Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.12.2023, RV/1100060/2017

Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO im Umfang der Beschwerdevorentscheidung teilweise Folge gegeben.

  • Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden abgekürzt Bf.) war in den Zeiträumen vom bis zum sowie vom bis zum als Grenzgängerin in ***1*** tätig und bezog zum Tarif zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 6.474,13 €.

Weiters bezog die Bf. im Jahr 2015 vom Arbeitsmarktservice Österreich folgende Arbeitslosengelder:

  1. Vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von 4.493,00 €

  2. Vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von 2.740,73 €

  3. Vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von 1.347,90 €

  4. Vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von 314,51 €

  5. Vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von 2.740,73 €

  6. Vom bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von 2.156,64 €

Die mit Einkommensteuerbescheid 2015 vom durchgeführte Arbeitnehmerveranlagung ergab eine Nachforderung in Höhe von 859,00 €. Begründend wurde ausgeführt, die steuerfreien Einkommensersätze, die die Bf. 2015 erhalten habe, würden eine besondere Steuerberechnung nach sich ziehen (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Dabei würden die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte auf den Zeitraum des Erhalts der steuerfreien Bezüge umgerechnet, so als ob sie auch während des Bezugs der Einkommensersätze weiterbezogen worden wären. Daraus werde ein Umrechnungszuschlag ermittelt, der zur Berechnung des Durchschnittssteuersatzes dem Einkommen hinzugerechnet werde. Mit diesem Durchschnittssteuersatz werde das steuerpflichtige Einkommen versteuert.

In der gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde erstmalig die Berücksichtigung der für Grenzgänger bezahlten Krankenversicherung beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde Folge gegeben.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde beantragt, auf das effektive Einkommen anstelle des angewendeten Durchschnittssteuersatzes von 23,23% einen solchen von 14,97% anzuwenden. Begründend wurde ausgeführt, im Beschwerdefall seien 13.793,51 € an Arbeitslosengeld ausbezahlt worden. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hätten 4.859,31 € betragen. Insgesamt habe die Bf. somit 18.652,82 € erhalten. Dies ergebe eine Steuerlast von 2.792,98 €, die 14,97% des Einkommens entspreche.

Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt aus, die nach der Umrechnungsmethode festgesetzte Steuer (926,10 € laut Beschwerdevorentscheidung) sei geringer als die Steuer, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde (2.090,77 €). In der Berechnung laut Vorlageantrag werde die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergebende Steuer in Bezug zur Bemessungsgrundlage gesetzt und daraus ein neuer Durchschnittssteuersatz ermittelt. Dieser solle auf das effektive Einkommen angewendet werden. Diese Vorgangsweise könne der Gesetzesbestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 jedoch nicht entnommen werden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

1.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

In Streit steht die richtige Berechnung der Einkommensteuer 2015.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind von der Einkommensteuer das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen befreit.

Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Wohnsitzfinanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muss. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen.

Gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 53/2013, beträgt die Einkommensteuer jährlich bis zu einem Einkommen von 11 000 Euro 0 Euro. Für Einkommensteile über 60 000 Euro beträgt der Steuersatz 50%.

Bei einem Einkommen von mehr als 11 000 Euro ist die Einkommensteuer wie folgt zu berechnen:


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Einkommen
Einkommensteuer in Euro
über 11 000 Euro bis 25 000 Euro
über 25 000 Euro bis 60 000 Euro
über 60 000 Euro

Die Bf. wendet sich gegen die Rechtmäßigkeit der Hochrechnung bzw. gegen die Richtigkeit des angewendeten Durchschnittssteuersatzes. Nach Rechtsauffassung der Bf. wäre im Beschwerdefall derart vorzugehen, dass für sämtliche im Streitjahr bezogenen Gelder (Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sowie Arbeitslosengelder) die Einkommensteuer zu berechnen wäre und sodann die errechnete Steuer in Bezug zur Steuerbemessungsgrundlage zu setzen wäre. Der sich daraus ergebende Durchschnittssteuersatz wäre in der Folge dem zum Tarif zu versteuernden Einkommen zugrunde zu legen.

Wie obig dargelegt wurde, hat die Bf. im Streitjahr 2015 in den Zeiträumen vom bis zum sowie vom bis zum zum Tarif zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Zusätzlich erhielt die Bf. in den Zeiträumen vom bis zum und vom bis zum steuerfreie Einkünfte (Arbeitslosengelder). Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation kommt gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 ein besonderes Berechnungsverfahren zur Anwendung. Zweck dieser Vorschrift ist die Vermeidung von über die Steuerfreiheit hinausgehenden Vorteilen der steuerfreien Bezüge. Es soll also eine unverhältnismäßige Absenkung der Steuerprogression durch die Miteinbeziehung dieser Transferleistungen in das Jahreseinkommen verhindert werden (siehe dazu z.B. Jakom/Ehgartner EStG, 2023, § 3, Rz 120ff sowie die dort angeführten Literatur- und Judikaturhinweise).

Bei der durch § 3 Abs. 2 EStG 1988 vorgegebenen Berechnungsmethode werden jene zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988), die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der gegenständlichen Transferleistungen bezogen wurden, nach Abzug von tatsächlich angefallenen, das Werbungskostenpauschale übersteigenden Werbungskosten, für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag hochgerechnet. Nach erfolgter Hochrechnung werden das Werbungskostenpauschale, Sonderausgaben und allfällige außergewöhnliche Belastungen vom errechneten fiktiven Jahresbetrag in Abzug gebracht sowie die während der Transferleistungen bezogenen, zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte hinzugerechnet. Auf dieser Basis sind die Jahressteuer sowie die prozentuelle Durchschnittssteuerbelastung zu errechnen. Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung wird auf das im Kalenderjahr tatsächlich erzielte, zu versteuernde Einkommen angewendet. Die sich ergebende Steuer darf nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei einer Besteuerung sämtlicher Bezüge - also auch der Transferleistungen - ergeben würde. Durch diese Kontrollrechnung wird vermieden, dass die im Gesetz vorgesehene Steuerberechnung bei gleichem Jahreseinkommen zu ungleichen Steuerbelastungen führt (siehe dazu ; ; ; ); ; ; -G/05; Ludwig in SWK 3/2014, 90; Jakom/Ehgartner EStG, 2023, § 3, Rz 123; LStR 113 - 118a).

Wie aus obigen Ausführungen zu entnehmen ist, entspricht die in der Beschwerdevorentscheidung vom vorgenommene Hochrechnung und nicht die im Vorlageantrag beantragte Vorgangsweise § 3 Abs. 2 EStG 1988.

Wie das Finanzamt überdies zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich im Beschwerdefall bei der Kontrollrechnung folgende Einkommensteuer:


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Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Einkünfte ohne inländischen Lohnbezug)
6.474,13 €
Aufgrund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG anzusetzende Einkünfte
13.793,51 €
Pendlerpauschale laut Lohnzettel
0,00 €
Pendlerpauschale laut Veranlagung
-522,00 €
Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag
-960,82 €
Pauschbetrag für Werbungskosten
-132,00 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
  • 18.652,82 €
Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen, Wohnraumschaffung und -sanierung (Topf-Sonderausgaben)
-392,64 €
Zuwendungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 7 EStG 1988
-10,00 €
Kirchenbeitrag
-30,00 €
Kinderfreibeträge für haushaltszugehörige Kinder gemäß § 106a Abs. 1 EStG 1988
-440,00 €
Einkommen
17.780,18 €
Einkommensteuer [(17.780,18 - 11.000) x 5110/14.000,00]
2.474,77 €
Verkehrsabsetzbetrag
-291,00 €
Pendlereuro
-39,00 €
Grenzgängerabsetzbetrag
-54,00 €
Einkommensteuer
2.090,77 €

Die in der Beschwerdevorentscheidung zur Anwendung gekommene Hochrechnung, die eine Einkommensteuer in Höhe von 926,10 € ergab, entspricht somit nicht nur § 3 Abs. 2 EStG 1988, sondern ist überdies für die Bf. günstiger als die obig dargelegte Kontrollrechnung. Daher kommt dem Beschwerdebegehren insofern keine Berechtigung zu, als es sich gegen die Rechtmäßigkeit der Hochrechnung wendet.

1.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob im Beschwerdefall eine richtige Berechnung der Einkommensteuer 2015 auf Basis des § 3 Abs. 2 EStG 1988 erfolgte, ist durch die obig wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird durch das Erkenntnis somit nicht berührt, eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Gesamthaft war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100060.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at