Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2024, RV/5101105/2019

Steuerschuld kraft Rechnungslegung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch ***BfKomp***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Umsatzsteuer 12.2011 und Umsatzsteuer 2011 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Nach einer bei der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz Bf.) durchgeführten Außenprüfung wurde vom Finanzamt am ein Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer 12/2011 erlassen. Begründet wurde der Bescheid wie folgt:

"Die Festsetzung der Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung betreffend die Ausgangsrechnung vom gem.§ 11 Abs. 14 UStG 1994 erfolgte aufgrund den in der Niederschrift und Bericht vom getroffenen Feststellungen."

2. Mit Schreiben vom wurde von der Bf. - innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist - Beschwerde gegen den Bescheid eingelegt.

Es handle sich um keine Scheinrechnung. Mit der gegenständlichen Rechnung seien ua die Leistungen von ***Z*** an die Firma ***X KG*** verrechnet worden. Dass die Leistungen erbracht worden seien, wäre auch durch die umfangreiche Geschäftstätigkeit der Leistungsempfängerin nachweisbar, die erst durch die Leistungen von Herrn ***Z*** ermöglicht worden seien. Unterlagen zur Beschreibung der Leistung seien dem Finanzamt vorgelegt worden. Herr ***Z*** sei an der ***X KG*** nicht beteiligt. Es widerspräche nun den im Geschäftsleben üblichen Usancen, würden diese erbrachten Leistungen nicht verrechnet werden. Da Herr ***Z*** aber auch nicht Geschäftsführer sei, könne er keinen Einfluss auf die Zahlung dieser Rechnung nehmen, der Geschäftsführer der ***X KG*** begründe die vorläufige Nichtzahlung mit der Liquiditätssituation der Gesellschaft, anerkenne aber die Leistung und habe die Zahlung zugesagt.

Da kein Antrag gemäß § 17 UStG auf Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten erfolgt sei, ergäbe sich nach § 17 UStG, dass die Umsatzsteuer erst nach Vereinnahmung zu berechnen sei. Da die Rechnung nach § 11 UStG korrekt ausgestellt sei und die zugrundeliegende Leistung auch erbracht worden sei, stehe dem Leistungsempfänger gemäß § 12 UStG der Vorsteuerabzug zu.

3. Am wurde von der belangten Behörde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung erlassen mit welcher über die Beschwerde vom abgesprochen wurde.

4. Mit Schreiben vom wurde von der Bf. der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 12/2011 durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt. Ergänzend wurde vorgebracht: "Zum Thema der Firmenadresse erlaube ich mir festzuhalten, dass bei Kleinstunternehmen, auch wenn sie in der Form einer Personengesellschaft geführt werden, es nicht ungewöhnlich ist, dass am Firmensitz - zu willkürlich gewählten Zeitpunkten - der Verantwortliche nicht anzutreffen war (bzw. im Falle eines Untermietverhältnisses untergeordnete Mitarbeiter bzw. Ferialpraktikanten des Vermieters kein Detailwissen über die Firmenamen haben (können); jedenfalls hat das Finanzamt offenbar nicht geprüft, ob Herr ***Z*** (bzw. sein damaliger Mitgesellschafter) an der genannten Adresse tätig war). Auch die Frage, ob Firmenschilder an einer Adresse angebracht wurden, ist nach meinem Dafürhalten für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit eines Firmensitzes nicht von Bedeutung. Alle diese Ausführungen sind meines Erachtens letztlich für die Frage, ob die verrechnete Leistung erbracht wurde, nicht von Bedeutung. Auf den Vorhalt des Finanzamtes " ... es sei eher unglaubwürdig, dass es keine Verträge nach Korrespondenzen gibt, um welche Verträge es sich handelt... ", möchte ich daraufhinweisen, dass es im Gegenteil bei Klein- und Kleinstuntemehmen eher unüblich ist, über jede Leistungsbeauftragung ein Vertragswerk zu errichten.Da für das Finanzamt offenbar Screenshots als Nachweis nicht ausreichen, kann es für eine Internetdienstleistung letztlich - wie vom Finanzamt gefordert - keine ausreichend materiellen Unterlagen geben; die Aussage, dass "Aufgrund der Umstände ist auch die durch die KG inRechnung gestellte Einbindung schwer vorstellbar" und der daraus abgeleitete Verdacht der Scheinrechnung ist eine Mutmaßung des Finanzamts.

Der Zweck der Regelung von § 11 Abs. 14 liegt darin, einem unberechtigten Vorsteuerabzug vorzubeugen (): im vorliegenden Fall wurde - wie in der Beschwerde dargelegt - die aus der beschwerdegegenständlichen Rechnung geltend gemachte Vorsteuer neutralisiert (der in der Beschwerde noch offene Restbetrag von 476,67 wurde am storniert).

5. Am wurde vom Finanzamt der Umsatzsteuerbescheid 2011 erlassen. Begründet wurde wie folgt: "Hinsichtlich der Abweichung von Ihrer Umsatzsteuererklärung wird auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung und den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung (Umsatzsteuer Oktober 2011 bis März 2012) vom sowie auf die Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 253 BAO die (derzeit noch unerledigte) Beschwerde vom (Vorlage-antrag vom ) auch gegen diesen gegenständlichen Umsatzsteuerbescheid 2011 gerichtet gilt."

6. Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

7. Mit Fax vom wurde der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung der Bf. befand sich zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides an der Wohnadresse des ***Z*** in der ***Adr. 3***.

Die Bf. stellte am an die Fa. ***X KG*** eine Rechnung mit folgendem Wortlaut:

"Laut Vereinbarung erlauben wir uns folgende Positionen in Rechnung zu stellen: Einbindung an ***Bf1*** - Online Werbemittlungsplattform für aktuelle Medienflächen der ***X KG***.

Die Bf. führte mangels Zufluss des Rechnungsbetrages keine USt ab, während die ***X KG*** den gesamten Vorsteuerbetrag nach Rechnungsausstellung in Abzug brachte.

Komplementär der Bf. ist ***Z***. Er vertritt die Bf. seit Gründung selbständig. Seine Wohnanschrift lautet ***Adr. 3***. Kommanditist der Bf. war bis zum ***Y***

***Z*** war im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung Geschäftsführer und faktischer Machthaber der Bf. und auch faktischer Machthaber der ***X KG***.

Die Bf. hat im Jahr 2011 keine Dienstnehmer beschäftigt.

Die in Rechnung gestellten Leistungen wurden von der Bf. nicht erbracht. Eine Berichtigung der Rechnung durch die Bf. wurde nicht durchgeführt.

Die Bf. wurde am im Firmenbuch eingetragen, ihre Löschung am zur Eintragung im Firmenbuch angemeldet und diese Löschung am im Firmenbuch eingetragen (Firmenbuchauszug vom ).

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung

Der Sitz der Bf. befand sich laut Antrag auf Neueintragung einer Firma beim Firmenbuch an der Adresse ***Adr.1***. Mit Antrag auf Sitzverlegung, eingelangt beim Firmenbuch am , wurde die Sitzverlegung an die Adresse ***Adr.2*** bekannt gegeben. Komplementär der Bf. ist ***Z***. Er vertritt die Bf. seit Gründung selbständig. Seine Wohnanschrift lautet ***Adr. 3***. Kommanditist der Bf. war bis zum ***Y***.

Im Rahmen einer vom Finanzamt durchgeführten Erhebung wurde festgestellt, dass es an der Anschrift ***Adr.1*** u.a. keine Büroräume, keinen Briefkasten sowie kein Geschäftslokal gegeben hat und das Unternehmen sowie die Gesellschafter im Haus und beim Hausverwalter unbekannt waren. Nach einer Vorhaltsbeantwortung der Bf. vom , sei eine Nutzung des Standortes ***Adr.1*** nie möglich gewesen. Seit arbeite die Bf. an der Adresse ***Adr. 4*** als Untermieter der ***A GmbH***. Dazu wurde ein Mietvertrag vom für einen 1 x 3 m² großen Raum vorgelegt. Am erfolgte eine Begehung des Büros in der ***Adr. 4*** durch Bedienstete der Finanzpolizei, wobei nach einer Befragung der anwesenden Mitarbeiter des Vermieters festgestellt wurde, dass die Bf. am Klingelbrett angeführt war, jedoch in den Büroräumlichkeiten keine Geschäftstätigkeit der Bf. bzw. sonstiger Zusammenhang mit der Bf. festgestellt werden konnte. Die dem Finanzamt vom damaligen steuerlichen Vertreter der Bf. übermittelte E/A-Rechnung weist als Anschrift mehrmals die ***Adr. 3*** aus.

Das Bundesfinanzgericht kommt daher in freier Beweiswürdigung zum Schluss, dass der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung der Bf. sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderstellung an der Wohnadresse des Komplementär ***Adr. 3*** befunden hat.

Geschäftsführung/faktischer Machthaber

Im Strafurteil des Landesgerichtes Korneuburg, ***Zahl***, vom wird ausgeführt, dass ***Z*** am mehrere Kommanditgesellschaften, und zwar ua auch die Bf., gegründet habe. Bei allen KGs habe ***Z*** als Komplementär und ***Y*** als Kommanditist fungiert. ***Z*** fungierte ab Gründung dieser KGs als deren Geschäftsführer. Der von ***Z*** genannte Grund für die Gründung der KGs, nämlich die Lukrierung von Förderungen, sei erst ab 2014 tatsächlich betrieben worden. Eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit der KGs im Zeitraum 2011/12 habe nicht festgestellt werden können. Die KGs hätten keinen Sitz und keine Dienstnehmer gehabt. Die gegründeten KGs hätten zahlreiche Rechnungen gelegt, wobei die in den Rechnungen beschriebenen Leistungserbringungen nicht stattgefunden hätten. Es habe sich dabei um Scheinrechnungen gehandelt.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass zwar keine Bindungswirkung betreffend der im angeführten Strafurteil getroffenen Feststellungen besteht, jedoch sind die vom Landesgericht Korneuburg getroffenen Feststellungen für das Bundesfinanzgericht in sich schlüssig und nachvollziehbar.

Der Umstand, dass ***Z*** bei der Bf. und auch bei den anderen von ihm gegründeten KGs der faktische Machthaber und auch die einzige tatsächlich handelnde Person - bei der Bf. wurden keine Dienstnehmer beschäftigt - war, wurde von diesem im oben angeführten Strafverfahren im Rahmen seiner Beschuldigteneinvernahme im Rahmen der Hauptverhandlung eingestanden. Auch der Zeuge ***Y***, Kommanditist der Bf. bis zum , hat im Rahmen der Hauptverhandlung im angeführten Strafverfahren vor dem Landesgericht Korneuburg ausgesagt, dass die einzelnen KGs von ***Z*** nur gegründet worden seien, um Förderungen zu lukrieren. Er sei nur an der Gründung beteiligt gewesen, von Buchhaltung und Rechnungslegung in den KGs habe er nichts mitbekommen. Aus dieser Aussagen lässt sich somit ebenfalls schließen, dass lediglich ***Z*** für die Bf. Handlungen vorgenommen hat.

Zur ausgestellten Rechnung

Seitens des Bf. konnten keinerlei Stundenaufzeichnungen, Leistungsaufstellungen und sonstige Dokumentationen hinsichtlich der behaupteten Leistungen vorgelegt werden, was nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes in keinster Weise den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht.

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kommt das Bundesfinanzgericht daher zum Schluss, dass den vom Finanzamt getroffenen Feststellungen, wonach die in Rechnung gestellten Leistungen laut Rechnung vom nicht erbracht worden seien und es sich hierbei um eine Scheinrechnung handelt, nicht entgegengetreten werden kann. Es ist im gegenständlichen Fall vielmehr davon auszugehen, dass die Ausstellerin der Rechnung (= Bf.) und die Rechnungsempfängerin, die den unberechtigten Vorsteuerabzug vorgenommen hat, in der Person des gemeinsamen Machthabers ***Z*** zusammengespielt haben.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Zur Parteistellung der Bf.

Eine Personengesellschaft des Unternehmensrechtes (wie gegenständlich eine KG) verliert ihre Parteifähigkeit erst mit ihrer Beendigung. Ihre Auflösung und die Löschung ihrer Firma im Firmenbuch beeinträchtigt ihre Parteifähigkeit solange nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten - dazu zählen auch die Abgabengläubiger - noch nicht abgewickelt sind (). Da im gegenständlichen Fall die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2011 noch anhängig war, ist die Bf. parteifähig. Adressat ist die Bf., vertreten durch ihren einzigen vertretungsbefugten Komplementär ***Z*** (vgl. § 81 Abs. 1 BAO).

Zur Beschwerde gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer 12/2011

Bezüglich der Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 12/2011 ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht auszuführen, dass aufgrund der Bestimmung des § 253 BAO die Beschwerde vom als auch gegen den Jahresbescheid betreffend Umsatzsteuer 2011 vom gilt.

Zur Zuständigkeit der belangten Behörde

Maßgebliche gesetzliche Bestimmungen in der für den Beschwerdezeitraum anzuwendenden Fassung:

§ 21 AVOG:
(1) Betriebsfinanzamt ist das Finanzamt, in dessen Bereich eine Körperschaft, Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder Vermögensmasse ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 27 Abs. 2 BAO) oder, sofern dieser nicht im Inland gelegen ist, ihren inländischen Sitz hat oder hatte.
(2) Das Betriebsfinanzamt ist zuständig
1. für die Erhebung der Körperschaftsteuer der in Abs. 1 genannten Steuersubjekte,
2.für die Erhebung der Umsatzsteuer, […].

§ 13 AVOG: (1) Den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis obliegen für ihren Amtsbereich
1. die Erhebung der Abgaben (§ 49 Abs. 2 BAO), soweit diese nicht durch Abgabenvorschriften anderen Behörden übertragen ist […].

§ 6 AVOG normiert: Die Zuständigkeit einer Abgabenbehörde für die Erhebung von Abgaben endet, außer bei Erlassung eines Delegierungsbescheides, mit dem Zeitpunkt, in dem eine andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt. Vom Übergang der Zuständigkeit ist der Abgabepflichtige in Kenntnis zu setzen; gegenüber Arbeitnehmern (§ 47 Einkommensteuergesetz 1988) ist dies nur erforderlich, wenn eine Veranlagung nach § 41 EStG 1988 beim Übergang der Zuständigkeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Solange eine vorgesehene Verständigung nicht ergangen ist, können Anbringen auch noch an die bisher zuständig gewesene Abgabenbehörde gerichtet werden.

§ 27 BAO: (1) Körperschaften, Personenvereinigungen sowie Vermögensmassen haben ihren Sitz im Sinn der Abgabenvorschriften an dem Ort, der durch Gesetz, Vertrag, Satzung, Stiftungsbrief und dergleichen bestimmt ist. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so gilt als Sitz der Ort der Geschäftsleitung.

(2) Als Ort der Geschäftsleitung ist der Ort anzunehmen, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet.

Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung iSd § 27 Abs 2 BAO ist dort, wo der für die Geschäftsführung entscheidende Wille gebildet wird (zB BFH, BStBl 1995 II 175; Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 1988, § 1 Tz 14; ; BFH, BStBl 1998 II 86; ; , 2008/15/0211).

Im Erk vom ( (ebenso ; , 97/14/0169), setzt der VwGH den Ort, wo der für die Geschäftsleitung entscheidende Wille gebildet wird, mit jenem gleich, wo die für die Führung des Unternehmens notwendigen und wichtigen Maßnahmen getroffen werden.

Der Ort der Geschäftsleitung wird idR in den Büroräumen des Geschäftsführers sein (zB BFH, BStBl 1991 II 554; Hohenwarter-Mayr3 in Lang/Rust/Schuch/Staringer, KStG2, § 1 Rz 51; Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, Internationales Steuerrecht, I/121 Z 00 Rz 47); dieser Ort kann auch zB in seiner Wohnung liegen (BFH, BStBl 1977 II 857; BStBl 1999 II 437).

Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse in organisatorischer Hinsicht (; , 97/14/0169). Daher ist nicht ausschlaggebend, wer rechtlich zur Geschäftsführung befugt ist, sondern wo alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (zB ; Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 10 Tz 1).

Maßgebend ist die laufende Geschäftsführung. Zu ihr gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören ("Tagesgeschäfte", ).

Eine Körperschaft (Personenvereinigung, Vermögensmasse) kann nur einen Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung haben ().

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung wurde festgestellt, dass sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung der Bf. zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide an der Wohnadresse des ***Z*** in der ***Adr. 3*** befunden hat. Der angefochtene Bescheid wurde daher vom zuständigen Finanzamt erlassen.

Zur Steuerschuld gem. § 11 Abs. 14 UStG 1994:

§ 11 Abs. 1 UStG 1994 in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung lautet:

"Führt der Unternehmer Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 aus, ist er berechtigt, Rechnungen auszustellen. Führt er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, soweit sie nicht Unternehmer ist, aus, ist er verpflichtet, Rechnungen auszustellen. […].

Diese Rechnungen müssen - soweitin den nachfolgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist- die folgenden Angaben enthalten:

1. den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung;

3. die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung;

4. den Tag der Lieferung oder der sonstigen Leistung oder den Zeitraum, über den sich die sonstige Leistung erstreckt. Bei Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die abschnittsweise abgerechnet werden (zB Lebensmittellieferungen), genügt die Angabe des Abrechnungszeitraumes, soweit dieser einen Kalendermonat nicht übersteigt;

5. das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 4) und den anzuwendenden Steuersatz, im Falle einer Steuerbefreiung einen Hinweis, dass für diese Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt;

6. den auf das Entgelt (Z 5) entfallenden Steuerbetrag.

Weiters hat die Rechnung folgende Angaben zu enthalten:

- das Ausstellungsdatum;

- eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung einmalig vergeben wird;

- soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, die dem Unternehmer vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer."

§ 11 Abs. 14 UStG 1994 in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung lautet:

"Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag."

Nach der Rechtsprechung des VwGH () hat die Steuerschuld nach § 11 Abs 14 UStG 1994 zur Voraussetzung, dass eine solche Rechnung erstellt wird, die formal die Voraussetzungen des § 11 UStG 1994 erfüllt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0238, VwSlg. 7823/F). Der Zweck der Regelung des § 11 Abs 14 UStG 1994 liegt darin, einem unberechtigten Vorsteuerabzug - eine Rechnung ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug - vorzubeugen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 99/14/0062, vom , 2000/15/0085, sowie Ruppe/Achatz, UStG5, § 11 Tz 147). Das Entstehen der Steuerschuld auf Grund der Rechnungslegung nach § 11 Abs 14 UStG 1994 ist von der Steuerschuld kraft tatsächlicher Leistungserbringung nach § 1 Abs 1 UStG 1994 zu unterscheiden (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2003/15/0122, und vom , 2000/14/0095).

Nach Mayr/Ungericht, UStG4 § 11 Anm 33 mwN ist es ausreichend, wenn das Dokument die wesentlichen Merkmale der Rechnung enthält und damit abstrakt die Gefahr eines Vorsteuerabzuges begründet wird. Das Erfüllen der formalen Voraussetzungen des § 11 Abs 1 UStG 1994 kann nur bedeuten, dass die Rechnungsmerkmale abstrakt vorhanden, nicht aber, dass sie inhaltlich korrekt sein müssen.

Nach Ruppe/Achatz, UStG5 § 11 Tz 147, kommen Dokumente, die formell nicht alle Merkmale einer Rechnung im Sinne des § 11 Abs 1 UStG 1994 aufweisen, nicht als Rechnung im Sinne des Abs 14 in Betracht: Da sie schon aus diesem Grund nicht als Grundlage eines Vorsteuerabzuges dienen, kann ein Missbrauch nicht in Betracht kommen. Ist für ein mangelhaftes Abrechnungsdokument schon formell keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug gegeben, bedarf es des Korrektivs einer Steuerschuld nicht. Soweit unrichtige Rechnungen zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist das Entstehen einer Steuerschuld für den Aussteller der Rechnung hingegen jedenfalls verhältnismäßig.

Der EuGH führte in der Rechtssache Stadeco vom , C-566/07, folgendes aus:

26 Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausweist, diese Steuer schuldet. Insbesondere schuldet sie die auf einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer unabhängig davon, ob sie aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes verpflichtet ist, diese zu entrichten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Genius, 342/87, Slg. 1989, 4227, Randnr. 19, vom , Schmeink & Cofreth und Strobel, C 454/98, Slg. 2000, I 6973, Randnr. 53, sowie vom , Reemtsma Cigarettenfabriken, C 35/05, Slg. 2007, I 2425, Randnr. 23).

28 Mit der Regelung in Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie, wonach die in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer unabhängig davon geschuldet wird, ob aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes die Pflicht besteht, diese zu entrichten, soll der Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Recht zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 der Sechsten Richtlinie ergeben kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Schmeink & Cofreth und Strobel, Randnrn. 57 und 61, vom , Karageorgou u. a., C 78/02 bis C 80/02, Slg. 2003, I 13295, Randnrn. 50 und 53, sowie Reemtsma Cigarettenfabriken, Randnr. 23).

29 Selbst wenn dieses Abzugsrecht nur für diejenigen Steuern besteht, die mit einem mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz in Zusammenhang stehen (vgl. Urteil Genius, Randnr. 13), ist die Gefährdung des Steueraufkommens grundsätzlich nicht vollständig beseitigt, solange der Adressat einer Rechnung, in der die Mehrwertsteuer zu Unrecht ausgewiesen ist, diese noch dazu nutzen kann, das Abzugsrecht nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Schmeink & Cofreth und Strobel, Randnr. 57).

30 Verfügt der Steuerpflichtige gemäß dieser Bestimmung über eine Rechnung nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie, kann er bei der Finanzverwaltung sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen. Wie die niederländische und die deutsche Regierung ausgeführt haben, ist nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung aufgrund komplexer Umstände und Rechtsbeziehungen nicht rechtzeitig feststellen kann, dass andere Erwägungen einer Ausübung des Abzugsrechts entgegenstehen.

31 Da die Gefährdung des Steueraufkommens, die sich daraus ergeben könnte, dass der Adressat der Rechnung das Recht auf Vorsteuerabzug ausübt, in dem Mitgliedstaat besteht, dessen Mehrwertsteuer in der fraglichen Rechnung ausgewiesen ist, wird die Mehrwertsteuer gemäß Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie in diesem Mitgliedstaat geschuldet.

Nach der Entscheidung des BFH V R 39/09 genügt es, wenn ein Abrechnungsdokument die elementaren Rechnungsmerkmale formal enthält und den Empfänger des Dokumentes zur Geltendmachung eines Vorsteuerabzuges verleiten kann.

Das Bundesfinanzgericht geht im Sinne der angeführten Rechtsprechung des EuGH und in weiterer Folge des BFH davon aus, dass § 11 Abs 14 UStG 1994 im Wesentlichen eine Gefährdungshaftung normiert. Sobald eine formal vollständige Rechnung oder ein Beleg, bei dem die Gefahr eines unberechtigten Vorsteuerabzuges besteht, vorliegen, entsteht spiegelbildlich auch eine Steuerschuld kraft Rechnung.

Im gegenständlichen Fall wurde im Rahmen der freien Beweiswürdigung festgestellt, dass die in Rechnung gestellten Leistungen von der Bf. nicht erbracht wurden. Für das Bundesfinanzgericht ist es erwiesen, dass die Ausstellerin der Rechnung (= Bf.) und die Rechnungsempfängerin, die den unberechtigten Vorsteuerabzug vorgenommen hat, zusammengespielt haben und damit eine Gefährdung des Steueraufkommens aufgrund des unberechtigten Vorsteuerabzuges aufgetreten ist. Eine Berichtigung der Rechnung durch die Bf. ist nicht erfolgt.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mwN).

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gem. § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5101105.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at