Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr
Rechtssätze
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RV/7106095/2019-RS1 | Indem die belangte Behörde vermeint, die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten müsse in jenem Studienjahr erbracht werden, für das Familienbeihilfe begehrt wird, verkennt sie die Rechtslage. Denn nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und auch den Aussagen des VwGH ist für den Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Studienjahr nach dem ersten Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten im vorhergehenden Studienjahr erforderlich. Der diesbezügliche Gesetzeswortlaut „… für ein vorhergehendes Studienjahr…“ versteht der Verwaltungsgerichtshof unzweifelhaft als das direkt vorhergehende Studienjahr (vgl. den Wortlaut „für das vorhergehende Studienjahr“ und „für jedes Studienjahr […] ein quantitativ genau definierter Studienerfolg zu erbringen ist“). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Andrea Pamperl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Familienbeihilfe 10.2016-08.2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird insoweit abgeändert, als der Rückforderungszeitraum auf die Monate Oktober 2017 bis August 2018 eingeschränkt wird.
Rückforderungsbetrag: Familienbeihilfe 1.862 Euro, Kinderabsetzbetrag: 642,40 Euro, gesamt daher 2.504,40 Euro.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge vom wurde Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind ***1*** ***2***, geb. 1997, für den Zeitraum von Oktober 2016 bis August 2018 rückgefordert. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Familienbeihilfenanspruch nur dann bestehe, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Da ***2*** keine bzw. zu wenige positive Prüfungen ab dem Wintersemester 2016/17 absolviert hätte und somit keinen kontinuierlichen Studienerfolg vorweisen könne, bestehe für oben angeführten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde vom eingebracht. Ausgeführt wurde im Wesentlichen, dass der Bescheid vom zu wenig begründet sei und ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium seit Beginn des Studiums im Wintersemester 2015 vorliege. Neben positiven Prüfungen und negativen Prüfungsantritten hätte die Tochter auch die auf die Prüfungen vorbereitenden Lehrveranstaltungen besucht und Mitschriften angefertigt. Nach Aufstellung der Bechwerdeführerin hätte die Tochter folgende Leistungen absolviert:
WS 2015: 5 Prüfungen, davon 4 positiv mit insgesamt 9 ECTS-Punkten.
SS 2016: 5 Prüfungen, alle positiv mit insgesamt 11,5 ECTS-Punkten.
WS 2016: 2 Prüfungen, beide positiv mit insgesamt 4,5 ECTS-Punkten. 10 Lehrveranstaltungen wären besucht worden, wovon von 5 Lehrveranstaltungen Mitschriften vorliegen würden.
SS 2017: 1 Prüfung, negativ. 10 Lehrveranstaltungen wären besucht worden, wovon von 2 Lehrveranstaltungen Mitschriften vorliegen würden.
WS 2017: 1 Prüfung, negativ. 4 Lehrveranstaltungen wären besucht worden, wovon von 1 Lehrveranstaltung eine Mitschrift vorliegen würde.
SS 2018: 1 Prüfung, positiv mit 0,1 ECTS-Punkten. 2 Lehrveranstaltungen wären besucht worden, wovon von 1 Lehrveranstaltung eine Mitschrift vorliegen würde.
Nach Rechtsprechung des VwGH wäre der Prüfungserfolg alleine für die Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit des Studiums nicht maßgeblich (Verweis auf sowie vom , 98/13/0042). Auch der UFS Graz (, RV/0129-G/07) und das BFG (, RV/7102450/2011) hätten ausgesprochen, dass ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium vorliegen könne, wenn keinerlei Prüfungsantritt absolviert worden sei.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom der belangten Behörde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ***2*** im ersten Studienjahr Prüfungen im Ausmaß von 20,5 ECTS absolviert habe. Im zweiten Studienjahr sei sie zu drei Prüfungen angetreten, wobei zwei Prüfungen mit insgesamt 4,5 ECTS-Punkten positiv bewertet worden seien. Im dritten Studienjahr hätte sie eine Prüfung mit 0,1 ECTS-Punkten positiv abgeschlossen. Laut VwGH (, Ra 2017/16/0036) bestehe Anspruch auf Weitergewährung der Familienbeihilfe ab jedem weiteren Studienjahr nach dem ersten Studienjahr nur dann, wenn für das vorhergehende Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semsterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen werde, womit für jedes Studienjahr ein quantitativ genau definierter Studienerfolg zu erbringen sei. Es sei somit ein kontinuierlicher Studienerfolg von 16 ECTS-Punkten pro Studienjahr zu erbringen.
Mit Eingabe vom beantragt die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde die von ihr in der BVE zitierte VwGH-Entscheidung verkenne. In dieser Sache sei es um die Frage, bis wann die für die Weitergewährung der Familienbeihilfe notwendige Leistungsnachweis aus dem 1. Studienjahr zu erbringen sei und ob in diesem Einzelfall nach dem 1. Studienjahr weiterhin ein Anspruch auf Familienbeihilfe für die Monate Oktober bis Dezember nach dem Studienwechsel auf ein neues Studium bestanden habe oder nicht. Der ständigen Rechtsprechung sei zu entnehmen, dass nach Erbringung des Leistungsnachweises aus dem 1. Studienjahr das Vorliegen eines ernsthaften und zielstrebigen Studiums
Mit Beschluss vom des Bundesfinanzgerichts wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert, Bestätigungen der Universität über erfolgte Anmeldungen und Anwesenheiten, Nachweise über abgelegte Zwischenprüfungen oder Seminararbeiten, sonstige Leistungsbeurteilungen und die in der Beschwerde angeführten Mitschriften vorzulegen. Zudem wurde folgende Fragen an die Beschwerdeführerin gestellt:
"Warum wurden im WS 2016/17 die Vorlesung Anorganische Chemie II besucht, wenn noch nicht die Vorlesung Anorganische Chemie I besucht wurde? Bitte nehmen Sie dazu Stellung.
Warum wurden im WS 2016/17 die Vorlesung Organische Chemie II besucht, wenn noch nicht die Vorlesung Organische Chemie I besucht wurde? Bitte nehmen Sie dazu Stellung.
Warum wurde im WS 2016/17 die Vorlesung Analytische Chemie III besucht, wenn noch nicht die Vorlesung Analytische Chemie II besucht wurde? Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die Vorlesung Analytische Chemie III zum Modul Analytische Chemie II gehört und das Modul Analytische Chemie I noch nicht abgeschlossen wurde. Bitte nehmen Sie dazu Stellung."
Mit Eingabe vom übermittelte die Beschwerdeführerin folgende Stellungnahme: Zum Nachweis der Anmeldungen wäre bei der Studienabteilung der TU Wien eine Bestätigung über die Anmeldungen sowie über Anwesenheitspflichten angefordert worden. Der Besuch von Lehrveranstaltungen und Seminaren an der TU Wien würden prinzipiell ohne gesonderte vorherige Anmeldung (außer reguläre Inskription für das Studium) erfolgen. Gesonderte Anmeldungen seien lediglich für Laborübungen, vereinzelt bei Seminaren nötig. Ihre Tochter hätte eine Anfrage an jene Institute gestellt, die ihrer Erinnerung nach eine Anwesenheitsliste geführt hätten. Die Antwort sei noch ausständig.
Bei der Aufstellung der Lehrveranstaltungen sei leider ein Fehler unterlaufen. Anstelle von Physik Proseminar SS 2017 sollte Physikalische Chemie Proseminar SS 2017 angeführt sein. Weitere Mitschriften würden in der Beilage zum Nachweis eines ernsthaften und strebsamen Studiums vorgelegt werden. Zum Nachweis, dass das Studium zielstrebig betrieben worden sei, werde ebenso die Bestätigung eines freiwilligen Praktikums aus dem Bereich Biochemie Molekularbiologie von der Veterinärmedizinischen Universität Wien vom SS 2017 vorgelegt.
Als Voraussetzung zum Erhalt eines Laborplatzes seien generell bestimmte Prüfungen als Eingangsvoraussetzungen vorgegeben, des Weiteren erfolge dann noch ein Ranking. Als Beispiel würde qualitativ analytisches Praktikum genannt werden. Die vorgeschriebene Prüfung in Analytische Chemie I habe ihre Tochter im WS 2016/17 bestanden und im Sommersemester 2017 am Praktikum teilgenommen. Sie hätte es nicht abschließen können, da sie während des Praktikums erkrankt sei und somit der Zeitrahmen für den Abschluss nicht mehr gegeben gewesen wäre. Es seien in dem Praktikumszeitraum bestimmte Proben zu bearbeiten und zu analysieren. Eine Wiederholung im Krankheitsfall sei aufgrund der Zeitvorgaben im laufenden Praktikum nicht mehr möglich. Bei der sich nächstbietenden Möglichkeit im WS 2017/18 habe sie wieder am Praktikum teilgenommen, dann jedoch nicht bestanden.
Die LV Anorganische Chemie I sei bereits auch im WS 2015/16 besucht worden. Die Mitschrift werde als Beispiel für die umfangreichen Lehrinhalte in den Grundlagenfächern vollständig vorgelegt. Das Skriptum alleine habe fast 450 Seiten. Die LV Organische Chemie I habe ihre Tochter erstmalig im SS 2016 besucht. Sie habe sie im SS 2017 nochmals besucht, um beide Teile OC I und OC II gemeinsam bzw. zeitnah abschließen zu können. Betreffend Analytische Chemie III, II und I habe ihre Tochter alle Lehrveranstaltungen besucht (Mitschriften als Beilage). Die LV zur Analytischen Chemie I habe sie im WS 2016/17 positiv abgeschlossen. Aus zeitstrategischen Gründen habe ihre Tochter neben der Vorbereitung auf die Prüfung für Analytische Chemie I auch die Vorlesung zur Analytischen Chemie III besucht. Im Sommersemester habe sie dann die LV zur Analytischen Chemie II nochmals besucht, um dann beide Teile II und III möglichst zeitnah zueinander abschließen zu können. Auch dies zeige das ernsthafte Bestreben ihrer Tochter, im Studium zügig weiterzukommen. Zu berücksichtigen sei für ein ernsthaft betriebenes Studium nach Ansicht der Beschwerdeführerin auch, dass nicht nur der Besuch von Lehrveranstaltungen und die Mitschriften zu betrachten seien, sondern auch die Zeit, die für die Vorbereitung auf Lehrveranstaltungen, Lernzeit für die vermittelten bzw. auch selbst erarbeiteten Lehrinhalte durch zu Rate ziehen zahlreicher Lehrbücher, die zusätzlich zum Studium benötigt würden und bearbeitet worden seien bzw. die zahlreichen bearbeiteten Übungsbeispiele, die nötig gewesen wären, um den Lernstoff gut abdecken zu können. Aus eigener Wahrnehmung könne sie bestätigen, dass ihre Tochter sehr viel Zeit in das Studium und das sich Aneignen der Lehrinhalte investiert habe, das Studium ernsthaft betrieben hätte und während dieser Zeit praktisch kein Privatleben gehabt hätte. Die Tochter der Beschwerdeführerin habe im September 2018 beschlossen, das Studium abzubrechen und hätte mit der Ausbildung zur Elementarpädagogik begonnen. Diese Ausbildung habe sie zeitgerecht mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen und sei unmittelbar im Juni 2020 ins Berufsleben eingetreten.
Mit Ergänzung zu dieser Stellungnahme vom führte die Beschwerdeführerin aus, dass Sie keine weiteren Informationen der Technischen Universtität Wien betreffend Teilnahme an Lehrveranstaltungen erhalten würde, weil ihre Tochter keinen Zugang zum Studenten-E-Mail der TU Wien mehr hätte.
Das Bundesfinanzgericht stellte am eine Anfrage an die Technische Universität Wien, ob ein Besuch der Lehrveranstaltungen mit dem Typ "SE" oder "PS" nur mit fixer Anmeldung möglich sei und ob es inhaltlich möglich sei, die VO Analytische Chemie III zu besuchen noch bevor die VO Analytische Chemie II besucht wurde. Mit Eingabe vom wurden diese Fragen ***3*** der Technischen Universität Wien wie folgt beantwortet: PS und SE-LVAen seien tatsächlich solche mit immanentem Prüfungscharakter und sei daher eine Anwesenheit bzw. Anmeldung erforderlich. Sie würden aber üblicherweise keine Bestätigungen darüber ausstellen und Zeugnisse würden nur ausgestellt, wenn die zugehörigen Tests oder Kolloquien als Teilleistungen abgelegt worden seien. Der Besuch der VO Analytische Chemie III vor der VO Analytische Chemie II sei grundsätzlich vorstellbar und möglich, es gebe an der TU Wien diesbezüglich keine Beschränkung. Allerdings lasse sich hier eine Teilnahme nicht verifizieren, weil für VOs keine Anmeldung erforderlich sei und die Teilnahme auch nicht dokumentiert werde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Tochter der Beschwerdeführerin wurde am ***4***.1997 geboren und begann das Bachelorstudium Technische Chemie mit WS 2015/16 (Studienblatt vom ).
Folgende Prüfungen wurden in der Zeit von Oktober 2015 bis September 2018 abgelegt:
WS 2015/16: 5 Prüfungen im Ausmaß von 9 ECTS positiv abgeschlossen, 1 negativer Prüfungsantritt.
SS 2016: 5 Prüfungen im Ausmaß von 11,5 ECTS positiv abgeschlossen.
WS 2016/17: 2 Prüfungen im Ausmaß von 4,5 ECTS positiv abgeschlossen.
SS 2017: 1 negativer Prüfungsantritt.
WS 2017/18: 1 Lehrveranstaltung im Ausmaß von 0,1 ECTS positiv abgeschlossen. 1 negativer Prüfungsantritt.
Im WS 2016/17 und im SS 2017 wurden mehrere Lehrveranstaltungen besucht.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Familienbeihilfen-Akt sowie der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellung, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im WS 2016/17 und im SS 2017 mehrere Lehrveranstaltungen an der Technischen Universität Wien besucht hat, fußt auf folgenden Erwägungen:
Folgende Mitschriften und/oder Vortragsfolien wurden für das WS 2016/17 von der Beschwerdeführerin vorgelegt: Analytische Chemie III, Biochemie, Organische Chemie II, Anorganische Chemie II, Sturkturaufklärung, Physikalische Chemie II, Industrieseminar
Folgende Mitschriften und/oder Vortragsfolien wurden für das SS 2017 von der Beschwerdeführerin vorgelegt: Analytische Chemie II, Qualitatives analytisches Labor, Physikalische Chemie PS, Physikalische Chemie I, Biochemie (SE)
Die folgenden Lehrveranstaltungen waren nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin als "PS" und "SE" angeführt, womit Anwesenheitspflicht bestand:
WS 2016/17: Industrieseminar, Physikalische Chemie II, Quantitativ analytisches Praktikum (LU), Strukturaufklärung.
SS 2017: Biochemie SE, Physikalische Chemie PS.
Eine Anmeldeliste zu den einzelnen Lehrveranstaltungen wurde trotz Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht nicht vorgelegt. Allerdings wurde die Anfrage des Bundesfinanzgerichts an die Technische Universität Wien dahingehend beantwortet, dass über eine Anwesenheit bzw. Anmeldung keine Bestätigung ausgestellt werden würde und Zeugnisse nur dann ausgestellt werden, wenn die zugehörigen Tests oder Kolloquien als Teilleistungen abgelegt worden seien.
Von der Beschwerdeführerin wurde behauptet, dass ihre Tochter zudem mehrere VOs, bei denen weder Anmeldung noch Anwesenheit von der Universität gefordert wird, besucht worden wären. Ein Nachweis über die tatsächliche Teilnahme seitens der Universität kann daher nicht erbracht werden. Die Beschwerdeführerin legt zur Glaubhaftmachung mehrere Mitschriften von VOs vor.
Auch wenn sich einige dieser Mitschriften im Besuch von wenigen Einheiten (z.B. Analytische Chemie III, erster Eintrag am , letzter Eintrag am , der Vortrag lief regulär bis ; Organische Chemie II, Mitschrift in einem Heft, beginnend am mit sehr wenigen Seiten und Folien mit Textmarker markiert ohne weitere Beschriftungen/Notizen etc.) so kann dennoch nicht festgestellt werden, dass die Tochter der Beschwerdeführerin ihr Studium an der Technischen Universität Wien überhaupt nicht mehr betrieben hätte, da sowohl zumindest gemäß den vorgelegten Mitschriften einige Vorlesungen besucht wurden und auch im WS 2016/17 und im SS 2017 insgesamt 3 Prüfungen abgelegt wurden. Auch über das "Qualitativ Analytische Labor" im SS 2017 gibt es einen konkreten Nachweis über die Teilnahme bis zumindest (gelbes Heft mit Hausübungen und ähnlichem, die der Kontrolle der Vortragenden unterlag).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 lautet in den hier maßgeblichen Fassungen (BGBl. I Nr. 144/2015, 156/2017 und 24/2019): Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
Nach dem Gesetzeswortlaut besteht Anspruch ab dem zweiten Studienjahr somit nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) führt in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/16/0036, in Rz 20 aus, dass der Anspruch auf Weitergewährung der Familienbeihilfe ab jedem weiteren (nach dem ersten) Studienjahr zufolge § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nur dann besteht, wenn für das vorhergehende Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird, womit für jedes Studienjahr - innerhalb der Fristen des § 61 UG - ein quantitativ genau definierter Studienerfolg zu erbringen ist.
Der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, dass nicht davon auszugehen sei, dass jedes Jahr ein gleich hoher Studienerfolg wie im 1. Studienjahr vorzuweisen sei und der ständigen Rechtsprechung zu entnehmen sei, dass nach Erbringung des Leistungsnachweises aus dem 1. Studienjahr das Vorliegen eines ernsthaften und zielstrebigen Studiums, damit ein nach außen erkennbares Bemühen um den Ausbildungserfolg, das sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen zu manifestieren hätte, kann daher nicht gefolgt werden.
Die Beschwerdeführerin führt darüber hinaus mit Verweis auf die Rechtsprechung des , vom , 94/15/0130, vom , 94/15/0034 und vom , 90/14/0108 aus, dass in der Gesamtbeurteilung nicht der Prüfungserfolg alleine ausschlaggebend sei, das studierende Kind müsse aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen. In dem von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnis vom geht es um die Frage, ob sich ein Studierender, der im strittigen Zeitraum zu keiner Prüfung auch nur angetreten ist, in Berufsausbildung befunden hat. Der VwGH führt dabei aus, dass das Ablegen von Prüfungen, die in einem Hochschulstudium nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehen sind, essentieller Bestandteil des Studiums und damit der Berufsausbildung selbst ist. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich alleine noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Auch im von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnis vom ging es um eine ähnliche Frage. Der VwGH führt darüber hinaus aus, dass zwar der Prüfungserfolg nicht ausschlaggebend ist, das anspruchsvermittelnde Kind muss aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen. Im von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnis vom wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers vom VwGH als unbegründet abgewiesen, weil der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen hatte, dass sein Sohn zu weiteren Prüfungen angetreten ist. Aus diesen Erkenntnissen des VwGH lässt sich für den Erfolg der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall nichts gewinnen. Auch die Beschwerdeführerin selbst macht hierzu keine Angaben. Im von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnis vom führt der VwGH aus, dass der laufende Besuch einer Maturaschule für sich alleine nicht ausreicht, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Unter anderem muss der Maturaschüler durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen. Eine Ausbildung, bei der schon bald nach ihrem Beginn Prüfungen abzulegen sind, bei der das Kind aber während langer Zeit zu keiner Prüfung antritt, kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden. Auch aus diesem Erkenntnis kann für den Erfolg der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall vom Bundesfinanzgericht kein Hinweis erkannt werden. Auch die Beschwerdeführerin selbst macht hierzu keine Angaben.
In ihrer Beschwerde vom verweist die Beschwerdeführerin zudem auf sowie auf die Entscheidung des UFS Graz vom , RV/0129-G/07 und des . Auch in diesem Erkenntnis des VwGH ging es um die Frage, ob eine Berufsausbildung vorgelegen hat, wenn das Kind innerhalb von mehr als zwei Jahren zu keiner Prüfung im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung angetreten ist. In der Entscheidung des UFS Graz vom begann der Sohn der Beschwerdeführerin im Wintersemester 2006/07 zu studieren. Das Kind wurde mit exmatrikuliert und war ab November 2006 als Angestellter beschäftigt. In dieser Entscheidung ging es daher um die Anspruchsvoraussetzungen für das erste Studienjahr. Ein Vergleich mit dem hier vorliegenden Fall ist daher aus diesen unterschiedlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht möglich. Ebenso ging es im Erkenntnis des um die Frage, ob vom Kind des Beschwerdeführers ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium im ersten Studienjahr betrieben wurde.
Wie bereits oben ausgeführt, besteht der Anspruch auf Weitergewährung der Familienbeihilfe ab jedem weiteren (nach dem ersten) Studienjahr nach der klaren Aussage des Verwaltungsgerichtshofes nur dann, wenn für das vorhergehende Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird, womit für jedes Studienjahr - innerhalb der Fristen des § 61 UG - ein quantitativ genau definierter Studienerfolg zu erbringen ist.
Indem die belangte Behörde vermeint, die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten müsse in jenem Studienjahr erbracht werden, für das Familienbeihilfe begehrt wird, verkennt sie die Rechtslage. Denn nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und auch den Aussagen des VwGH ist für den Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Studienjahr nach dem ersten Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten im vorhergehenden Studienjahr erforderlich. Der diesbezügliche Gesetzeswortlaut "… für ein vorhergehendes Studienjahr…" versteht der Verwaltungsgerichtshof unzweifelhaft als das direkt vorhergehende Studienjahr (vgl. den Wortlaut "für das vorhergehende Studienjahr" und "für jedes Studienjahr […] ein quantitativ genau definierter Studienerfolg zu erbringen ist").
Fraglich war im vorliegenden Fall, ob die Tochter der Beschwerdeführerin im WS 2016/17 und im SS 2017 ihr Studium an der Technischen Universität Wien noch aktiv ernsthaft und zielstrebig betrieben hat oder nicht. Dies war aufgrund des Antritts zu (wenn auch wenigen) Prüfungen und aufgrund der vorgelegten Mitschriften, wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, im vorliegenden Fall als erwiesen anzunehmen. Familienbeihilfe war daher für das Studienjahr 2016/2017 (Oktober 2016 bis September 2017) zu gewähren, weil im vorhergehenden Studienjahr 2015/2016 (Oktober 2015 bis September 2016) mehr als 16 ECTS-Punkte erreicht wurden und das Studium im Studienjahr 2016/2017 aktiv betrieben wurde. Im Studienjahr 2016/2017 wurden die gesetzlich geforderten Voraussetzungen der Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nicht erfüllt, daher stand Familienbeihilfe ab Oktober 2017 nicht mehr zu.
Berechnung des Rückforderungsbetrages:
Familienbeihilfe:
Oktober bis Dezember 2017: Familienbeihilfe 162 Euro pro Monat + 2 x 6,90 Euro Geschwisterstaffel pro Monat
Jänner 2018: Familienbeihilfe 165,10 Euro + 2 x 7,10 Euro Geschwisterstaffel
Februar bis August 2018: 165,10 Euro Familienbeihilfe
Kinderabsetzbetrag: 58,40 Euro pro Monat
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die im gegenständlichen Verfahren entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung geklärt sind, liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | -G/07 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7106095.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at