Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bei Prüfung, welche erst zu Beginn des Folgesemesters der Abhaltung der Lehrveranstaltung positiv absolviert wurde
Amtsrevision eingebracht.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe (EUR 3.005,90) und Kinderabsetzbetrag (EUR 999,60) betreffend den Zeitraum Oktober 2021 bis Februar 2023 (***Ordnungszahl***, ***SVNr_Bf***) betreffend das Kind ***Kind*** (***SVNr_Kind***) zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird (ersatzlos) aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführerin (in der Folge: "Bf.") wurden im Zeitraum Oktober 2021 bis Februar 2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ihren Sohn ***Kind*** (***SVNr_Kind***) ausbezahlt.
Mit Anspruchsüberprüfungsschreiben vom forderte die belangte Behörde von der Bf. nähere Informationen durch Aufforderung zur Bearbeitung eines Datenblattvordruckes und Beilage entsprechender Nachweise bis zum an. Insbesondere wurden betreffend das genannte Kind abgefordert:
Fortsetzungsbestätigung
Studienerfolgsnachweis
Nachweis des Studienabschlusses bzw. Angabe, wann das Studium voraussichtlich beendet werden wird
Wird ein Masterstudium begonnen, ggf. wann
Die Bf. übermittelte mit dem Schreiben vom , bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangt, eine Studienbestätigung für das Wintersemester 2023/2024 sowie eine Studienerfolgsbestätigung vom betreffend das Bacherlorstudium Informatik ihres Sohnes an der [...]. Angaben zum voraussichtlichen Studienende wurden seitens der Bf. trotz eines entsprechenden Feldes im Formular nicht gemacht. Der Studienerfolgsnachweis vom wies - nun an dieser Stelle vereinfachend semesterweise und rein nach Prüfungsdatum (entsprechend der Datenübermittlung der Universität an das Finanzamt Österreich) aufgeschlüsselt dargestellt - folgenden Studienerfolg aus (in ECTS-Punkten bzw. Semesterwochenstunden=SWS):
SS 2020: 0 ECTS / 0 SWS
WS 2020/2021: 4,5 ECTS / 3 SWS
SS 2021: 3 ECTS / 2 SWS
WS 2021/2022: 8 ECTS / 6 SWS
SS 2022: 0 ECTS / 0 SWS
WS 2022/2023: 10,5 ECTS / 7 SWS
SS 2023: 3 ECTS / 2 SWS
Mit Anspruchsüberprüfungsschreiben vom forderte die belangte Behörde von der Bf. nähere Informationen durch Aufforderung zur Bearbeitung eines Datenblattvordruckes bis zum an. Insbesondere wurden betreffend den Sohn der Bf. abgefordert:
"Fortsetzungsbestätigung und voraussichtliche Dauer
Nachweis des Studienabschlusses, falls bereits vorhanden, sonst"
Mit Antwort vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , unterfertigte die Bf. den Vordruck unverändert und übermittelte eine Studienbestätigung ihres Sohnes betreffend das Sommersemester 2024. Angaben zum voraussichtlichen Studienende wurden trotz eines entsprechenden (leeren) Feldes im Formular abermals nicht gemacht.
Die belangte Behörde forderte mit dem angefochtenen Bescheid vom , zugestellt am , die im Zeitraum 10/2021 - 2/2023 ausbezahlte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag von der Bf. gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück (insgesamt EUR 4.005,50). Die Begründung dazu lautete:
"Familienbeihilfe steht nach dem ersten Studienjahr nur dann zu, wenn einer der folgenden Leistungsnachweise erfolgreich erbracht wurde:
• Prüfungen im Ausmaß von 8 Semesterwochenstunden
• Prüfungen im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten
• 14 ECTS-Punkte der Studieneingangs-oder Orientierungsphase
• eine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung
Keiner dieser Leistungsnachweise wurde erbracht, Familienbeihilfe steht daher nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Der Studienerfolgsnachweis von 16 ECTS-Punkten bzw. 8 SWS wurde nach dem 1. Studienjahr nicht erbracht. Erst ab dem März 2023 wurden die 8 SWS erreicht. Der Anspruch auf Familienbeihilfe steht ab 03/2023 wieder zu."
Dagegen brachte die Bf. rechtzeitig am die Beschwerde vom selben Tag ein. Es sei ein Dienst im Bundesheer abgeschlossen worden, weshalb sich die Bezugsdauer bis zum 25. Lebensjahr verlängern müsse. Die 8 Semesterwochenstunden seien bereits im Februar 2022 erreicht worden. Dazu wurde ein Studienerfolgsnachweis vom vorgelegt, welcher ergänzend zu jenem vom nunmehr für das Wintersemester 2023/2024 und für das Sommersemester 2024 jeweils 3 ECTS / 2 SWS an positiv beurteilten Prüfungen ausweist. Weiters legte die Bf. eine Verleihungsurkunde der Militärkommandos Oberösterreich vom betreffend "Wehrdienstmedaille in Bronze" des Sohnes der Bf. vor, in welcher auf dessen vollständig abgeleisteten Grundwehrdienst Bezug genommen wurde.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte zur Begründung an:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetztes 1992 BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betreiben. Für den Anspruch auf Familienbeihilfe während des ersten Studienjahres genügt die Fortsetzungsbestätigung unter der Voraussetzung, dass das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird.
Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden bzw. im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten (bei 2 Semestern Nachweiszeitraum) oder 12 Semesterwochenstunden oder 24 ECTS- Punkten (bei 3 Semestern Nachweiszeitraum) nachgewiesen wird. Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen
Als Nachweiszeitraum für den Studienerfolgsnachweis nach dem ersten Studienjahr gilt bei Studienbeginn in einem Wintersemester 2 Semester vom 1. Oktober eines Jahres bis zum 31. Oktober des nächstfolgenden Jahres oder bei Studienbeginn in einem Sommersemester 3 Semester vom 1. März bis 31. Oktober des Folgejahres.
Der Studienerfolgsnachweis ist nur dann erbracht, wenn die erforderlichen Prüfungen bzw. Lehrveranstaltungen im betriebenen Studium erfolgreich - also mit positiven Noten - abgelegt wurden.
Erreicht die/der Studierende im Nachweiszeitraum den erforderlichen Studienerfolg nicht, besteht somit zunächst grundsätzlich für das darauffolgende Studienjahr kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Ein Nichterreichen des Studienerfolgs führt zur Einstellung der Familienbeihilfengewährung, die bereits absolvierten ECTS-Punkte/Semesterwochenstunden verfallen und im neuen Nachweiszeitraum beginnt die Berechnung der ECTS-Punkte/Semesterwochenstunden wieder von Anfang an.
Erreicht die/der Studierende im nachfolgenden, nunmehr laufenden Studienjahr den Studienerfolg durch die erfolgreiche Ablegung von Prüfungen im Ausmaß von mindestens 16 ECTS-Punkten oder 8 Semesterwochenstunden kann ab Beginn des Monats, in dem der erforderliche Studienerfolg erreicht wurde (Datum der letzten Prüfung), die Familienbeihilfe wieder bis zur höchstzulässigen Studiendauer gewährt werden.
Herr ***Kind*** hat das Bachelorstudium Informatik an der ***Universität*** mit Sommersemester 2020 begonnen.
Laut Studienerfolgsnachweis der ***Universität*** vom wurden Prüfungen bzw. Lehrveranstaltungen von Dezember 2020 bis März 2024 abgelegt.
Nachdem das Studium im März 2020 begonnen wurde, gilt als Nachweiszeitraum für den Studienerfolgsnachweis nach dem ersten Studienjahr vom bis . In diesem Zeitraum wurden Prüfungen bzw. Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 7,5 ECTS-Punkten oder 5 Semesterwochenstunden positiv abgelegt.
Der erforderliche Studienerfolg nach dem ersten Studienjahr wurde somit nicht erreicht. Es folgte die Einstellung der Familienbeihilfe mit . Die absolvierten ECTS- Punkt/Semesterwochenstunden verfallen und im neuen Nachweiszeitraum beginnt die Berechnung der ECTS-Punkte/Semesterwochenstunden wieder von Anfang an.
Im nächsten Studienjahr - Nachweiszeitraum vom bis - wurden Prüfungen bzw. Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 8 ECTS oder 6 Semesterwochenstunden positiv abgelegt. Wieder kein Erreichen des erforderlichen Studienerfolgs. Die absolvierten ECTS-Punkte/Semesterwochenstunden verfallen wieder. Im Studienjahr 2022/23 - mit dem neuen Nachweiszeitraum vom bis - wurde der erforderliche Studienerfolg im Ausmaß von 8 Semesterwochenstunden mit erreicht und somit besteht wieder ein Anspruch auf Familienbeihilfe ab März 2023.
Die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe liegen im Beschwerdezeitraum nicht vor."
Dagegen brachte die Bf. rechtzeitig eine als Vorlageantrag zu wertende Eingabe vom ein. Im zweiten Studienjahr sei entgegen der Beschwerdevorentscheidung im Zeitraum - ein ausreichender Studienerfolg von 8 Semesterwochenstunden erreicht worden.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte im Vorlagebericht vom selben Tag unter Verweis auf das Erkenntnis des , die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht nahm Einsicht in das Lehrveranstaltungsverzeichnis der Universität (***2***) und konnte diesem entnehmen, dass die Lehrveranstaltung (LVA) ***3*** stets nur im Sommersemester angeboten wird, die konkret vom Sohn der Bf. besuchte LVA im Sommersemester 2022 stattgefunden hat (***Code***, ***LVA-Nr.***) und somit auch die am diesbezüglich bestandene Prüfung daher noch dem Sommersemester 2022 zuzuordnen ist:
[...]
Diese Lehrveranstaltung wird laut dem Lehrveranstaltungsverzeichnis der Universität nicht im Wintersemester angeboten (das gleiche Ergebnis ergab sich auch bei Abfragen zu weiteren Wintersemestern vor und nach dem Beschwerdezeitraum):
[...]
Das Bundesfinanzgericht nahm in der Folge mit den Studienservices der Universität telefonisch Kontakt auf und schilderte die Diskrepanz zwischen dem Lehrveranstaltungsverzeichnis (Zuordnung der LVA zum SS 2022) einerseits und der automatisierten Meldung der Universität an die belangte Behörde, aus welcher zwar nicht die konkret absolvierten Prüfungen hervorgehen, aber sich aus einem Abgleich mit dem Studienerfolgsnachweis nachvollziehen lässt, dass die oben genannte Prüfung - möglicherweise bloß vom Prüfungsdatum ausgehend - dem Wintersemester 2022/2023 zugeordnet worden sein musste, andererseits:
[...]
Konkret konnte allgemein keine telefonische Angabe dazu gemacht werden, wie sich diese Diskrepanz erklärt und inwiefern die automatisiert übermittelten Daten betreffend die Zuordnung von Prüfungen zu Semestern tatsächlich korrekt und konsistent sind.
Dass die genannte Lehrveranstaltung nach der Aktenlage noch dem Sommersemester 2022 zuzuordnen sei und sich daraus betreffend das Studienjahr 2022/2023 ein gerade noch im Sinne des Gesetzes ausreichender Studienerfolg (8 Semesterwochenstunden) ergeben würde, wurde der belangten Behörde mit Telefonat vom mitgeteilt und gleichzeitig Gelegenheit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde teilte sogleich diese Einschätzung angesichts der Tatsache, dass dieses Rechercheergebnis aus den von der Universität gelieferten Daten nicht ersichtlich war (vielmehr ging daraus eine unbegründete Zuordnung zum Wintersemester 2022/2023 hervor) und daher zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht entsprechend berücksichtigt werden konnte. Auch sei betreffend das Wintersemester 2022/2023 angesichts der erbrachten Studienleistungen eine noch ausreichende Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit des Studiums gegeben.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Sohn der Beschwerdeführerin (in der Folge: "Bf."), ***Kind***, geb. am ***1***, absolvierte *** im Jahr 2019*** den Präsenzdienst vollständig und begann im SS 2020 mit dem Bachelorstudium Informatik an der ***Universität***. Die vorgesehene Studiendauer beträgt 6 Semester (180 ECTS-Punkte). In den ersten 9 inskribierten Semestern wurden (lediglich) 35 ECTS-Punkte erreicht, konkret ergab sich nach der Aktenlage nach Semestern aufgeschlüsselt folgender Studienerfolg (in ECTS-Punkten / Semesterwochenstunden=SWS):
SS 2020: 0 ECTS / 0 SWS
WS 2020/2021: 4,5 ECTS / 3 SWS
SS 2021: 3 ECTS / 2 SWS
WS 2021/2022: 8 ECTS / 6 SWS
SS 2022: 3 ECTS / 2 SWS
WS 2022/2023: 7,5 ECTS / 5 SWS
SS 2023: 3 ECTS / 2 SWS
WS 2023/2024: 3 ECTS / 2 SWS
SS 2024: 3 ECTS / 2 SWS
Die Familienbeihilfe wurde samt Kinderabsetzbetrag ab Oktober 2021 bis inklusive Februar 2023 gewährt und ausbezahlt (insgesamt EUR 3.005,90 an Familienbeihilfe und EUR 999,60 an Kinderabsetzbetrag) und in der Folge weiter gewährt und ausbezahlt.
Die belangte Behörde forderte mit dem angefochtenen Bescheid vom die oben angeführte und ausbezahlte Familienbeihilfe 10/2021 - 2/2023 (EUR 3.005,90) samt Kinderabsetzbetrag (EUR 999,60) in der Höhe von insgesamt EUR 4.005,50 von der Bf. zurück.
Ab März 2023 wurde aufgrund der Studienleistungen seit Beginn des Wintersemesters 2022/2023 wiederum Familienbeihilfe gewährt. Im Wintersemester 2022/2023 bestand eine ausreichende Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit des Sohnes der Bf. betreffend das betriebene Bachelorstudium der Informatik.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist - soweit entscheidungsrelevant - unstrittig, ergibt sich aus dem Akteninhalt und stützt sich auf die Angaben der Bf. sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde.
Strittig war zunächst, ob die absolvierte Lehrveranstaltung (LVA) ***3***, die konkret im Sommersemester 2022 stattgefunden hat (***Code***, ***LVA-Nr.***) und zu welcher der Sohn der Bf. (erst) am die entsprechende Prüfung positiv absolvierte, ebenfalls dem Sommersemester 2022 zuzuordnen war oder - aufgrund des Prüfungsdatums, welches im Wintersemester 2022/2023 liegt - bereits dem Wintersemester 2022/2023.
Die belangte Behörde ging dabei erkennbar von den von der Universität automatisiert übermittelten Prüfungserfolgsdaten aus, in welchen semesterweise aufgeschlüsselt lediglich die positiv absolvierten ECTS-Punkte und Semesterwochenstunden ersichtlich sind, allerdings nicht die den Daten zugrundeliegenden Prüfungen.
Dass die genannte Lehrveranstaltung nur in Sommersemestern angeboten wird, ergibt sich - wie bereits im Verfahrensgang geschildert - aus dem auch ohne Login für jeden zugänglichen Online-Lehrveranstaltungsverzeichnis der Universität, sodass sich das diesbezügliche Vorbringen der Bf. im Ergebnis als richtig erwiesen hat, wonach diese Prüfung noch dem Sommersemester 2022 zuzuordnen ist. Dies ergibt sich bereits aufgrund der entsprechenden eindeutigen Angaben der Universität im Lehrveranstaltungsverzeichnis, zumal es auf das Prüfungsdatum alleine nicht entscheidend ankommt (; , 2011/16/0062; , 2006/13/0195), die Prüfung sogleich in den ersten Tagen des Wintersemesters () abgelegt wurde und eine Zuordnung zu einem Semester, in welchem die Lehrveranstaltung nicht angeboten/abgehalten wurde, nicht zielführend erscheint.
In den automatisiert erfolgten Datenübermittlungen der Universität an die belangte Behörde wurde diese Prüfung somit zu Unrecht (indirekt) dem folgenden Wintersemester 2022/2023 zugeordnet (vgl. zur Qualität diverser "Bestätigungen") und dies, obwohl im LVA-Verzeichnis der Universität das entsprechende Semester korrekt hinterlegt und öffentlich vermerkt war. Im Übrigen wurde auch in den Vorjahren und Folgejahren diese LVA jeweils nur im Sommersemester angeboten bzw. abgehalten. Nach telefonischem Vorhalt vom , mit welchem die bisherigen Rechercheergebnisse der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht wurden, ging auch die belangte Behörde von einer Zuordnung dieser Prüfung zum Sommersemester 2022 aus, sodass dieser Punkt nunmehr unstrittig ist.
Daraus ergibt sich im Übrigen zwangsläufig, dass im Wintersemester 2022/2023 lediglich 7,5 ECTS bzw. 5 Semesterwochenstunden an positiver Prüfungsleistung erreicht wurden. Dazu brachte die belangte Behörde vor, dass im Wintersemester 2022/2023 ein (gerade noch) ausreichender Studienerfolg vorliege, um betreffend diesen Zeitraum noch von einem ernsthaften und zielstrebigen Studium sprechen zu können.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Rechtslage
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz) in der Fassung BGBl. I Nr. 220/2021 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden bzw. eine entsprechende Schulausbildung oder ein Studium betreiben. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt dabei als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird.
§ 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 in den für die Rückforderung betreffenden Zeiträume geltenden Fassungen lautet auszugsweise:
"Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. (…) Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz) idF BGBl. I Nr. 104/2019 lautet:
"Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen."
3.2. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe und Bescheidaufhebung)
Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz) hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Auf einen gutgläubigen Verbrauch oder Ähnliches kommt es bei dieser objektiven und verschuldensunabhängigen Rückzahlungsverpflichtung nicht an: § 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich. Nach der ständigen Rechtsprechung steht es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist ().
Zu prüfen ist daher, ob die Bf. im strittigen Zeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe hatte.
Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden bzw. eine entsprechende Schulausbildung oder ein Studium betreiben.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es das Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Das Ablegen der vorgesehenen Prüfungen ist somit wesentlicher Bestandteil der Berufsausbildung (; , 97/15/0111, , 98/13/0042). Der Studienerfolgsnachweis ist erbracht, wenn im betriebenen Studium Prüfungen im erforderlichen Ausmaß positiv beurteilt wurden (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 2 Rz 69).
Die höchstgerichtliche Rechtsprechung () führt betreffend die hier interessierende Zeit nach dem 1. Studienjahr aus, dass der Anspruch auf Weitergewährung der Familienbeihilfe ab jedem weiteren (nach dem ersten) Studienjahr zufolge § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nur dann besteht, wenn für das vorhergehende Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird, womit für jedes Studienjahr - innerhalb der Fristen des § 61 UG - ein quantitativ genau definierter Studienerfolg zu erbringen ist (; , Ra 2021/16/0076; ).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob von einem "Kind" eine Berufsausbildung absolviert wird, eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (; , 2007/17/0018; , 2007/15/0050). Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ().
Nach § 2 Abs. 1 lit. b drittletzter Satz FLAG in der Fassung BGBl I Nr. 23/1999 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung von Prüfungen nachgewiesen wird (vgl. auch § 50 Abs. 2 Z 2 StudFG, wonach der Anspruch auf Studienbeihilfe mit Ende des letzten Monats jenes Semesters erlischt, für das der Studierende keinen Studiennachweis vorgelegt hat). Demnach kommt es nicht auf das Ablegen einer Prüfung in einem Studienjahr oder Semester an, sondern auf die Zuordnung einer allenfalls in diesem Semester in der vorlesungsfreien Zeit oder erst im Folgesemester abgelegten Prüfung zu einem bestimmten Semester (vgl. und zur Zuordnung einer innerhalb der Nachfrist abgelegten Prüfung zu einem vorangegangenen Semester auch ; , 2011/16/0062).
Nachdem das Studium im März 2020 begonnen wurde, gilt für den Studienerfolgsnachweis nach dem ersten Studienjahr als Nachweiszeitraum der Zeitraum vom bis . Nachzuweisen sind in diesem somit 3-semestrigen Nachweiszeitraum Prüfungen im (Mindest-)Ausmaß von 12 Semesterwochenstunden oder von 24 ECTS-Punkten. In diesem Zeitraum wurden allerdings lediglich Prüfungen im Ausmaß von 5 Semesterwochenstunden bzw. 7,5 ECTS-Punkten positiv benotet. Der erforderliche (Mindest-)Studienerfolg nach dem ersten Studienjahr wurde somit bei Weitem nicht erreicht. Diese absolvierten ECTS- Punkte/Semesterwochenstunden können nicht für spätere Nachweiszeiträume "wiederverwendet" werden und "verfallen" somit. Im neuen Nachweiszeitraum beginnt die Zählung der Semesterwochenstunden bzw. ECTS-Punkte wieder neu bei Null. Entgegen der Ansicht der Bf. in der Beschwerde ist es somit nicht ausreichend, dass ihr Sohn im Februar 2022 im bisherigen Studienverlauf eine Gesamtanzahl von 8 Semesterwochenstunden erreicht hat.
Die Bf. bringt im Vorlageantrag vor, dass im zweiten Studienjahr entgegen der Begründung der Beschwerdevorentscheidung im Zeitraum - ein ausreichender Studienerfolg von 8 Semesterwochenstunden erreicht worden sei.
Dem hielt die belangte Behörde zunächst entgegen, dass der erreichte Studienerfolg im Zeitraum bis von 8 (11) ECTS oder 6 (8) Semesterwochenstunden niedriger ausfiel als der nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 erforderliche Studienerfolg von mindestens 16 ECTS-Punkten oder 8 Semesterwochenstunden. Die belangte Behörde brachte dazu im Vorlagebericht vor, dass das Studienjahr am 1. Oktober beginnt und am 30. September des Folgejahres endet und in das Wintersemester (beginnend am 1. Oktober) und das Sommersemester (beginnend am 1. März) unterteilt sei und die Prüfung "VL ***3***" vom von der Universität dem Wintersemester 2022 zugerechnet worden sei. Die belangte Behörde ging dabei erkennbar von den von der Universität automatisiert übermittelten Prüfungserfolgsdaten aus, in welchen semesterweise aufgeschlüsselt lediglich die Summe der positiv absolvierten ECTS-Punkte und Semesterwochenstunden ersichtlich sind, allerdings nicht die den Daten zugrundeliegenden Prüfungen oder die Summanden der angeführten Summen.
Wie sich im Zuge der Recherchen des Bundesfinanzgerichtes ergeben hat, hat der Sohn der Bf. allerdings im Studienjahr 2021/2022 sehr wohl den Mindeststudienerfolg (gerade noch) erreicht bzw. (gerade noch) ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium betrieben, da aufgrund der Zählung der oben erwähnten Prüfung vom zum Sommersemester 2022 auch diese noch zum Studienerfolg des Studienjahres 2021/2022 zu zählen ist, womit sich ein nach dem Gesetz ausreichender Studienerfolg in diesem Studienjahr von insgesamt 8 (6+2) Semesterwochenstunden ergibt.
Der von der Bf. in der Beschwerde ins Treffen geführte Grundwehrdienst macht insoweit (noch) keinen Unterschied, als der Sohn der Bf. im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (Oktober 2021 bis inklusive Februar 2023) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, die Altersgrenze daher keine Rolle spielen konnte und das Alter im Übrigen in keiner Weise als Begründung der Rückforderung angeführt worden war.
Da im Wintersemester 2022/2023 7,5 ECTS bzw. 5 Semesterwochenstunden erreicht wurden, kann für diesen Zeitraum - übereinstimmend mit den Ansichten der beiden Verfahrensparteien - (noch) kein Fehlen der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit des Betreibens des Studiums angenommen werden, sodass auch für dieses die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag noch jeweils zustanden. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass die Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit des Betreibens eines Studiums bis zum Ende des Studiums bzw. der Anspruchszeiträume betreffend Familienbeihilfe nachzuweisen ist bzw. eine Voraussetzung für die Gewährung von Familienbeihilfe nach dem ersten Studienjahr darstellt. Es kann daher Zeitraum im Falle von veränderten Studienleistungen vom beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht auf (hier ausdrücklich nicht verfahrensgegenständliche) Folgeperioden geschlossen werden.
Da ***Kind*** als Kind der Bf. betreffend den Rückforderungszeitraum in den dafür relevanten, oben genannten Zeiträumen den dem Gesetz entsprechenden, ausreichenden Studienerfolg erreichte, bestand für dieses Kind im Zeitraum Oktober 2021 bis inklusive Februar 2023 Anspruch auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag. Die Voraussetzungen für den Bezug dieser Familienleistungen lagen im Beschwerdezeitraum somit vor.
Die dennoch mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag erfolgte daher zu Unrecht, weshalb der angefochtene Bescheid (ersatzlos) aufzuheben war.
Der Beschwerde war daher stattzugeben.
3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wurde der ständigen Rechtsprechung des VwGH gefolgt und in keiner Rechtsfrage entschieden, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Die zu klärenden Fragen betrafen ausschließlich Sachverhaltsfragen (Zuordnung einer Prüfung zu einem konkreten Semester, Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der Betreibung des Studiums). Die Entscheidung erfolgte in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorlag. Eine Revision ist daher unzulässig, weshalb gemäß § 25a Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100406.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at