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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.09.2024, RV/5100601/2023

Zwingend herbeigeführter Studienwechsel bei psychischer Erkrankung

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/16/0076.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***1*** betreffend Rückforderung von im Zeitraum Oktober 2021 bis November 2022 zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von 3.507,80 € nach der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer bezog für seine am ***x***.1998 geborene Tochter ***T*** bis einschließlich November 2022 Familienbeihilfe (Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom ). Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum wurde auch für das Kind ***K*** Familienbeihilfe ausbezahlt.

Die Tochter des Beschwerdeführers war laut den vorgelegten Studiennachweisen vom bis (Wintersemester 2018 und Sommersemester 2019) zum Bachelorstudium Chemie an der Universität Innsbruck zugelassen.

Nach Abbruch dieses Studiums war das Kind vom bis (Wintersemester 2019 bis Sommersemester 2021) an derselben Universität zum Bachelorstudium Pharmazie zugelassen.

Bis Jänner 2020 wurden laut Bestätigung des Studienerfolges im Bachelorstudium Pharmazie Prüfungen im Umfang von 42 ECTS erfolgreich abgelegt; die letzte Prüfung wurde am absolviert.

Bereits ab befand sich das Kind laut vorgelegter Bestätigung der Dr. ***P*** bei dieser in psychotherapeutischer Behandlung.

Vom bis und vom bis , somit über einen Zeitraum von rund fünf Monaten, befand sich das Kind im Klinikum ***2*** in München im Therapiezentrum für Essstörungen wegen festgestellter Bulimia nervosa in Behandlung (vorgelegte Abrechnungen des Krankenhauses; vorgelegte ärztliche Stellungnahme der Dr. ***G*** vom ).

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus war das Kind laut Versicherungsdatenauszug von bis bei der ***R*** GmbH teilzeitbeschäftigt.

Ab war das Kind zum Bachelorstudium Agrarwissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien zugelassen. Laut vorgelegter Bestätigung des Studienerfolges vom wurden bis zu diesem Zeitpunkt Prüfungen im Umfang von 67,5 ECTS erfolgreich abgelegt.

In Beantwortung eines Vorhaltes vom teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt am mit, dass für das Bachelorstudium Agrarwissenschaften keine abgelegten Prüfungen aus dem zuvor betriebenen Studium der Pharmazie angerechnet wurden. Seine Tochter habe im Studienjahr 2020/2021 aufgrund ihrer Erkrankung keine Prüfungen (im Pharmaziestudium) abgelegt.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt die für den Zeitraum Oktober 2021 bis November 2022 für die Tochter des Beschwerdeführers gewährte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 3.507,80 € zurück. Der Betrag gliedert sich auf wie folgt:

[...]

In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass die Tochter des Beschwerdeführers das Studium nach dem dritten gemeldeten Semester gewechselt habe. In diesem Fall stehe Familienbeihilfe nur dann zu, wenn die "absolvierten Semester aus dem Vorstudium zur Gänze angerechnet" worden seien. Da der Beschwerdeführer für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen habe, sei im Rückforderungsbescheid auch die anteilige Geschwisterstaffel enthalten. Damit umfasst die Rückforderung auch den Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 3 Z 3 FLAG 1967 in Höhe von monatlich 7,10 € aufgrund der (angesichts der ausgesprochenen Rückforderung zu Unrecht erfolgten) Gewährung von Familienbeihilfe für ein zweites Kind (***K***).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Darin brachte der Beschwerdeführer vor, dass dem Finanzamt alle Informationen über den Studienwechsel samt Inskriptionsbestätigungen und Erfolgsnachweisen übermittelt worden wären. Seine Tochter habe krankheitsbedingt ein Jahr lang nicht studieren können und sei längere Zeit in einer Betreuungseinrichtung gewesen; auch diesbezügliche Unterlagen wären dem Finanzamt übermittelt worden. Es stelle sich die Frage, wie diese Krankheit während des Studiums berücksichtigt werde und ob es "Ermäßigungsmöglichkeiten" bzw. weitere Rechtsmittel gäbe.

In Beantwortung eines Vorhaltes vom teilte der Beschwerdeführer am mit, dass seine Tochter seit dem Jahr 2019 in psychotherapeutischer Behandlung stand. Im Jahr 2020 sei sie aufgrund des negativen Verlaufes ihrer Erkrankung im eingangs angeführten Spezialklinikum in München zur Behandlung gewesen. Als therapeutische Maßnahme sei unter anderem eine Änderung des Aufgabengebietes inklusive des Studienfaches notwendig gewesen. Seine Tochter habe in der Folge ab Herbst 2020 Teilzeit in einer Bäckerei in Innsbruck gearbeitet, ehe Sie dann im August 2021 zum Studium Agrarwissenschaften nach Wien gewechselt habe. Anrechnungen von Studienzeiten seien nicht erfolgt. Aufgrund der besonderen Umstände des Falles werde ersucht, die Familienbeihilfe nicht zurückzufordern.

In einem weiteren Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, eine ärztliche Bestätigung darüber vorzulegen, dass der Wechsel vom Studium der Pharmazie zum Studium Agrarwissenschaften als therapeutische Maßnahme notwendig gewesen sei.

Dazu gab der Beschwerdeführer am an, dass der Studienwechsel keine von einem Arzt verordnete Maßnahme gewesen sei. So eine Bestätigung vom Arzt werde es nicht geben. In der Psychotherapie würden die Ziele mit dem Patienten gemeinsam festgelegt. Verordnet würden Medikamente. Faktum sei, dass seine Tochter krank und in ärztlicher Behandlung gestanden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass ein beihilfenschädlicher Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG vorliege, der nicht durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt worden sei (§ 17 Abs. 2 Z 2 StudFG). Eine Erkrankung könne zwar ein unabwendbares Ereignis darstellen, das ohne Verschulden des Studierenden einen Studienwechsel zwingend herbeiführt. Der Aufforderung, eine dementsprechende ärztliche Bestätigung vorzulegen, sei jedoch nicht entsprochen worden. Der "Grund für den Wechsel" müsse das vor dem Wechsel betriebene Studium betreffen, die Aufnahme eines anderen Studiums müsse trotz der durch die Krankheit hervorgerufenen Beeinträchtigungen möglich sein (Beispiel: eine gravierende Handverletzung, die zwar das Studium eines Musikinstrumentes ausschließe, nicht aber ein geisteswissenschaftliches Studium). Von einer zwingenden Herbeiführung eines Studienwechsels könne bei der Tochter des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden, da sie infolge der Erkrankung für eine gewisse Zeit an der erfolgreichen Fortführung ihres Studiums Pharmazie gehindert gewesen sei, aber auch in einem anderen Studium infolge ihrer Erkrankung keinen günstigen Erfolg erzielen hätte können. Sie habe sich nach Besserung ihrer Erkrankung nicht zur Fortführung des Studiums Pharmazie, sondern zur Aufnahme des neuen Studiums Agrarwissenschaft entschlossen. Auch sei es ihr möglich gewesen, eine Teilzeittätigkeit bei der Firma ***R*** GmbH auszuüben. Die Voraussetzung für einen beihilfenrechtlich anzuerkennenden Studienwechsel, dass das bisherige Studium krankheitsbedingt nicht mehr betrieben werden könne und die Erkrankung für das neue Studium kein Hindernis sei, liege bei der Tochter des Beschwerdeführers nicht vor.

Im Vorlageantrag vom wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und ergänzend vorgebracht, dass es sich bei Bulimie um eine schwerwiegende psychische Erkrankung, eine Zwangsstörung handle. Trotz der erfolgreichen Behandlung im Klinikum ***2*** in München im Jahr 2020 sei es für die Tochter des Beschwerdeführers notwendig gewesen, aus dem gewohnten Umfeld in Innsbruck auszubrechen, um ihre Zwangsstörung nachhaltig in den Griff bekommen zu können. Der Umzug nach Wien und damit verbunden die Neuorientierung beim Studium würden zur psychischen Gesundheit beitragen. Eine erfolgreiche Fortführung des früheren Studiums der Pharmazie in Innsbruck sei krankheitsbedingt nicht denkbar gewesen. Das Vorliegen der psychischen Krankheit stelle bei der Tochter des Beschwerdeführers ein unabwendbares Ereignis dar, wofür sie kein Verschulden treffe. Die Fortführung des Studiums in Innsbruck sei für den Krankheitsverlauf nicht tragbar gewesen, weshalb der Studienwechsel zwingend notwendig gewesen sei. Auch der Verwaltungsgerichtshof anerkenne psychische Störungen von erheblichem Krankheitswert als mögliche Gründe, ein Studium zu wechseln. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die bescheiderlassende Behörde festgestellt, dass kein familienbeihilfenschädlicher Studienwechsel gemäß § 17 StudFG vorliege. Die Rückforderung des Familienbeihilfenbetrages in Höhe von 3.507,80 € sei nicht berechtigt.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde ergänzend vorgebracht, dass die Tochter des Beschwerdeführers im Bachelorstudium Agrarwissenschaften gute Fortschritte mache. Der Studienwechsel habe sich sehr positiv auf das gesundheitliche Befinden der Tochter des Beschwerdeführers ausgewirkt, diese stehe jetzt kurz vor dem Abschluss ihres Bachelorstudiums und werde in weiterer Folge ein Masterstudium absolvieren. Auch die Krankheit sei aufgrund der klinischen Maßnahmen in München soweit im Griff. Das Pharmaziestudium hätte zwar auch in Wien weitergeführt werden können, es sei ihr aber nahegelegt worden, die Studienrichtung zu verändern und einen Ortswechsel vorzunehmen. Sie habe eine andere Richtung einschlagen wollen, da ihr der bisherige Studiengang nicht gutgetan habe. Nach dem Aufenthalt im Klinikum München sei es ihr betreffend der Bulimie besser gegangen, sie habe auch zwischenzeitlich bei der Bäckerei ***R*** gearbeitet, da habe sie gemerkt, sie wolle wieder weiter, etwas anderes machen, da sie sich einfach wieder wohler gefühlt habe. Auch seitens der Ärzte sei dieser Wechsel empfohlen worden, damit sie nicht nur im Labor sitzen solle. Bei Pharmazie sitze man hauptsächlich vorm Computer und im Labor. Sie sollte etwas Praktisches machen, da sie eine praktisch orientierte Person ist. Dies bestätige sich auch immer wieder.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt ist unbestritten und ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, den zitierten Aktenteilen und den in der Beihilfendatenbank gespeicherten Daten. Zu klären ist im vorliegenden Fall allein die Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG erfüllt sind.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 normiert auszugsweise:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester … Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe …

§ 17 StudFG bestimmt idF BGBl I 54/2016 auszugsweise:

(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

1. Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,
2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,

(3) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.

Führt der Eintritt einer Erkrankung zu einer Behinderung der Fortsetzung des Studiums, verlängert sich nach der zitierten Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 die Studienzeit, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Da die Erkrankung der Tochter des Beschwerdeführers zu einem rund fünfmonatigen Krankenhausaufenthalt geführt hat, hätte sich die beihilfenrelevante Studienzeit des Pharmaziestudiums jedenfalls um ein Semester verlängert, bei nachgewiesen längerer Behinderung gegebenenfalls auch um mehrere Semester. Da dieses Studium jedoch abgebrochen wurde, stellt sich die Frage einer allfälligen Verlängerung dieser Studienzeit im vorliegenden Fall nicht.

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 verweist für den Fall, dass ein Studienwechsel vorliegt, auf § 17 StudFG. Es ist somit zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Studienwechsel vorliegt, bevor auf einen solchen Studienwechsel die Bestimmungen des § 17 StudFG angewendet werden können (; mwN).

Der Begriff Studienwechsel bedeutet den Betrieb einer anderen Studienrichtung als jener, die in den vorangegangenen Semestern betrieben wurde. Wenn ein Studierender das begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes in den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt, liegt jedenfalls ein Studienwechsel vor. Der Wechsel vom Studium der Pharmazie zum Studium der Agrarwissenschaften stellt einen solchen Studienwechsel im Sinne des FLAG 1967 dar. Auf diesen ist daher die Bestimmung des § 17 StudFG anzuwenden.

Im gegenständlichen Fall in unbestritten, dass dieser Studienwechsel erst erfolgte, als die Tochter des Beschwerdeführers bereits mehr als drei Semester im Studium der Pharmazie inskribiert war. Die Zulassung zu diesem Studium endete am , die Zulassung zum Studium Agrarwissenschaft erfolgte am . Der Studienwechsel erfolgte damit nach dem vierten inskribierten Semester, womit ein beihilfenschädlicher Studienwechsel gemäß § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG vorliegt.

Ein solcher wäre gemäß § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG allerdings dann nicht anzunehmen, wenn der Studienwechsel durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt worden wäre.

Dies ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Fall, wenn ein Ereignis eintritt, das eine erfolgreiche Fortsetzung des bisherigen Studiums unmöglich macht (). Mit der Wendung "zwingend herbeigeführt" in § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG verlangt der Gesetzgeber einen qualifizierten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, der über eine "bloße Kausalität" hinausgeht. Außerdem muss trotz zwingender Aufgabe des bisherigen Studiums die Durchführung eines anderen Studiums möglich sein (z.B. gravierende Handverletzung, die zwar das Studium eines Musikinstruments ausschließt, nicht aber ein geisteswissenschaftliches Studium, sowie eine Beeinträchtigung des Bewegungsapparates, die zwar die Weiterführung eines sportwissenschaftlichen Studiums unmöglich macht, nicht aber etwa ein rechtswissenschaftliches Studium). Nur ein das Vorstudium, nicht jedoch andere Studien spezifisch behindernder Grund führt in diesem Sinne den Studienwechsel "zwingend" herbei (). Auch eine psychische Krankheit kann ein Ereignis iSd § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG sein. Davon, dass ein Studienwechsel durch eine psychische Erkrankung iSd § 17 Abs. 2 StudFG "zwingend herbeigeführt" wurde, kann aber nur dann gesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Aufnahme des neuen Studiums psychische Störungen von erheblichem Krankheitswert vorlagen, die der (dem) Studierenden nicht nur kurzfristig, sondern für eine ins Gewicht fallende Zeit oder dauerhaft infolge des Verlustes spezifischer, für die Leistungsfähigkeit im Studienfach maßgeblicher Eigenschaften oder Fähigkeiten eine erfolgreiche Fortsetzung des bisher betriebenen Studiums unmöglich machen, der Erzielung eines günstigen Studienerfolges im neuen Studium aber nicht entgegenstehen. Von einer "zwingenden Herbeiführung" eines Studienwechsels kann hingegen nicht gesprochen werden, wenn die (der) Studierende infolge der Erkrankung für eine gewisse Zeit an der erfolgreichen Fortführung des Studiums gehindert war, aber auch in einem anderen Studium infolge der Erkrankung keinen günstigen Erfolg hätte erzielen können, und nach Besserung oder Heilung der Erkrankung ("Wiederherstellung der Studierfähigkeit") sich zur Aufnahme eines anderen Studiums entschließt ().

Ein solcher Fall liegt gegenständlich vor. Durch den mehrmonatigen Klinikaufenthalt im Jahr 2020 zur Behandlung der festgestellten Bulimia nervosa (schwerwiegende psychische Erkrankung in Form einer Essstörung) war die Tochter des Beschwerdeführers krankheitsbedingt an der erfolgreichen Fortführung des Bachelorstudiums Pharmazie in Innsbruck gehindert. In der Folge trat aber - wie dies auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde - eine solche Besserung der Erkrankung ein, dass ab dem Wintersemester 2021 eine Aufnahme des Bachelorstudiums Agrarwissenschaften in Wien möglich war, welches aufgrund des vorgelegten Studiennachweises auch erfolgreich betrieben werden konnte und laut Vorbringen in der mündlichen Verhandlung kurz vor dem Abschluss steht.

Das zuvor in Innsbruck betriebene Bachelorstudiums Pharmazie wird auch an der Universität Wien angeboten und hätte daher auch an diesem Studienort betrieben werden können. Der bloße Wechsel der Studieneinrichtung (Wechsel von Uni Innsbruck zur Uni Wien) hätte keinen (beihilfenschädlichen) Studienwechsel dargestellt (). Dass der Wechsel der Studienrichtung aus medizinischer Sicht zwingend erforderlich gewesen wäre, wurde nicht dargetan. Trotz Aufforderung des Finanzamtes wurde keine ärztliche Bestätigung vorgelegt, dass ein solcher Studienwechsel medizinisch indiziert gewesen wäre. Eine solche zwingende Notwendigkeit ist auch für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar, und wird mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen im Vorlageantrag, es sei notwendig gewesen, aus dem gewohnten Umfeld in Innsbruck auszubrechen, um die Zwangsstörung nachhaltig in den Griff bekommen zu können, der Umzug nach Wien und damit verbunden die Neuorientierung beim Studium würden zur psychischen Gesundheit beitragen, eine erfolgreiche Fortführung des früheren Studiums der Pharmazie in Innsbruck sei krankheitsbedingt nicht denkbar gewesen, auch nicht ausreichend dargetan. Der Hinweis in der mündlichen Verhandlung, dass der Studienwechsel sich sehr positiv auf das gesundheitliche Befinden der Tochter des Beschwerdeführers ausgewirkt habe und auch seitens der Ärzte dieser Wechsel "empfohlen" worden sei, da sie eine praktische orientierte Person sei, und man beim Pharmaziestudium dagegen hauptsächlich vor dem Computer und im Labor sitze, genügt für die Annahme einer zwingenden Notwendigkeit des Studienwechsels nicht.

Die Besserung des Gesundheitszustandes aufgrund des Aufenthaltes im Klinikum München wurde in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass im Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums der Agrarwissenschaften immer noch psychische Störungen von erheblichem Krankheitswert vorgelegen wären, die der Tochter des Beschwerdeführers nicht nur kurzfristig, sondern für eine ins Gewicht fallende Zeit oder dauerhaft infolge des Verlustes spezifischer, für die Leistungsfähigkeit im Studienfach Pharmazie maßgeblicher Eigenschaften oder Fähigkeiten eine erfolgreiche Fortsetzung des bisher betriebenen Studiums - allenfalls in Wien - unmöglich gemacht hätten, gleichzeitig der Erzielung des günstigen Studienerfolges im Studium Agrarwissenschaften aber nicht entgegenstanden. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG liegen damit nicht vor, sodass das Finanzamt zu Recht von einem beihilfenschädlichen Studienwechsel iSd § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG ausging.

Ein solcher Studienwechsel ist gemäß § 17 Abs. 3 StudFG erst dann nicht mehr zu beachten und steht damit einer (neuerlichen) Gewährung von Familienbeihilfe erst dann nicht mehr entgegen, wenn die Studierenden nach dem Studienwechsel so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen zwar diese Wartezeiten, im Bachelorstudium Agrarwissenschaften wurden jedoch keinerlei Prüfungen aus dem Bachelorstudium Pharmazie anerkannt. Die Rückforderung für den Zeitraum 10/2021 bis 11/2022 erfolgte damit zu Recht.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG, der auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 verweist, auch für die zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie (fehlendes) Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26 Tz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ist auch keine Ermessensentscheidung, im Zuge derer Billigkeitserwägungen Berücksichtigung finden könnten ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

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