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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.01.2024, RV/6100332/2023

Ersatzlose Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung mangels Vorliegen einer Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über den Vorlageantrag vom gegen die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom wird gem § 279 Abs 1 BAO infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Einkommensteuer 2020 erklärungsgemäß veranlagt.

Das Einkommensteuerverfahren 2020 wurde gem § 303 BAO von Amts wegen aufgrund der Übermittlung eines neuen Lohnzettels am mit Bescheid wiederaufgenommen und ein neuer Sachbescheid erlassen.

Mit über FinanzOnline eingebrachtem als "Beschwerde gem. § 243 BAO-Arbeitnehmerveranlagung 2020" betiteltem Anbringen vom beantragte der Beschwerdeführer eine Bescheidänderung gem § 295a BAO.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde das als Beschwerde gewürdigte Anbringen als verspätet zurück.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom einen Vorlageantrag ein, mit dem Hinweis, dass es sich bei dem Anbringen vom nicht um eine Beschwerde gehandelt habe.

Der Akt wurde am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Einkommensteuerverfahren 2020 wurde gem § 303 BAO am mit Bescheid wiederaufgenommen und ein neuer Sachbescheid erlassen.

Der Beschwerdeführer hat am über FinanzOnline ein als "Beschwerde gem. § 243 BAO - Arbeitnehmerveranlagung 2020" betiteltes Schreiben eingebracht. In der Begründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um keine Beschwerde gem § 245 BAO handelt und ausdrücklich eine Bescheidänderung gem § 295a BAO des Einkommensteuerbescheides 2020 vom beantragt wird. In Eventu wird die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt bzw. eine amtswegige Wiederaufnahme angeregt.

Die belangte Behörde würdigte das Schreiben als Beschwerde und wies die Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht mit Beschwerdevorentscheidung vom zurück.

Mit Schreiben am brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag über FinanzOnline ein.

2. Beweiswürdigung

Der der Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt gründet sich auf die im Akt des Verwaltungsgerichts vorgelegten Unterlagen, darunter die über FinanzOnline eingebrachten Anbringen des Beschwerdeführers.

Die Begründung in dem als "Beschwerde" betitelten Anbringen vom lautet wie folgt:

"S. g. Damen und Herren Beantrage ausdrücklich die Bescheidänderung gem. §295a des Ekst.-Bescheides 2020vom und keine Beschwerde gem. 243 BAO. Begründung: Es wurde nachträglich die erhöhte FBH für ***1*** ausbezahlt und habe bei der Bescheidkontrolle für 2021 am erstmals davon erfahren, dassder Freibetrag von monatlich 262,- für die erhöhte FBH bisher nicht berücksichtigt wurde. Beantrage daher für 2020den Freibetrag bei Bezug erhöhter FBH von 01-12/2020. Trage die Kosten zu 100%. Von 05-11/2020 wurdePflegegeld von 295,20 abzüglich 60,- = 235,20 bezogen. Falls die Bescheidänderung nicht zulässig sein sollte,beantrage ich für 2020 die WA des Verfahrens gem. § 303 BAO bzw. rege eine WA von Amts wegen an. Da dieBerücksichtigung eine nicht bloß geringfügige Auswirkung hat, bitte ich Sie, bei der Ermessensübung derRechtsrichtigkeit gegenüber dem der Rechtsbeständigkeit des Bescheides den Vorrang einzuräumen. Bedankemich für die Bearbeitung […]".

Der Vorlageantrag vom lautet auszugsweise:

"Begründung: Habe ausdrücklich keine Beschwerde gem. § 243 BAO eingebracht, sondern einen Antrag auf Bescheidänderung gem. § 295a BAO, da […]. Auch auf die Wiederaufnahmemöglichkeit wurde explizit hingewiesen. Die Einbringung ist an keine besondere Form gebunden, wenn der Wille des Antragstellers eindeutig erkennbar ist. […]

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht nach § 279 Abs 1 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hiezu nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt. (, , 2006/17/0357, Ritz/Koran, BAO7, § 279, Rz 6).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes. ().

Ein Vorlageantrag setzt zwingend eine im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung voraus. ().

Auch wenn das Anbringen über FinanzOnline als "Beschwerde gem § 243 BAO - Arbeitnehmerveranlagung 2020" betitelt ist, geht doch aus der Begründung eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer keine Beschwerde gem § 243 BAO einbringen hatte wollen. Das wird durch die Begründung im Vorlageantrag noch bekräftigt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (zB ; , 2010/15/0195; , Ra 2020/13/0046; , Ra 2020/15/0047; , Ra 2020/13/0099).

Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (zB -0289; , 2006/16/0129; , Ra 2020/13/0046).

Der Beschwerdevorentscheidung vom , lag demzufolge keine Beschwerde zugrunde.

Die Beschwerdevorentscheidung vom ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge von Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.

Der Vorlageantrag vom ist grundsätzlich zulässig, da eine zwar rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt.

Demzufolge ist die Beschwerdevorentscheidung vom durch das Bundesfinanzgericht zur Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrensstandes gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da die ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist. Die Auslegung von Anbringen ist ebenfalls durch die im Erkenntnis angeführte Judikatur ausreichend geklärt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100332.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at