TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2024, RV/7104948/2016

Kein Vorsteuerabzug bei nicht nachgewiesener Leistung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Fingernagel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die (gemäß § 253 BAO auch als gegen den Umsatzsteuerbescheid 2013 gerichtet geltende) Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf (nunmehr: Finanzamt Österreich) betreffend Umsatzsteuer 01/2013 vom und die Beschwerde vom gegen den Bescheid Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf (nunmehr: Finanzamt Österreich) betreffend Umsatzsteuer 2012 vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (kurz Bf) ist eine GmbH, deren Tätigkeit in der Errichtung und dem Betrieb von Restaurants besteht.

Im Zuge einer bei der Bf durchgeführten Umsatzsteuer-Prüfung für die Monate 02/2012 bis 04/2013 wurde unter Tz 1 des Berichtes vom festgestellt, dass die ***1*** für die Nachtreinigung in dem "***2***" Lokal der Bf monatlich Rechnung gelegt habe. Auf den Rechnungen sei als Adresse des Rechnungslegers ***3***, ***4*** angegeben gewesen. Die Geschäftsbeziehung sei durch ***5*** zustande gekommen. Umfangreiche Überprüfungen der ***1*** durch mehrere Dienststellen der Finanzverwaltung hätten ergeben, dass sämtliche SV-Anmeldungen der angeblichen Reinigungskräfte gefälscht gewesen seien. Der Geschäftsführer der ***1***, ***6***, habe keinen Aufenthaltstitel in Österreich, sei der deutschen Sprache nicht mächtig und sei objektiv gesehen nicht in der Lage gewesen die Geschäfte tatsächlich zu führen. Laut seinen eigenen Angaben vor der Finanzpolizei (Niederschrift vom ) habe er weder Ahnung von der tatsächlichen Betätigung des Unternehmens, noch von seiner angeblichen Wohnadresse It. ZMR in ***3***, ***4***, die auch die Firmenadresse It. Firmenbuch sein sollte. Sein Cousin, ***5***, sei der tatsächliche Machthaber des Unternehmens. Er habe seinem Cousin Geld zur Firmengründung gegeben und geglaubt, die Firma handle mit Zucker.
***5*** habe in der Niederschrift vom ebenfalls angegeben, dass die ***1*** keine Reinigungsarbeiten durchführe und sich am Firmensitz kein Büro, sondern lediglich die Postadresse befunden habe. Die späteren anderslautenden Aussagen von ***5*** und dem Mieter der Wohnung in der ***4***, seien bloße Schutzbehauptungen.
Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung sei der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn auch nur eine falsche Adresse angegeben werde. Eine bloße Zustelladresse reiche für den Vorsteuerabzug nicht aus und es existiere auch kein Vertrauensschutz in Bezug auf eine im Firmenbuch eingetragene Geschäftsadresse. Diese sei nur maßgeblich, wenn und solange das leistende Unternehmen dort tatsächlich eine Geschäftstätigkeit entfalte.
Weiters sei auf den Rechnungen die Bezeichnung Unterhaltsreinigung angegeben. Dabei handle es sich um einen Sammelbegriff, der keine handelsübliche Bezeichnung darstelle.
Da somit die Rechnungen der ***1*** nicht den Vorschriften des UStG entsprächen, sei Vorsteuerabzug daraus zu versagen.

Entsprechend dieser Feststellungen wurden in weiterer Folge am der Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer 01/2013 und am der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012 erlassen.
Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2013 erging am .

Gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 01/2013 und den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012 erhob die Bf mit Schriftsätzen jeweils vom zwei gleichlautende Beschwerden und führte zur Begründung zusammengefasst aus, dass den Reinigungskräften ein Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der ***1*** nicht zur Verfügung gestanden sei und dies auch nicht erforderlich gewesen sei. Die ***1*** habe lediglich über einen Arbeitsplatz zur Verrichtung organisatorischer Tätigkeiten, wie etwa die Planung, Erstellung und Abrechnung von Angeboten und Leistungen benötigt. Dieser Arbeitsplatz habe sich in der ***4*** befunden. Diesbezüglich werde auf die eidesstattliche Erklärung des ***5*** sowie auf die Zeugenaussagen ***7*** und ***8*** im Verfahren vor dem Spruchsenat beim Finanzamt verwiesen. Für den Vorsteuerabzug sei es irrelevant, ob der Geschäftsführer der ***1*** Deutsch spreche oder ob er über einen gültigen Aufenthaltstitel verfüge. Entscheidend sei ausschließlich, ob die im UStG geforderten Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorlägen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH stehe der Vorsteuerabzug auch bei objektiv falscher Anschrift zu, wenn der Leistungsempfänger alles ihm Zumutbare unternommen habe um die Richtigkeit zu überprüfen. Die Bf habe alles ihr Zumutbare unternommen um die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen der ***1*** zu überprüfen. Beispielsweise sei die UID-Nummer überprüft und ins Firmenbuch Einsicht genommen worden. Im Wirtschaftsleben existiere ein Vertrauensschutz. Die Bf habe daher keine Möglichkeit gehabt, eine (angenommene) falsche Geschäftsadresse zu erkennen und könne ihr nicht zugemutet werden bei jedem Lieferanten die Adresse zu überprüfen.
Für die Frage der (richtigen) Anschrift gehe es darum, dass der Unternehmer eindeutig feststellbar sei und keine Verwechslungsgefahr bestehe. Dies sei hier nicht der Fall.
Außerdem sei der Bf nicht die Möglichkeit einer Rechnungsberichtigung gewährt worden. Da die ***1*** mittlerweile im Firmenbuch gelöscht worden sei, sei eine Rechnungsberichtigung unmöglich geworden. Weiters sei eine beantragte Akteneinsicht nicht gewährt worden und das Parteiengehör verletzt worden, da die Behauptung der mangelhaften Leistungsbeschreibung erstmalig in der Schlussbesprechung aufgestellt worden sei.
Beigelegt wurde der Beschwerde eine eidesstattliche Erklärung des ***5***.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom wurde die Bf aufgefordert alle den Rechnungen zugrundeliegenden schriftlichen Unterlagen und Werkverträge vorzulegen.

Mit Schreiben vom wurde von der Bf ergänzend vorgebracht, dass bei rechtzeitiger Gewährung der Akteneinsicht weitere Nachweise hinsichtlich der Geschäftsadresse erbracht hätten werden können. Dies sei nun nicht mehr möglich, sodass eine Akteneinsicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zweckdienlich sei. Ebenso sei das Parteiengehör während der gesamten Betriebsprüfung nicht gewahrt worden, weil die Bf mit den Vorwürfen zur mangelnden Geschäftsgebarung der ***1*** erst im Rahmen der Schlussbesprechung konfrontiert worden sei.
Die ***1*** habe auch an andere (fremde) Unternehmen abgerechnet und die Vorsteuern aus diesen Abrechnungen/Rechnungen seien anerkannt wurden.
Vorgelegt wurde der Vertrag für Gebäudereinigung zwischen der Bf und ***1*** vom Juni 2012.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass der Geschäftsführer der ***1*** niederschriftlich angegeben habe, an der Adresse der ***1*** sei er noch nie gewesen und er wohne dort ganz sicher nicht. Dass er dort polizeilich gemeldet sei, habe er nicht gewusst. Der Firmen-PC und Firmenunterlagen befänden sich in der Wohnung von ***5***. Der Bestätigung vom sei in Ansehung der Erstaussage vom keine Glaubwürdigkeit beizumessen. Nach der Judikatur des VwGH sei der Lebenserfahrung entsprechend davon auszugehen, dass eine Erstaussage den tatsächlichen Verhältnissen entspreche und der Wahrheit am nächsten komme. ***5*** habe am ebenfalls niederschriftlich angegeben, dass die ***1*** nicht in der Reinigungsbranche tätig sei und sie keine Reinigungsarbeiten bei "***2***" durchführe. In dem Verfahren vor dem Spruchsenat habe er angegeben, nichts mit dem Reinigungsgeschäft zu tun gehabt zu haben. Die Geschäftsbeziehungen mit der ***1*** seien durch ***5*** und nicht durch den Geschäftsführer zustande gekommen. Die eidesstattliche Erklärung des ***5*** vom stehe im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben und zur Aussage des Geschäftsführers.
Hinsichtlich der Angaben von ***7*** und ***8*** sei im Sinne der Ausführungen der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom davon auszugehen, dass es sich dabei um von ***5*** veranlasste Gefälligkeitsbestätigungen handle. Die ***1*** habe demnach an der Adresse ***4*** im Zeitraum der Legung der verfahrensgegenständlichen Rechnungen keine Geschäftstätigkeit entfaltet.
Mit der Prüfung von Formalnachweisen, wie z.B. Firmenbucheintragungen und UID-Nummer, werde unternehmerischen Obliegenheiten nicht Genüge getan, weil auch unseriöse Unternehmer versuchen würden wenigstens die formalen Erfordernisse zu erfüllen.
Welche Nachweise hinsichtlich der Geschäftsadresse der ***1*** bei rechtzeitiger Gewährung der Akteneinsicht von der Bf hätten beigebracht werden können, gehe aus der Beschwerde nicht hervor. Die ***1*** sei bereits am tt.mm.2013, dh. kurz nach Beginn der Prüfung, im Firmenbuch gelöscht worden. Die gestellten Formalanforderungen an den Vorsteuerabzug ergäben sich aus dem, mit Gemeinschaftsrecht in Einklang stehenden, § 11 UStG 1994. Im Übrigen sei die UID-Nummer der ***1*** bereits mit begrenzt worden. Eine Rechnungsberichtigung sei daher nicht möglich. Der Bf hätten die Rechnungsmängel außerdem bereits bei Rechnungserhalt auffallen müssen. Das Parteiengehör sei daher nicht verletzt worden.

Mit Schriftsatz vom stellte die Bf einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht. In einer weiteren Eingabe vom verwies die Bf auf die Entscheidung des GZ C-227/14 PPUH Stemcemp, wonach die Sichtweise des Finanzamtes - ein Unternehmer müsse den Firmensitz seines Lieferanten überprüfen - durch die 6. MwSt-RL nicht gedeckt sei.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Vorhalt vom forderte das Bundesfinanzgericht die Bf nochmals dazu auf sämtliche Unterlagen hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zur ***1*** und den Reinigungsarbeiten vorzulegen.

Dieser Vorhalt blieb trotz einer weiteren Aufforderung vom unbeantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die ***1*** wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und unter FN ***9*** im Firmenbuch registriert. Ursprünglich betrieb die ***1*** unter ihrem damaligen Geschäftsführer ***10*** ein Gastronomieunternehmen.

Am erwarb ***6*** sämtliche Gesellschaftsanteile und vertrat seit diesem Zeitpunkt die GmbH als alleiniger Geschäftsführer. Zeitgleich wurde laut Firmenbuchauszug der Betriebssitz nach ***3***, ***4***, verlegt. Die Wohnadresse von ***6*** ist ident mit jener des Betriebssitzes.

Am tt.mm.2013 wurde die Gesellschaft gemäß § 40 FBG von Amts wegen gelöscht.

Laut Gewerberegisterauszug wurde mit die Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe sowie die Durchführung von Reinigungstätigkeiten erteilt.

Gegenüber der Bf ist stets ***5***, der Cousin des Geschäftsführers ***6***, als Vertreter der ***1*** aufgetreten. ***5*** hatte weder eine Handlungsvollmacht noch eine sonstige Vertretungsbefugnis für die ***1***.

Alle in Rede stehenden Rechnungen wurden von der ***1*** ausgestellt und weisen jeweils als Anschrift, ***3***, ***4*** mit der UID-Nr. ***11*** auf. Als Leistungsbeschreibungen sind auf den Rechnungen die Bezeichnungen "Unterhaltsreinigung", "Extra Arbeit" oder "Zusatzreinigung" vermerkt.

Folgende Vorsteuerbeträge wurden im beschwerdegegenständlichen Zeitraum aus den Rechnungen der ***1*** geltend gemacht:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ZR
06/2012
07/2012
08/2012
09/2012
10/2012
11/2012
12/2012
01/2013
VSt
519,00
519,00
519,00
519,00
519,00
519,00
410,67
519,00

Aus dem ZMR-Auszug ist ersichtlich, dass ***6*** in ***3***, ***4***, im Zeitraum vom bis gemeldet war (Hauptwohnsitz). Als Unterkunftgeber scheint ***8*** auf. ***6*** hat zu diesem Zeitpunkt über keinen Aufenthaltstitel in Österreich verfügt.

Hinsichtlich der ***1*** ergaben Erhebungen der Abgabenbehörde (Auskunft des Hausmeisters, ***12***), dass an besagter Geschäftsanschrift die Firma ***1*** nicht bekannt war. Top 24 (Anmerkung: Geschäftsadresse der ***1*** laut Firmenbuch) wurde laut Auskunft des Vermieters und dem vorliegenden Mietvertrag an ***8*** vermietet, der auch der einzige Mieter war und mit den besagten Unternehmen in keinerlei Beziehung stand.

Der Steuerberater der ***1*** gab an, dass ihm im Jahr 2012 kein Geschäftsführerwechsel bekannt sei, laut seinen Unterlagen sei ***10*** Geschäftsführer.
Laut den dem Steuerberater vorliegenden Belegen handelt die ***1*** mit Zucker, es lagen zum damaligen Zeitpunkt offene Rechnungen vor, ***5*** bringt letztlich nur Benzin- und Taxi-Belege. ***5*** ist dem Steuerberater von einer Reinigungsfirma bekannt. Der Steuerberater erklärte sich mit der Begrenzung der UID-Nummer einverstanden.

Der Erstkontakt der Bf erfolgte für die ***1*** über ***5***. Dieser Kontakt entwickelte sich über ein persönliches Gespräch in einer der ***2*** Filialen. Nach Referenzen wurde nicht gefragt. Der Firmensitz wurde nie aufgesucht.

Den Aufträgen lag der - aktenkundige - Vertrag zugrunde. Arbeitsaufzeichnungen hat die Bf für die Arbeiten durch Fremdfirmen nicht geführt. Es gab keine Stundenabrechnung. Auf den Rechnungen ist die Bezahlung durch Überweisung oder Barzahlung vermerkt.

In einer Niederschrift vom mit der Auskunftsperson ***5***, gab dieser in Zusammenhang mit Arbeiten bei anderen Firmen zu Protokoll, dass er selbst für den Ein- und Verkauf der ***1*** zuständig ist. Die Firma handelt mit Zucker. Weiters wollte die ***1*** Geschäfte mit Öl, Gold, Kupfer und Kerosin machen. Ab August 2012 hat die ***1*** keine Geschäfte mehr getätigt. Der Sitz befindet sich in ***3***, ***4***, am Hauptwohnsitz von ***6***. Ein Büro existiert dort nicht, es wird an dieser Adresse nur die Post entgegengenommen. ***6*** schläft an dieser Adresse, wenn er in Österreich aufhältig ist. Das Gewerbe für Reinigungsarbeiten ist angemeldet, aber die ***1*** ist in dieser Branche nicht tätig, auch nicht in den ***2*** Filialen. Die Rechnungen für die ***1*** schrieb am Anfang Herr ***10*** ("Er hat Fehler gemacht. ... Die habe ich ausgebessert."). Über Reinigungsarbeiten gibt es keine Rechnungen. Die ***1*** hat ab Juni 2012 keine Reinigungsarbeiten getätigt und wurde auch nicht mehr unternehmerisch tätig.

Es kann daher festgestellt werden, dass die ***1*** im Zeitraum der angeblichen Leistungserbringung und Legung der verfahrensgegenständlichen Rechnungen keine Geschäftstätigkeit entfaltet hat und die in den Rechnungen angeführten Reinigungsleistungen nicht erbracht hat.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Unterlagen, wie Bescheide, Bericht über die Schlussbesprechung, Beschwerde, Firmenbuchauszüge, ZMR-Abfragen, Niederschriften über die Einvernahmen und dem vorliegenden Mietvertrag.

Zum einen deutet das gänzliche Fehlen von Leistungsnachweisen (wie z.B. Stundenaufzeichnungen etc.) darauf hin, dass die in den Rechnungen angeführten Reinigungsleistungen nicht erbracht wurden. Wenn die Bf in ihrer Beschwerde ausführt, die Werkverträge enthielten äußerst detaillierte Leistungsbeschreibungen, so ist dem entgegenzuhalten, dass der vorgelegte Werkvertrag generelle Vereinbarungen vor Leistungserbringung enthält, welche die den einzelnen Rechnungen zugrundeliegenden Leistungen nicht dokumentieren und nachvollziehbar machen. Soweit in der Beantwortung des Ergänzungsansuchens vom ausgeführt wird, die einzelnen Leistungen seien auch aus den bereits vorliegenden einzelnen Aufzeichnungen über erbrachte Reinigungsleistungen ersichtlich, ist dem entgegenzuhalten, dass solche Aufzeichnungen im gesamten Verfahren nicht vorgelegt wurden. Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, mit welchem Personal die ***1*** die angeblichen Leistungen erbracht haben soll.

Zum anderen geht die mangelnde Leistungserbringung durch die ***1*** aus den Rechnungen hervor, in denen Art und Umfang der Leistung nicht ausreichend bezeichnet wurden. Auf den Rechnungen wurden nur generelle Begriffe wie Unterhaltsreinigung oder Zusatzreinigung angeführt. Ein Verweis auf etwaige andere Unterlage, aus denen die angeblich erbrachten Leistungen hervorgingen, ist den Rechnung nicht zu entnehmen.

Letztlich haben sowohl der Geschäftsführer, als auch der ohne Handlungsvollmacht für die ***1*** aufgetretene ***5*** in ihren Einvernahmen am ausgesagt, dass die GmbH keine Reinigungsleistungen erbracht hat, der Geschäftsführer die angebliche Firmenadresse nicht kennt und dort nie gewesen ist.

Der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer ***6*** war außerdem genau im Zeitraum des Bestehens der ***1*** laut Firmenbuch, in Österreich wohnsitzlich gemeldet, hielt sich jedoch mangels Aufenthaltsgenehmigung nur zeitweise in Österreich auf. In der aktenkundigen Bestätigung vom von ***6*** scheint der Name des Ausstellers zweimal mit einem Schreibfehler auf und ist die Unterschrift nicht ident mit jener der Musterzeichnungserklärung im Firmenbuch (***13***) vom tt.mm.2012. Anzumerken ist, dass sich ***6*** im Zeitpunkt der Ausstellung dieser Bestätigung nicht mehr in Österreich aufgehalten hat (gemeldet im Zentralen Melderegister bis ).

Die Angaben von ***7*** und ***8*** sind aus den eben angeführten Gründen ebenfalls nicht glaubhaft.

Bei der ***1*** handelte es sich daher um ein Unternehmen, welches keinen geschäftlichen Betrieb hatte und folglich keine Leistung erbringen konnte. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus den eben angeführten Aussagen in Zusammenhang mit den fehlenden Leistungsnachweisen und aus dem Umstand, dass die ***1*** auch kein, für die Leistungserbringung erforderliches, Personal hatte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Zunächst ist festzustellen, dass zufolge des § 253 BAO die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 01/2013 auch gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2013 gerichtet gilt.

Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2013 tritt als eigenständiger Bescheid an die Stelle des Umsatzsteuerfestsetzungsbescheides 01/2013, mit der Rechtswirkung, dass der Festsetzungsbescheid außer Kraft gesetzt wird.

3.1.1. Nationales Recht

Nach § 11 Abs 1 UStG 1994 müssen Rechnungen grundsätzlich folgende Angaben enthalten:

1. den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung;

3. die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung;

4. den Tag der Lieferung oder der sonstigen Leistung oder den Zeitraum, über den sich die sonstige Leistung erstreckt.

5. das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 4 UStG 1994) und den anzuwendenden Steuersatz;

6. den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag.

Gemäß § 11 Abs 3 UStG 1994 ist für die unter § 11 Abs 1 Z 1 und 2 UStG 1994 geforderten Angaben jede Bezeichnung ausreichend, die eine eindeutige Feststellung des Namens und der Anschrift des Unternehmens sowie des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung ermöglicht.

Nach § 12 Abs 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesenen Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für ein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft.

Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 2009/13/0172, unter Bezugnahme auf die Judikatur des EuGH dargelegt: "Wie der EuGH in mittlerweile ständiger Judikatur ausführt, ist das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Die objektiven Kriterien für den Vorsteuerabzug sind demnach nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht. Gleiches gilt aber auch, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist."

In seinem Erkenntnis vom , 2008/15/0124 führt der VwGH zum Vorsteuerabzug aus: "Konnte aber die belangte Behörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften davon ausgehen, dass die I GmbH nicht der Erbringer der in den Rechnungen bezeichneten Leistungen gewesen ist und auch nicht die in den Rechnungen genannten Beträge erhalten hat, dann wurde der Beschwerdeführerin die Geltendmachung der in diesen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer zu Recht versagt und die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge zu Recht nicht als Betriebsausgabe zugelassen."

Die Unternehmereigenschaft des "anderen Unternehmers" muss objektiv nach den Kriterien des § 2 UStG 1994 gegeben sein. Das gilt selbst dann, wenn der Leistungsempfänger alle zumutbaren Schritte unternommen hat, um sich über die Unternehmereigenschaft des Partners zu vergewissern. Das UStG 1994 kennt keinen Schutz des guten Glaubens. Stellt sich die fehlende Unternehmereigenschaft nachträglich heraus, ist der Vorsteuerabzug zu korrigieren (Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 33 mwN.).

Gemäß § 138 BAO ist der Abgabepflichtige dazu verpflichtet die Richtigkeit seiner Angaben, durch Vorlage entsprechender Unterlagen zu beweisen.

Nach § 166 BAO kommt im Abgabenverfahren alles als Beweismittel in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren, ob die Bf die als Umsatzsteuer ausgewiesenen Beträge aus den Rechnungen der ***1*** als Vorsteuer geltend machen kann. Für die Abgabenbehörde bestanden aufgrund ihrer Ermittlungsergebnisse Zweifel daran, wer die in Rechnung gestellten Leistungen an die Bf erbracht hat und hat diese Rechnungen als von Scheinfirmen ausgestellt qualifiziert. Es liege bei der Rechnungsausstellerin keine unternehmerische Tätigkeit vor. Nach Ansicht der Bf sei sie jedoch hinsichtlich der Überprüfung der unternehmerischen Tätigkeit der Rechnungsausstellerin durch Abfragen der UID-Nummer und des Firmenbuchauszuges ihrer Sorgfaltspflicht hinreichend nachgekommen und der Vorsteuerabzug stehe zu.

Die Außenprüfung stellte anlässlich ihrer Erhebungen fest, dass sich an der Sitzadresse der ***1*** keine Anhaltspunkte für eine dort ausgeübte Geschäftstätigkeit ergeben haben, die Gesellschaft ist am angeblichen Betriebsort nicht existent und der Geschäftsführer nicht ständig in Österreich aufhältig.

Am gab ***6***, der im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer und Alleingesellschafter der ***1*** zu Protokoll, dass er die im Firmenbuch angeführte Adresse nicht kennt und er wusste ebenfalls nicht, dass er in Österreich im Zentralen Melderegister gemeldet ist. Als Schlafstelle während seiner Österreich-Aufenthalte benutzt er die Wohnung seines Cousins ***5***. Die Unterlagen für die ***1*** würden sich seines Wissens nach in der Wohnung von ***5*** im ***. Bezirk befinden. Er vertritt die ***1*** nur papiermäßig als Geschäftsführer, die Geschäfte wickelt ***5*** ab.

Aktenkundig ist weiters ein Schreiben vom von ***6***, in welchem er den Sitz der ***1*** sowie seinen Wohnsitz in ***4*** bestätigt.

Auch wenn ein Wohnsitz eines Geschäftsführers im Inland nicht Voraussetzung für die Tätigkeit einer in Österreich eingetragenen Gesellschaft ist, ist festzustellen, dass ungeachtet einer entsprechenden Vorschrift dessen Fehlen ein Indiz für die mangelnde Leistungserbringung sein kann (vgl. : "Die S. GmbH war an der im Firmenbuch angegebenen Anschrift ebenso unbekannt wie ihr Geschäftsführer, der nach den Meldedaten sich am , also lange vor den Rechnungsdaten, ins Ausland abgemeldet hat. Das Beweisverfahren hat daher keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass durch die behaupteten Gesellschaften Leistungen an die Gemeinschuldnerin erbracht worden sind…").

Die Bf wurde von ***5*** kontaktiert, der einen Kostenvoranschlag für die durchzuführenden Arbeiten vorlegte. Bei diesem Kostenvoranschlag handelt es sich um ein Pauschalangebot, welches der Rechnung zugrunde gelegt wurde. Am hat ***5*** niederschriftlich im Finanzamt angegeben, dass die ***1*** nicht in der Reinigungsbranche tätig war und keine Reinigungsarbeiten für die Bf erbracht hat.

Die Erstgespräche fanden in einem der "***2***" Lokale der Bf statt. Es wurden jedoch weder die Geschäftsanschrift überprüft, noch ob ***5*** tatsächlich für die ***1*** tätig werden konnte.

Die Bf legte einen Firmenbuchauszug sowie die Bestätigung einer UID-Nummer vor. Weitere Unterlagen wurden nicht vorgelegt.

Grundsätzlich kann aus Unterlagen wie Firmenbuchauszügen, Bestätigungen von UID-Nummern, Steuernummern uä nicht geschlossen werden, dass das Unternehmen tatsächlich existiert und die in Rechnung gestellten Leistungen tatsächlich erbracht hat.

Die Zahlungen zur Begleichung der erbrachten Leistungen erfolgten auf das auf der Rechnung angegebene Bankkonto oder bar. Festgestellt wurde, dass bei behaupteter Barzahlung diese an ***5*** erfolgte und nicht an den Geschäftsführer.

Die Unauffindbarkeit des Geschäftsführer-Gesellschafters der Unternehmerin, die Nichtexistenz der Firma an der in den Rechnungen aufscheinenden Adresse, die Tatsache, dass ohne Kontrolle Überweisungen auf das auf der Rechnung aufscheinende Konto vorgenommen wurden, waren ausreichend maßgebliche Gründe für die Annahme, dass die ***1*** nicht Empfänger der Zahlungen war und die in den Rechnungen abgerechneten Leistungen nicht erbracht hat.

Ist eine Leistung ausgeführt worden, scheint aber in der Rechnung als leistender Unternehmer eine Firma auf, die unter der angegebenen Anschrift gar nicht existiert, so fehlt es an der Angabe des leistenden Unternehmers. Es liegt nach traditioneller Sicht bei Angabe einer falschen Adresse keine Rechnung vor, die zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Der EuGH hat in seinen Urteilen zur Bedeutung der Rechnung für den Vorsteuerabzug dieser jedoch lediglich eine Dokumentationsfunktion beigemessen, die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht dazu führen kann, den Vorsteuerabzug nur deshalb zu versagen, weil die Rechnung nicht die vorgeschriebenen Angaben enthält. Vielmehr können die von der Mehrwertsteuerrichtlinie geforderten Angaben auch anders als durch die Rechnung nachgewiesen werden ( "HE"; , C-280/10 "Polski Trawertyn"). Entscheidend ist das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen. Dazu hat die Behörde alle ihr vorliegenden Informationen zu berücksichtigen.

Der Vorsteuerabzug steht folglich trotz formell nicht ordnungsgemäßer Rechnung zu, wenn die Abgabenbehörde über sämtliche Daten verfügt, um festzustellen, dass die materiellen Voraussetzungen vorliegen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 11 Tz 57).

Das Gesetz enthält keine klare Regelung für den Fall, dass die Rechnung zwar die erforderlichen Angaben enthält, die Angaben aber nicht dem tatsächlichen Geschehen oder der Rechtslage entsprechen. Nach der Rechtsprechung des VwGH setzt eine Rechnung im Sinne des § 11 Abs 1 UStG 1994 nicht notwendig Übereinstimmung zwischen der in Rechnung bekundeten Fakten und dem tatsächlichen Geschehensablauf voraus (; ). Hinsichtlich der materiellrechtlichen Voraussetzungen derartiger Falschrechnungen ist zu unterscheiden, ob die unrichtige Angabe für den sorgfältig handelnden Leistungsempfänger leicht erkennbar ist oder nicht.

Liegt eine Rechnung im Sinne des Art 226 MwSt-RL vor, die sämtliche erforderlichen Merkmale enthält, von denen einzelne unzutreffend sind, wie im vorliegenden Fall eine unzutreffende Adresse, ist eine Berichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzuges nicht erforderlich, wenn die Unrichtigkeit für den Leistungsempfänger nicht offensichtlich war (Ruppe/Achatz, UStG5, § 11 Tz 58).

Sinn dieser Gesetzesbestimmung ist es, dass der Rechnung eindeutig jener Unternehmer zu entnehmen ist, der tatsächlich geleistet hat (). Die Angabe von Name und Anschrift des liefernden und leistenden Unternehmers in einer Rechnung dient nicht nur der Kontrolle, ob der Leistungsempfänger eine (zum Vorsteuerabzug berechtigende) Leistung von einem anderen Unternehmer erhalten hat, sondern auch der Sicherstellung der Besteuerung beim leistenden Unternehmer (vgl. ). Es genügt daher nicht, dass aus der Rechnung hervorgeht, dass irgendein Unternehmer die verrechnete Leistung erbracht hat, es muss der Rechnung eindeutig jener Unternehmer zu entnehmen sein, der die Leistung tatsächlich erbracht hat (; ; vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 11 Tz 59).

Der Vorsteuerabzug steht nur zu, wenn der andere Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung erbringt. Fehlt diese Leistung, so kann die Vorsteuer nicht abgezogen werden, auch wenn eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis vorliegt und der Aussteller die Steuer gemäß § 11 Abs 14 UStG 1994 schuldet oder bezahlt hat ().

Aufgrund der vom Bundesfinanzgericht als wahr gewerteten Aussage von ***5***, - die mit der Aussage des steuerlichen Vertreters ("... laut Belegen handelt die ***1*** mit Zucker ...") übereinstimmt - der zu Protokoll gab, dass die ***1*** weder Reinigungsarbeiten noch andere Bauarbeiten durchgeführt hat, sondern nur im Zuckerhandel tätig war, sind die in der Rechnung ausgewiesenen Leistungen nicht vom Rechnungsaussteller erbracht worden.

Bei den Erhebungen des Finanzamtes, deren Ergebnis das Bundesfinanzgericht als glaubhaft erachtet, konnten an der Rechnungsadresse keine Betriebsräumlichkeiten des Unternehmens festgestellt werden. Die im Firmenbuch ausgewiesene Adresse ist ident mit der (nur während dieses Zeitraumes aufscheinenden) Wohnanschrift des Geschäftsführers und Alleingesellschafters. Es liegt zwar eine Anmeldung im Zentralen Melderegister des Geschäftsführers und Alleingesellschafters vor, er hat sich bei seiner Einvernahme durch die Finanzverwaltung hinsichtlich seines Wohnsitzes bzw. Betriebssitzes jedoch in Widersprüche verwickelt. Einen weiteren Wohnsitz im Inland gibt es nicht. Davor und danach gab es ebenfalls keine Meldung von ***6*** in Österreich.

Aus den Ermittlungsergebnissen ergibt sich damit eindeutig, dass weder der Ort der Geschäftsleitung noch der Geschäftstätigkeit im Sinne des § 11 Abs 1 Z 1 UStG 1994 sich im Leistungs- und Abrechnungszeitpunkt an der angegebenen Rechnungsadresse befunden hat.

Da die ***1*** die in Rechnung gestellten Leistungen nicht erbracht hat, muss davon ausgegangen werden, dass die gegenständlichen Reinigungsarbeiten unter Zuhilfenahme von "Schwarzarbeitern" oder von der Bf bzw ihrer Bevollmächtigten selbst ausgeführt wurden.

Daran vermag auch der Umstand, dass es sich bei der Rechnungsadresse um die Geschäftsanschrift laut Firmenbuch gehandelt hat, nichts zu ändern. Es gibt keinen wie auch immer gearteten, sich auf steuerliche Belange ausdehnenden Vertrauensschutz hinsichtlich einer im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsadresse (welche eine bloße Zustelladresse sein kann), die nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. § 15 UGB gilt lediglich für den Geschäftsverkehr und schützt den guten Glauben Dritter im Geschäftsverkehr an wichtige Tatsachen und Rechtslagen. Im Bereich des öffentlichen Rechts greift § 15 UGB nicht (vgl. Krejci, Handelsrecht2, Wien 2001, 57).
Der gemäß § 4 GmbHG im Gesellschaftsvertrag einer GmbH zwingend zu nennende Sitz soll prozessuale Zuständigkeiten örtlich festlegen und den Ort determinieren, an dem die Generalversammlung statt zu finden hat (§ 36 GmbHG). Der Sitz der Gesellschaft muss aber keinesfalls mit dem Ort, von dem aus die Verwaltung der Gesellschaft geführt wird oder die Gesellschaft ihre laufende Geschäftstätigkeit entfaltet, identisch sein. Aus diesem Grund erfolgen diesbezüglich durch das Firmenbuchgericht weder Überprüfungen bei der Ersteintragung noch bei späteren Verlegungen (Koppensteiner, GmbHG-Kommentar, § 4 Rz 4f).

Die Angaben im Firmenbuch zum Sitz bzw. zur Geschäftsanschrift lassen daher keine Aussagen über den Ort der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens zu. Aus diesen rechtlichen und faktischen Gründen kann daher im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug kein Vertrauensschutz in Bezug auf eine im Firmenbuch eingetragene Geschäftsadresse als "richtige" Rechnungsadresse bestehen.

Die Angaben von Namen und Anschrift des liefernden und leistenden Unternehmers in einer Rechnung dienen nicht nur der Kontrolle, ob der Leistungsempfänger eine (zum Vorsteuerabzug berechtigende) Leistung von einem anderen Unternehmer erhalten hat, sondern auch der Sicherstellung der Besteuerung beim leistenden Unternehmer (vgl. ).

Auf den "guten Glauben" des Rechnungsempfängers in Bezug auf die Rechnungsmerkmale kommt es nicht an (vgl. etwa ).

Eine "Ungreifbarkeit des Leistungserbringers" ist das Risiko eines Leistungsempfängers, der sich auf eine Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen hat (vgl. ).

Den vorgelegten Unterlagen wie Firmenbuchauszügen, Bestätigungen von UID-Nummern, Steuernummern udgl. kommt dabei lediglich Indizwirkung zu, aus deren Vorhandensein aber noch keinesfalls eindeutig geschlossen werden kann, dass das abgefragte Unternehmen die Leistungen auch tatsächlich erbracht hat oder nicht.

Es ist jedem Geschäftspartner zumutbar und fällt in die Pflicht eines ordentlichen Unternehmers, sich vor Auftragsvergabe von der Redlichkeit seines Kontrahenten durch die zur Verfügung stehenden Kontrollmöglichkeiten zu überzeugen. Dies hat besonders im Bereich der Risikobranchen - wie eine Nebenbranche der Baubranche - Gültigkeit. Wenn von den zahlreichen Möglichkeiten zur Überprüfung und Dokumentation nicht oder unzureichend Gebrauch gemacht wird, der Geschäftspartner sich als unehrlich erweist, so fällt dies unter das Unternehmerwagnis.

Die Bf ist ihrer Sorgfaltspflicht durch vorwiegend passives Verhalten (Kontaktaufnahme durch Gespräche in einem der Lokale der Bf, der Firmensitz des Unternehmers wurde nicht aufgesucht, keine Maßnahmen zur Überprüfung des Unternehmers) nicht gerecht geworden.

Die Bf hat sich nicht davon überzeugt, dass das Unternehmen an der im Firmenbuch ansässigen Adresse tatsächlich seinen Sitz hat und verfügte auch über keinerlei sonstige Informationen über feste Adressen des Fremdleisters. Sie hat sich auch nicht näher über den Betrieb der jeweiligen Unternehmung und zwar insbesondere darüber informiert, ob diese in der Lage war, entsprechende Leistungen überhaupt und ordnungsgemäß zu erbringen. Eine Beauftragung von Firmen wird im Allgemeinen wohl nur dann erfolgen, wenn man sich davon überzeugt hat, dass der Auftragnehmer in der Lage ist, den übernommenen Auftrag fach- und zeitgerecht zu erfüllen, dies umso mehr, als die Bf nicht auf entsprechende Erfahrungen mit der in Rede stehenden Firma zurückgreifen konnte, weil sie mit dieser erstmals in Verbindung getreten ist. Dass die Bf die Firma, von der sie abgesehen von deren rechtlicher Existenz nichts wusste, und zu der sie zuvor noch keinen geschäftlichen Kontakt hatte, nicht näher überprüfte, ist nicht plausibel.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt, oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. (z.B. ; ). Die Abgabenbehörde muss, wenn eine Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet, den Bestand dieser Tatsache nicht "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" nachweisen.

Im gegenständlichen Verfahren wurde seitens der Bf von Kontrollmöglichkeiten kein Gebrauch gemacht. Grundaufzeichnungen, Aufzeichnungen über handelnde Personen oder sonstiger Schriftverkehr, welche in aller Regel bei Geschäftsabläufen zwangsläufig anfallen, wurden nicht vorgelegt.

Die Leistungserbringung durch die in Rede stehende Firma konnten weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden.

Die Ansicht der Bf, dass (unabhängig von der Leistungserbringung) alleine aufgrund ihrer vorgelegten Unterlagen mit Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass das in der Rechnung ausgewiesene Unternehmen auch (operativ) tätig war (und nicht z.B. in Betrugsabsicht gegründet oder fortgeführt wurden, wobei Hintermänner über entsprechende Unterlagen verfügten) ist nicht zutreffend. Es ist vielmehr auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen.

Da sich in Bezug auf die verfahrensgegenständliche Firma aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ergab, dass die in der Rechnung aufscheinende Firma die Leistungen nicht erbracht hat, wurde der Abzug der darin ausgewiesenen Vorsteuer zu Recht versagt.

Die angefochtenen Bescheide stehen daher im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH, wenn die Abgabenbehörde den Vorsteuerabzug für jene Rechnung, die als Adresse die ***1***, ***4***, aufweist, deswegen versagt, weil die (angeblich) leistende Unternehmerin an der von ihr beim Firmenbuch und beim Finanzamt angegebenen Adresse nicht existiert.

Ein Vorsteuerabzug aus den verfahrensgegenständlichen Rechnungen steht somit nicht zu.

3.1.2. Vorliegen der materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach der Rechtsprechung des EuGH

Der Gerichtshof der Europäischen Union vertritt die Auffassung, dass eine Rechnung zwar eine wichtige Dokumentationsfunktion erfüllt, aber unter bestimmten ausnahmsweisen Umständen die Angaben für den Vorsteuerabzug auf andere zulässige Weise als durch eine Rechnung nachgewiesen werden können und das Erfordernis, über eine in allen Punkten der Richtlinie 2006/112/EG entsprechende Rechnung zu verfügen, bei Vorliegen dieser besonderen Umstände das Erfordernis des Nachweises mittels Rechnung geeignet wäre, das Abzugsrecht eines Steuerpflichtigen in Frage zu stellen (vgl. etwa , "Polski Trawertyn").

Vorweg ist festzuhalten, dass derartige besondere Umstände wie in der Rechtssache Polski Trawertyn (dort: Vorsteuerabzug durch die Gesellschaft bei Rechnung an die Gesellschafter vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister) hier nicht vorliegen.

Allerdings sind Unregelmäßigkeiten von Rechnungen bei der vom nationalen Gericht vorzunehmenden Gesamtbeurteilung des Falles sehr wohl zu berücksichtigen (vgl. , LVK - 56 EOOD).

In den Urteilen Geisel () und Butin (C-375/16, Rn 41ff) führt der EuGH aus, dass die Angaben, die eine Rechnung letztlich enthalten muss, eine Kontrolle der Steuerabfuhr und des Bestehens des Vorsteuerabzugsrechtes ermöglichen sollen.

Nach Art 9 Abs 1 MwStSyst-RL gilt als "Steuerpflichtiger", wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt. Als "wirtschaftliche Tätigkeit" gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.

Um den Vorsteuerabzug mangels formeller Voraussetzungen trotzdem geltend zu machen, müssen folgende materielle Voraussetzungen erfüllt werden:

  1. Der Betroffene ist ein Steuerpflichtiger iSd Mehrwertsteuersystemrichtlinie.

  2. Die zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen werden vom jeweiligen Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet.

  3. Die Gegenstände oder Dienstleistungen wurden auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht.

Strittig ist, ob die zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug angeführten Leistungen (hier die Reinigungsarbeiten) überhaupt erbracht wurden.

Die Leistung wurde auch nicht auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen erbracht. Dazu ist auszuführen, dass es sich bei der ***1*** um keinen Steuerpflichtigen handelt, da die Gesellschaft nur zum Zweck eines Umsatzsteuermissbrauchs gekauft wurde (Antrag auf Eintragung im Firmenbuch vom tt.mm.2012) und ca. ein Jahr danach die Gesellschaft von Amts wegen gelöscht wurde (Eintragung im Firmenbuch am tt.mm.2013).

Im Erkenntnis vom , RV/7101049/2010, kommt das BFG zum Ergebnis, dass - , Barlis und Senatex, folgend - in einer Rechnung zumindest angeführt sein muss, wer wann an wen was geleistet habe und wie hoch das Entgelt gewesen ist. Fehlt eine dieser Mindestanforderungen an eine Rechnung oder sind die Angaben in der Rechnung fehlerhaft, ist ein Vorsteuerabzug nur dann zulässig, wenn die beschwerdeführende Partei den Nachweis erbringt, dass die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind. Als Nachweis dafür ist jede von der Bf beigebrachte Information zu berücksichtigen.

Der Vorsteuerabzug setzt somit auch voraus, dass in der Rechnung jener Unternehmer ausgewiesen wird, der die Leistung tatsächlich erbracht hat. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

3.1.3. Zusammenhang der Umsätze mit Mehrwertsteuerhinterziehung und anderen betrügerischen Handlungen

Wie ausgeführt, ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH das Recht der Steuerpflichtigen, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für die von ihnen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet wird oder entrichtet wurde, ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Hierzu hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass das in den Art 167 ff der Richtlinie 2006/112/EG geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Insbesondere kann dieses Recht für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (vgl. , Bonik).

§ 12 Abs 1 Z 1 UStG 1994 schließt als nationale Rechtsvorschrift den Vorsteuerabzug auch bei Vorliegen (hier - siehe oben - nicht einmal gegebener) formell ordnungsmäßiger Rechnungen aus, wenn die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt wird, "der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht".

Diese Bestimmung entspricht dem Unionsrecht. Der Europäische Gerichtshof hat in den Urteilen und C-142/11, Dávid, ausgesprochen, dass Art 167, 168 Buchst. a, 178 Buchst. a, 220 Nr. 1 und 226 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen sind, dass kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, wenn der "betroffene Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Rechnungsaussteller oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war".

Der EuGH hat diese Auffassung im , Maks Pen, wiederholt: "Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in dem Sinne auszulegen, dass sie ausschließt, dass ein Steuerpflichtiger die Mehrwertsteuer abzieht, die in den von einem Leistenden ausgestellten Rechnungen ausgewiesen ist, wenn die Leistung zwar erbracht worden ist, sich aber herausstellt, dass sie nicht tatsächlich von diesem Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden ist, insbesondere weil diese nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügten, die Kosten ihrer Leistung in ihrer Buchführung nicht dokumentiert wurden oder die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet haben, sich als falsch erwiesen hat, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich diese Umstände den Tatbestand eines betrügerischen Verhaltens erfüllen und aufgrund der von den Steuerbehörden beigebrachten objektiven Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in diesen Betrug einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist."

Da missbräuchliche oder betrügerische Tätigkeiten kein in der Unionsrechtsordnung vorgesehenes Recht begründen können, bedeutet die Versagung eines sich hier aus einer Richtlinie ergebenden Vorteils nicht, dass dem Einzelnen nach dieser Richtlinie eine Verpflichtung auferlegt wird, sondern ist die schlichte Folge der Feststellung, dass die objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des angestrebten Vorteils, die in dieser Richtlinie in Bezug auf dieses Recht vorgeschrieben sind, in Wirklichkeit nicht erfüllt sind (vgl. C-439/04und C-440/04, Kittel und Recolta Recycling; EuGH C-107/13, , FIRIN).

Wie die Abgabenehörde unbestritten festgestellt hat, ist der leistende Unternehmer, nämlich die ***1***, ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen, sie hat insbesondere die streitgegenständliche Umsatzsteuer nicht entrichtet und kann diese auch nicht zwangsweise eingebracht werden.

Ob der Steuerpflichtige gutgläubig ist, ist danach zu beurteilen, ob er sämtliche Maßnahmen getroffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass sein Umsatz nicht Teil eines Mehrwertsteuerbetruges ist. Ob ein Unternehmer "wissen konnte" oder "hätte wissen müssen", dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen (vgl. ).

Im Gefolge der vorstehenden EuGH-Rechtsprechung wurde mit Abgabensicherungsgesetz 2007 in § 12 Ab 1 Z 1 UStG die Regelung aufgenommen, dass einem Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz iZm einem Finanzvergehen steht. Dies gilt nach § 12 UStG auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft. Zugleich wurde mit dieser Vorschrift aber der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers bestätigt, wenn er von dem Finanzvergehen in der Lieferkette weder wusste noch wissen musste. Damit sichert diese Vorschrift, der Rechtsprechung des EuGH folgend, den Vorsteuerabzug für gutgläubige Mehrwertsteuerbetrugsopfer ab.

Weil die Verweigerung des Rechts auf Vorsteuerabzug eine Ausnahme vom Grundprinzip ist, das dieses Recht darstellt, obliegt es der Steuerbehörde, die objektiven Umstände hinreichend nachzuweisen, die belegen, dass der Steuerpflichtige vom Umsatzsteuerbetrug wusste oder hätten wissen müssen. Bloße Zweifel der Finanzbehörden reichen nicht aus, um dem Bürger das Recht auf Vorsteuerabzug zu verwehren (vgl. C-80/11und C-1XX/11, Mahageben kft und Peter David).

Die Überprüfung des Umfelds der Lieferungen ist auch durch die EuGH-Rechtsprechung gedeckt. Es kann daher "ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet sein, sich im Falle von 'Unregelmäßigkeiten' oder 'Steuerhinterziehung' von einem Lieferanten Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen" (vgl. C-80/11und C-81/11, Mahageben kft und Peter David, Rz 60).

Bei der Bestimmung, ob der Unternehmer die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, wird im konkreten Einzelfall zu prüfen sein, welche Maßnahmen angesichts der konkreten Verhältnisse dem Abnehmer zumutbar sind. Allgemein wird gelten, dass ein umso höheres Maß an Wachsamkeit und entsprechende Maßnahmen vom Abnehmer verlangt werden müssen, je ungewöhnlicher sich die Geschäftsverhältnisse im Einzelfall darstellen.

Es ergibt sich somit eine Verpflichtung aller Wirtschaftsteilnehmer, ein vertretbares Maß an Sorgfalt beim Leistungsbezug anzuwenden. Von einem Unternehmer darf im Hinblick auf seinen Vorlieferanten ein durchaus nennenswertes Maß an Sorgfalt erwartet werden. Es ist einem Unternehmer durchaus zumutbar, aufgrund einer gewissen Wachsamkeit sich über den Hintergrund seiner Warenbezüge (sowohl hinsichtlich der Lieferanten als auch der Liefergegenstände) zu informieren.

Das Bundesfinanzgericht vertritt die Rechtsansicht, dass eine simple Abfrage von Firmenbuch- und UID-Daten nicht ausreicht, um die Sorgfaltspflichten in angemessener Weise nachzukommen.

Bei der Reinigungsbranche (Nebengewerbe der Baubranche) handelt es sich um eine Branche, in der Umsatzsteuerbetrug häufig vorkommt.

Bei Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen, wie im gegenständlichen Fall, ist gegebenenfalls vor Ort zu prüfen, ob die handelnden Personen erreichbar sind und ein aktiver Betrieb unterhalten wird. Der im Firmenbuch ausgewiesene alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer war für die Bf nicht erreichbar und wurde dies auch nicht vorgebracht. Die Geschäfte wurden ausschließlich über ***5*** abgewickelt.

Die im Firmenbuch eingetragene und auf der Rechnung aufscheinende Adresse wurde nicht überprüft.

Zu den Zahlungsmodalitäten ist auszuführen, dass diese teilweise per Überweisung an die auf der Rechnung angegebene Kontonummer oder bar bezahlt wurde.

Schon bei der Geschäftsanbahnung hätte die Bf hellhörig werden müssen, nachdem diese in einem ihrer Lokale über ein Gespräch erfolgte.

***5*** war laut Firmenbuchauszug nicht zur Geschäftsführung befugt. Die Geschäftsverbindung war neu und von kurzer Dauer. Die rechnungsausstellende Firma wurde kurz vor den Umsätzen gekauft und wurde bald nach Ausstellung der letzten verfahrensgegenständlichen Rechnung auf Antrag des Finanzamtes von Amts wegen gelöscht. Dass das Unternehmen kurz vor Beginn der Geschäftsbeziehungen erst erworben wurde, ergibt sich unstrittig aus dem Firmenbuchauszug.

Die Überprüfung des Geschäftspartners durch die Bf erfolgte durch die Einholung eines Firmenbuchauszuges und Abfrage der UID-Nummer. Eine Überprüfung der tatsächlichen Existenz des Vertragspartners vor Ort oder durch Google Maps wurde nicht vorgenommen. Der Bf ist auch nicht aufgefallen, dass die Anmeldung des Geschäftsführers, ***6***, im Zentralen Melderegister in zeitlicher Hinsicht mit dem Erwerb der Gesellschaftsanteile zusammenfällt.

Auskünfte von Geschäftspartnern oder aus Firmendatenbanken, eine eindeutige Identifikation der Vertretungsbefugnis der handelnden natürlichen Personen wurde ebenfalls nicht vorgenommen.

Weder sind ernsthafte Preisverhandlungen erkennbar, noch existieren persönliche Kontakte zu anderen Branchenunternehmen.

Aus den angeführten Gründen lässt sich der Schluss ableiten, dass sich die Bf der besonderen Ungewöhnlichkeit der Umstände der Geschäftsabwicklung (steuerbetrugsanfällige Branche, fehlender Unternehmensstandort, Aufnahme der neuen Geschäftsbeziehung durch persönliche Kontaktaufnahme, kurzes Bestehen des Unternehmens, Branchenwechsel beim leistenden Unternehmen, Barzahlungen) bewusst war und nicht die erforderlichen Sorgfaltspflichten erfüllt hat und somit vom Mehrwertsteuerbetrug "wusste oder wissen hätte müssen".

Im vorliegenden Fall konnte die Bf nach dem vom Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhalt erkennen, dass ihr Umsatz in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

Maßgebend ist somit nicht eine isolierte Betrachtung bzw. das Herausgreifen einzelner Fakten, weil erst durch das Zusammenspiel sämtlicher Indizien im jeweils konkret zu beurteilenden Einzelfall eine Gesamtbetrachtung überhaupt erst ermöglicht wird.

Im Zuge dieser Gesamtbetrachtung kam das Bundesfinanzgericht aus den oben dargelegten Gründen zum Ergebnis, dass die Bf den Mehrwertsteuerschwindel hätte erkennen müssen.

Der Bf steht daher das Recht auf Vorsteuerabzug nicht zu.

Bezüglich der Akteneinsicht wird festgehalten, dass unter Akteneinsicht die Einsichtnahme sowie die Abschriftnahme durch die Partei zu verstehen ist. Die Gewährung der Akteneinsicht bedarf keines Bescheides (Ritz/Koran, BAO7, § 90 Rz 9). Wird ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, der - wie hier - nicht abgewiesen wird, dann liegt es an der Partei, diese Möglichkeit zu nützen (vgl. )

Ergänzend wird auf die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7104927/2016, und vom , RV/7104946/2016, hingewiesen, in denen ebenfalls die Abzugsfähigkeit von Vorsteuern aus Rechnungen, welche die ***1*** als Aussteller ausweisen, zu beurteilen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Vorsteuerabzuges des Leistungsempfängers für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, wenn die Leistung nicht vom Rechnungsaussteller erbracht wurde.

Da im vorliegenden Fall eine Sachverhaltsfrage zu lösen war, ist die ordentliche Revision unzulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 256 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104948.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at