Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 14.02.2024, RV/7100080/2024

Keine Heilung des Zustellmangels

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Der Beschwerdeführer (kurz: Bf) ist in Slowakei, wohnhaft.

Nach seiner Einreichung der Einkommensteuerklärung 2018 erstellte das Finanzamt Österreich (kurz: FA) am ein als "Einkommensteuerbescheid 2018" bezeichnetes Schriftstück und adressierte dieses an den Wohnsitz des Bf in der Slowakischen Republik.

Am brachte der Bf via FinanzOnline Beschwerde gegen den "Einkommensteuerbescheid 2018" vom ein, gab darin seine Einkünfte bekannt, beantragte die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs 4 EStG 1988, legte das Formular E 9 bei und führte dazu im Wesentlichen aus, dass ein Steuerberater in der Slowakischen Republik für ihn den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2018 durchgeführt habe, doch es habe sich herausgestellt, dass er keine Genehmigung und Kenntnis gehabt habe, weshalb wichtige Informationen bei der Antragstellung gefehlt hätten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom erfolgte die Zurückweisung der Beschwerde, da diese nicht fristgerecht eingebracht worden sei.

Am brachte der Bf daraufhin via FinanzOnline unter Hinweis auf die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend die Einkommensteuer 2018 einen Vorlageantrag ein. Er hielt darin - ohne dies weiter zu kommentieren - fest: "Als Begründung wird erwähnt, dass die Einspruchsfrist nicht eingehalten wurde". Des Weiteren ersuchte der Bf, den neu eingereichten und korrigierten Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2018 zur Kenntnis zu nehmen.

Mit Bericht vom legte das FA die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (kurz: BFG) zur Entscheidung mit dem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde vor. Neben der Beschwerde (samt Anhang)) übermittelte das FA auf elektronischem Weg den "Einkommensteuerbescheid 2018" vom (ohne einen Zustellnachweis), die Beschwerdevorentscheidung (samt Rückschein) sowie den Vorlageantrag vom .

Das BFG hielt in dem an den Bf adressierten Vorhalt vom fest, dass es aufgrund der Aktenlage davon ausgehe, dass dem Bf der "Einkommensteuerbescheid 2018" vom auf dem Postweg an die private Wohnadresse in der Slowakei ohne Zustellnachweis rechtswirksam zugestellt worden sei. Gleichzeitig wurde der Bf ersucht, jenes Datum bekannt zu geben, an dem ihm der postalisch übermittelte "Einkommensteuerbescheid 2018" zugestellt worden sei bzw tatsächlich zugekommen sei.

Der Bf teilte dazu in der Vorhaltsbeantwortung vom mit, dass er nie eine schriftliche Bestätigung über das Ergebnis der Arbeitnehmerveranlagung erhalten habe, weder für das Jahr 2018 noch für das Jahr 2019. Er habe aus diesem Grund, als er darüber im Jahr 2023 in Kenntnis gesetzt worden sei (FinanzOnline), Beschwerde eingebracht und zwar sowohl für 2018 als auch für 2019, da wesentliche Bestandteile fehlerhaft gewesen seien.

Das Ergebnis des Vorhalteverfahrens brachte das BFG dem FA mit Vorhalt vom zur Kenntnis und hielt darin fest, es bestehe derzeit kein Nachweis darüber, dass dem Bf das als "Einkommensteuerbescheid 2018" bezeichnete Schriftstück vom auf dem Postweg wirksam zugestellt worden sei. Die weiteren Ausführungen des Bf seien wohl so zu verstehen, dass er dieses Schriftstück nie im Original erhalten habe. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sei davon auszugehen, dass auch eine Heilung des Zustellmangels nicht eingetreten sei und der gegenständliche "Einkommensteuerbescheid 2018" - entgegen der im Vorhalt vom vom BFG getroffenen Annahme - keine Rechtswirksamkeit entfaltet habe.

In der Vorhaltbeantwortung vom bestätigte das FA, dass der "Einkommensteuerbescheid 2018" vom laut Aktenlage ohne Zustellnachweis versendet worden sei. Ein Nachweis, dass dieses Schriftstück dem Bf zugestellt worden sei, könne somit vom FA nicht erbracht werden.

DAZU WIRD ERWOGEN:

1 gesetzliche Grundlagen

Erledigungen werden gemäß § 97 Abs 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt nach lit a bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Gemäß § 98 Abs 1 BAO sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl 200/1982, vorzunehmen.

Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Die Bescheidbeschwerde ist gemäß § 260 Abs 1 BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Gemäß § 11 Abs 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Das Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, BGBl III 193/2014, behandelt in seinem Artikel 17 die Zustellung von Schriftstücken:

Abs 1: Auf Ersuchen des ersuchenden Staates stellt der ersuchte Staat dem Empfänger die Schriftstücke, einschließlich derjenigen zu Gerichtsentscheidungen, zu, die aus dem ersuchenden Staat stammen und eine unter das Übereinkommen fallende Steuer betreffen.

Abs 2: Der ersuchte Staat nimmt die Zustellung von Schriftstücken wie folgt vor:
a) in einer Form, die sein innerstaatliches Recht für die Zustellung im Wesentlich ähnlicher Schriftstücke vorschreibt.


b) soweit möglich in einer besonderen vom ersuchenden Staat gewünschten Form oder in einer dieser am nächsten kommenden Form, die das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates vorsieht.

Abs 3: Eine Vertragspartei kann die Zustellung von Schriftstücken an eine Person im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei unmittelbar durch die Post vornehmen.

Abs 4: Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als bewirke es die Nichtigkeit einer durch eine Vertragspartei in Übereinstimmung mit ihrem Recht vorgenommenen Zustellung von Schriftstücken.

……

2 Sachverhalt samt Beweiswürdigung

Das FA versuchte das als "Einkommensteuerbescheid 2018" intendierte Schriftstück vom dem Bf auf dem Postweg an die private Wohnadresse in der Slowakei ohne Zustellnachweis zu übermitteln.

Dieses Schriftstück wurde dem Bf in der Slowakei von der Post nicht zugestellt.

Der Bf nahm dieses Schriftstück (auch) nie im Original in Empfang.

Dieser Sachverhalt basiert auf den Angaben des Bf. Wegen des unstrittig vom FA nicht geforderten Zustellnachweises lässt sich die fehlende Zustellung des streitgegenständlichen Schriftstückes durch die Post nicht widerlegen. Auf eine Empfangnahme des Originals durch den Bf (auf einem anderen Weg) fehlen jegliche Hinweise. Auch von Seiten des FA konnte dazu nichts vorgebracht werden. (Vgl Verfahrensgang)

3 rechtliche Beurteilung

Im gegenständlichen Fall ist (zunächst) zu prüfen, ob und wann der "Einkommensteuerbescheid 2018" vom rechtswirksam zugestellt und somit erlassen wurde.

Aus § 11 Abs 1 ZustG ergibt sich eine abgestufte Reihenfolge, die bei der Prüfung, ob eine entsprechende Zustellung in einen anderen Staat möglich und zulässig ist, anzuwenden ist. Primär sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen vorzunehmen. (Vgl )

Das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen

im Ausland, BGBL 67/1983 idF BGBl III 53/2005, dessen Artikel 11 die unmittelbare Zustellung eines Schriftstückes durch die Post im Hoheitsgebiet anderer Vertragsstaaten zulässt, ist auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar, weil es von der Slowakei nicht ratifiziert wurde.

Zu beachten sind aber die Bestimmungen des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, BGBl III 193/2014, welches für Österreich mit in Kraft getreten ist und ua für die Einkommensteuer gilt. Auch die Slowakei hat dieses Übereinkommen (ETS 127) ratifiziert. Am ist es dort in Kraft getreten (vgl http://conventions.coe.int/).

Gemäß Art 17 dieses Übereinkommens steht es jedem Vertragsstaat frei, einer Person im Gebiet eines anderen Vertragsstaates Schriftstücke durch die Post unmittelbar zuzustellen.

Es ist somit an dieser Stelle festzuhalten, dass das FA im gegenständlichen Fall grundsätzlich zur Zustellung des als Einkommensteuerbescheid 2018 intendierten Schriftstücks vom auf dem Postweg befugt war. Tatsächlich war die Zustellung auf dem Postweg allerdings nicht erfolgreich (vgl Pkt 2 Sachverhalt samt Beweiswürdigung).

Aus § 11 ZustG ergibt sich zwar, dass auf Zustellungen im Ausland das österreichische Zustellgesetz grundsätzlich keine Anwendung findet, eine Heilung im Sinne des § 7 ZustG ist aber auch bei einem Zustellmangel im Ausland grundsätzlich möglich. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung grundsätzlich § 7 ZustG maßgeblich ist. (Vgl Bumberger/Schmid Praxiskommentar zum Zustellgesetz, § 11 K5 und K7, ).

Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie gemäß § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Die Frage, ob ein bei der Zustellung unterlaufener Fehler im Hinblick auf § 7 ZustG geheilt wurde, ist von der Behörde von Amts wegen zu prüfen. Allfällige Mängel des Zustellvorganges sind auch dann als geheilt anzusehen, wenn das zuzustellende Schriftstück seinen Empfänger im Ausland wirklich erreicht hat. (Vgl )

Ein tatsächliches Zukommen setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftsatzes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht. Maßgeblich ist für den Tatbestand des "tatsächlichen Zukommens", dass der Bescheid bzw die schriftliche Erledigung

im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird. (Vgl , , ).

Ein tatsächliches Zukommen des Dokumentes "Einkommensteuerbescheid 2018" vom ist nicht erkennbar (vgl Pkt 2 Sachverhalt samt Beweiswürdigung). Der im gegenständlichen Fall vorliegende Zustellmangel konnte somit nicht durch ein tatsächliches Zukommen geheilt werden. Dementsprechend konnte der gegenständliche "Einkommensteuerbescheid 2018" keine Rechtswirksamkeit entfalten.

Mit Bescheidbeschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid ist gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen (Vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 260 Rz 8 mwN).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen nicht existente Bescheide bereits aus dem Gesetz ergibt, war mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 11 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100080.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at