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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.01.2024, RV/7100234/2022

Begriff "desselben Steuerpflichtigen" bei Übertragung auf transparente Privatstiftung

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/13/0013.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7100234/2022-RS1
Da die liechtensteinische Stiftung transparent ist, wird durch sie hindurchgeschaut. Die Einkünfte aus der Stiftung werden dem Stifter zugerechnet. Er ist Steuerschuldner. Auf den Beschwerdefall umgelegt ist der Steuerschuldner und damit Steuerpflichtige betreffend die streitgegenständlich einbehaltene KESt der Bf. Dem Bf sind aber auch die Wirtschaftsgüter und Einkünfte der Stiftung steuerlich zuzurechnen, er ist diesbezüglich Steuerpflichtiger. Damit ist klar, dass die vorliegende Übertragung vom Depot des Bf auf das Depot seiner transparenten liechtensteinischen Stiftung eine Übertragung auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen war.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch PwC PricewaterhouseCoopers Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Erdbergstraße 200, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung § 299 BAO / ESt 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert. Der Spruch lautet:

"Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom wird aufgehoben."

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 macht der Beschwerdeführer (Bf) anzurechnende KESt im Ausmaß von 245.754,49 Euro geltend. Begründend führt er dazu aus, die Bank habe für eine Depotübertragung KESt einbehalten. Es handle sich aber um die Übertragung auf das bei der selben Bank geführte Wertpapierdepot seiner liechtensteinischen Stiftung. Da diese transparent sei, ihm daher das Depot ertragsteuerlich weiter zuzurechnen sei, liege gemäß § 27 Abs 6 Z 2 TS 1 EStG keine steuerpflichtige den KESt-Abzug auslösende Entnahme vor.

Die belangte Behörde erkennt die KESt-Anrechnung im Einkommensteuerbescheid 2017 vom nicht an. Im Bericht über eine beim Bf abgehaltene Außenprüfung vom führt sie dazu aus, es handle sich um zwei unterschiedliche Rechtspersonen. Auch wenn steuerlich die Zurechnung letzten Endes an die übertragende Person selbst erfolge, ändere dies nichts daran, dass das Depot nicht mehr auf diese, sondern auf die Stiftung als eigenständige Rechtsperson (wenn auch nicht als Steuersubjekt) laute. Es käme nur die Befreiung nach TS 5 leg. cit. in Betracht, wofür aber die Formalvoraussetzungen (Meldung binnen Monatsfrist) nicht vorlägen.

Mit Schriftsatz vom , am selben Tag bei der belangten Behörde eingelangt, begehrt der Bf die Aufhebung des gegenständlichen Einkommensteuerbescheides und die KESt-Erstattung im Veranlagungsweg. Zu den bisherigen Argumenten fügt er hinzu, nach den Erläuternden Bemerkungen zum Budgetbegleitgesetz 2011 sollen die Ausnahmen von der Veräußerungsfiktion des § 27 Abs 6 EStG dann greifen, wenn die Besteuerungsmöglichkeit hinsichtlich der in dem Depot befindlichen Wertpapiere weiterhin gesichert ist. Auch nach Artikel 18 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern sei Schuldner einer allfälligen Abzugsteuer (und damit Steuerpflichtiger) die betroffene Person und eben nicht die transparente Vermögensstruktur. Nachdem im Gesetzeswortlaut betreffend die Depotübertragung auf den Steuerpflichtigen und nicht wie von der Außenprüfung dargelegt auf die Rechtspersönlichkeit abgestellt werde, sei die Ausnahmebestimmung des § 27 Abs 6 Z 2 TS 1 EStG erfüllt und damit kein Veräußerungstatbestand gesetzt.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Bf als unbegründet ab und wiederholte ihre bereits bekannte Rechtsansicht.

In der dagegen gerichteten Beschwerde vom , bei der belangten Behörde am Montag, eingelangt, bringt der Bf ergänzend vor, bei einer transparenten Liechtensteinischen Stiftung und dem der Konstruktion zugrunde liegenden Mandatsvertrag handle es sich um eine Sonderform der Treuhandschaft (). Der Stifter sei berechtigt, dem Stiftungsrat jederzeit Weisungen zu erteilen, das wirtschaftliche Eigentum verbleibe beim Stifter, dem auch die Einkünfte weiterhin zuzurechnen seien. Der Bf sei Stifter, Begünstigter und allein zeichnungsberechtigtes Mitglied des Stiftungsrates. Nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern werde eine liechtensteinische Stiftung nur dann als intransparent angesehen, wenn weder Stifter noch Begünstigte Mitglieder des Stiftungsrates seien, kein Abberufungsrecht des Stiftungsvorstandes haben und kein Mandatsvertrag bestehe.

Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom stellt der Bf am einen Vorlageantrag. In der Beschwerdevorentscheidung führt die belangte Behörde aus, das vom Bf zitierte VwGH-Erkenntnis sei nicht einschlägig. Nachdem formalrechtlich ein anderes Steuersubjekt vorliege, erfordere ein steuerfreier Depotwechsel "nach geltender Rechtsauffassung" eine Meldung gemäß § 27 Abs. 6 Z 2 TS 5 EStG, auch wenn das wirtschaftliche Eigentum beim Bf liege und ihm die Einkünfte aus diesem Depot letztlich steuerlich zuzurechnen sein sollten.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf hat mit eine transparente liechtensteinische Privatstiftung gegründet und mit sein bei der Liechtensteinischen Landesbank AG (Österreich) bestehendes Depot auf das Depot der Stiftung bei derselben Bank übertragen. Die Bank hat im Zuge der Übertragung 245.754,49 Euro KESt einbehalten, die der Bf im Veranlagungswege erstattet haben wollte.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und ist unstrittig. Dass es sich um eine transparente Stiftung handelt, wird auch von der belangten Behörde festgestellt (vgl erster Satz der Begründung des angefochtenen Bescheides vom ).

Strittig ist lediglich die Rechtsfrage.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 27 Abs 6 Z 2 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"Als Veräußerung im Sinne der Abs. 3 und 4 gelten auch […]
2. Die Entnahme und das sonstige Ausscheiden aus dem Depot. Sofern nicht Z 1 anzuwenden ist, liegt in folgenden Fällen keine Veräußerung vor:
Bei der Übertragung auf ein anderes Depot desselben Steuerpflichtigen bei derselben depotführenden Stelle."

Gemäß § 77 Abs 1 BAO ist Ababepflichtiger, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.

Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge (§ 95 Abs 1 erster Satz EStG).

Für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend (§ 21 Abs 1 BAO).

Für die Zurechnung der Wirtschaftsgüter werden bei der Erhebung von Abgaben Wirtschaftsgüter, die zu treuen Handen für einen Treugeber erworben worden sind, dem Treugeber zugerechnet (§ 24 Abs 1 lit c BAO).

Zurechnungssubjekt von Einkünften ist derjenige, der die Möglichkeit besitzt, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunutzen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern (grundlegend Quantschnigg/Schuch, ESt-HB, § 2 Tz 46 mwN).

Die belangte Behörde hält das vom Bf zitierte VwGH-Erkenntnis für nicht einschlägig, ohne diese Ansicht näher zu begründen. Zumindest eine der zentralen Aussagen daraus trifft auf den Streitfall jedenfalls zu (, Rs 3): "Einkünfte aus Kapitalvermögen sind demjenigen zuzurechnen, dem die Befugnis oder auch nur die faktische Möglichkeit zur entgeltlichen Nutzung der fraglichen Wirtschaftsgüter zukommt (vgl. z.B. Ruppe in Ruppe (Hrsg.), Familienverträge2, 141). Die Zurechnung von passiven Einkünften (also insbesondere auch solchen aus Kapitalvermögen) erfolgt grundsätzlich an denjenigen, der das (wirtschaftliche) Eigentum an den die Einkünfte generierenden Vermögenswerten hat (vgl. in diesem Sinne Lechner, Überlegungen zur Einkünftezurechnung an ausländische Stiftungen, in FS Tanzer, Wien 2014, 156, Hammer, Ausländische Stiftungen und vergleichbare Strukturen im österreichischen Steuerrecht, Wien 2012, 72, sowie das Urteil des BFH vom , I R 84/09, DStR 16/2011,755)."

Die belangte Behörde begründet ihre Ansicht mit der geltenden Rechtsauffassung, bleibt aber auch dafür Quellen schuldig. In der Literatur wird hingegen vertreten, dass auch Übertragungen zwischen Treugeber und Treuhänder von der Befreiungsbestimmung des § 27 Abs 6 Z 2 TS 1 EStG 1988 erfasst sind, weil die Wertpapiere im wirtschaftlichen Eigentum desselben Steuerpflichtigen bleiben (Jakom/Marschner, EStG16 (2023), § 27 Rz 369).

Dieser Ansicht schließt sich das Bundesfinanzgericht an. Ganz allgemein folgt das EStG in Auslegung und Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des § 21 Abs 1 BAO. Wenn schon die BAO als Abgabepflichtigen denjenigen bezeichnet, der als Abgabenschuldner in Betracht kommt, dann ist auch Steuerpflichtiger derjenige, der als Steuerschuldner in Betracht kommt.

Steuerschuldner der KESt ist der Empfänger der Kapitalerträge. Da die liechtensteinische Stiftung transparent ist, wird durch sie hindurchgeschaut. Die Einkünfte aus der Stiftung werden dem Stifter zugerechnet. Er ist Steuerschuldner. Auf den Beschwerdefall umgelegt ist der Steuerschuldner und damit Steuerpflichtige betreffend die streitgegenständlich einbehaltene KESt der Bf. Dem Bf sind aber auch die Wirtschaftsgüter und Einkünfte der Stiftung steuerlich zuzurechnen, er ist diesbezüglich Steuerpflichtiger.

Damit ist klar, dass die vorliegende Übertragung vom Depot des Bf auf das Depot seiner transparenten liechtensteinischen Stiftung eine Übertragung auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen war.

Es kann auch nicht nachvollzogen werden, weshalb bei Verwendung des wirtschaftlichen Begriffes des Steuerpflichtigen nun rechtsförmlich an die zivilrechtliche Eigenschaft der Stiftung angeknüpft werden soll. Wenn - wie die belangte Behörde selbst ausführt - das wirtschaftliche Eigentum beim Bf liegt und ihm die Einkünfte aus diesem Depot letztlich steuerlich zuzurechnen sind, kann es sich schon logisch nur um denselben Steuerpflichtigen handeln.

Die von der LLB Österreich im Jahr 2017 einbehaltene KESt, der nicht der unterstellte Steuertatbestand des § 27 Abs 6 Z 2 EStG 1988 zugrunde gelegen ist, nicht im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2017 des Bf bei der Steuerberechnung zu berücksichtigen, hat zu einem nicht richtigen Spruch geführt. Aufgrund der Höhe der falschen Abgabenberechnung war jedenfalls der Rechtsrichtigkeit Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit einzuräumen. Daher war dem Antrag des Bf, den Einkommensteuerbescheid 2017 aufzuheben, nachzukommen.

Die Sache vor dem BFG ist durch den Anfechtungsgegenstand begrenzt. Dieser ist hier das Verfahren zur Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO. Das BFG ist hingegen nicht zuständig, jenen Bescheid zu erlassen, der den aufgehobenen Bescheid ersetzt (§ 299 Abs 2 BAO). Die Abgabenbehörde hat einen neuen Einkommensteuerbescheid zu erlassen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bisher fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob die Wortfolge "desselben Steuerpflichtigen" in § 27 Abs 6 Z 2 TS 1 EStG 1988 rechtsförmlich auszulegen ist oder der wirtschaftlichen Betrachtung folgt. Zwar könnte auch mit gutem Grund argumentiert werden, für die Auslegung des EStG und die Deutung der zugrundeliegenden Tatsachen gibt es eine hinreichend gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung. Im Zweifel sollte die Zulässigkeitsbeurteilung zumindest durch das BFG nicht restriktiv gehandhabt werden. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist auch über den Einzelfall hinaus bedeutend. Daher ist die Revision zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100234.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at