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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.01.2024, RV/5100216/2023

Kein Beihilfenanspruch für die Zeit zwischen zwei unterschiedlichen Berufsausbildungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***1*** betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von 642,30 € zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin bezog für ihren am ***x***.2002 geborenen Sohn ***P*** Familienbeihilfe.

Das Kind war ab Arbeiterlehrling bei der Firma ***F*** GmbH in ***T***. Die ***F*** ist laut Beschreibung auf ihrer Homepage eine der führenden strategischen Partner der internationalen Motoren- und Fahrzeugindustrie, von Anbietern in der Energieerzeugung und -übertragung, der Öl- und Gasindustrie sowie im Anlagenbau. Von der ***F*** werden entsprechende Lehrberufe (z.B. Metalltechnik, Elektrotechnik) angeboten. Eine Lehrausbildung zum Tischler wird von diesem Unternehmen nicht durchgeführt.

In einer Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass für das Kind bis März 2021 Familienbeihilfe gewährt würde; der Sohn der Beschwerdeführerin war im Zeitpunkt dieser Mitteilung noch Lehrling. Dieses Lehrverhältnis wurde laut Sozialversicherungsdaten am beendet, eine positive Ablegung der Lehrabschlussprüfung ist nicht aktenkundig.

In einer weiteren Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom wurde ausgeführt, dass aufgrund der Corona-Pandemie die Familienbeihilfe automatisiert bis inklusive Juni 2021 verlängert werde, da anhand der Aktenlage davon ausgegangen werde, "dass ein weiterer Anspruch auf Familienbeihilfe wahrscheinlich ist". In den nächsten Tagen werde dennoch ein Schreiben zur Überprüfung des Beihilfenanspruches zugehen, das bis spätestens zurückgesendet werden möge. Anhand der bekannt gegebenen Daten würde der Anspruch auf Familienbeihilfe geprüft.

In Beantwortung dieser Überprüfung des Beihilfenanspruches vom teilte die Beschwerdeführerin in dem am unterfertigten, aber erst am beim Finanzamt eingelangten Überprüfungsbogen mit, dass ihr Sohn Bezüge vom AMS beziehe. Ein entsprechender Leistungsnachweis des AMS für den Zeitraum bis wurde vorgelegt.

Erst am erging eine weitere Mitteilung an die Beschwerdeführerin, derzufolge der Anspruch auf Familienbeihilfe für ihren Sohn ***P*** nur bis einschließlich März 2021 bestanden habe.

Ferner wurde mit Bescheid vom die für den Sohn ***P*** für den Zeitraum April 2021 bis Juni 2021 ausbezahlte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen zurückgefordert. Da die Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum für ein weiteres Kind (Sohn ***A***) Familienbeihilfe bezogen hatte, umfasst der Rückforderungsbetrag von insgesamt 642,30 € neben dem für den Sohn ***P*** ausbezahlten monatlichen Grundbetrag an Familienbeihilfe (141,50 €) und dem monatlichen Kinderabsetzbetrag (58,40 €) auch den zu Unrecht bezogenen Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 Zif. 3 lit. a FLAG 1967 (je 7,10 € für zwei Kinder, somit monatlich 14,20 €). Um die Zahlung des Rückforderungsbetrages zu vereinfachen, erfolge die Rückzahlung bis auf Widerruf durch Anrechnung des zu Unrecht bezogenen Betrages auf die fälligen oder fällig werdenden Familienbeihilfen (einschließlich Kinderabsetzbeträgen). Mit Einzahlung des Rückforderungsbetrages werde die Anrechnung hinfällig. Der Sohn ***P*** sei im Dezember 2020 volljährig geworden und befinde sich in keiner Ausbildung. Allerdings habe gemäß § 15 FLAG 1967 ein Beihilfenanspruch bis März 2021 bestanden, weshalb die Familienbeihilfe für die Monate April bis Juni 2021 zurückzufordern gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Darin brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie zuerst eine Mitteilung (vom ) bekommen habe, wonach sie für ihren Sohn ***P*** die Familienbeihilfe bis Juni 2021 erhalte, was sie sehr erfreut habe, da sie seit März 2020 mit ihren Söhnen am Existenzminimum lebe. Nun bekomme sie rückwirkend mit Ende Juni den Bescheid, dass die Familienbeihilfe doch nur bis März ausbezahlt werde und sie den Betrag zurückzahlen müsse und dazu die Familienbeihilfe für den Sohn ***A*** einbehalten werde. Somit könne sie auch keine Mindestsicherung mehr beantragen für diesen Zeitraum (März bis Juni), obwohl sie das Geld mehr als dringend brauche. Durch die Mindestsicherung hätte sie den Lebensunterhalt noch bewältigen können, was ihr so kaum möglich sei. Ihr Sohn ***P*** sei zwar nicht mehr in Ausbildung, jedoch auf Lehrplatzsuche und bekomme somit halb so viel Geld als in der Ausbildung. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass ihr deswegen die Familienbeihilfe nicht zustehen könnte, da sie sich auf die positive Zusage bis Juni 2021 verlassen habe und sich in der österreichischen Gesetzgebung leider nicht so gut auskenne. Es handle sich um eine Ausbildungsunterbrechung und das Einkommen sei jetzt niedriger als während der Ausbildung. Voraussichtliche Wiederaufnahme der Ausbildung sei im September 2021. Sie ersuche um Aufhebung der Rückforderung, da sie das Geld wirklich mehr als dringend benötige. Durch die Covid-19 Lockdowns und sich daraus ergebenden gesundheitlichen Probleme hätte sie gerade genug um den Lebensunterhalt zu bestreiten - keine Kleidung, keine Schuhe, keine Extras. Vielleicht könne man da den Aspekt berücksichtigen, dass sie auf die Mindestsicherung angewiesen sei und diese leider rückwirkend nicht mehr beantragen könne.

Im Juni und August 2021 war der Sohn der Beschwerdeführerin laut Sozialversicherungsdaten tageweise bei der Fa. ***C*** beschäftigt.

Ab leistete er beim *** Zivildienst, brach diesen laut Sozialversicherungsdaten aber bereits am ab.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Sohn der Beschwerdeführerin die Lehre am beendet habe; eine Wiederaufnahme derselben liege nicht vor. Der Beihilfenanspruch läge daher grundsätzlich bereits ab Jänner 2021 nicht mehr vor, allein aufgrund der Bestimmung des § 15 FLAG 1967 habe dieser bis März 2021 weiterbestanden, sodass die Rückforderung für den Zeitraum April bis Juni 2021 zu Recht erfolgt sei. § 26 FLAG 1967 normiere eine objektive Rückzahlungsverpflichtung, die für subjektive Momente keinen Raum lasse.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Darin brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, dass das Kind zwar seine Ausbildung mit tatsächlich beendet habe, aber bis bemüht gewesen sei, eine geeignete Ausbildung zu finden, was mit möglich geworden wäre. Ab dem sei ihr Sohn auf Grund psychischer Überbelastung "teils krank geschrieben" gewesen. In der Zeit bis zur Wiederaufnahme seiner Ausbildung habe er vorbereitende und unterstützende Kurse besucht, außerdem sei er zwischendurch zum Zivildienst einberufen worden, den er aus gesundheitlichen Gründen wieder beenden habe müssen. Für die Dauer der Unterbrechung der Ausbildung bestehe ein Beihilfenanspruch. Sie habe keine Meldepflicht verletzt. Zunächst sei sie davon ausgegangen, dass ihr Sohn die Ausbildung im September 2021 wiederaufnehme, was jedoch durch die Einberufung zum Zivildienst verzögert worden sei. Für die Zeit der Unterbrechung der Ausbildung stehe Familienbeihilfe genauso wie zwischen Beendigung des Zivildienstes und Wiederaufnahme der Ausbildung zu. Zudem habe sie sich auf die Mitteilung des Finanzamtes (vom ) verlassen.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt die Beschwerdeführerin um Vorlage des Ausbildungsvertrages des Kindes.

Dazu übermittelte die Beschwerdeführerin eine Teilnahmebescheinigung der ***I*** vom , derzufolge der Sohn der Beschwerdeführerin ab bei der Tischlerei ***S*** eine Ausbildung zum Tischler mit Lehrabschlussprüfung absolivere (voraussichtliches Ende: ).

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden.

Die am bei der Fa. ***F*** GmbH begonnene Lehre stellte eine solche Berufsausbildung dar und begründete einen Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin.

Diese Lehre wurde unbestritten nach rund zwei Jahren am abgebrochen und auch nicht wieder aufgenommen. Die am begonnene Tischlerlehre setzt keine Fortsetzung der abgebrochenen Lehre, sondern eine neue Berufsausbildung dar. Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind zwar für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Dazu gehören etwa Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien. Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann aber nicht mehr gesprochen werden, wenn die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird (z.B. ; vgl. auch mit Hinweis auf ).

Das Finanzamt ging daher zutreffend davon aus, dass die erste Berufsausbildung am beendet und eine weitere Berufsausbildung am begonnen wurde. Für die Zeit zwischen diesen beiden Berufsausbildungen besteht kein Beihilfenanspruch aufgrund der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, da in dieser Zeit weder eine Ausbildungszeit noch eine unschädliche Lücke zwischen zwei Berufsausbildungen vorliegt (vgl. ). Der Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin wäre somit grundsätzlich mit Ablauf des Monates Dezember 2020 erloschen (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967).

Gemäß § 15 Abs. 1 FLAG 1967 finden jedoch für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird. Für diese Maßnahme war gemäß § 15 Abs. 2 FLAG 1967 ein Betrag von höchstens 102 Mio. Euro aus Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds bereitzustellen.

Da sich der Sohn der Beschwerdeführerin bis in Berufsausbildung befand, verlängerte sich der Anspruchszeitraum bis März 2021. Für die Monate April bis Juni 2021 bestand dagegen kein Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin mehr, sodass die zu Unrecht für diesen Zeitraum bezogenen Leistungen zurückzufordern waren.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG, der auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 verweist, auch für die zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge.

Zurückzuzahlende Beträge können gemäß § 26 Abs. 2 FLAG 1967 auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden. Dies war im vorliegenden Fall zum einen zweckmäßig, da damit ein angesichts der vorgebrachten wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin wenig erfolgversprechendes Einbringungsverfahren vermieden werden konnte, und andererseits auch billig, da durch die Anrechnung die Beschwerdeführerin nicht mit einer für ihre finanziellen Verhältnisse hohen Einmalzahllast belastet wurde, sondern im Ergebnis eine ratenweise Abdeckung des Rückforderungsbetrages durchgeführt wurde, wobei ein Teilbetrag von 442,40 € durch Verwendung eines entsprechenden Guthabens aus der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 abgedeckt werden konnte.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Beihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Beihilfe sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Ebenso ist nicht von Bedeutung, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, oder ob er diese im guten Glauben entgegengenommen hat. Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ist auch keine Ermessensentscheidung, im Zuge derer etwa der Rückforderungsbetrag auf ein bestimmtes, den angespannten finanziellen Verhältnissen des Rückzahlungsverpflichteten angemessenen Ausmaß reduziert werden könnte. Billigkeitsüberlegungen sind im Rückforderungsverfahren daher nicht anzustellen. Einer Rückforderung stünde auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden wäre (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26 Tz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen). In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass in der Mitteilung vom ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass durch das Schreiben zur Überprüfung des Beihilfenanspruches vom selben Tag der Anspruch auf Familienbeihilfe geprüft werde. Die Beschwerdeführerin konnte daher nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Beihilfenanspruch angesichts der Beendigung der Lehre ihres Sohnes am weiter zustehen würde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Revisionsbegründung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

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