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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.02.2024, RV/7103958/2019

Geschäftsführerhaftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Steuerberatung Ko GmbH, Bauvereinsgasse 15, 2620 Neunkirchen, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Geschäftsführerhaftung nach der am am Bundesfinanzgericht in Wien über Antrag der Partei (§ 78 BAO i. V. m. § 274 Abs. 1 Z 1 BAO) in Anwesenheit des Beschwerdeführers, Mag. Wolfgang Apfler und Herbert Scherleitner für die Steuerberatung Ko GmbH und von Karin Krotscheck, BA für das Finanzamt abgehaltenen mündlichen Verhandlung zur Steuernummer 04-***Primärschuldnerin_Str.Nr.*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Der Beschwerdeführer wird im Ausmaß von € 7.000,-- für Umsatzsteuer 2008 zur Haftung herangezogen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Jahr 2011 fand bei der ***Primärschuldnerin_alt*** (Primärschuldnerin), die im Jahr 2013 in ***Primärschuldnerin*** umbenannt wurde, eine Außenprüfung für das Jahr 2008 statt. Dabei wurden hinsichtlich der Umsatzsteuer zwei Feststellungen getroffen:
"1. Steuerpflichtige Umsätze (20%) statt steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung
Im Jahr 2008 wurde an die ungarische Firma
***AB***, ***AB_Adr*** eine Rechnung über die Lieferung von Gebrauchtreifen, Karkassen, Schläuche und Transport in Hohe von € 60.000,-- gelegt und als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt. Vom Unternehmen wurde kein Nachweis für die Beförderung bzw. Versendung erbracht. Obwohl der Transport vom geprüften Unternehmen in Rechnung gestellt worden ist, konnten keine Angaben über die Transportfirma gemacht werden. Lt. Aussage des Geschäftführers erfolgte der Transport durch einen ungarischen Frächter, der jedoch keine Rechnung gestellt hat. Da vom Unternehmen kein Nachweis über die Versendung erbracht wurde, wurde die Lieferung mit 20 % der Umsatzsteuer unterzogen.

2. Nicht abzugsfähige Vorsteuer
Von der Firma
***CD***, ***CD_Adr*** wurde dem geprüften Unternehmen für Aufarbeitung und Verwertung und Reifenverwertung im Zeitraum 9-12/2008 eine Rechnung in Hohe von € 256.500 + 20 % MWSt in Rechnung gestellt und bar bezahlt.
Lt. Rechnung handelt es sich dabei um 2700 t Reifen. Vom geprüften Unternehmen konnte kein Nachweis über die Menge erbracht werden. Es liegen keine Wiegescheine vor noch konnte die Herkunft der Reifen mengenmäßig nachgewiesen werden. Lt. einem durch den Geschäftsführer übermittelten Schreiben erfolgte die Abholung durch eine Firma
***EF***, ***EF_Adr***. Bei dieser Firma befinden sich die Umsätze nicht in den Erlösen. Es handelt sich dabei um einen 1 Mann Betrieb, dessen Besitzer sich zu diesem Zeitpunkt in einem äußerst schlechten Gesundheitszustand befand und weiters nur 1 LKW (26t) zur Verfügung hatte.
Aus dem Steuerakt der Firma
***CD*** liegt eine Rechnung an das geprüfte Unternehmen über dieselbe Menge vor, jedoch mit geringerer Rechnungssumme.
Der Vorsteuerabzug wurde nicht gewährt, da die angeführten Umstände (Barbezahlung, keine Wiegescheine, Transporter, unterschiedliche Rechnungsbetrag) darauf hinweisen, dass es sich um eine Scheinrechnung handelt. Gleichzeitig wird der Aufwand in Höhe von € 256.000,-- nicht anerkannt.
"

Diese Feststellungen wurden im Umsatzsteuerbescheid vom übernommen und führten zu einer Umsatzsteuernachforderung in Höhe von € 61.300.

Die Primärschuldnerin erhob eine Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008 (sowie gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 2008). Mit Bescheid vom wurde die Aussetzung der Einhebung für die Umsatzsteuernachforderung bewilligt. Mit Erkenntnis des GZ RV/7101726/2012 wurde die Beschwerde hinsichtlich der Wiederaufnahme als unbegründet abgewiesen und von der Umsatzsteuerfestsetzung gemäß § 206 BAO Abstand genommen wegen Uneinbringlichkeit.

Haftungsvohalt:

Am richtete das damalige Finanzamt Wien 4/5/10 (Vorgänger des Finanzamtes Österreich; belangte Behörde) im Rahmen eines Haftungsprüfungsverfahrens nachfolgenden Vorhalt an den Beschwerdeführer:
"Gem. § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gem. § 9 Abs 1 BAO haften die in § 80 Abs 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Sie waren in der Zeit von bis als Geschäftsführer der Firma ***Primärschuldnerin*** i. L, Firmenbuchnr. ***Primärschuldnerin_FN*** tätig. Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 61.300,00 der GmbH wurden uneinbringlich.

Das Finanzamt ist nun verpflichtet zu ermitteln, inwiefern die oben angeführten gesetzlichen Tatbestände auf Sie zutreffen.

Sie werden daher ersucht, folgende Fragen zu beantworten:
1. Weshalb wurden während Ihrer Zeit als Geschäftsführer von der GmbH die offenen Abgaben nicht entrichtet?

2. Bei welchen anderen Gläubigern hatte die GmbH Verbindlichkeiten? Sowohl die Gläubiger als auch die ausständigen Beträge sind aufzulisten!

3. Wurden Ansprüche von Gläubigern der GmbH befriedigt? Wenn ja, sind die Gläubiger und die Höhe der Zahlungen anzuführen!

4. Welche liquiden Mittel standen während Ihrer Zeit als Geschäftsführer zur Verfügung? Falls keine ausreichenden Mittel für die Abgabenentrichtung zur Verfügung standen, so ist dies nachzuweisen!

5. Bestanden Zessionsverträge. Wenn ja, sind diese anzuführen!

6. Wurden Sie an der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten gehindert?

Sie werden ersucht, die Fragen bis zum zu beantworten. Bei Nichtbeantwortung wird von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung ihrerseits bei der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten angenommen. In diesem Fall wären Sie zur Haftung heranzuziehen.

Folgende haftungsgegenständiiche Bescheide werden diesem Schreiben beigelegt:
Umsatzsteuerbescheid 2008 vom
Betriebsprüfungsniederschrift v.
Betriebsprüfungsbericht v.
"

Mit Schreiben vom wurden die von der belangten Behörde gestellten Fragen wie folgt beantwortet:
"Betreff: Haftungsprüfungsverfahren
***Bf1***
i.S.
***Primärschuldnerin*** i.L, StNr. ***Primärschuldnerin_Str.Nr.***
Ihr Schreiben vom
Antrag auf Akteneinsicht gem. § 90 BAO

Sehr geehrte Damen und Herrn !

Im Namen und im Auftrag unseres Mandanten, Herrn ***Bf1***, nehmen wir zu Ihrem Schreiben betr. Haftungsprüfungsverfahren wie folgt Stellung:

1) Die offenen Beträge gründen sich auf eine Betriebsprüfung , unter anderem die Umsatzsteuer 2008 betreffend.

Gegen den Umsatzsteuerbescheid wurde am fristgerecht Berufung eingelegt und die Berufung von der Abgabenbehörde am dem damaligen "Unabhängigen Finanzsenat" vorgelegt. Gleichzeitig wurde mit Einbringung der Berufung auch die Aussetzung der Einhebung beantragt, welche auch genehmigt wurde.

Bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens als Geschäftsführer () war noch keine Entscheidung bezüglich der Berufung ergangen und auch die Aussetzung der Einhebung noch aufrecht.

2) Die Unterlagen des Betriebes (auch die Buchhaltung) wurde mit dem Wechsel der Geschäftsführung übergeben. Eine Aufstellung der Verbindlichkeiten ( per 2011 ? ) kann daher von Herrn ***Bf1*** nicht mehr aufgelistet werden.

3) Da die Firma 2011 noch in Betrieb war, wurden die laufenden Geschäfte im üblichen Rahmen bezahlt. (Eine genaue Aufstellung ist wie gesagt durch die Übergabe der Unterlagen nicht möglich)

4) Siehe Punkt 2 und 3

5) Nein

6) Es gab bis zum Ende der Geschäftsführertätigkeit von Herrn ***Bf1*** eine aufrechte Aussetzung der Einhebung und daher keine fälligen Abgabenverbindlichkeiten.

Gleichzeitig ersuchen wir im Namen unseres Mandanten, Herrn ***Bf1***, um Übersendung bzw. Akteneinsicht betr. folgender Unterlagen:
Bescheid des Bundesfinanzgerichtes betr. Umsatzsteuer 2008 der Firma
***Primärschuldnerin*** i.L. (vom ?)

Die Kenntnis des obigen Bescheides ist für unseren Mandanten für die Geltendmachung von abgabenrechtlichen Interessen von wesentlicher Bedeutung.

Für allfällige Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung."

Bescheid

Am erließ die belangte Behörde einen Haftungsbescheid in Höhe von € 61.300,-- wegen nicht entrichteter Umsatzsteuer 2008 der ***Primärschuldnerin***. Die Bescheidbegründung lautet:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Laut Firmenbuch war Hr. ***Bf1*** von Gründung der GmbH bis alleiniger Geschäftsführer. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien, AZ ***GZ*** vom wurde ein Insolvenzantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen und in Folge die Gesellschaft aufgelöst.

Die offenen Abgabenschuldigkeiten der GmbH wurden somit uneinbringlich. Sind die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten und die Vertreterstellung gegeben, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Vertreters, im Rahmen der ihm obliegenden qualifizierten Mitwirkungspflicht darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war.

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällig vorliegende Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter eine Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre. Dies ist der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird. Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (z.B. Körperschaftsteuer) ist die erstmalige Festsetzung maßgebend.

Mit dem Vorbringen in der Beantwortung vom des Haftungsvorhalts vom , dass die Umsatzsteuer 2008 zum Zeitpunkt der Geschäftsführertätigkeit nach § 212a BAO ausgesetzt war, wird keine Rechtswidrigkeit der Heranziehung zur Haftung begründet, zumal der Fälligkeitstage der Umsatzsteuer 2008 zweifelsfrei in die Geschäftsführerzeit gefallen ist. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer 2008 ist im gegenständlichen Fall bereits Iängst vor der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung nach dem § 21 Umsatzsteuergesetz eingetreten.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung konnte daher in der Beantwortung des Haftungsvorhalts nicht widerlegt werden.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Abgabepflichtigen beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht werden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt daran, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Geschäftsführers zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen.

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß vorzugehen."

Beigelegt waren der Umsatzsteuerbescheid 2008 vom , der Betriebsprüfungsbericht vom sowie die Niederschrift zum Betriebsprüfungsbericht vom .

Beschwerde

Nach mehreren Fristverlängerungen erhob der Beschwerdeführer am eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom . Diese Beschwerde lautet:
"Beschwerde gem. § 243 BAO betreffend Haftungsbescheid vom
Beschwerde betreffend Umsatzsteuerbescheid 2008 vom und Bescheid über die Wiederaufnahme betr. Umsatzsteuer 2008 vom gem. § 243 BAO in Verbindung mit § 248 BAO und § 249 (2) BAO. ( beide Bescheide betreffen die Fa
***Primärschuldnerin*** bzw. ehemalige ***Primärschuldnerin_alt***)

Antrag auf mündliche Verhandlung gem. § 274 (1) BAO
Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO des Haftungsbetrages.

Sehr geehrte Damen und Herrn!

Im Namen und im Auftrag unseres obgenannten Mandanten, Herrn ***Bf1***, erheben wir gegen die oben angeführte Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde.

Um einen besseren Überblick über die doch schon länger zurückliegende Causa zu geben, wird vor unserer Begründung eine kurze zeitliche und inhaltliche Zusammenfassung der Ereignisse gegeben:
Die
***Primärschuldnerin_alt***, dessen Geschäftsführer Herr ***Bf1*** war, beschäftigte sich in der Vergangenheit mit der Entsorgung von Altreifen.
Im Jahr 2011 erfolgte eine Außenprüfung für die Jahre 2008 - 2009, wobei eine Nachforderung betreffend Umsatzsteuer für 2008 in Höhe von € 61.300 festgesetzt wurde, welche sich auf 2 Punkte gründete (TZ 1 und TZ 2 des Betriebsprüfungsberichtes)

TZ1 versagte die Steuerfreiheit einer Lieferung von Altreifen, Karkassen uä an eine ungarische Firma, da keinerlei Nachweis der Versendung erbracht worden wäre und auf der Rechnung das Lieferdatum fehlen würde. (strittiger Betrag € 10.000.-).

TZ 2 versagte den Vorsteuerabzug betreffend der Entsorgung von 2700 t Reifen durch eine Fa. ***CD*** aus Feldkirch. Es wäre kein Nachweis der entsorgten Menge erfolgt, Wiegescheine würden keine vorliegen, die abholende Firma ***MN*** (als Subfirma der ***CD***) wäre dazu gar nicht in der Lage gewesen und die im Rechenwerk der ***CD*** befindliche Rechnung differiert zu der Rechnung bei der Fa. ***Primärschuldnerin_alt***.

Es wurde diesbezüglich eine Scheinrechnung angenommen und der Vorsteuerabzug versagt. (strittiger Betrag € 51300.-)

Mit wurde der Bescheid über die Umsatzsteuer und die dementsprechende Wiederaufnahme ausgestellt
Am wurde Beschwerde gegen obige Bescheide eingebracht.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an die II. Instanz

Am schied Herr ***Bf1*** als Geschäftsführer und Gesellschafter aus (die Vertretung der Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** durch unsere Kanzlei endete hiermit. Herr ***Bf1*** als Person wird nach wie von unserer Kanzlei vertreten.)

Laut Firmenbuch erfolgte die gerichtliche Auflösung der nunmehr in "***Primärschuldnerin***" umbenannten Firma.

Am erfolgte ein Vorhalt durch die Finanzbehörde an Herr ***Bf1*** betr. Haftung bzgl. Umsatzsteuer 2008. Gleichzeitig erste Kenntniserlangung, dass am eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes betreffend ursprünglicher Berufung ergangen ist (Nichtfestsetzung der Steuer gem. § 206(1) lit b BAO) - dies wurde Herrn ***Bf1*** nicht mitgeteilt, erst auf Anfrage wurde eine Kopie der Entscheidung übermittelt.

Antwort von uns auf den Vorhalt betr. Haftung

(2 Jahre und 3 Monate später):Haftungsbescheid an Herrn ***Bf1*** betr. Umsatzsteuer 2008

Begründung für unsere Beschwerde:

A) Haftungsbescheid

Der Haftungsbescheid ist rechtswidrig, da der zugrundeliegende Umsatzsteuerbescheid nicht den Tatsachen entspricht und mit unten stehender Begründung ebenfalls bekämpft wird.

Weiters ist unserer Meinung nach eine Inanspruchnahme der Haftung von Herrn ***Bf1*** grundsätzlich nicht zulässsig, da ihm keine Pflichtverletzung angelastet werden kann. Eine eventuelle Uneinbringlichkeit im Jahr 2015 (gerichtliche Auflösung der GmbH) konnte Herr ***Bf1*** im Jahr 2013 (Ausscheiden als Geschäftsführer) nicht wissen.

Der Kausalzusammenhang zwischen der (behaupteten) Pflichtverletzung und der später eingetretenen Uneinbringlichkeit (auf die unser Mandant keinerlei Einfluss mehr hatte) ist daher unserer Meinung nach nicht gegeben.

Herr ***Bf1*** hat sich als Geschäftsführer korrekt verhalten, da der Grundlagenbescheid bzgl. Umsatzsteuer 2008 nicht den Tatsachen entsprach und auch die Finanzbehörde im Zeitpunkt der Beschwerdestellung keine Gefährdung der Einbringung gesehen hat (Antrag gem. § 212a BAO wurde stattgegeben).

Eine Ungleichbehandlung von Gläubigern hat daher seitens unseres Mandanten als Geschäftsführer der Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** bis zu seinem Ausscheiden als Geschäftsführer am nicht stattgefunden.

Die Nichtentrichtung der, im Sinne unseres Mandanten, fälschlich vorgeschriebenen Umsatzsteuer zum Zeitpunkt der ursprünglichen Fälligkeit ist daher keinesfalls als Pflichtverletzung in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer zu werten.

In diesen Zusammenhang verweisen wir auch auf einen Artikel in der Steuer-und Wirtschaftskartei vom , Seite 976 ff, wo die Haftung bei Gewährung eines Zahlungserleichterungsansuchens verneint wird!

B) Grundlagenbescheid - Umsatzsteuer 2008 und Bescheid über die Wiederaufnahme betreffend Umsatzsteuer 2008.

Wie schon in der Beschwerde der Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** (damals Berufung) vom angeführt, entsprechen die Feststellungen der Betriebsprüfung nicht den Tatsachen, wobei anzumerken ist,dass die ursprüngliche Berufung betr. Sachbescheid Umsatzsteuer 2008 gem. §206 (1) lit b BAO mit einer Nichtfestsetzung geendet hat.

Die Vorschreibung des Haftungsbetrages (U 2008) gründet sich auf TZ1 und TZ 2 des Berichtes über die Außenprüfung:
TZ1) Der fehlende Nachweis über die Versendung ins Ausland ist unserer Meinung als geringfügig zu werten und berechtigt nicht zur Verweigerung der Steuerfreiheit

Der Empfänger der Lieferung ist ein Unternehmer und wurde dies unbestritten durch die Vorlage einer UID Nr nachgewiesen. Die fehlende Rechnung des ungarischen Frächters erklärt sich dadurch, dass dieser (aus ungeklärten Umständen) keine Rechnung gelegt hat. Aufgrund der dadurch erfolgten Geldersparnis für unseren Mandanten (bzw, GmbH) wurde begreiflicherweise dies durch unseren Mandanten nicht mehr weiterverfolgt!

Betreffend des fehlenden Liefertages auf der Rechnung wird darauf hingewiesen, dass es bei Lieferungen ausreichend ist, wenn die Rechnung ein Ausstellungsdatum enthält und (sowie im vorliegenden Fall) sich kein Hinweis ergibt, dass das Lieferdatum nicht mit dem Rechnungsdatum übereinstimmt (siehe auch Ruppe/Achatz §11, TZ73, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 5.Auflage)

Ein Versagen der Umsatzsteuerfreiheit allein aufgrund dieser formalen Mängel ist unserer Meinung nach unverhältnismäßig und die Steuerfreiheit für i.g. Lieferungen steht daher zu.

TZ2)Die Behörde geht fälschlicherweise von einer Scheinrechnung aus. Die von der Behörde angeführten Argumente sind aus folgenden Gründen nicht stichhaltig:

Nachweis betr. der entsorgten Menge von 2700 Tonnen:
Wie schon während des Prüfungsverfahrens mehrfach erklärt wurde, stammen diese Reifen und der Müll nicht von der Fa.
***Primärschuldnerin_alt*** , sondern von einer Firma "***GH***" welche Benutzer des Platzes war und diese Mengen dort deponiert und nicht entsorgt hatte. Es wurden von der Kriminalpolizei auch Erhebungen gegen diese Firma bzgl. Deponierung durchgeführt. Eine behördlich angeordnete Räumung (siehe auch beiliegender Bescheid als Beweis) konnte wegen der Insolvenz der Firma "***GH***" nicht durchgeführt werden.

Eine Entsorgung musste aber durchgeführt werden, da sonst die Fa. ***Bf1*** aus Platzmangel nicht mehr an diesem Standort Weiterarbeiten hätte können. Die Arbeiten wurden z.T, in Eigenregie und eben auch durch Fremdfirmen durchgeführt.

Die Tatsache der Vermüllung des Platzes wurde schon während des Betriebsprüfungsverfahrens durch Vorlage eines Fotos dokumentiert. Wenn die Behörde einen Nachweis über mengenmäßige Herkunft des Mülls fordert, ist dies für unseren Mandanten schlichtweg unmöglich, da dieser von einer Fremdfirma deponiert wurde !

Wenn nun im ursprünglichen Vorlagebericht der Behörde angeführt wird, dass im beiliegenden Räumungsbescheid an die Fa. ***GH*** nicht explizit von Reifen die Rede ist, ist dies darauf zurückzuführen , dass für die Deponierung von Reifen offensichtlich eine Genehmigung vorhanden war und nur die Deponierung von sonstigen Abfällen illegal war ( betrifft alles die Fremdfirma ***GH*** ).

Aus diesem Grund können auch die Mengenangaben zwischen dem Räumungsbescheid und den Rechnungen nicht korrespondieren. Auch wurden die Mengen im Bescheid nur geschätzt! Bemerkenswert ist auch, in welcher Höhe die Bezirkshauptmannschaft die Kosten veranschlagt (weit höher als die an Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** verrechneten Kosten)

Es wird auch im ursprünglichen Beschwerdeverfahren von der Finanzbehörde angezweifelt, dass die Fa. ***Bf1*** den Müll z.T. selbst entsorgt oder um teures Geld von einer Fremdfirma entsorgen lässt, ohne dass eine Regressierung stattgefunden hätte.

Dem ist entgegenzuhalten, dass eine solche sehr wohl stattgefunden hat. Dies wurde bereits während des Prüfungsverfahrens erläutert und ist auch in der Bilanz 2008 der Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** dokumentiert!

Die Höhe des Schadenersatzes (€ 182.139,58) ergibt sich durch offenen Beträge aus Maschinenlieferungen an die Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** durch die Fa. ***GH***. Der Restbetrag auf die Räumungskosten (€ 256.500 bzw. Rest von 74.360,42) wurde aufgrund der Insolvenz der Fa. ***GH*** (Konkursabweisung mangels Masse) aus Kostengründen nicht mehr weiterverfolgt, da dies außer Zusatzkosten nichts gebracht hätte.

Wiegescheine:

Die geforderten Wiegescheine sind, wie schon im Prüfungsverfahren erklärt, im Besitz der entsorgenden Firma ***CD*** und stehen unserem Mandanten nicht mehr zur Verfügung!

Die Wiegescheine wurden damals im Zuge der Rechnungerstellung vorgelegt und durch den Geschäftsführer kontrolliert. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung ist Herr ***Bf1*** sehr wohl in der Lage die Tonnagen der entsorgten Mengen abzuschätzen und zu kontrollieren.

Abholung bzw. Entsorgung des Mülls durch die Fa. ***EF***:

Unser Mandant bzw. die Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** hatte nur diesbezügliche Geschäftsbeziehungen mit der Fa. ***CD***. Ob und warum sich diese einer Subfirma bediente, lag außerhalb der Verfügungsgewalt der Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** (und des Geschäftsführers , Herrn ***Bf1***). Ob und warum diese Fa. ***MN*** Umsätze nicht in ihrer Buchhaltung erfasst hat, ob sich diese vielleicht eines Subunternehmers bedient hat, kann beim besten Willen von Herrn ***Bf1*** nicht aufgeklärt werden l

Auch der im Vorhalt der Finanzbehörde erwähnte damalige schlechte Gesundheitszustand des Geschäftsführers der Firma ***MN*** kann von unserem Mandanten nicht kommentiert werden und entzieht sich der Kenntnis von Herrn ***Bf1***.

Weiters wurde bereits im ursprünglichen Beschwerdeverfahren ein Zeuge genannt, welcher die Anwesenheit von LKW's der Fa. ***MN*** zur Reifenentsorgung im fraglichen Zeitraum bestätigen kann (***IJ***, ***KL***).

Wir beantragen als diesbezüglichen Beweis die Befragung von Herrn ***IJ***

Differenz Rechnungen bzw. Preisabweichung:
Die im BP Bericht erwähnte Differenz zwischen der bei der Fa.
***CD*** vorliegenden Rechnung und dem Beleg im Rechenwerk der Fa. ***Primärschuldnerin_alt***, wurde bereits im ursprünglich Beschwerdeverfahren (bzw. Kommentar zur Stellungnahme der Betriebsprüfung) vom ehemaligen Geschäftsführer der Fa. ***CD*** insoweit schriftlich erläutert, als es sich beim Beleg im Rechenwerk der ***CD*** Gmbh offensichtlich um ein Konzept handelt und erst dann eine endgültige Rechnung erstellt wurde. (Diese Erklärung wurde auch bereits im Betriebsprüfungsverfahren abgegeben, das von der Finanzbehörde in den Raum gestellte Konzept wurde unserer Mandantschaft nie vorgelegt!)

Der von der Behörde ebenfalls erhobene Vorwurf der überhöhten Preisgestaltung (vor allem im Hinblick auf bereits in der Vergangenheit erbrachten Leistungen) geht ebenfalls ins Leere, da z.B. der Räumungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft einen Preis pro Tonne von € 186,50 ergibt und die Rechnung an die Fa. ***Primärschuldnerin_alt*** nur einen Betrag pro Tonne von € 95.- beträgt. Außerdem wurde von der Behörde im Hinblick auf den Vergleich mit bisherigen Entsorgungsrechnungen übersehen, dass im vorliegenden Fall " Aufarbeitung und Verwertung" abgerechnet wurden und die Aufarbeitung selbstverständlich eine Kostenerhöhung verursacht hat (im Gegensatz zu früheren "Nur-Verwertungen")

Aufgrund oben angeführter Gründe liegt daher keine Scheinrechnung vor und ist der Vorsteuerabzug daher zu Recht erfolgt.

Anträge:
Wir beantragen im Auftrag unseres Mandanten die ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides und sollte dies nicht erfolgen, die Änderung des zugrundeliegenden Umsatzsteuerbescheides 2008 im Sinne unserer Beschwerde. Gleichzeitig beantragen wir um Aussetzung der Einhebung des Haftungsbetrages (Umsatzsteuer 2008 € 61.300.-) bis zu Erledigung unseres Rechtsmittels.
"

Beigelegt war ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom an die ***GH*** über die Kosten einer Ersatzvornahme in Höhe von € 417.760.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet:
"Grundsätzlich wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Folgendes ist auf Grund der Ausführungen in der Beschwerde hinzuzufügen:
Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, der zugrundeliegende Umsatzsteuerbescheid würde nicht den Tatsachen entsprechen. Aus diesem Einwand ist für den Beschwerdeführer deshalb nichts zu gewinnen, weil Einreden gegen die Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren, sondern in dem die Abgabenfestsetzung selbst betreffenden Verfahren vorzutragen sind, wie besonders deutlich § 248 BAO zeigt, der unbeschadet des Rechtes, gegen die Haftungsinanspruchnahme mit Beschwerde vorzugehen, das Recht des Haftungspflichtigen vorsieht, auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde einzulegen. Daraus geht klar hervor, dass sich Einwendungen, die gegen den durch Abgabenfestsetzung konkretisierten Abgabenanspruch gerichtet sind, allein im Verfahren betreffend die Abgabenfestsetzung und nicht im Haftungsverfahren als relevant erweisen.

Der Kausalzusammenhang ergibt sich, dass die Abgabenbehörde davon ausgehen kann, dass bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung und Abfuhr der Umsatzsteuer im Veranlagungszeitraum 2008, also während der Geschäftsführertätigkeit, es zu keinem Abgabenausfall gekommen wäre. Auf die Rechtslage im Zusammenhang mit einer Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO (analog auch bei gewährten Zahlungserleichterungen) wurde bereits im angefochtenen Bescheid eingegangen.

Hier ist hinzuzufügen, dass § 212a Abs. 2 lit c von einer Gefährdung der Einbringlichkeit im Zusammenhang mit dem Verhalten des Abgabepflichtigen ausgeht und nicht von einer Gefährdung der Einbringlichkeit schlechthin.

Aus den genannten Gründen konnte die Begründung der vorliegenden Beschwerde dieser nicht zum Erfolg verhelfen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
"

Vorlageantrag

Mit Vorlageantrag vom , per Fax bei der belangten Behörde eingelangt am , begehrte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Vorlagebericht

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass auf die Begründungen des angefochtenen Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung verwiesen wird und Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Beschluss vom

Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht an die belangte Behörde und forderte diese auf, insbesondere nachfolgende Aktenteile zur Tz.2 des Berichts über die Außenprüfung vom vorzulegen:
--) Rechnung vom der Firma ***CD***, ***CD_Adr*** über € 256.500,-- über die Verwertung von 2.700 Tonnen Reifen.
--) Rechnung der Firma ***CD*** über dieselbe Menge, jedoch mit geringerer Rechnungssumme.
--) Aktenteile, aus denen sich ergeben soll, dass die Rechnung vom eine Scheinrechnung ist
--) Aktenteile, aus denen sich ergeben soll, dass sich Transportumsätze nicht im Rechenwerk der Transportfirma ***EF***, ***EF_Adr*** befinden.
--) Sämtliche Unterlagen, welche die Rechtsansicht der belangten Behörde stützen.

Darüber hinaus wurde der belangten Behörde aufgetragen, zu den Angaben in der Beschwerde, dass
--) am Betriebsgelände der Primärschuldnerin Reifen gelagert waren, die entsorgt werden mussten und die Entsorgung tatsächlich stattfand
--) es sich bei den von der Außenprüfung angeführten unterschiedlichen Rechnungen teilweise um ein Konzept gehandelt hätte
Stellung zu nehmen.

Am langten beim Bundesfinanzgericht diverse Unterlagen (vor allem E-Mails sowie die fraglichen Rechnungen) ein. Weiters gab die belangte Behörde folgende Stellungnahme ab:
"Zu den Angaben in der Beschwerde, dass am Betriebsgelände der Primärschuldnerin Reifen gelagert waren, die entsorgt werden mussten und die Entsorgung tatsächlich stattfand wird wie folgt Stellung genommen:
Für diese Behauptung gibt es keine Nachweise (Belege, Unterlagen oder dgl), in der Beschwerde wird lediglich angeführt, dass Reifen nicht im Räumungsbescheid angeführt sind, weil es dafür offensichtlich eine Genehmigung gab. Dies stellt ebenfalls lediglich eine Vermutung seitens der BF dar.

Zu den Angaben in der Beschwerde, dass es sich bei den von der Außenprüfung angeführten unterschiedlichen Rechnungen teilweise um ein Konzept gehandelt hätte, wird wie folgt Stellung genommen:

Im vorgelegten Aktenteil "Unterlagen Reifen ***CD*** und ***MN***" findet sich auf Seite 4 das Schreiben von Herrn *** vom , wie aus diesem ersichtlich, kann dieser selbst keine plausiblen Angaben machen, sondern stellt nur Vermutung auf und kann keine Erklärung zu den unterschiedlichen Rechnungen geben

Weiters ist aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, dass es sich um zwei verschiedene Rechnungen (unterschiedliche Rechnungsnummer, Leistungszeitraum und Leistungsbeschreibung) handelt, beide wurden als Rechnung tituliert

Bei einem Rechnungskonzept handelt es sich um eine Skizze einer Rechnung mit unvollständigen Daten, um eine Leistung wage zu formulieren und ggf als Basis für weitere Verhandlungen/Besprechungen hinsichtlich der Leistung mit dem Kunden zu dienendie Rechnung aus den Unterlagen der ***CD*** entspricht jenenAusgangsrechnungen der ***CD*** die sonst noch an die Finanzbehörde vorgelegtwurden (Aktenteil "***CD*** Unterl")"

Auskunftsersuchen

Das Bundesfinanzgericht ersuchte die Bezirkshauptmannschaft um folgende Auskunft:
"Aus den bislang dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Unterlagen (vgl insb. das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-AB-14-0562, betreffend einen abfallwirtschaftspolizeilichen Auftrag) geht hervor, dass die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt mit Bescheid vom dem Beschwerdeführer als Grundeigentümer aufgetragen hatte, in Ballen gepressten Restmüll (möglicherweise auch Reifen) von (damals) seinem Grundstück in ***Ort1_Adr1***, bis zu entfernen und der Bezirkshauptmannschaft entsprechende Nachweise vorzulegen.

Bezugnehmend auf § 158 BAO ersuche ich höflich, nachfolgende Fragen zu beantworten bzw. diesbezügliche Unterlagen (Fotos, Rechnungen, Bestätigungen, etc) zur Verfügung zu stellen:

  1. Betraf das abfallwirtschaftsrechtliche Verfahren ausschließlich die Beseitigung von "in Ballen gepressten Restmüll bestehend aus Kunststoffen und abbaufähigen Bestandteilen im östlichen und südlichen Bereich der vier Binderfelder auf dem Grundstück Nr. 125/57 im Ausmaß von ca. 2800 m3 auf einer Fläche von ca. 570 m2"?

  2. Gab es weitere behördliche Anordnungen - etwa zum Entfernen von Reifen / Altreifen?

  3. Gibt es Fotos, die den Zustand des Grundstücks zeigen (vor und nach der Beseitigung des Abfalls - vor allem im Jahr 2008)?

  4. Wurde die aufgetragene Beseitigung des Restmülls durchgeführt? Gibt es dafür Nachweise (zB Rechnungen, etc)? Wie erfolgte die Beseitigung?"

Mit Schreiben vom hat die Bezirkshauptmannschaft neben zahlreichen Fotos von der Betriebsliegenschaft in Theresienfeld auch Abschriften der Bescheide nach dem Abfallwirtschaftsgesetz und eine Bestätigung über die Entsorgung/Beseitigung aus dem Jahr 2016 vorgelegt.

Beschluss

Mit Beschluss vom wurde die belangte Behörde aufgefordert, zur Frage der Festsetzungsverjährung für einen Haftungsbescheid aus dem Jahr 2018, dem Abgaben aus dem Jahr 2008 zu Grunde liegen, Stellung zu nehmen.

Mit elektronischer Antwort vom hat die belangte Behörde Folgendes bekannt gegeben:
"[…]
es können keine entsprechenden Unterlagen zur Verlängerung der Verjährungsfrist U 2008 vorgelegt werden. Mit freundlichen Grüßen
"

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschluss vom dem vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen, ***IJ***, folgende Fragen gestellt:
"1. Standen Sie im Jahr 2008, insbesondere in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2008, in einer Geschäftsbeziehung mit der ***OP***? Falls ja, worin bestand diese Geschäftsbeziehung?

2. Haben Sie sich im Jahr 2008 am Werksgelände in ***Ort1_Adr1*** aufgehalten?

3. Ist Ihnen eine Firma "***EF***" (eventuell in Zusammenhang mit einem Herrn ***MNA*** bekannt?

4. Haben Sie im Zeitraum September bis Dezember 2008 LKWs der Firma ***MN*** zur Reifenentsorgung am Werksgelände in ***Ort1_Adr1*** oder in ***Bf1-Adr*** gesehen?"

Der Zeuge hat mit E-Mail vom wie folgt geantwortet:
"[…]
bezüglich Ihrer Fragen zu dem Fall
***Bf1*** kann ich alle 4 Fragen mit ja beantworten.
Ich hoffe Ihnen mit meiner Aussage weiterhelfen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
"

Mündliche Verhandlung

Der Vertreter des Beschwerdeführers erläuterte, dass es keinen Nachweis für die Warenbewegung der als steuerfrei behandelten Lieferung geben würden, weil es keine Rechnung gibt, zumal die Transportfirma keine Rechnung gelegt habe.
Zur Entsorgung des Mülls erläuterte er, dass auf Grund der angeführten Menge und des Zeitraums 2,5 LKW pro Tag nötig gewesen wären; dazu brauche man keinen riesigen Betrieb.
Zu den Fotos, die von der Bezirkshauptmannschaft in den Jahren 2008 und 2010 angefertigt wurden, gab der Beschwerdeführer an, dass man darauf eigentlich nichts erkennen würde, weil man nur die Halle sehen würde.

Der Vertreter des Beschwerdeführers legte noch dar, dass zwischen dem Haftungsvorhalt und dem Haftungsbescheid noch einmal zwei Jahre vergingen, in denen nichts passiert wäre. Hingegen ging die Vertreterin der belangten Behörde von der zehnjährigen Frist für hinterzogene Abgaben aus. In einer Umsatzsteuererklärung wäre ein Umsatz, der nicht steuerfrei ist als steuerfrei behandelt worden und Vorsteuern zu Unrecht geltend gemacht worden, zumal der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit hätte wissen müssen und auch dass keine Vorsteuern für Leistungen geltend gemacht werden können, die nicht bezogen worden wären. Die Vertreter des Beschwerdeführers wissen auch nichts von einer Einleitung eines Finanzstrafverfahrens oder von dessen Einstellung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von der Gründung der ***Primärschuldnerin_alt*** (Primärschuldnerin) im Jahr 1988 bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Die Primärschuldnerin betrieb eine Reifensammelstelle mit der Werksadresse ***Ort1_Adr1***.

Von März 1996 bis Juni 2010 war der Beschwerdeführer Eigentümer der Liegenschaft ***Ort1_Adr1*** (EZ ***EZ***, KG ***KG***). Die Liegenschaft wurde im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens von der ***SSL*** (FN ***FN_SSL***), deren Geschäftsführer ebenfalls der Beschwerdeführer war, erworben. Bereits im Frühjahr 2006 lagerte die ***GH*** Altreifen und gepresste Kunststoffabfälle. Im März 2005 wurde der Sitz der ***GH*** nach ***Bf1-Adr*** verlegt. Im Jahr 2008 erließ die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt einen Bescheid an den Beschwerdeführer, in dem dieser verpflichtet wurde, den Restmüll im Ausmaß von 2.800 m³ zu entfernen, nachdem eine aufgetragene Entfernung durch die ***GH*** nicht erfolgte.

Im Jahr 2011 fand eine Außenprüfung bei der Primärschuldnerin statt, die zu einer Umsatzsteuernachforderung in Höhe von € 61.300 führte.
Die Primärschuldnerin hat im Jahr 2008 eine Rechnung über die Lieferung von verschiedenen Gegenständen an einen ungarischen Abnehmer ausgestellt. Ein Nachweis über die Beförderung oder Versendung in einen anderen Mitgliedstaat liegt nicht vor. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass Gegenstände in einen anderen EU-Mitgliedsstaat befördert oder versendet wurden. Der ungarische Erwerber hat keinen innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt. Die Primärschuldnerin hat die Transportkosten in Rechnung gestellt. Es wurden Waren von der Primärschuldnerin verkauft. Der Geschäftsführer der Primärschuldnerin wusste, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nicht vorlagen.

Im Rechenwerk der Primärschuldnerin befand sich eine Eingangsrechnung der Firma ***CD*** in der Höhe von € 256.500 für die Aufarbeitung und Verwertung von 2.700 Tonnen Reifen. Es wurden Reifen abtransportiert.

Gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom wurde Beschwerde erhoben. Die Aussetzung der Einhebung des Nachforderungsbetrages wurde bewilligt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht im Jahr 2016 dahingehend erledigt, dass die Abgabe gem. § 206 BAO nicht festgesetzt wurde.
Am versendete die belangte Behörde einen Haftungsvorhalt an den Beschwerdeführer, welcher im Juli 2016 beantwortet wurde. Mit dem beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen.

Abgabenforderungen der Primärschuldnerin wurden nicht entrichtet. Ein Finanzstrafverfahren wurde nicht eingeleitet.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin, die in der Zwischenzeit in ***Primärschuldnerin*** umbenannt wurde, mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. Am wurde die Primärschuldnerin im Firmenbuch gelöscht. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten steht somit fest.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Tätigkeit der Primärschuldnerin ergeben sich einerseits aus den Unterlagen der Außenprüfung aus dem Jahr 2011 und andererseits ist die Tätigkeit der "Reifensammelstelle" aus den Ausgangsrechnungen der Primärschuldnerin, auf denen auf diese Betriebstätigkeit samt Büro- und Werksadresse hingewiesen wird, ersichtlich. Die Büroadresse "***Bf1-Adr***" sowie die Werksadresse "***Ort1_Adr1***" verwendete nicht nur die ***OP***, sondern ab Juli 2007 auch die "***QR***" (FN ***QR_FN***), und ab 2005 auch die "***GH***" (FN ***GH_FN***).

Aus einer Rechnung der ***QR***, die von der Außenprüfung erhoben wurde, geht hervor, dass die Faxnummer, welche diese Gesellschaft auf der Rechnung angeführt hat, mit einer Faxnummer der ***OP*** ident ist. Aus einer Rechnung der ***GH*** an die ***OP***, die von der Außenprüfung erhoben wurde, geht hervor, dass die Faxnummer, welche die ***GH*** in ihrem Rechnungskopf anführt, ident ist mit der Faxnummer der ***OP***.

Die Feststellung zur Sitzverlegung der ***GH*** im Jahr 2005 nach ***Bf1-Adr*** gründet sich auf Eintragungen im Firmenbuch, in das Einsicht genommen wurde. Mit Bescheid vom schrieb die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt der ***GH*** vor, dass diese in Ballen gepressten Restmüll im Ausmaß von 3.000 m³ zu entfernen habe.
Mit Bescheid vom schrieb die Bezirkshauptmannschaft der ***GH*** erneut die Entfernung von Ballen sowie eines Reifenschnetzellagers und von Altreifen vor.
Mit Bescheid vom schrieb die Bezirkshauptmannschaft der ***GH*** die Kosten einer Ersatzvornahme für ein Abfallvolumen im Ausmaß von 2.800 m³ vor.
Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer als Grundstückseigentümer von der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt verpflichtet, Restmüll im Ausmaß von € 2.800 m³ von seinem Grundstück zu entfernen; dies ergibt sich aus der Begründung des VwGH-Erkenntnis vom , Ro 2014/07/0105, mit dem auf Grund einer Revision des Beschwerdeführers das abweisende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts NÖ, mit dem über ein Rechtsmittel gegen den Bescheid vom entschieden wurde, aufgehoben wurde.
Mit Bescheid vom schrieb die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt der ***ST*** vor, einen konsensgemäßen Zustand herzustellen. In der Begründung dieses Bescheides ist festgehalten, dass im Zuge mehrerer Überprüfungen im Jahr 2010 festgestellt wurde, dass sich in der Halle weiterhin Altreifenschnitzel, Kunststoffballen und geschredderter Kunststoff befanden. Der Beschwerde vom war der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt an die ***GH*** (***Ort1_Adr1***) vom beigelegt, in dem zunächst festgestellt wurde, dass eine bescheidmäßige Verpflichtung nicht erfüllt wurde und daher die ***GH*** aufgefordert wurde, die Kosten für eine Ersatzvornahme in Höhe von € 417.760,-- zu hinterlegen.

In der Urkundensammlung des Handelsgerichts Wien als Firmenbuchgericht ist ein Abtretungsvertrag vom archiviert. Mit diesem Vertrag haben die bisherigen Gesellschafter ihre Geschäftsanteile an der Primärschuldnerin je um einen Abtretungspreis von € 1 (Euro eins) an einen neuen Gesellschafter abgetreten. Die Vertragsparteien erklärten ausdrücklich, dass sich der Abtretungspreis aus der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft ergeben würde. Gleichzeitig wurde ein Gesellschafterbeschluss gefasst, mit dem der bisherige Geschäftsführer (der Beschwerdeführer) mit sofortiger Wirkung abberufen wurde.

Die Sachverhaltsfeststellungen zum Insolvenzverfahren beruhen einerseits auf Eintragungen im Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin und andererseits aus den Unterlagen im vorgelegten Verwaltungsakt. Dazu gehört auch ein Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , mit dem der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abgewiesen wurde, weil die Primärschuldnerin zahlungsunfähig war und kein Vermögen festgestellt werden konnte, das die Kosten des Konkursverfahrens decken könnte.

Die Feststellungen zur Außenprüfung im Jahr 2011 und die danach erfolgte Abgabenfestsetzung ergibt sich aus dem Bericht über die Außenprüfung vom sowie aus dem - mit Rechtsmittel bekämpften - Umsatzsteuerbescheid 2008 vom . Vor der Außenprüfung fand bereits im Jahr 2011 eine Nachschau bei der Primärschuldnerin statt. Grund für diese Nachschau war ein Auskunftsersuchen aus Ungarn, in dem die ungarische Finanzverwaltung Zweifel hinsichtlich des Umsatzes über 60.000 € an die "***AB***" äußerte, zumal diese Gesellschaft keinen innergemeinschaftlichen Erwerb gemeldet hatte und gegenüber der ungarischen Verwaltung angegeben hatte, dass gar kein Erwerb von der Primärschuldnerin getätigt wurde. In einem E-Mail vom gab der steuerliche Vertreter der Primärschuldnerin gegenüber der Finanzverwaltung an, dass es für diese "Lieferungen" (Plural) keine Aufzeichnungen gibt:

[...]

Im (nicht aufgeklärten) Widerspruch dazu gab der Vertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung an, dass es sehr wohl Aufzeichnungen geben würde, jedoch keine Rechnung. Um welche Art von Aufzeichnungen es sich dabei handeln soll, wurde nicht vorgebracht. Im Hinblick auf die wesentlich zeinäheren Angaben im Jahr 2011 und die festgestellten Umstände zu den behaupteten innergemeinschaftlichen Lieferungen, ist die Angabe, dass es für diese Lieferungen keine Aufzeichnungen gibt, für das Bundesfinanzgericht durchaus schlüssig.
Vielmehr gelangt das Bundesfinanzgericht auf Grund der vorgelegten Unterlagen und Ausführungen zu dem Ergebnis, dass solche (grenzüberschreitenden) Lieferungen in der behaupteten Art und Weise gar nicht stattgefunden haben:
Einerseits bestreitet der angebliche Erwerber gegenüber den ausländischen Finanzbehörden den in der Rechnung vom ausgewiesenen Erwerb von der Reifen, Karkassen, Schläuchen und Förderbänder.
Andererseits erweisen sich die verrechneten elf Transportfahren nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts als nicht ausreichend, um die in Rechnung gestellte Anzahl an Gegenständen zu transportieren. Geht man von einem (geringen) Gewicht von nur 7 kg pro PKW-Gebrauchtreifen und von nur 70 kg von LKW-Gebrauchtreifen aus, so er ergibt dies bereits ein Gewicht von (6482 x 7 + 2092 x 70) von ca 192 Tonnen. Dazu kommt noch das Gewicht von 26 "EM Karkassen" und von Schläuchen und Förderbändern. Die Abkürzung "EM" steht für "Earth Mover"; dabei handelt es sich um Reifen von Erdbewegungsfahrzeugen wie Baggern.
Geht man weiters davon aus, dass auf Grund der Konstruktion der Reifen beim Beladen eines LKWs gewisse Hohlräume entstehen, passen nicht mehr als 14 Tonnen Altreifen auf einen LKW (vgl zB ***URL*** - ein Abfallentsorgungsunternehmen, das bei einem 90 m³ fassenden Auflieger aus Erfahrungswerten angibt, dass eine LKW-Ladung LKW-Reifen ca 13 Tonnen und eine LKW-Ladung mit PKW-Reifen ca 10 Tonnen wiegt). Bei einem Gewicht von 192 Tonnen und maximal 14 Tonnen pro LKW ergibt dies schon alleine mehr als 11 Fahrten (wobei gar nicht berücksichtigt wurde, dass es sich bei der überwiegenden Anzahl der in Rechnung gestellten Reifen um PKW-Reifen handelt und somit noch mehr Fahrten nötig wären und die restlichen Gegenstände bei dieser Kalkulation gar nicht berücksichtigt wurden).

Nicht nachvollziehbar ist für das Bundesfinanzgericht, dass der Verkäufer keinen einzigen Nachweis für einen Transport, den er selbst beauftragt haben will, erbringen kann. Auch wenn es keine Rechnung gibt, weil ein Spediteur vergessen haben mag, (mehr als) 11 Fahrten nach Ungarn abzurechnen (was an sich schon unglaubwürdig ist), müsste es für jede Lieferung ein Transportdokument geben, aus dem neben dem Abladeort auch das Gewicht und die Bezeichnung der Ware ersichtlich ist. Solche Transportdokumente (zB CMR-Dokumente) werden idR in mehrfacher Ausfertigung erstellt und eine Ausfertigung verbleibt gewöhnlich beim Versender. Doch auch solche Unterlagen konnten bei der zeitnahen Außenprüfung im Jahr 2011 nicht vorgelegt werden. Sowohl im Zeitpunkt der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung 12/2008 als auch der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung wusste der Geschäftsführer der Primärschuldner, dass kein einziger Nachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt.

Einsicht genommen wurde auch in den Jahresabschluss der Primärschuldnerin für das Jahr 2008. Daraus ist ersichtlich, dass Vorräte, die noch im Vorjahr vorhanden waren, nun fehlen. Insofern ist es für das Bundesfinanzgericht nachvollziehbar, dass Handelswaren (zB Altreifen) verkauft wurden. Wenn aber für den Verkauf dieser Handelswaren keine nachvollziehbaren Beweise vorgelegt werden können, dass der Käufer ein ausländischer Abnehmer war und die Gegenstände ins EU-Ausland verbracht wurden, muss davon ausgegangen werden, dass die Waren an (einen) andere(n) Personen verkauft wurden. Insofern musste die Primärschuldnerin und ihr Geschäftsführer wissen, dass für diese Verkäufe Umsatzsteuer zu entrichten ist.

Die Feststellung, dass der Eingangsrechnung der ***CD*** eine Leistung zu Grunde lag, stützt sich in erster Linie auf die Angaben des Zeugen ***IJ***, der gegenüber dem Bundesfinanzgericht angegeben hatte, dass er den von der ***CD*** benannte Transporteur kannte und im fraglichen Zeitraum auch bei der Primärschuldnerin angetroffen hatte. Es mag zwar zutreffen, dass dieser Transporteuer - als echter Einzelunternehmer mit nur einem LKW - nicht die gesamte in Rechnung gestellte Menge selbst transportiert hatte; mit diesem Vorbringen durch die belangte Behörde sind jedoch die vagen Angaben des Zeugen ***IJ*** nicht generell widerlegt. Die Außenprüfung hat für 2008 noch weitere Rechnungen von der ***CD*** an die Primärschuldnerin erhoben, die jedoch - trotz ähnlicher Leistungsbezeichnung - nicht beanstandet wurden. Somit ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Primärschuldnerin von der ***CD*** Leistungen bezogen hatte.

Die Feststellung, dass die Umsatzsteuer 2008 letztlich nicht festgesetzt wurde, ergibt sich bereits aus der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101726/2012. In dieser Entscheidung, welcher ein Rechtsmittel der Primärschuldnerin gegen einen Umsatzsteuerbescheid 2008 zu Grunde lag, wurde hinsichtlich 2008 die Nichtfestsetzung dieser Abgabe ausgesprochen. Auch in der Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid bzw. den Grundlagenbescheid wird darauf hingewiesen, dass die ursprüngliche Berufung gegen den Sachbescheid mit einer Nichtfestsetzung gem. § 206 BAO geendet hat.

Die Feststellung zur Aussetzung der Einhebung der mit Bescheid vom vorgeschriebenen Umsatzsteuer gründet sich auf den Bescheid über die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung vom . Aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin, in das Einsicht genommen wurde, ist ersichtlich, dass am eine Belastung in Höhe von € 61.300 (Umsetzung der bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung) erfolgte. Am erfolgte eine Gutschriftsbuchung in Höhe von € 61.300 (Umsetzung der bewilligten Aussetzung der Einhebung). Die nächsten Buchungen mit diesem Betrag finden sich erst wieder im Jahr 2016 - im Anschluss an das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7101726/2012. Die Umsatzsteuernachforderung in Höhe von € 61.300 (auf Grund des Bescheides vom ) war somit bis ins Jahr 2016 von der Einhebung ausgesetzt.

Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ist erkennbar, dass im Jahr 2015 erste Erhebungen im Hinblick auf ein Haftungsverfahren getätigt wurden. Im Jahr 2016 wurde die belangte Behörde - auch per E-Mail - vom Bundesfinanzgericht über die Nichtfestsetzung gem § 206 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer 2008 informiert. Aktenkundig ist auch der Haftungsvorhalt im Jahr 2016. Der nächste Akteninhalt ist bereits der Haftungsbescheid aus dem Jahr 2018. Im Jahr 2017 ist keine Handlung der belangten Behörde ersichtlich.
In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht bekannt gegeben, dass keine entsprechenden Unterlagen zur Verlängerung der Verjährungsfrist für die Umsatzsteuer 2008 vorgelegt werden können.

Die Feststellung, dass von der Abgabenbehörde kein Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde, gründet sich zunächst auf die Angaben des Beschwerdeführers und seines Vertreters in der mündlichen Verhandlung; es wurde ausgeführt, dass man keine Kenntnis weder von einer Einleitung noch von einem Abschluss eines Finanzstrafverfahrens habe. Auch die Vertreterin der belangten Behörde konnte nicht nachweisen, dass ein Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde, sondern verwies nur auf EDV-Angaben, aus denen ersichtlich wäre, dass ein Finanzstrafverfahren eingestellt worden wäre. Gem § 83 Abs 2 FinStrG ist ein Verdächtiger von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens unverzüglich zu verständigen; dabei ist bekannt zu geben, welche Tat zur Last gelegt wird. Kommt einer der im § 82 Abs 3 FinStrG aufgezählten Gründe nicht schon bei der Prüfung einer Anzeige, Mitteilung oder eigenen Wahrnehmung der Behörde, sondern erst im Untersuchungsverfahren hervor, muss die Finanzstrafbehörde das Strafverfahren mit Bescheid einstellen. Wurde hingegen gem § 82 Abs 3 FinStrG von der Einleitung eines Untersuchungsverfahrens abgesehen, so ist kein Einstellungsbescheid zu erlassen (vgl Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, II5, § 124 Tz 1 ff). Da weder eine Einleitung eines Finanzstrafverfahrens glaubhaft noch eine Einstellung eines solchen Verfahrens, die mit Bescheid (der auch zuzustellen ist) zu erfolgen hat, von der Abgabenbehörde nachgewiesen werden konnte, war in freier Beweiswürdigung davon auszugehen, dass gar kein Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde.

Rechtsgrundlagen

§ 9 BAO lautet:

§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 207 BAO lautet:

E. Verjährung.

§ 207.(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

(3) Das Recht zur Verhängung von Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen sowie zur Anforderung von Kostenersätzen im Abgabenverfahren verjährt in einem Jahr.

(4) Das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben verjährt in fünf Jahren. Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß.

(5) Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß für Abgaben, deren vorsätzliche Verkürzung nicht in den Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes fällt.

§ 224 BAO lautet:

2. Geltendmachung von Haftungen.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

§ 248 BAO lautet:

§ 248. Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist
-) eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen,
-) die Stellung als Vertreter,
-) die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung,
-) eine Pflichtverletzung des Vertreters,
-) ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und
-) die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().

Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ().

Der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer ihr Vertreter für den Zeitraum, auf den sich die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen beziehen.

Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Nach der Bestimmung des § 206 Abs. 2 BAO erlischt der Abgabenanspruch durch eine Abstandnahme von der Festsetzung nicht. Die Abstandnahme berührt nicht die Befugnis, diesbezügliche persönliche Haftungen gegenüber Haftungspflichtigen geltend zu machen (zB ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 206 Rz 3).

Die Haftung ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen oder hat nur mehr den Charakter einer Naturalobligation (), ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar (). Das Erlöschen der Abgabenschuld wird unter anderem durch die Entrichtung der Abgaben - etwa durch einen Gesamtschuldner - bewirkt (), durch Nachsicht oder Löschung (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 4 Tz 9).

Die Geltendmachung der Haftung setzt die Erlassung des Abgabenbescheides gegenüber dem Primärschuldner nicht voraus. Dies folgt ua aus § 224 Abs 3 BAO, der die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides bis zur Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe zulässt (). Für die Zulässigkeit der Erlassung eines Haftungsbescheides, mit welchem ein Abgabenanspruch erstmalig geltend gemacht wird, ist nach § 224 Abs. 3 BAO zu prüfen, ob in diesem Zeitpunkt das Recht zur Festsetzung der Abgabe verjährt ist ().

Abgabenbescheide dienen der Geltendmachung eines Abgabenanspruchs. Gemäß § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist zur Festsetzung einer Abgabe um ein Jahr, wenn innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs unternommen wurden. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

Gemäß § 238 Abs 1 BAO verjährt das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Gemäß § 238 Abs 3 BAO ist die Verjährung gehemmt, solange die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist. Selbst unter der Annahme, dass diese Bescheide rechtswidrig wären, entfalten sie Rechtswirkungen, wenn sie dem Rechtsbestand angehören (vgl. ; ; ). Mit Bescheid vom wurde die Aussetzung der Einhebung für die Umsatzsteuer 2008 in Höhe von € 61.300,-- bewilligt. Erst mit Erkenntnis des ) wurde das Rechtsmittelverfahren der Primärschuldnerin beendet, womit auch die Aussetzung der Einhebung zu beenden war. Bereits am hat die belangte Behörde einen Haftungsvorhalt an den Beschwerdeführer versendet, der die darin gestellten Fragen auch beantwortet hat und noch auf die Aussetzung der Einhebung hingewiesen hatte.

Wird für eine Abgabe, für die eine Nichtfestsetzung nach § 206 BAO festgestellt wurde, ein Haftungsbescheid erlassen, so stellt diese Haftungsinanspruchnahme eine erstmalige Festsetzung der Abgabe dar. Der Haftungsbescheid wurde im Jahr 2018 erlassen. Im Jahr 2017 ist jedoch keine Handlung der Abgabenbehörde (Verlängerungshandlung) ersichtlich.

Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid vorangegangen ist. Auf die "Fälligstellung" durch solche Bescheide kommt es nicht an, weil die in Rede stehende Steuer als Selbstbemessungsabgabe von der Primärschuldnerin nicht erst im Jahr der bescheidmäßigen Festsetzung einzubehalten und abzuführen gewesen wäre. Wurde bei Selbstbemessungsangaben noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO bzw bei Umsatzsteuervorauszahlungen gem § 21 Abs 3 UStG 1994 oder gemäß § 202 BAO erlassen, so ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch (seine Höhe) abzusprechen (; ; Ritz/Koran, BAO7 § 248 Tz 5).

Zum geltend gemachten Vorsteuerabzug

Im Zuge der Außenprüfung wurde der geltend gemachte Vorsteuerabzug in Höhe von € 51.300,-- nicht anerkannt, weil die von der Außenprüfung erhobenen Umstände nach Ansicht der Finanzverwaltung darauf hinweisen, dass es sich um eine Scheinrechnung handelt. Die Außenprüfung hat für das Jahr 2008 noch weitere Eingangsrechnungen von der ***CD*** erhoben und den daraus geltend gemachten Vorsteuerabzug akzeptiert. Weiters haben Erhebungen des Bundesfinanzgerichts ergeben, dass ein Zeuge, dessen Einvernahme bereits in einem Rechtsmittel im Jahr 2012 beantragt wurde, angegeben hat, dass er den namhaft gemachten Transporteur kenne und am Betriebsgelände der Primärschuldnerin gesehen habe. Im Ergebnis ist das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen, dass der Rechnung, aus welcher der nicht anerkannte Vorsteuerabzug stammt, eine Leistung zu Grunde lag.
Insofern besteht keine Nachforderung (kein Abgabenanspruch) gegenüber der Primärschuldnerin und somit liegt in Bezug auf den geltend gemachten Vorsteuerabzug auch kein Haftungstatbestand vor. In diesem Umfang war der Beschwerde schon aus diesem Grund Folge zu geben.

Zur fraglichen steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung

Gem Art 6 UStG (BMR) sind innergemeinschaftliche Lieferungen (Art 7) steuerfrei. Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2.der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

Der Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 ist vom inländischen Lieferer zu erbringen (vgl. ). Dabei ist nicht nur auf bloß formelle Belange abzustellen, entscheidend ist vielmehr, dass dem liefernden Unternehmer der Nachweis gelingt, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen. Ob der Nachweis der Beförderung erbracht ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Auch die Frage, ob die erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde (Art 7 Abs 4 UStG/BMR, ist eine Einzelfallbeurteilung, die aufgrund der Umstände des konkreten Sachverhalts zu treffen ist. Aus dem beschwerdegegenständlichen Sachverhalt ist jedoch zu entnehmen, dass für das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen (Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet) überhaupt keine Nachweise - nicht einmal ansatzweise - vorliegen.
Andererseits bestehen erhebliche Zweifel, dass die verrechneten Gegenstände tatsächlich an einen ausländischen Abnehmer veräußert wurden.

Im Ergebnis liegen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nicht vor. Bei einer (behaupteten) steuerfreien Lieferung von € 60.000 und der Anwendung des Normalsteuersatzes liegt eine Bemessungsgrundlage von € 50.000,-- und eine Steuerschuld von € 10.000 vor.

Ob Abgaben hinterzogen sind, bildet eine Vorfrage nach § 116 Abs. 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist. Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Im Falle eines Freispruches im Strafverfahren sowie in jenen Fällen, in denen es kein Strafverfahren gibt, ist es damit Sache des Finanzamtes, die maßgebenden Hinterziehungskriterien nachzuweisen (). Soweit für das Bundesfinanzgericht ersichtlich, wurde gar kein Finanzstrafverfahren eingeleitet. Nach der Rechtsprechung des VwGH zu § 207 Abs. 2 BAO gilt für die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und damit ein anderes Beweismaß als im Finanzstrafverfahren (vgl. ).

Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht, wobei ein Eventualvorsatz genügt. Vorsätzliches Handeln beruht zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. , mwN; ; , mwN; , mwN). Im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs. 2 BAO zukommenden "freien Überzeugung" genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt; die Abgabenbehörde muss, wenn eine Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet, den Bestand der Tatsache nicht "im naturwissenschaftlichen-mathematisch exakten Sinn" nachweisen (vgl. , sowie , mwN).
Es muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer, der im Jahr 2008, am (Fälligkeit der Umsatzsteuervoranmeldung 12/2008) und auch am (Einlangen der Umsatzsteuererklärung 2008) alleiniger Geschäftsführer der Beschwerdeführerin (bereits seit dem Jahr 1988) war, die Voraussetzungen kannte, die vorliegen müssen, damit ein Umsatz steuerfrei belassen werden kann. Insofern hat er sich auch damit abgefunden, dass es durch die Nichterfassung als steuerpflichtige Umsätze zu einer Hinterziehung von Umsatzsteuern kommt.
Hingegen war - zumindest im Zweifel - kein Vorsatz für eine Abgabenhinterziehung im Zusammenhang mit den von der Finanzverwaltung versagten Vorsteuerbeträgen nachweisbar, zumal die Primärschuldnerin mit diesem Lieferanten bereits in Vorzeiträumen in Geschäftsverbindung stand, der Lieferant für Transporte verantwortlich war und ein Zeuge Beobachtungen hinsichtlich Transportvorgänge gemacht hatte.

Verschulden:
Die Haftung nach § 9 BAO einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ist. Es ist gemäß § 1298 ABGB Sache des Vertreters, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten gem § 9 und § 80 BAO unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zu der Annahme berechtigt ist, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (). Zur Haftungsinanspruchnahme genügt der Vorwurf bloßen - vom Geschäftsführer zu widerlegendem - Verschuldens (). Die Schuldhaftigkeit iSd § 9 Abs 1 BAO erfasst jede Form des Verschuldens und damit auch die leichte Fahrlässigkeit (; ).

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre.
Bei Selbstbemessungsabgaben ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (). Bei der Umsatzsteuer entsteht der Abgabenanspruch gemäß § 19 Abs 2 bis 4 UStG 1994 jeweils mit Ablauf des Kalendermonats.

Die Wirkung der Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) besteht lediglich in einem Zahlungsaufschub. Die Fälligkeit der Abgabenschuld bleibt dadurch aber ebenso unberührt wie die bereits erfolgte Verletzung der Pflicht zur Abgabenentrichtung, die zu den früheren Fälligkeitszeitpunkten bestanden hat ().

Kausalität
Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ). Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ).

Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Umsatzsteuern jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war ().

Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens zur Gläubigergleichbehandlung nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze ( mwN). Mit dem bloßen Hinweis auf beim Masseverwalter befindliche Buchhaltungsunterlagen genügt der Beschwerdeführer den nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ihm obliegenden Nachweispflichten im Haftungsverfahren gegenüber der Behörde nicht (). Solche Unterlagen wären bereits bei Entstehung der Zahlungspflicht und nicht vollständiger Entrichtung zu sichern gewesen wären (vgl. ).

Ermessen

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf (). Der Abgabenanspruch für die Umsatzsteuer 2008 war im Februar 2009 fällig. Die Geltendmachung gegenüber dem Beschwerdeführer erfolgte im Oktober 2018. Insofern ist von einer langen Verfahrensdauer auszugehen, die im Zuge der Ermessensübung mit einem Abschlag von 30 % zu berücksichtigen ist. Im Ergebnis besteht die Haftung für Umsatzsteuer 2008 der Primärschuldnerin in Höhe von € 7.000 (10.000 abzüglich 30 %) zu Recht.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor. Darüber hinaus hing diese Entscheidung im Wesentlichen von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103958.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at