Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.01.2024, RV/7100140/2023

Kein Arbeitszimmer bei bloß pandemiebedingter Telearbeit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100140/2023-RS1
Eine bloß vorübergehende Bürosperre führt noch nicht dazu, dass ein Arbeitszimmer notwendig wird, denn vorübergehende Unbenutzbarkeit des Büros ändert nichts an der grundsätzlichen Art der Tätigkeit.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig im Verfahren ist, ob das temporäre Sperren der dienstgebereigenen Büroräumlichkeiten mit der Anordnung an die Dienstnehmer, während der "Lockdowns" des Jahres 2020 gänzlich und darüber hinaus vorwiegend von zu Hause aus zu arbeiten, den Dienstnehmer dazu berechtigt, für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer (§ 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG) Werbungskosten geltend zu machen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) arbeitet in der IT-Tochtergesellschaft einer großen Versicherungsgesellschaft. In deren Bürogebäude in Wien steht ihm ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Als Gruppenleiter obliegt dem Bf die Mitarbeiterführung, die Koordination von Ausbildungsprogrammen, Kundenberatung und Organisation von Terminen mit den "Outsourcingpartnern" und IT-Herstellern. Die Abteilung des Bf ist für die Prüfung und Anschaffung von IT-Hardware zuständig und beschäftigt rund 20 Mitarbeiter.

Von 16.3. bis Mitte Mai 2020 waren die Zutrittskarten der Mitarbeiter gesperrt, sie wurden angehalten, zu Hause zu arbeiten und sämtliche Kontakte elektronisch wahrzunehmen. Bis Mitte Juni 2020 wurde der Betrieb im Büro unter Auflagen (Viertelbelegung, Rotationsprinzip, Fiebermessen, "3 G-Nachweis") wieder hochgefahren. Von 3. bis 6. November wurde der Belegschaft infolge des Terroranschlages neuerlich empfohlen, von zu Hause aus zu arbeiten.

Der Bf hat ab Mitte März bis Ende 2020 fast ausschließlich von zu Hause aus gearbeitet (nur rund 50 Bürostunden im gesamten Zeitraum), weil durch die österreichweite Verteilung seiner Belegschaft ohnehin alle Meetings online stattgefunden haben und es mit dem Vorgesetzten so vereinbart worden ist. Der Dienstvertrag des Bf legt als Dienstort Wien fest, eine Regelung zum Homeoffice enthält er nicht.

In seinem Haus (ca 125 m²) hat sich der Bf ein Arbeitszimmer (11,87 m²) eingerichtet und im Jahr 2020 dafür einen Bürosessel und einen schwenkbaren Bildschirmarm angeschafft.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen und ist zwischen den Parteien unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 können die Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, es sei denn, ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer bildet den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen.

Für die Bestimmung des Mittelpunktes einer Tätigkeit ist ihr materieller Schwerpunkt maßgebend; in Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl ; vom , 2011/15/0104; vom , 2013/15/0165).

Ein derartiger Mittelpunkt liegt nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn das Arbeitszimmer für die Tätigkeit notwendig ist. Diese Notwendigkeit ist typisierend für die Art der Tätigkeit zu beurteilen und nicht nach den Gegebenheiten im Einzelfall (vgl Jakom/Peyerl EStG, 2023, § 20 Rz 51). Steht dem Steuerpflichtigen an der Arbeitsstätte ein Arbeitsplatz zur Verfügung, kann das häusliche Arbeitszimmer nicht den Tätigkeitsmittelpunkt bilden (vgl ; , 2001/15/0197; , 99/15/0203). Arbeitet der Steuerpflichtige freiwillig zu Hause, obwohl er die Tätigkeit auch in den Räumlichkeiten des Dienstgebers ausüben könnte, steht dies ebenso der Abziehbarkeit entgegen (; , 2000/15/0176; ; Kofler/Wurm in Doralt/Kirchmayr/Mayr/ Zorn, EStG20 [2018], § 20 Rz 104/9).

Die Tätigkeit von zu Hause aus erfolgte seitens des Bf grundsätzlich freiwillig, weil es kein gesetzliches Gebot diesbezüglich gab, die vom Dienstgeber verfügte Bürosperre nur vorübergehend und von kurzer Dauer war und der häusliche Arbeitsort lediglich auf einer Vereinbarung mit dem Vorgesetzten außerhalb dienstvertraglicher Vorgaben beruht. Eine Änderung des Tätigkeitsschwerpunktes würde zumindest eine entsprechende, konkrete Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer (abweichend von der Vereinbarung laut Dienstvertrag vor der COVID-19-Pandemie), die auf eine länger angelegte Dauer abzielt, erfordern ().

Typisierend stellt eine Führungsposition, wie sie der Bf ausübt, Anforderungen an die Präsenz in den Räumlichkeiten des Dienstgebers, die einen Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ausschließt. Auf die Lage im konkreten Einzelfall, die durch die Disloziertheit der Mitarbeiter des Bf eine Heimarbeit erleichtert hat, kommt es nicht an. Seitens des Bundesfinanzgerichtes bestehen erhebliche Bedenken, allein wegen der pandemiebedingt vermehrten Heimarbeit von einer grundsätzlichen Verlagerung des materiellen Schwerpunktes auszugehen ().

Auch führt eine bloß vorübergehende Bürosperre noch nicht dazu, dass ein Arbeitszimmer notwendig wird, denn vorübergehende Unbenutzbarkeit des Büros ändert nichts an der grundsätzlichen Art der Tätigkeit. Eine lediglich temporäre Bürosperre, die nicht gesetzlich sondern nur durch den Dienstgeber angeordnet ist, muss somit unbeachtlich bleiben (), zumal die Unbenutzbarkeit der Büroräume durch Zutrittssperre gerade einmal zwei Monate und damit einen vernachlässigbar kurzen Zeitraum betroffen hat. Ganz im Gegenteil wird es für den weitaus überwiegenden Teil der Steuerpflichtigen unzumutbar sein, aufgrund einer bloß vorübergehenden Einschränkung häusliche Infrastruktur für berufliche Zwecke umzuwidmen (vgl ). Ein aufgrund der Pandemie eingerichtetes eigenes, ausschließlich für die berufliche Nutzung vorgesehenes Arbeitszimmer erscheint weder angemessen noch notwendig. ().

Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass eine bloß vorübergehende - pandemiebedingte - Homeoffice-Tätigkeit noch nicht dazu führt, dass sich das Wesen des Dienstverhältnisses ändert. Einerseits wurde aus diesem Anlass § 16 Abs 1 Z 7a EStG eingeführt (vgl § 124b Z 373 EStG), der genau solche Fälle wie den gegenständlichen abdeckt (vgl ; , RV/7101991/2022); andererseits wurden auch Pendlerpauschale und Pendlereuro im Jahr 2020 ausdrücklich weiterhin gewährt (vgl § 124b Z 349 EStG), obwohl für die Zeiten des pandemiebedingten Homeoffice die Voraussetzungen ohne gesetzliche Ausnahmeregelung weggefallen wären.

Auch der Bf hat davon profitiert, dass ihm ohne jegliche Fahrtätigkeit das Pendlerpauschale als Werbungskosten und der Pendlereuro als Absetzbetrag weiterhin zugestanden sind. Im Gegenzug kann sich auch nichts an der Charakteristik seiner Tätigkeit im steuerlichen Sinn geändert haben. Die vom Bf angeschafften Arbeitsmittel wurden in der Veranlagung durch die belangte Behörde berücksichtigt. Ein zum Werbungskostenabzug berechtigendes Arbeitszimmer im ertragsteuerlichen Sinn liegt hingegen nicht vor.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht orientierte sich in seiner Entscheidung an der umfangreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den für die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers erforderlichen Voraussetzungen. Ob die einzelnen Kriterien, insbesondere jene der Notwendigkeit oder des Mittelpunktes der Tätigkeit erfüllt sind, ist jeweils im Einzelfall bezogen auf das konkret vorliegende sachliche Geschehen zu beurteilen. Das Erkenntnis war daher nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at