) des Vaters an die bP einerseits und dessen "Rückkauf" durch den Vater der bP als entgeltliches Rechtsgeschäft andererseits, so ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um Rechtsgeschäfte zwischen nahen Angehörigen handelt, bei dem die Fremdüblichkeit der Höhe des Abtretungsentgeltes zu prüfen wäre.

Für die Beantwortung der Frage, ob ein fremder Dritter bereit gewesen wäre, den Anteil von 0,5% um € 300.000,00 zu erwerben, ist der Verkehrswert der D Beteiligungs GmbH zu ermitteln. Würde man dem 0,5% Anteil tatsächlich den Wert von € 300.000,00 beimessen, so hätte die D Beteiligungs GmbH zum damaligen Zeitpunkt einen Verkehrswert von € 60.000.000,00 aufweisen müssen, damit ein fremder Dritter bereit gewesen wäre, den Anteil um diesen Preis zu erwerben.

Tatsächlich hat die D Beteiligungs GmbH nach Auffassung des Finanzamtes für Großbetriebe zum einen Verkehrswert von rund 6.000.000,00 aufgewiesen, der als Richtschnur für die Bewertung zum Zeitpunkt der Ausübung des Rechts auf Abtretung vom herangezogen werden kann. Unterstellt man zum einen entsprechenden Verkehrswert der GmbH in Höhe von rund 6.000.000,00, wäre ein fremder Dritter nur bereit gewesen, den Anteil von 0,5% um 30.000,00 zu erwerben. Dies entspricht auch den Ausführungen der bP in ihrer Beschwerdeergänzung.

Gegenteilige Feststellungen des Finanzamtes zum tatsächlichen Wert des Anteiles an der GmbH liegen dem Gericht nicht vor. Das Finanzamt bestreitet die Höhe des von der bP dem Gericht übermittelten Verkehrswertes nicht.

Dem Argument des Finanzamtes, ein fremder Dritter hätte genau für diesen Anteil € 300.000,00 deshalb bezahlt, weil mit der Übertragung auch ein Kaufanbot für € 300.000,00 über genau diesen einen Anteil verbunden gewesen wäre, was ihm den entsprechenden Verkehrswert verschafft hätte, den er als "gewöhnlicher" Anteil an dem Unternehmen nicht hätte, muss klar entgegengetreten werden:
Einerseits wird auf die obigen Ausführungen zum Kaufanbot verwiesen, aus denen hervorgeht, dass dieses Kaufanbot von der bP an den Vater gelegt wurde und somit die bP bindet und nicht den Vater der bP. Eine Verpflichtung um € 300.000,00 zu kaufen - oder überhaupt die Anteile zurückzukaufen - ist der Vater der bP nicht eingegangen.
Andererseits würde dieser Denkansatz bedeuten, dass ein naher Angehöriger selbst den Wert einer Leistung bemessen könnte, der dann gegenüber fremden Dritten zum Tragen käme.

Diese Auffassung ist rechtlich nicht haltbar. Der VwGH stellt in seiner Rechtsprechung klar, dass der Verkehrswert regelmäßig mit dem gemeinen Wert gleichgesetzt wird und er damit einen objektivierten Wert darstellt (siehe dazu etwa ). Persönliche Verhältnisse, wie insbesondere familienhafte Verhältnisse sind entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamtes bei der Ermittlung des Verkehrswertes/gemeiner Wert nicht zu berücksichtigen.

Durch die Befragung des Vaters der bP in der mündlichen Verhandlung ergab sich für den Senat ein weiterer Aspekt, der für die Entscheidung des Gerichtes nicht unbeachtlich war.
Im Notariatsakt vom wird unter Punkt "Zweitens" festgehalten, dass mit der Annahmeerklärung die Feststellung getroffen wird, "dass das vereinbarte Abtretungsentgelt in der Höhe von € 300.000,00 im Zeitpunkt der Annahme bereits vollständig bezahlt und verrechnet ist"… .

Aus den Ausführungen des Vaters der bP zu der Frage des Vorsitzenden, wie sich dieser Passus mit den quartalsmäßigen Bestätigungen und Anrechnungsvereinbarungen über erfolgte Kreditrückzahlungen durch den Vater vereinbaren ließe, war zwingend zu erkennen, dass der Vater der bP von Beginn an wirtschaftlicher Kreditnehmer gewesen war. Er war derjenige, der auf Grund seiner wirtschaftlichen Stellung, Bekanntheit und Einkommenssituation die Bedingungen bei der Kreditaufnahme ausverhandelt hatte. Die Tochter hätte bei ihrer finanziellen Situation - nach den glaubhaften Aussagen des Zeugen - niemals einen Kredit von der Bank bekommen. Es war für alle Beteiligten, insbesondere auch für die Bank klar, dass der Vater der bP den Kreditvertrag wirtschaftlich tilgen würde.

Unter diesem Aspekt ist auch die im Notariatsakt getroffene Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Annahme des Anbotes auf Rückkauf des 0,5% Anteiles der Abtretungspreis bereits vollständig bezahlt worden sei, zu verstehen. Das bedeutet aber, dass - wirtschaftlich gesehen - bereits am , und somit vor dem streitgegenständlichen Zeitraum, eine Begleichung des Wohnungskredites erfolgte und damit das Abtretungsentgelt auf Grundlage des Kaufanbotes bereits zu diesem Zeitpunkt beglichen worden ist.

Letztlich prüfte der Senat noch, inwieweit für den Fall, dass die wiederkehrenden Zahlungen in Höhe von gesamt € 300.000,00 tatsächlich für den Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch geleistet worden wären, diese als sonstige Einkünfte unter § 29 Abs. 3 EStG zu subsumieren sind, und kommt das Gericht zum Ergebnis, dass das "Verzichtsentgelt" nicht von § 29 Abs. 3 EStG 1988 umfasst sein würde. Der vor Eintritt des Erbfalls erklärte Erb-und/oder Pflichtteilsverzicht ist ein erbrechtlicher Vertrag, der die Regulierung der Vermögensnachfolge und ihrer Modalitäten im Todesfall des potentiellen Erblassers dienen soll. Erhält das pflichtteilsberechtigte Kind für den Verzicht auf seinen künftigen Anspruch von seinen Eltern als den potentiellen Erblassern eine Abfindung, so handelt es sich zivilrechtlich und auch steuerrechtlich um einen unentgeltlichen Vorgang, der nicht der Einkommensteuer unterliegt (siehe dazu auch SWK 22/2010, S 667).

Es liegen somit keine Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27 Abs 3 EStG 1988 vor.

Demzufolge war dem Beschwerdebegehren stattzugeben.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da in der vorliegenden Beschwerdesache alle Rechtsfragen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung entschieden wurden und ausschließlich der Sachverhalt strittig war, welcher vom erkennenden Senat im Rahmen der freien Beweiswürdigung vom Verwaltungsgericht festzustellen war, war eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuzulassen.

Salzburg, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100228.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at