Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2024, RV/2100545/2022

Anspruchszinsen sind von Stundungszinsen zu unterscheiden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2007, 2008 und 2009, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden für die Einkommensteuerjahre 2007-2009 Anspruchszinsen in der ausgewiesenen Höhe für maximal 48 Monate festgesetzt.

Die Vorschreibung resultiert aus der Erlassung der endgültigen Einkommensteuerbescheide, die zu entsprechenden Nachforderungen führte.

In ihrer Beschwerde erhob die Beschwerdeführerin (Bf.) Einwendungen gegen die Vorschreibung derartiger Zinsen, weil sie kein Stundungsansuchen eingebracht hätte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Anspruchszinsen mit der Erledigung der Beschwerde gegen den Abgabenanspruch in einem abweisend erledigt. Inhaltliche Ausführungen zu den Anspruchszinsen sind ihr nicht zu entnehmen.

Mit Schreiben vom wandte sich die Bf. wiederum gegen die Vorschreibung der Anspruchszinsen und beantragte die entsprechende Gutschreibung, weil der Rückstand erst am durch die Vorschreibung der Abgaben entstanden sei.

In der weiteren Folge wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Die belangte Behörde beantragte mit näheren rechtlichen Ausführungen ihre Abweisung.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt ist in objektiver Hinsicht unstrittig, weshalb auf den geschilderten Verfahrensgang verwiesen wird.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung ergibt sich aus der in tatsächlicher Hinsicht unstrittigen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 205 BAO lautet auszugsweise in der für den Beschwerdezeitraum maßgebenden Fassung (BGBl. I Nr. 14/2013):

(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
1.
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
2.
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
3.
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 oder 4 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen. […]

Den angefochtenen Anspruchszinsenbescheiden liegen die sich aufgrund der erlassenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007, 2008 und 2009 vom gegenüber den vorläufig erlassenen Bescheide ergebenden Differenzbeträge zugrunde.

Anspruchszinsenbescheide sind nach ständiger Rechtsprechung an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommen-(Körperschaft-)Steuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (; ; ).

Anspruchszinsen gehören nach § 3 Abs. 2 lit. b BAO zu den Nebenansprüchen und sind zur festzusetzenden Abgabe formell akzessorisch (; ). Eine rechtskräftige Einkommen- oder Körperschaftsteuerfestsetzung wird vom Gesetz nicht verlangt ().
Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide gebunden.
Im gegenständlichen Fall bekämpft die Bf. die Anspruchszinsenbescheide mit dem Vorbringen, dass gegen die Vorschreibung kein Ansuchen um Stundung eingebracht worden sei, weil diese erst am erfolgt sei.
Dies ist nach der Aktenlage sachverhaltsmäßig unbestritten und richtig. In rechtlicher Hinsicht ist diesbezüglich der Bf. nicht zu folgen, weil Stundungs- und Aussetzungszinsen völlig unterschiedliche Rechtsinstitute sind.

Stundungszinsen bilden den wirtschaftlichen Ausgleich für den Zinsverlust, den der Abgabengläubiger dadurch erleidet, dass er die geschuldete Abgabenleistung nicht bereits am Tag der Fälligkeit erhält (, 0240; , 2012/13/0114). Die Verzinsungspflicht besteht für Abgabenschuldigkeiten, solange auf Grund eines offenen Zahlungserleichterungsansuchens Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen (§ 230 Abs. 3 BAO). Einer solcher Sachverhalt liegt gegenständlich - wie die Bf. auch selbst vorbringt - nicht vor, denn die strittigen Abgaben wurden erst mit den endgültigen Einkommensteuerbescheiden nach § 200 Abs. 2 BAO am vorgeschrieben.

Im Gegensatz dazu sollen Anspruchzinsen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (ErlRV 311 BlgNR 21. GP, 196; ; ).
Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 ist daher bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte ( Ritz, SWK 2001, S 27; ; ; ; , RV/7102748/2013; , RV/1100481/2016; ).
Bei der Verzinsung, die sich aus Abänderungen von Bescheiden ergibt, ist bedeutungslos, aus welchen Gründen die ursprüngliche Abgabenfestsetzung unrichtig war. Auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen kommt es nicht an (; ; , RV/7102748/2013). Die Festsetzung der Anspruchszinsen liegt nicht im Ermessen (zB ; , RV/1225-L/09; Tanzer/Unger, BAO 2020/2021, 235). Zinsenrelevante Nachforderungen oder Gutschriften können sich vor allem - jeweils bezogen auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer - ergeben aus auch u.a. den nach § 200 Abs. 2 endgültigen Bescheiden, die nach den vorläufigen ergehen (Ritz/Koran, BAO7, § 205, Rz. 8).

Auf Grund der Tatsache, dass die Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft der Vermietungstätigkeit ab 1998 und 2003 der Bf. erst nach einem längeren Beobachtungszeitraum durch die Abgabenbehörde vorgenommen werden konnte, wurden mit der Festsetzung der Anspruchszinsen Vorteile von Zinsengewinnen auf Grund der späteren endgültigen Veranlagung ausgeglichen. Dieser Zinsenausgleich findet gemäß § 205 Abs. 2 BAO nur für einen Zeitraum von 48 Monaten und nicht bis zur endgültigen Festsetzung statt, der bspw. für das Jahr 2007 länger war; hier endete der Zinsenlauf am und nicht am . Damit wurde ohnehin nur ein Teil des Zinsenvorteils der späteren Abgabenfestsetzung durch die Vorschreibung von Anspruchszinsen ausgeglichen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100545.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at