Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.02.2024, RV/6100190/2023

Rechtswidrigkeit einer Festsetzung einer Zwangsstrafe aufgrund fehlender angemessener Frist zur Erbringung der aufgeforderten Leistung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Patrick Brandstetter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Festsetzung einer Zwangsstrafe in Höhe von EUR 500,00 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht:

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben vom forderte das Finanzamt Österreich die beschwerdeführende Partei auf, bis zum den unbeantwortet gelassenen Vorhalt vom zu beantworten. Für den Fall, dass die beschwerdeführende Partei dieser Aufforderung nicht nachkommen sollte, wurde der beschwerdeführenden Partei eine Zwangsstrafe gem. § 111 BAO in Höhe von EUR 500,00 angedroht.

Mit beschwerdegegenständlichen Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich gegenüber der beschwerdeführenden Partei eine Zwangsstrafe gem. § 111 BAO in Höhe von EUR 500,00 fest und wurde diese Festsetzung damit begründet, dass der Aufforderung vom nicht nachgekommen worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei am Beschwerde und begründete sie diese zusammengefasst dergestalt, dass sie das Schreiben vom nicht erhalten habe, da sie an diesem Tag umgezogen sei. Das Schreiben vom sei erst nach dem zugestellt worden. Dementsprechend sei der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu streichen.

Diese Beschwerde wies das Finanzamt Österreich mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und wurde dies damit begründet, dass laut Rückschein die Androhung der Zwangsstrafe vom am hinterlegt worden sei und ein Standortwechsel des Unternehmens dem Finanzamt nicht angezeigt worden sei. Gem. § 8 Abs. 2 Zustellgesetz gelte die Androhung der Zwangsstrafe vom mit der Hinterlegung in die Abgabeneinrichtung am als zugestellt.

In Reaktion auf diese Beschwerdevorentscheidung brachte die beschwerdeführende Partei am einen Vorlageantrag ein und ergänzte sie darin das Beschwerdevorbringen dergestalt, dass sie keine Kenntnis von einem Verfahren gehabt habe, da sie nie ein Ergänzungsschreiben erhalten habe. Aus diesem Grund habe auch keine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Änderung der Adresse bestanden. Darüber hinaus sei das Schreiben vom nicht am , sondern am hinterlegt worden.

Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei wohnte ab dem bis zum an der Adresse ***Adresse1***. Am zog die beschwerdeführende Partei um und verlegte sie ihren Wohnsitz an die Adresse ***Adresse2***. Diese Verlegung des Wohnsitzes wurde im Zentralen Melderegister am eingetragen.

Die beschwerdeführende Partei verfügt über ein Gewerbe, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten, und befand bzw. befindet sich der Standort dieses Gewerbes immer am Wohnsitz der beschwerdeführenden Partei.

Mit Ersuchen vom forderte das Finanzamt Österreich die beschwerdeführende Partei auf, sämtliche Verträge mit Kunden, bei denen Reinigungsarbeiten durchgeführt werden, vorzulegen. Hierfür wurde der beschwerdeführenden Partei eine Frist bis zum gesetzt.

Da das Finanzamt Österreich keine Antwort auf das Ersuchen vom erhielt, forderte das Finanzamt Österreich die beschwerdeführende Partei mit weiterem Schreiben vom auf, dem Ersuchen vom bis nachzukommen, andernfalls eine Zwangsstrafe gem. § 111 BAO in Höhe von EUR 500,00 festgesetzt werde. Diese Androhung einer Zwangsstrafe vom sendete das Finanzamt Österreich an die Adresse ***Adresse1***. Am versuchte der Zustelldienst erfolglos dieses Schreiben der beschwerdeführenden Partei an der Adresse ***Adresse1*** zuzustellen und wurde daraufhin eine Verständigung über die Hinterlegung der Sendung mit der Androhung der Zwangsstrafe vom in eine Abgabeneinrichtung an ebendieser Adresse eingelegt. In dieser Hinterlegungsanzeige wurde die Frist zur Abholung des Dokuments mit bis angegeben. Am wurde der beschwerdeführenden Partei sodann tatsächlich die Androhung einer Zwangsstrafe vom vom Zustelldienst ausgefolgt.

Da die beschwerdeführende Partei bis zu der in der Androhung der Zwangsstrafe vom gesetzten Frist die Beantwortung des Ersuchens vom , für das die Zwangsstrafe angedroht wurde, nicht erbrachte, setzte das Finanzamt Österreich mit beschwerdegegenständlichen Bescheid vom die angedrohte Zwangsstrafe mit EUR 500,00 fest und wurde dieser Bescheid an die Adresse ***Adresse2*** versendet. Am versuchte der Zustelldienst die Sendung mit diesem Bescheid der beschwerdeführenden Partei an dieser Adresse zuzustellen. Da dieser Zustellversuch allerdings erfolglos blieb, hinterließ der Zustelldienst in der Abgabeneinrichtung eine Verständigung über die Hinterlegung der Sendung mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid und wurde in dieser die Abholfrist mit bis ausgewiesen. Die Sendung wurde in weiterer Folge der beschwerdeführenden Partei am tatsächlich ausgefolgt.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich des Wohnsitzes der beschwerdeführenden Partei basieren auf den Eintragungen im Zentralen Melderegister, die zum einen in Einklang mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei über die Verlegung des Wohnsitzes stehen und deren Richtigkeit zum anderen vom Finanzamt Österreich nicht in Abrede gestellt wurde. Vor allem konnte dem Zentralen Melderegister das Datum der Eintragung des Wohnsitzwechsels entnommen werden und ergibt sich hieraus die Feststellung betreffend den Zeitpunkt ebendieser Eintragung im Zentralen Melderegister.

Die Sachverhaltsfeststellung in Bezug auf das Gewerbe der beschwerdeführenden Partei und dessen Standort am jeweiligen Wohnsitz der beschwerdeführenden Partei wurde anhand der Eintragungen im Gewerbeinformationssystem Austria des Bundesministeriums Arbeit und Wirtschaft getroffen. Anhand dieser Eintragungen war ersichtlich, dass der Standort des Gewerbes der beschwerdeführenden Partei immer mit dem Wohnsitz übereinstimmte und mit jedem Wohnsitzwechsel auch der Standort des Gewerbes an den neuen Wohnsitz angepasst wurde. Zwar weichen die Eintragungszeitpunkte hinsichtlich der Änderung des Standorts des Gewerbes um wenige Tage von den Eintragungszeitpunkten betreffend die Änderung des Hauptwohnsitzes im Zentralen Melderegister ab, doch sind diese Abweichungen so marginal, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Standort des Gewerbes der beschwerdeführenden Partei vom Wohnsitz abwich bzw. abweicht. Darüber hinaus wurden vom Finanzamt Österreich keine Nachweise für das Vorliegen eines Abweichens des Standorts des Gewerbes von der Wohnanschrift der beschwerdeführenden Partei vorgebracht und erscheint ein Verbleib des Standorts des Gewerbes der beschwerdeführenden Partei an der früheren Wohnanschrift für wenige Tage nach Wohnsitzwechsel auch vor dem Hintergrund des Gegenstands des Gewerbes der beschwerdeführenden Partei, der in der Hausbetreuung zu finden ist, nicht nachvollziehbar, hängt doch diese Tätigkeit unmittelbar an der Person der beschwerdeführenden Partei selbst.

Die Sachverhaltsfeststellungen betreffend die Androhung einer Zwangsstrafe, die Festsetzung einer Zwangsstrafe mit beschwerdegegenständlichen Bescheid, die Versendung dieser Bescheide an die im Sachverhalt angeführten Adressen, die erfolglosen Zustellversuche sowie die Hinterlegung und Ausfolgung der Sendungen haben ihre Grundlage im vorgelegten Ersuchen vom , im Schreiben vom über die Androhung einer Zwangsstrafe, im vorgelegten Bescheid vom über die Festsetzung der Zwangsstrafe sowie in den diesbezüglichen Rückscheinen, denen die Tage der Zustellversuche, die Hinterlegungsfristen sowie die Tage der tatsächlichen Ausfolgung der Sendungen an die beschwerdeführende Partei entnommen werden können.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Gem. § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Zu solchen Leistungen gehört auch die elektronische Übermittlung von Anbringen und Unterlagen, wenn eine diesbezügliche Verpflichtung besteht.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung muss, bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung muss schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr in Verzug ist.

Laut Abs. 4 dieser Bestimmung ist gegen die Androhung einer Zwangsstrafe ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Gem. § 97 Abs. 1 lit. a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Nach § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gem. § 2 Z 4 Zustellgesetz im der Fassung des BGBl. I 205/2022 bedeutet "Abgabestelle" im Sinne des Zustellgesetzes die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Fall einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.

Nach § 7 Zustellgesetz in der Fassung des BGBl. I 5/2008 gilt, unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Gem. § 8 Abs. 1 Zustellgesetz in der Fassung BGBl. I 200/1982 hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Laut Abs. 2 ist, wird diese Mitteilung unterlassen und soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabenstelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Nach § 13 Abs. 1 erster Satz Zustellgesetz in der Fassung BGBl. I 5/2008 ist das Dokument dem Empfänger an der Abgabenstelle zuzustellen.

Gem. § 17 Abs. 1 Zustellgesetz in der Fassung BGBl. I 5/2008 ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Laut Abs. 2 ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Nach Abs. 3 ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ergibt sich für die vorliegend zu beurteilende Festsetzung einer Zwangsstrafe das Folgende.

Nach § 111 Abs. 2 erster Satz BAO muss, bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Daraus folgt, dass es für eine Festsetzung einer Zwangsstrafe zum einen einer wirksamen Androhung der Zwangsstrafe, die der Festsetzung der Zwangsstrafe vorausgehen muss, bedarf. Fehlt es an einer solchen wirksam vorangegangenen Androhung einer Zwangsstrafe, behaftet dies den Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe mit Rechtswidrigkeit und ist ebendieser aufzuheben (). Zum anderen muss die Frist, die dem Verpflichteten zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung eingeräumt wurde, insoweit diese als angemessen zu qualifizieren ist, ungenützt verstrichen sein ()

Bei der Androhung einer Zwangsstrafe handelt es sich um eine verfahrensleitende Verfügung, der Bescheidcharakter zukommt (). Dies erschließt sich insbesondere aus § 111 Abs. 4 BAO, wonach ein abgesondertes Rechtsmittel gegen die Androhung einer Zwangsstrafe nicht zulässig ist. Dieser Regelung würde es nämlich nicht bedürfen, wenn der Androhung einer Zwangsstrafe kein Bescheidcharakter zukommen würde, da nach § 243 BAO nur gegen Bescheide, die die Abgabenbehörde erlassen, Beschwerden an die Verwaltungsgerichte zulässig sind, soweit in den Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 94, Rz. 2; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 111 (Stand , rdb.at), Anm. 18).

Da es sich bei einer Androhung einer Zwangsstrafe um eine verfahrensleitende Verfügung handelt, der Bescheidcharakter zukommt, muss die Androhung nach § 97 Abs. 1 lit. a BAO durch Zustellung bekanntgegeben werden, um Wirksamkeit zu erlangen. Die Zustellung hat nach § 13 Abs. 1 erster Satz Zustellgesetz an einer Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 Zustellgesetz zu erfolgen, worunter unter anderem die Wohnung oder die Betriebsstätte zu verstehen sind. Vom Begriff der Wohnung sind jene Räumlichkeiten umfasst, die der Empfänger der Sendung tatsächlich bewohnt, also benützt und in denen er gewöhnlich nächtigt oder sich sonst aufhält (Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 2 ZustG (Stand , rdb.at), Rz. 19). Vom Begriff der Betriebsstätte sind hingegen jene Räumlichkeiten umfasst, in denen die betriebliche Tätigkeit entfaltet wird (Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 2 ZustG (Stand , rdb.at), Rz. 28).

Im Fall der beschwerdeführenden Partei wurde das Schreiben vom über die Androhung der Zwangsstrafe an die Adresse ***Adresse1*** versendet. Im Zeitpunkt der versuchten Zustellung der Sendung mit der Androhung der Zwangsstrafe durch den Zustelldienst am hatte die beschwerdeführende Partei allerdings an der Adresse ***Adresse1*** weder ihren Wohnsitz noch ihre Betriebsstätte mehr, da die beschwerdeführende Partei aufgrund der Verlegung des Wohnsitzes an die Adresse ***Adresse2*** am die Räumlichkeiten an der Adresse ***Adresse1*** nicht mehr bewohnte und auch nicht mehr zur Ausübung ihres Gewerbes verwendete. Die Adresse ***Adresse1*** stellte daher ab dem Zeitpunkt des Umzugs am und somit auch im Zeitpunkt der versuchten Zustellung der Sendung mit der Androhung der Zwangsstrafe am keine Abgabenstelle der beschwerdeführenden Partei im Sinne des Zustellgesetzes mehr dar. Dieses Fehlen einer Abgabenstelle der beschwerdeführenden Partei an der Adresse ***Adresse1***, im Zeitpunkt der versuchten Zustellung der Sendung mit der Androhung der Zwangsstrafe am hat sodann zur Auswirkung, dass eine Zustellung der Androhung der Zwangsstrafe durch Hinterlegung gem. § 17 Zustellgesetz nicht eintreten konnte, da dies unter anderem einen Zustellversucht an einer Abgabenstelle erfordert (Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 17 ZustG (Stand , rdb.at), Rz.3).

Aber auch eine Zustellung durch Hinterlegung gem. § 8 Abs. 2 Zustellgesetz, wie es das Finanzamt Österreich in der Beschwerdevorentscheidung vom sowie im Vorlagebericht vermeint, ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben, da eine Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 Zustellgesetz nur dann rechtmäßig ist, wenn eine Abgabenstelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), ZustG, § 8, Rz.11). Diesbezüglich hat das Finanzamt Österreich jedoch weder aufgezeigt, dass es überhaupt ihr zumutbare Schritte zur Ermittlung einer Abgabenstelle der beschwerdeführenden Partei gesetzt hätte, noch, dass die Feststellung einer Abgabenstelle nur mit Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Insbesondere betreffend den Punkt der Schwierigkeit der Feststellung einer Abgabenstelle der beschwerdeführenden Partei muss zudem erwähnt werden, dass der Wechsel des Wohnsitzes der beschwerdeführenden Partei am noch am gleichen Tag in das Zentrale Melderegister eingetragen wurde und daher das Finanzamt Österreich durch einfache Einsicht in das Zentrale Melderegister vom Wohnsitzwechsel Kenntnis erlangen hätte können. Angesichts dessen kann von Schwierigkeiten bei der Feststellung einer Abgabenstelle nicht die Rede sein und stellen fernerhin Abfragen beim Zentralen Melderegister jedenfalls Ermittlungshandlungen zur Feststellung einer Abgabenstelle dar, die dem Finanzamt zugemutet werden können (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), ZustG, § 8, Rz.11).

Die versuchte Zustellung an einer Adresse, die keine Abgabestelle ist, sei dies infolge Verwechslung oder Nichtbeachtung bzw. Unkenntnis eines Wechsels der Abgabenstelle, stellt sodann einen Zustellmangel im Sinne des § 7 Zustellgesetz dar (Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 7 ZustG (Stand , rdb.at), Rz. 4). Dieser Mangel erfährt nach § 7 Zustellgesetz in dem Moment eine Heilung, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Wie dem Sachverhalt entnommen werden kann, wurde die Sendung mit der Androhung der Zwangsstrafe vom der beschwerdeführenden Partei am tatsächlich ausgefolgt und kam es mit diesem Vorgang zu einer Heilung des Zustellmangels. Da allerdings zu diesem Zeitpunkt die vom Finanzamt Österreich in der Androhung der Zwangsstrafe vom zur Vornahme der aufgeforderten Leistung gesetzte Frist bis zum bereits abgelaufen war, wurde der beschwerdeführenden Partei im Endeffekt keine angemessene Frist zur Erbringung der aufgeforderten Leistung in Form von Vorlage sämtlicher Kundenverträge, bei denen Reinigungsarbeiten vorgenommen werden, eingeräumt und erweist sich infolgedessen die Festsetzung der Zwangsstrafe mit beschwerdegegenständlichen Bescheid vom als rechtswidrig. Folglich war der Bescheid vom über die Festsetzung der Zwangsstrafe in Höhe von EUR 500,00 aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision gegen das vorliegende Erkenntnis des Bundesfinanzgericht ist nicht zulässig, da die sich die Lösung der im vorliegenden Fall entscheidungsrelevanten Rechtsfragen unmittelbar aus den zitierten Bestimmungen der Bundesabgabenordnung sowie des Zustellgesetzes ergibt und liegen hinsichtlich dieser Bestimmungen keine Auslegungsschwierigkeiten vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Z 4 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 111 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100190.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at