Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.12.2023, RV/1100209/2016

Anwendungsfall des § 3 Abs. 2 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden abgekürzt Bf.) bezog im Zeitraum vom bis zum zum Tarif zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 1.159,00 € und im Zeitraum vom bis zum solche in Höhe von 11.141,46 €.

Weiters bezog die Bf. im Jahr 2015 von der damaligen ***1*** Gebietskrankenkasse und vom Arbeitsmarktservice Österreich folgende Kranken- und Arbeitslosengelder:

  1. Vom bis zum Krankengeld in Höhe von 247,45 €

  2. Vom bis zum Krankengeld in Höhe von 989,00 €

  3. Vom bis zum Krankengeld in Höhe von 388,85 €

  4. Vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von 1.816,00 €

  5. Vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von 762,72 €

Für die dem Einkommensteuerbescheid 2015 vom zugrundeliegende Steuerberechnung erfolgte zunächst eine Umrechnung der im Zeitraum vom bis zum bezogenen, zum Tarif steuerpflichtigen nichtselbständigen Einkünfte der Bf. auf einen Jahresbetrag. Nach Berücksichtigung der Sonderausgaben und der anderen Einkommensabzüge wurde anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer ein Durchschnittssteuersatz ermittelt. Dieser wurde auf das Einkommen angewendet (Umrechnungsmethode).

Anschließend wurde anhand einer Kontrollrechnung festgestellt, dass sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer bzw. eine höhere Gutschrift errechnet, weshalb die Einkommensteuer für das Jahr 2015 nach der Hinzurechnungsvariante (Kontrollrechnung) berechnet wurde. Daher wurde der Tarif nicht auf das im Bescheid ausgewiesene Einkommen, sondern auf ein solches von 15.169,83 € angewendet.

Die gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 fristgerecht erhobene Beschwerde richtet sich gegen eine Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes und des Krankengeldes bei der Berechnung des Durchschnittssteuersatzes bzw. einer "Umrechnungsvariante" bezüglich des Zeitraums bis sowie bis . Begründend wurde vorgebracht, gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 könnten nur jene Einkünfte, die außerhalb von AMS-Bezügen angefallen seien, hochgerechnet werden. Beantragt werde daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die Erlassung eines dem Begehren des Bf. Rechnung tragenden neuen Sachbescheides.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, bei der Berechnung des Progressionsvorbehaltes im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988 seien jene Einkünfte aus der Hochrechnung zu nehmen, die gleichzeitig während des Bezuges von steuerfreien Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 (z.B. Arbeitslosengeld) bezogen worden seien. Dies sei bereits im angefochtenen Bescheid geschehen. Die 1.159,00 € für den Zeitraum bis seien aus der Hochrechnung herausgenommen worden.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde unter Wiederholung des Beschwerdebegehrens auf die Ausführungen bei Ludwig in SWK 3/2014, 90ff, verwiesen.

Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt aus, die Bf. habe im Jahr 2015 im Zeitraum bis neben ihren geringfügigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch steuerfreie Einkünfte seitens der damaligen ***1*** Gebietskrankenkasse bzw. des Arbeitsmarktservices ***2*** (Krankengeld und Arbeitslosengeld) bezogen. Daher komme es bei der Veranlagung zu einem besonderen Progressionsvorbehalt im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988. Diese Bestimmung besage, dass es zu einer Hochrechnung der Einkünfte auf einen Jahresbetrag komme. Dabei seien jedoch jene Einkünfte nicht hochzurechnen, die gleichzeitig während des Arbeitslosengeldes bezogen worden seien. Die Bf. habe vom bis zum gleichzeitig neben dem steuerfreien Arbeitslosen- und Krankengeld auch geringfügige Einkünfte in Höhe von 1.159,00 € bezogen, welche bei der Veranlagung - wie es die erwähnte Gesetzesstelle vorsehe - vom Finanzamt aus der Hochrechnung herausgenommen worden seien. Dies sei jedoch im Bescheid für die Bf. (da die günstigere Kontrollrechnung zur Anwendung komme) nicht ersichtlich. Dem Beschwerdebegehren sei jedoch auch zu entnehmen, dass § 3 Abs. 2 EStG 1988 von der Bf. falsch interpretiert werde.

Beantragt werde daher die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Rechtliche Beurteilung

1.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

In Streit steht die richtige Berechnung der Einkommensteuer 2015.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind von der Einkommensteuer das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen befreit.

Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Wohnsitzfinanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muß. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen.

Gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 53/2013, beträgt die Einkommensteuer jährlich bis zu einem Einkommen von 11 000 Euro 0 Euro. Für Einkommensteile über 60 000 Euro beträgt der Steuersatz 50%.

Bei einem Einkommen von mehr als 11 000 Euro ist die Einkommensteuer wie folgt zu berechnen:


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Einkommen
Einkommensteuer in Euro
über 11 000 Euro bis 25 000 Euro
über 25 000 Euro bis 60 000 Euro
über 60 000 Euro

Die Bf. wendet sich gegen eine vermeintliche Einbeziehung des Arbeitslosen- sowie des Krankengeldes in die Hochrechnung.

Wie obig dargelegt wurde, hat die Bf. im Streitjahr 2015 in den Zeiträumen vom bis zum sowie vom bis zum zum Tarif zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Zusätzlich erhielt die Bf. in den Zeiträumen vom bis zum sowie vom bis zum steuerfreie Einkünfte (Kranken- und Arbeitslosengelder). Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation kommt gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 ein besonderes Berechnungsverfahren zur Anwendung. Zweck dieser Vorschrift ist die Vermeidung von über die Steuerfreiheit hinausgehenden Vorteilen der steuerfreien Bezüge. Es soll also eine unverhältnismäßige Absenkung der Steuerprogression durch die Miteinbeziehung dieser Transferleistungen in das Jahreseinkommen verhindert werden (siehe dazu z.B. Jakom/Ehgartner EStG, 2023, § 3, Rz 120ff sowie die dort angeführten Literatur- und Judikaturhinweise).

Bei der durch § 3 Abs. 2 EStG 1988 vorgegebenen Berechnungsmethode werden jene zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988), die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der gegenständlichen Transferleistungen bezogen wurden, nach Abzug von tatsächlich angefallenen, das Werbungskostenpauschale übersteigenden Werbungskosten, für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag hochgerechnet. Nach erfolgter Hochrechnung werden das Werbungskostenpauschale, Sonderausgaben und allfällige außergewöhnliche Belastungen vom errechneten fiktiven Jahresbetrag in Abzug gebracht sowie die während der Transferleistungen bezogenen, zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte hinzugerechnet. Auf dieser Basis sind die Jahressteuer sowie die prozentuelle Durchschnittssteuerbelastung zu errechnen. Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung wird auf das im Kalenderjahr tatsächlich erzielte, zu versteuernde Einkommen angewendet. Die sich ergebende Steuer darf nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei einer Besteuerung sämtlicher Bezüge - also auch der Transferleistungen - ergeben würde. Durch diese Kontrollrechnung wird vermieden, dass die im Gesetz vorgesehene Steuerberechnung bei gleichem Jahreseinkommen zu ungleichen Steuerbelastungen führt (siehe dazu ; ; ; ); ; ; -G/05; Ludwig in SWK 3/2014, 90; Jakom/Ehgartner EStG, 2023, § 3, Rz 123; LStR 113 - 118a).

Im Beschwerdefall ergibt sich bei der Hochrechnung folgende Einkommensteuer:

Berechnung des Durchschnittssteuersatzes:


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Steuerpflichtige Bezüge, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges von Transferleistungen bezogen wurden : Zeitraum des laufenden Bezuges in Tagen x Tage des Jahres (11.141,46 € : 247 x 365)
16.464,10 €
Abzüglich Werbungskostenpauschale
  • -132,00 €
Abzüglich Sonderausgaben
-983,45 €
Abzüglich außergewöhnliche Belastungen
-220,00 €
Zuzüglich nicht hochgerechneter steuerpflichtiger Bezüge
1.159,00 €
Einkommen
16.287,65 €
Einkommensteuer [(16.287,65 - 11.000) x 5110/14.000,00]
1.929,99 €
Abzüglich Absetzbeträge
-839,00 €
Jahressteuer
1.090,99 €
Durchschnittssteuersatz = Jahressteuer : Einkommen x 100
6,70%

Berechnung der Einkommensteuer


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Steuerpflichtige Bezüge (1.159,00 € + 11.141,46 €)
12.300,46 €
Abzüglich Werbungskostenpauschale
-132,00 €
Abzüglich Sonderausgaben
-983,45 €
Abzüglich außergewöhnliche Belastungen
-220,00 €
Einkommen
10.965,01 €
6,70% von 10.965,01 €
734,66 €
Zuzüglich Steuer für sonstige Bezüge (6%)
44,58 €
Einkommensteuer
779,24 €

Die im Einkommensteuerbescheid 2015 zur Anwendung gekommene Kontrollrechnung ergab demgegenüber eine Einkommensteuer in Höhe von 727,57 €. Somit hat das Finanzamt im Beschwerdefall der Veranlagung die für den Bf. günstigere Kontrollrechnung zugrunde gelegt, sodass dem Beschwerdebegehren keine Berechtigung zukommt.

1.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob im Beschwerdefall eine richtige Berechnung der Einkommensteuer 2015 auf Basis des § 3 Abs. 2 EStG 1988 erfolgte, ist durch die obig wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird durch das Erkenntnis somit nicht berührt, eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Gesamthaft war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100209.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at