Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2024, RV/2100017/2024

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Versäumung der Vorlageantragsfrist durch den steuerlichen Vertreter aufgrund eines 19 Tage bzw. 14 Werktage andauernden tiefgreifenden familiären Ereignisses

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/15/0033. Zurückweisung mit Beschluss v. .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/2100017/2024-RS1
Eine Verhinderung eines Parteienvertreters wie im gegenständlichen Fall kann für sich allein genommen niemals Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein. Nur dann, wenn zufolge der Verhinderung die Dispositionsfähigkeit des Parteienvertreters ausgeschlossen wird, wenn also zufolge der Verhinderung nicht einmal mehr für eine Stellvertretung gesorgt werden konnte, stellt diese ein Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO dar, aufgrund dessen es unmöglich wäre, die versäumte Frist einzuhalten (vgl. zB , zum Fall der Verhinderung eines Verteidigers wegen Krankheit).
RV/2100017/2024-RS2
Der steuerliche Vertreter hätte - wenn die Kanzleiorganisation keine Fristenwahrung sicherstellen kann - bei einem (hier zweifelsohne vorliegenden) tiefgreifenden familiären Ereignis von nicht absehbarer Dauer innerhalb kürzester Zeit (von jedenfalls weniger als 19 Tagen bzw. 14 Werktagen) die Verpflichtung gehabt, die Berechtigung gemäß § 81 WTBG 2017 wahrzunehmen, sich bei Verhinderung durch einen anderen Berufsberechtigten (zumindest hinsichtlich der Fristenwahrung) vertreten zu lassen, um ein "Vergessen" von fristgebundenen Verfahrenshandlungen zu vermeiden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Rauscher und Mag. Glashüttner als Richter sowie Mag. Aust und Dr. Haid als fachkundige Laienrichter im Beisein des Schriftführers FOI Dawkins über die Beschwerden der ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. ***StB***, ***StB-Adr***, vom gegen den (Sammel-)Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung von Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin war Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, über die mit Beschluss des Gerichtes vom tt.10.2019 der Konkurs eröffnet und die infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst wurde. Am tt.05.2021 wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.

Abgabenverfahren

Mit (hier nicht beschwerdegegenständlichen) Bescheiden vom setzte die Abgabenbehörde bei der Beschwerdeführerin die Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 12/2011, 12/2012, 12/2013, 12/2014, 12/2015, 12/2016 und 12/2017 fest.

Nach mehrfacher Verlängerung der Beschwerdefrist erhob die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter am auf elektronischem Weg (FON) die (hier nicht entscheidungsgegenständlichen) Beschwerden gegen diese Bescheide (OZ 3).

Mit (Sammel-)Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 4) wies die Abgabenbehörde diese Beschwerden als unbegründet ab.

Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Am übermittelte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin im Wege von FinanzOnline ein Anbringen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (OZ 5) und führte zur Begründung aus, dass die BVE betreffend die eingebrachten Beschwerden am in seiner Kanzlei zugestellt worden sei. Die Frist zur Einreichung eines Vorlageantrags bzw. einer Fristverlängerung sei sohin am abgelaufen. Er habe diese Frist nicht einhalten können, da seine Mutter am verstorben sei. Sein Vater sei aus diesem Grund (nach 60 Jahren Partnerschaft) seelisch am Boden zerstört gewesen und habe der Unterstützung bedurft. Dieser Zustand sei für ihn unvorhergesehen gewesen und daher habe er auf die Frist vergessen. Er beantrage daher, der Wiedereinsetzung stattzugeben. Gleichzeitig beantrage er die Erstreckung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags bis zum .

Abweisungsbescheid

Mit (hier beschwerdegegenständlichem) (Sammel-)Bescheid vom (OZ 1), dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am (OZ 17) zugestellt, wies die Abgabenbehörde die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Die Abgabenbehörde stimme dem Antragsteller bzw. der steuerlichen Vertretung zu, dass der Tod (und die Unterstützung der Hinterbliebenen) grundsätzlich ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis darstelle. Das Ableben der Mutter (und die Unterstützung des Vaters) sei jedoch dem privaten Bereich des Steuerberaters zuzurechnen, welcher üblicherweise keinen Einfluss auf das Funktionieren des gesamten Steuerberatungsbetriebs habe. Der Tod der Mutter des Steuerberaters und die Unterstützung des Vaters habe nicht zur Dispositionsunfähigkeit des Antragstellers bzw. der steuerlichen Vertretung (Betrieb mit mehr als 5 Mitarbeitern) geführt, sodass weder der Antragsteller noch die steuerliche Vertretung in der Lage gewesen wären, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen und einen Fristverlängerungsantrag zu stellen. Der Tod der Mutter am und die notwendige Unterstützung für den Vater des Steuerberaters habe somit den Antragsteller bzw. die steuerliche Vertretung nicht an der Einhaltung der einmonatigen Frist ( bis ) zur Einbringung eines Fristverlängerungsantrages hindern können. Es fehle an einem Veranlassungszusammenhang zwischen dem Tod der Mutter und der notwendigen Unterstützung für den Vater des Steuerberaters und der Nichteinhaltung der gesetzlichen Frist. Auch das von § 308 Abs. 1 BAO geforderte Tatbestandsmerkmal eines bloß minderen Grades des Versehens auf Seiten des Antragstellers liege nicht vor. Das Verschulden eines Vertreters sei dem Verschulden des Vertretenen - dem Antragsteller - gleichzuhalten. Ein minderer Grad des Versehens im Sinne leichter Fahrlässigkeit nach § 1332 ABGB liege dann vor, wenn ein Fehler unterlaufe, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe. Keine leichte Fahrlässigkeit liege aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handle. Auffallend sorglos handle, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lasse. An rechtskundige Parteienvertreter sei hiebei ein strengerer Maßstab anzulegen als an am Verfahren beteiligte rechtsunkundige Parteien. Der Parteienvertreter habe die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt sei. Zur Kanzleiorganisation gehöre die Führung eines Fristenvormerks. Hinsichtlich des Fristenvormerks bestehe eine besondere Überwachungspflicht. Die steuerliche Vertretung habe ihren Kanzleibetrieb so einzurichten, dass die Eintragung und Wahrnehmung von Fristen in jedem Fall (somit auch bei einem Todesfall in der Familie des Steuerberaters) gewährleistet sei. Der berufsmäßige Parteienvertreter (Steuerberater) habe jedoch auffallend sorglos gehandelt, indem die Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Kanzleiorganisation offenbar nicht erfüllt seien, womit das "Vergessen" auf eine Frist ermöglicht worden sei. Die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Fristverlängerungsantrages sei somit auf ein - über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes - Verschulden seitens der steuerlichen Vertretung zurückzuführen, sodass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO nicht erfüllt seien.

Beschwerden

Mit Beschwerdeschreiben vom (OZ 2) erhob die Beschwerdeführerin durch seinen steuerlichen Vertreter dagegen die (hier entscheidungsgegenständliche) Bescheidbeschwerden und beantragte die "Aufhebung des angefochtenen Bescheids über die Abweisung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand". Die Frist zur Einbringung des Vorlageantrags oder eines Antrags auf Fristerstreckung habe am geendet. Die Frist sei in seinem Terminplan "kalendiert" und die Fristenwahrung beobachtet worden. Am sei seine Mutter mit einer akuten Lungenentzündung in die Intensivstation der Klinik *** eingeliefert worden. Nach anfänglicher Hoffnung, die Lungenentzündung zu überwinden, seien immer weitere Organschädigungen hinzugekommen. Letztlich sei ihm am mitgeteilt worden, dass ein Multiorganversagen bevorstehe und die weitere Behandlung nur noch in Palliativmaßnahmen bestehen werde. Es sei eine Sterbebegleitung bis letztlich zum gefolgt. Es sei an dieser Stelle anzumerken, dass familiärer Zusammenhalt in seinem persönlichen Umfeld sehr groß geschrieben werde und auf Grund des engen Kontakts dieser Todesfall ein erschütterndes und eingreifendes Ereignis darstelle. Vor allem sein Vater, der nach 60 Jahren inniger Partnerschaft seinen Lebensmenschen verloren habe, sei psychisch schwer aus den der Bahn geworfen gewesen. Durch diese Ereignisse habe er die für ihn kalendrierten Termine, insbesondere diese Rechtsmittelfrist in gegenständlicher Causa übersehen, - so leid es ihm tue - schlichtweg vergessen. Genau dieses Vergessen sei auch der Grund dafür, dass er keinem seiner Angestellten die Weisung erteilt habe, einen Antrag auf Fristverlängerung einzubringen. Hier sei anzumerken, dass er in seiner Kanzlei drei Mitarbeiterinnen im Bereich Buchhaltung, Personalverrechnung und Bilanzierung / EAR, eine Mitarbeiterin im Bereich Buchhaltung und Bilanzierung/EAR, eine Mitarbeiterin im Bereich Buchhaltung und eine Teilzeitmitarbeiterin (Studentin 20 Wochenstunden) als auszubildende Assistentin seit Ende 2022 beschäftige. Die 2020 eingestellte Bilanzbuchhalterin mit Vorerfahrungen aus einer Anwaltskanzlei sei seit Ende 2021 karenziert und er suche nach wie vor angemessenen Ersatz. Zusammengefasst solle das bedeuten, dass juristische Schriftsätze und die Fristenwahrung für solche nur durch ihn erfolgten und diese Tätigkeit keine eigenständige Aufgabe für Personalverrechnerinnen oder Buchhalterinnen darstelle. Im Rahmen der Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beziehe sich die Abgabenbehörde vor allem auf die Behauptung, dass ein Parteienvertreter über ein Mindestmaß an Kanzleiorganisation zur Fristenwahrung verfügen müsse und daher die gegenständliche Fristversäumnis einen groben Sorgfaltsbruch und keinen minderen Grad des Versehens darstelle. Dem sei entgegenzuhalten, dass ein Kontrollsystem zur Fristenwahrung in seiner Kanzlei sehr wohl existent sei, sonst würden sie ja gleichsam alle Fristen versäumen. Die Einhaltung dieser Frist sei ausschließlich in seiner Befugnis gewesen bzw. habe nur er eine entsprechende Anweisung zur Einbringung einer Fristverlängerung erteilen können. Aber genau der Todesfall (samt Sterbebegleitung und allen seinen Nachfolgeerscheinungen) als unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis habe ihn auf die Einhaltung der Frist bzw. auf die Erteilung einer entsprechenden Anweisung vergessen lassen. Dazu Kuhn im Handbuch Praxis der steuerlichen Betriebsprüfung: Schuh/Macho/Kerstinger zu § 308 BAO: "Das Verschulden von Kanzleiangestellten, Konzipienten oder Prokuristen berufsmäßiger Parteienvertreter sei hingegen dann nicht schädlich, wenn den Parteienvertreter daran kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden treffe. So stelle das Verschulden eines Kanzleibediensteten dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibediensteten nachgekommen sei. Parteienvertreter hätten die Organisation ihres Kanzleibetriebes so einzurichten, dass die richtige Vormerkung von Terminen zur fristgerechten Wahrnehmung von Fristen sichergestellt sei. Dazu gehöre die Führung eines Fristenvormerks, hinsichtlich dessen eine besondere Überwachungspflicht bestehe. Maßgebend sei also, ob dem Parteienvertreter grobes Auswahlverschulden, grobe Mängel in der Kanzleiorganisation oder mangelhafte Überwachung und Kontrolle anzulasten seien." Der Fristenvormerk sei eingehalten und grundsätzlich überwacht worden. Die Tatsache, dass auf Grund diversester Umstände sein Kanzleibetrieb (Schwangerschaft einer Mitarbeiterin, Änderung der Lebensverhältnisse [Umzug in ein anderes Bundesland] bei einer anderen Mitarbeiterin) in Umstrukturierung befindlich sei, könne wohl kaum ein Auswahlverschulden oder eine grobe Sorglosigkeit in der Kanzleiorganisation sein. Fakt sei, dass er als Steuerberater und Jurist diese Frist zu wahren gehabt hätte. Er habe bislang noch nie eine Frist versäumt und sei in diesem speziellen Einzelfall vorübergehend nicht in der Lage gewesen, diese Frist einzuhalten oder eine entsprechende Weisung zu erteilen. Dadurch sei seiner Mandantschaft ein Rechtsnachteil erwachsen und der Antrag auf Wiedereinsetzung sei rechtzeitig eingebracht worden.

Beschwerdevorlage

Mit Vorlagebericht vom (OZ 7) legte die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerden ohne Beschwerdevorentscheidungen (auf die die Beschwerdeführerin verzichtet hatte) dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In der Stellungnahme führte die Abgabenbehörde aus, dass einer Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegenstehe, dass aus den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag vom bzw. in der Beschwerde zum Verschulden im Sinne des § 309a lit. c BAO nicht zu schließen sei, dass der Versäumung der Frist lediglich ein minderer Grad des Versehens des Beschwerdeführers bzw. der steuerlichen Vertretung zu Grunde gelegen sei. Herr Dr. ***StB*** (steuerliche Vertretung) bringe in der Beschwerde nun selbst vor, dass die Einhaltung gegenständlicher Frist ausschließlich in seiner Befugnis gelegen habe und er aufgrund des Todesfalls in seinem privaten Umfeld vergessen habe, einem seiner Mitarbeiter die Weisung zur Einbringung eines Fristverlängerungsantrages zu erteilen. Das Vorbringen der steuerlichen Vertretung weise bereits auf das Verschulden der Partei bzw. der steuerlichen Vertretung an der Fristversäumung hin, welches über einen minderen Grad des Versehens hinausgehe. Auffallend sorglos handle, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lasse (strengerer Maßstab für rechtskundige Parteienvertreter). Auch wenn Herr Dr. ***StB*** nach eigenen Angaben bislang noch nie eine Frist versäumt habe, dürfe die Einhaltung von Fristen (Fristenwahrung) für die Steuerberatungskanzlei nicht "ausschließlich" in seinem alleinigen Bereich liegen bzw. es müsse durch entsprechende Kontrollmechanismen vorgesorgt werden, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen (wie z.B. durch Vergessen) aller Voraussicht nach ausgeschlossen seien. Ein Vergessen der Frist wäre nach Ansicht der Abgabenbehörde leicht zu verhindern gewesen, wenn einer der sechs Kanzleimitarbeiter Herrn Dr. ***StB*** rechtzeitig auf den Ablauf der Frist hingewiesen hätte. Möglicherweise hätten die Kanzleimitarbeiter keinen Einblick in den Terminplan des Herrn Dr. ***StB*** (bzw. in den Fristenkalender). Möglicherweise seien sie aber "vor" Erteilung eines Auftrags durch Herrn Dr. ***StB*** einfach nicht für diese Angelegenheit zuständig. Vorstehenden Ausführungen folgend sei von groben Mängeln in der Kanzleiorganisation bzw. von einem fehlenden Kontrollsystem und damit von einem groben Verschulden des Steuerberaters auszugehen. Aus welchen Gründen (Arbeitsüberlastung, Tod von Angehörigen usw.) es zum "Vergessen" der Frist gekommen sei, sei nach Ansicht der Abgabenbehörde hingegen unerheblich. Ein wirksames Kontrollsystem hätte eine Fristversäumung durch Vergessen jedenfalls ausgeschlossen. Aus den Angaben in der Beschwerde erschließe sich nicht, warum die steuerliche Vertretung "in diesem speziellen Einzelfall vorübergehend nicht in der Lage" gewesen sein solle, diese Frist einzuhalten. Der Tod der Mutter habe nicht zur Dispositionsunfähigkeit des Steuerberaters geführt, sondern dazu, dass die Rechtsmittelfrist in gegenständlichem Fall "schlichtweg vergessen" worden sei (vgl. Begründung der steuerlichen Vertretung auf Seite 2 der Beschwerde). Hinsichtlich des Vorbringens der Umstrukturierung (durch Schwangerschaft, Umzug in ein anderes Bundesland) sei mangels konkreter Ausführungen in der Beschwerde für die Abgabenbehörde nicht erkennbar, inwiefern dies für die Beurteilung des Verschuldens bzw. für die Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrages in gegenständlichem Fall von Bedeutung sein solle.

Die Beschwerdeführerin hat die mündliche Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerden erwogen:

Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (§ 308 Abs. 1 BAO).

Das Verschulden des Vertreters ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Verschulden des Vertretenen gleich zu halten (zB. ).

Der Parteienvertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt ist (vgl. ).

Der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, er habe die Frist für den Vorlageantrag nicht einhalten können, weil seine Mutter am mit einer akuten Lungenentzündung in die Intensivstation der Klinik *** eingeliefert worden sei. Nach anfänglicher Hoffnung, die Lungenentzündung zu überwinden, seien immer weitere Organschädigungen hinzugekommen. Letztlich sei ihm am mitgeteilt worden, dass ein Multiorganversagen bevorstehe und die weitere Behandlung nur noch in Palliativmaßnahmen bestehen werde. Es sei eine Sterbebegleitung bis letztlich zum gefolgt. Nach dem Tod seiner Mutter habe er seinem Vater beistehen müssen (Seite 2 des Beschwerdeschreibens vom , OZ 2). Durch diese Ereignisse habe er die für ihn "kalendrierten" Termine, insbesondere diese Rechtsmittelfrist in gegenständlicher Causa übersehen, - so leid es ihm tue - schlichtweg vergessen (Seite 2 des Beschwerdeschreibens vom , OZ 2). Juristische Schriftsätze und die Fristenwahrung für solche sei nur durch ihn erfolgt und diese Tätigkeit sei keine eigenständige Aufgabe für Personalverrechnerinnen oder Buchhalterinnen (Seite 3 des Beschwerdeschreibens). Die Einhaltung der Frist sei ausschließlich in seiner Befugnis gelegen gewesen und nur er habe eine entsprechende Anweisung zur Einbringung einer Fristverlängerung erteilen können (Seite 3 des Beschwerdeschreibens). Fakt sei, dass er als Steuerberater und Jurist diese Frist zu wahren gehabt hätte (Seite 4 des Beschwerdeschreibens).

Festgestellt wird in sachverhaltsmäßiger Hinsicht, dass die (Sammel-)Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 4) dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am zugestellt wurde (siehe Zustellnachweis [OZ 16] und die damit übereinstimmende Angabe des steuerlichen Vertreters im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom [OZ 5]). Die Frist für den Vorlageantrag endete somit am Donnerstag, . Die vom steuerlichen Vertreter angegebene Verhinderung wegen Sterbebegleitung der Mutter erstreckte sich 17 Tage lang vom (Einlieferung auf die Intensivstation des Krankenhauses) bis Dienstag, (Tod der Mutter). Die vom steuerlichen Vertreter angegebene anschließende Verhinderung wegen psychischen Beistands für den Vater erstreckte sich (auch) auf die letzten beiden Tage der Frist für den Vorlageantrag (Mittwoch, , und Donnerstag, ). Somit hat der steuerliche Vertreter 19 Tage lang (davon 14 Werktage) auf den Vorlageantrag bzw. den diesbezüglichen Fristverlängerungsantrag "vergessen".

Das Vorbringen des steuerlichen Vertreters lässt erkennen, dass er weder eine organisatorische Vorsorge für den Fall seiner eigenen plötzlichen Verhinderung noch für seine Stellvertretung im konkreten Fall gesorgt hat.

Eine Verhinderung eines Parteienvertreters wie im gegenständlichen Fall kann für sich allein genommen niemals Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein. Nur dann, wenn zufolge der Verhinderung die Dispositionsfähigkeit des Parteienvertreters ausgeschlossen wird, wenn also zufolge der Verhinderung nicht einmal mehr für eine Stellvertretung gesorgt werden konnte, stellt diese ein Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO dar, aufgrund dessen es unmöglich wäre, die versäumte Frist einzuhalten (vgl. zB , zum Fall der Verhinderung eines Verteidigers wegen Krankheit).

Dass dies der Fall gewesen wäre, ist aus dem Vorbringen des steuerlichen Vertreters nicht zu erkennen. Der steuerliche Vertreter hätte - wenn die Kanzleiorganisation keine Fristenwahrung sicherstellen kann -- bei einem (hier zweifelsohne vorliegenden) tiefgreifenden familiären Ereignis von nicht absehbarer Dauer innerhalb kürzester Zeit (von jedenfalls weniger als 19 Tagen bzw. 14 Werktagen) die Verpflichtung gehabt, die Berechtigung gemäß § 81 WTBG 2017 wahrzunehmen, sich bei Verhinderung durch einen anderen Berufsberechtigten (zumindest hinsichtlich der Fristenwahrung) vertreten zu lassen, um ein "Vergessen" von fristgebundenen Verfahrenshandlungen zu vermeiden.

Da der steuerliche Vertreter weder eine organisatorische Vorsorge für den Fall seiner eigenen plötzlichen Verhinderung noch für seine Stellvertretung im konkreten Fall gesorgt hat, liegt auch ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last, bei dem es sich keinesfalls um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht vorliegt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 81 WTBG 2017, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 137/2017
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100017.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at