Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.12.2023, RV/7103107/2023

Haftung einer Geschäftsführerin gemäß § 9 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Wolfgang Anton Winkler, Ditscheinergasse 2 Tür 4, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, Steuernummer ***1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf € 50.174,03 anstatt bisher € 76.978,03 eingeschränkt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Umsatzsteuer
05/2019
6.227,15
Körperschaftsteuer
01-03/2019
2.834,00
Körperschaftsteuer
04-06/2019
1.884,66
Umsatzsteuer
05/2018
2.419,68
Umsatzsteuer
06/2018
2.768,03
Umsatzsteuer
07/2018
2.768,03
Umsatzsteuer
08/2018
135,93
Umsatzsteuer
09/2018
2.260,68
Umsatzsteuer
10/2018
4.560,69
Umsatzsteuer
11/2018
6.074,41
Umsatzsteuer
12/2018
4.651,08
Lohnsteuer
05/2018
182,09
Lohnsteuer
06/2018
54,66
Lohnsteuer
07/2018
62,41
Lohnsteuer
10/2018
58,42
Lohnsteuer
11/2018
70,10
Lohnsteuer
12/2018
152,53
Lohnsteuer
01/2019
183,36
Lohnsteuer
02/2019
339,32
Lohnsteuer
05/2019
624,55
Lohnsteuer
06/2019
612,48
Dienstgeberbeitrag
04/2018
130,75
Dienstgeberbeitrag
05/2018
487,37
Dienstgeberbeitrag
06/2018
324,71
Dienstgeberbeitrag
07/2018
194,91
Dienstgeberbeitrag
09/2018
104,40
Dienstgeberbeitrag
10/2018
182,45
Dienstgeberbeitrag
11/2018
317,14
Dienstgeberbeitrag
12/2018
234,10
Dienstgeberbeitrag
01/2019
333,18
Dienstgeberbeitrag
02/2019
582,33
Dienstgeberbeitrag
05/2019
705,97
Zuschlag zum DB
06/2019
663,25
Zuschlag zum DB
04/2018
34,36
Zuschlag zum DB
05/2018
49,99
Zuschlag zum DB
06/2018
33,30
Zuschlag zum DB
07/2018
19,99
Zuschlag zum DB
09/2018
10,71
Zuschlag zum DB
10/201 8
18,71
Zuschlag zum DB
11/2018
32,53
Zuschlag zum DB
12/2018
24,01
Zuschlag zum DB
01/2019
32,46
Zuschlag zum DB
02/2019
56,74
Zuschlag zum DB
05/2019
68,79
Zuschlag zum DB
06/2019
64,62
Verspätungszuschlag
05/2018
276,80
Verspätungszuschlag
06/2018
276,80
Verspätungszuschlag
07/2018
276,80
Verspätungszuschlag
09/2018
180,85
Verspätungszuschlag
10/2018
228,03
Verspätungszuschlag
11/2018
303,72
Zwangsstrafe
01/2019
1.000,00
Zwangsstrafe
05/2019
4.000,00
Summe:
50.174,03

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf. genannt) als Haftungspflichtige gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***XY*** GmbH im Ausmaß von 76.978,03 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Die Abgabenschuldigkeiten setzen sich wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Umsatzsteuer
04/2019
1.666,11
Umsatzsteuer
05/2019
8.281,04
Körperschaftsteuer
01-03/2019
2.834,00
Körperschaftsteuer
04-06/2019
1.884,66
Umsatzsteuer
05/2018
2.419,68
Umsatzsteuer
06/2018
2.768,03
Umsatzsteuer
07/2018
2.768,03
Umsatzsteuer
08/2018
135,93
Umsatzsteuer
09/2018
2.260,68
Umsatzsteuer
10/2018
4.560,69
Umsatzsteuer
11/2018
6.074,41
Umsatzsteuer
12/2018
4.651,08
Lohnsteuer
05/2018
182,09
Lohnsteuer
06/2018
54,66
Lohnsteuer
07/2018
62,41
Lohnsteuer
10/2018
58,42
Lohnsteuer
11/2018
70,10
Lohnsteuer
12/2018
152,53
Lohnsteuer
01/2019
183,36
Lohnsteuer
02/2019
339,32
Lohnsteuer
05/2019
624,55
Lohnsteuer
06/2019
612,48
Körperschaftsteuer
2018
23.084,00
Dienstgeberbeitrag
04/2018
130,75
Dienstgeberbeitrag
05/2018
487,37
Dienstgeberbeitrag
06/2018
324,71
Dienstgeberbeitrag
07/2018
194,91
Dienstgeberbeitrag
09/2018
104,40
Dienstgeberbeitrag
10/2018
182,45
Dienstgeberbeitrag
11/2018
317,14
Dienstgeberbeitrag
12/2018
234,10
Dienstgeberbeitrag
01/2019
333,18
Dienstgeberbeitrag
02/2019
582,33
Dienstgeberbeitrag
05/2019
705,97
Zuschlag zum DB
06/2019
663,25
Zuschlag zum DB
04/2018
34,36
Zuschlag zum DB
05/2018
49,99
Zuschlag zum DB
06/2018
33,30
Zuschlag zum DB
07/2018
19,99
Zuschlag zum DB
09/2018
10,71
Zuschlag zum DB
10/201 8
18,71
Zuschlag zum DB
11/2018
32,53
Zuschlag zum DB
12/2018
24,01
Zuschlag zum DB
01/2019
32,46
Zuschlag zum DB
02/2019
56,74
Zuschlag zum DB
05/2019
68,79
Zuschlag zum DB
06/2019
64,62
Verspätungszuschlag
05/2018
276,80
Verspätungszuschlag
06/2018
276,80
Verspätungszuschlag
07/2018
276,80
Verspätungszuschlag
09/2018
180,85
Verspätungszuschlag
10/2018
228,03
Verspätungszuschlag
11/2018
303,72
Zwangsstrafe
01/2019
1.000,00
Zwangsstrafe
05/2019
4.000,00
Summe:
76.978,03

Für folgende Abgaben wurden die Grundlagenbescheide beigelegt: Verspätungszuschlag 2018, Zwangsstrafe 2019.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Bf. im Zeitraum von ***Dartum1*** bis ***Datum2*** unbestritten handelsrechtliche Geschäftsführerin der ***XY*** GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen sei. Sie sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen. Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs 1 UstG habe der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit. selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - sei die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden.

In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (, 0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung Haftung für ausstehende Lohnsteuer sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre Pflicht der Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Die Bf. hingegen habe die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es werde in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. Erk. des ZI. 84/13/0085).

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen hätte können, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet würden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (vgl. Erk. des ZI. 84/13/0198; vom , ZI. 85/17/0035 und vom , ZI. 87/14/0148). Da die Bf. abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Letztlich werde auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstreckten. Ebenso seien Zwangs- u. Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.

Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass durch das pflichtwidrige Verhalten der Bf. als Vertreterin der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten sei. Weiters sei die Bf. ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu Ihrer Entlastung darzutun, nicht nachgekommen, daher sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Durch das abgeschlossene Konkursverfahren sei der Abgabenrückstand bei der GmbH uneinbringlich geworden.

*****

In der dagegen mit Schriftsatz vom eingebrachten Beschwerde wurde die Nichtigkeit des erlassenen Bescheides eingewandt, da der angefochtene Bescheid nicht an den seit ausgewiesenen anwaltlichen Vertreter der Bf., sondern an die Bf. direkt zugestellt worden sei. Die Bf. habe den angefochtenen Bescheid am ihrem einschreitenden Rechtsvertreter übergeben.

In der Sache selbst führe die Bf. aus, dass die Fälligkeit der Körperschaftssteuer 2018 im Vorhalt vom noch richtig mit festgehalten worden sei, während im Haftungsbescheid die Fälligkeit nicht nachvollziehbar auf den geändert worden sei. Die Fälligkeit sei insofern entscheidend, als die Bf. mit aus dem Unternehmen der Primärschuldnerin ausgeschieden sei. Die Fälligkeit der KÖSt 2018 richte sich nach dem Datum der Bescheiderlassung. Dieser sei am erlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Bf. nicht mehr Geschäftsführerin der Schuldnerin gewesen. Sie treffe daher keine Haftung für die KöSt 2018.

Auch für die KöSt-VZ 1-3 und 4-6/2019 könne die Bf. keine Haftung im angeführten Ausmaß treffen, da in Folge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Primärschuldnerin im Jahr 2019 nicht davon auszugehen sei, dass die Primärschuldnerin einen Gewinn im Geschäftsjahr 2019 erzielt habe. Für 2019 wäre daher maximal die Mindest-KöSt festzusetzen gewesen. Ein KÖSt Bescheid für 2019 sei der Bf. nicht übermittelt worden. Sie stelle daher den Antrag, ihr die Grundlagenbescheide KöSt und KöSt-VZ für 2019 zuzustellen. Ausdrücklich bestritten werde zudem die Haftung der Bf. für Verspätungszuschläge und Zwangsstrafen, die sich ausschließlich an die Primärschuldnerin richteten. Für Strafen gegen die Gesellschaft bestehe jedenfalls keine Haftung der Bf. als Geschäftsführerin, da sie in ihrer Funktion selbst mit entsprechenden Strafbestimmungen bedroht sei und eine Haftung für die Strafe eines Dritten eine Doppelbestrafung darstellen würde.

Zudem habe die Bf. ab Erkennen der wirtschaftlichen Probleme der später insolventen Primärschuldnerin sämtliche Gläubiger gleich behandelt. Die Bf. werde mit ihrem Steuerberater für die Jahre 2018 und 2019 einen Gleichbehandlungsnachweis erstellen und diesen im Rahmen des Verfahrens vorlegen. Bis dato habe sich coronabedingt die Erstellung eines Gleichbehandlungsnachweises verzögert. Es werde jedenfalls das Verschulden der Bf. am geltend gemachten Abgabenrückstand ausdrücklich bestritten.

Da letztlich auch Forderungsausfälle zur Insolvenz der Primärschuldnerin beigetragen hätten und entsprechende Umsatzsteuermeldungen zu korrigieren seien, stelle die Bf. den Antrag, ihr sämtliche Umsatzsteuerbescheide betreffend die Jahre 2018 und 2019 zur Erhebung eines Rechtsmittels zuzustellen, da diese dem Haftungsbescheid nicht angeschlossen gewesen seien.

*****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt und schränkte die Haftung auf € 72.259,37 ein.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Erlassung von Haftungsbescheiden eine im Einhebungsverfahren ergehende Erledigung im Sinn des § 103 Abs. 1 BAO sei, sodass trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung eine Zustellung unmittelbar an den Vollmachtgeber zulässig sei.

Maßgebend sei, ob die Zustellungsbevollmächtigung im Haftungsverfahren bestehe. Der Umstand, dass im Einkommensteuerverfahren des Einkommensteuerpflichtigen eine Zustellungsbevollmächtigung ausgewiesen sei, erlaube nicht die Zustellung von Abgaben der GmbH betreffenden Haftungsbescheiden an den im Einkommensteuerverfahren ausgewiesenen Vollmachthaber.

Die Zustellung des Haftungsbescheides sei daher, mit Hinterlegung beim zuständigen Postamt am , rechtswirksam erfolgt.

Die Körperschaftsteuervorauszahlungen 2019 seien aufgrund des Vorauszahlungsbescheides vom festgesetzt worden, da diese dem Haftungsbescheid nicht beigelegt worden seien, entfalle die Haftung für diese Abgaben.

Die Fälligkeit der Körperschaftsteuer 2018 sei im Bescheid vom mit festgestellt worden und nicht wie im Haftungsbescheid angeführt mit . Dies werde hiermit korrigiert und liege der Fälligkeitstag somit außerhalb ihres Tätigkeitszeitraumes. Hätte die Bf. jedoch im Zuge Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin die gesetzlichen Fristen zur Einbringung einer Jahreserklärung eingehalten, welche innerhalb Ihres Geschäftsführerzeitraumes liege (15.04. per Papier und 15.07. per FinanzOnline), hätte die Bf. die Möglichkeit gehabt, mittels Absetzbeträgen die Nachforderung zu reduzieren. Allenfalls sei zu sagen, dass die Bf. bei Einhaltung aller Fristen für die Entrichtung der Abgabe aufgrund der dann entstandenen Fälligkeit zur Haftung heranzuziehen gewesen wäre. Da die Bf. ihrer Verpflichtung, die Körperschaftsteuererklärung einzureichen, nicht nachgekommen sei, hätte diese im Zuge einer Schätzung festgestellt werden müssen. Aus diesem Grund werde der Bf. die Schuldhaftigkeit an der Vollstreckbarkeit der Körperschaftsteuer 2018 zugerechnet.

Dies bekräftige abermals die Feststellung der Behörde, dass die Bf. ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen als Geschäftsführerin nicht nachgekommen sei.

Bei den Verspätungszuschlägen handle es sich lediglich um Nebengebühren, welche keinen Strafcharakter hätten und auch nicht zu einer Doppelbelastung führen könnten. Die Verspätungszuschläge seien aufgrund der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen festgesetzt worden und richteten sich somit nicht gegen die Gesellschaft, sondern "dem Unterbleiben einer abgabenrechtlichen Verpflichtung der Geschäftsführerin".

Auch die Zwangsstrafen - welche der Beschwerdevorentscheidung beigelegt worden seien - könnten die Geschäftsführerin nicht doppelt strafen, da diese aufgrund der mangelnden Meldung der Daten über die wirtschaftlichen Eigentümer an die Statistik Austria im Wege des Unternehmensserviceportals gemäß § 5 Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz (WiEReG), festgesetzt worden seien. Auch hier bestehe eine schuldhafte Pflichtverletzung der Geschäftsführerin, da diese als Vertreterin der Gesellschaft die Verpflichtung gehabt habe, die Meldungen durchzuführen und mehrmals diesbezüglich gemahnt/ aufgefordert worden sei.

Bei den Umsatzsteuervorauszahlungen handle es sich um Meldungen der Gesellschaft, welche weder im Vertretungszeitraum der Haftungspflichtigen, noch im Zuge der Veranlagungen - welche der Beschwerdevorentscheidung beigelegt wurden - korrigiert worden seien. Auch im Zuge der Vorerhebung seien keine sonstigen Unterlagen vorgelegt worden, die einen Forderungsausfall belegen würden. Des Weiteren zeige die im Zuge der am durchgeführten Liquiditätsprüfung vorgelegte Bilanz für das Jahr 2018 Umsatzerlöse auf, welche auch die Umsatzsteuervoranmeldungen für diesen Zeitraum wiederspiegelten.

Die Umsatzsteuerbescheide seien, wie im Zuge der Beschwerde bereits von der Bf. festgestellt worden sei, nicht an die Haftungspflichtige zugestellt worden, da diese zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsbefugt gewesen sei. Da die Gesellschaft jedoch nach Insolvenzbeginn nicht mehr tätig gewesen sei, könne davon ausgegangen werden, dass die gesamte Umsatzsteuernachzahlung 2018 und 2019 im Vertretungszeitraum der Bf. entstanden sei.

Des Weiteren sei festzuhalten, dass die Bf. - hätte sie im Zuge ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin die gesetzlichen Fristen zur Einbringung einer Jahreserklärung eingehalten, welche innerhalb ihres Geschäftsführerzeitraumes liege (15.04. per Papier und 15.07. per FinanzOnline) - die Möglichkeit gehabt habe, die gemeldeten Umsatzsteuervoranmeldungen zu korrigieren und die Nachforderung zu reduzieren.

Allenfalls sei zu sagen, dass die Bf. bei Einhaltung aller Fristen für die Entrichtung der Abgabe aufgrund der dann entstandenen Fälligkeit zur Haftung heranzuziehen gewesen wäre.

Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass durch das pflichtwidrige Verhalten der Bf. als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten sei. Des Weiteren sei die Bf. ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisangebote zu Ihrer Entlastung darzutun, nicht nachgekommen, da keine Unterlagen vorgebracht worden seien, die aufzeigten, dass während des Zeitraumes, in dem sie Vertreter der Gesellschaft gewesen sei, diverse Gläubiger (Lieferanten, Banken, Löhne, Krankenkassen) gleichmäßig befriedigt worden seien. Der Geschäftsführer habe darzutun, aus welchen Gründen eine Erfüllung der Abgabenpflichten nicht möglich gewesen sei. Da dies nicht erfolgt sei (die in der Beschwerde vorgebrachten Gleichbehandlungsnachweise seien dem Finanzamt bis dato nicht vorgelegt worden), dürfe die Behörde annehmen, dass er schuldhaft seine Pflichten verletzt habe: , ÖStZB 2002/65; , 2000/14/0149, ÖStZB 2002/293

Da die Bf. ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

*****

Dagegen brachte der rechtsfreundliche Vertreter namens der Bf. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein, ohne die bisherige Begründung zu ergänzen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Liegt ein Zustellmangel vor?

Gemäß § 103 Abs. 1, 2. Satz können im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden.

Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können gemäß § 9 ZustG die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

§ 9 Abs. 3 ZustG: Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Die Bf. wandte die Nichtigkeit des Haftungsbescheides ein, da dieser nicht an den seit ausgewiesenen anwaltlichen Vertreter, sondern der Bf. direkt zugestellt worden sei.

Die belangte Behörde hat in der Beschwerdevorentscheidung, der gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH Vorhaltscharakter zukommt, ausgeführt, dass der Umstand, dass im Einkommensteuerverfahren des Einkommensteuerpflichtigen eine Zustellungsbevollmächtigung ausgewiesen sei, nicht die Zustellung von Abgaben der GmbH betreffenden Haftungsbescheiden an den im Einkommensteuerverfahren ausgewiesenen Vollmachthaber erlaube, jedoch ist dazu zu bemerken, dass die belangte Behörde den Zurückweisungsbescheid zur Fristerstreckung zur Beantwortung des Haftungsvorhaltes dem ausgewiesenen Vertreter zugestellt hat.

Davon abgesehen zeigt die Bf. mit diesem Vorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht auf, weil es sich bei der Geltendmachung von Haftungen gemäß § 224 BAO um Erledigungen im Einhebungsverfahren iSd § 103 Abs. 1 BAO handelt. Die belangte Behörde war daher nach dieser Gesetzesstelle trotz Vorliegens einer Zustellungsvollmacht aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Zustellung des Vorhaltes an die Beschwerdeführerin berechtigt. Dass Zweckmäßigkeitsgründe nicht vorgelegen seien, behauptet die Bf. nicht. (vgl. ).

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass die Bf. den angefochtenen Bescheid am ihrem einschreitenden Rechtsvertreter übergeben habe. Daraus folgt, dass selbst dann, wenn ein Zustellmangel vorgelegen wäre, dieser § 9 Abs. 3 ZustG zu Folge durch die Übergabe der Originalausfertigung des Haftungsbescheides an den Vertreter saniert wäre.

Zur Haftung:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2).

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung nach § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().

Laut Firmenbuchauszug vertrat die Bf. die Gesellschaft ab ***Dartum1*** als handelsrechtliche Geschäftsführerin und wurde mit Gesellschafterbeschluss vom ***Datum3*** als Geschäftsführerin abberufen. Die Bf. zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, welche - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

Aufgrund von Zahlungen eines weiteren zur Haftung herangezogenen ehemaligen Geschäftsführers der GmbH, haben sich am Abgabenkonto folgende Änderungen ergeben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag lt. HB
Dzt. aushaftend
Umsatzsteuer
04/2019
1.666,11
0,00
Umsatzsteuer
05/2019
8.281,04
6.227,15

Durch die Zahlungen des weiteren Haftungspflichtigen ist die Haftung der Bf. insoweit erloschen. Der Beschwerde war daher teilweise stattzugeben.

Die übrigen haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten haften am Abgabenkonto der Firma unberichtigt aus und sind bei der Primärschuldnerin aus folgendem Grund uneinbringlich:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum4*** wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss des Gerichtes vom ***Datum5*** nach Schlussverteilung aufgehoben wurde. In der Folge wurde die Firma am ***Datum6*** gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Daraus ist abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen, sodass er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat.

Demzufolge hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. , mwN).

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung ().

Für Abgabenschuldigkeiten, die nach Beendigung der Tätigkeit zu entrichten sind, besteht in der Regel keine Haftung.

Legt ein Abgabepflichtiger seine Funktion als Geschäftsführer einer GmbH zurück, so kann er hinsichtlich jener Abgaben, die nach dem Tag der wirksamen Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis fällig geworden sind, nicht zur Haftung herangezogen werden (vgl. ). Nichts Anderes gilt bei einer Abberufung eines Geschäftsführers.

Unter dem Blickwinkel von § 9 Abs 1 und § 80 Abs 1 BAO kann sich der Zeitpunkt, zu dem die Abgabennachforderungen zu entrichten waren, nicht erst auf Grund der Bescheide ergeben, welche diese Nachforderungen (infolge einer Schätzung gemäß § 184 BAO) festsetzten. Der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob die Gesellschaft die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel zur Verfügung hatte, muss vielmehr mit der Antwort auf die Frage bestimmt werden, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären ().

Bei Abgaben, die die juristische Person selbst zu berechnen (einzuhalten) und abzuführen hat, ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung (Einbehaltung) anzuführen gewesen wären, während bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben grundsätzlich die erstmalige Abgabefestsetzung und nicht erst die Nachforderung auf Grund der festgestellten Buchführungsmängel und Aufzeichnungsmängel entscheidend ist ().

Die Körperschaftsteuer ist vom Finanzamt zu veranlagen, daher ist der Fälligkeitstag der ersten Veranlagung maßgebend.

Der Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2018 datiert vom (erstmalige Festsetzung) und war am fällig, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bf. nicht mehr als Geschäftsführerin fungierte. Daher kann die Bf. für diese Nachforderung nicht zur Haftung herangezogen werden.

Dem Einwand der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung, dass die Haftung trotz des Umstandes, dass der Körperschaftsteuerbescheid 2018 zwar am fällig geworden sei, die Haftung jedoch aufrechterhalten werde, da die Bf., hätte sie im Zuge ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin die gesetzlichen Fristen zur Einbringung einer Jahreserklärung eingehalten, welche innerhalb ihres Geschäftsführerzeitraumes liege (15.04. per Papier und 15.07. per FinanzOnline), die Möglichkeit gehabt hätte, mittels Absetzbeträgen die Nachforderung zu reduzieren, kann unter Hinweis auf § 134 Abs. 1 BAO sowie auf die Rechtsprechung des VwGH nicht gefolgt werden.

§ 134 Abs. 1 BAO lautet:

Die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Umsatzsteuer sowie für die Feststellung der Einkünfte (§ 188) sind bis zum Ende des Monates April jeden Folgejahres einzureichen. Diese Abgabenerklärungen sind bis Ende des Monates Juni einzureichen, wenn die Übermittlung elektronisch erfolgt. Der Bundesminister für Finanzen kann diese Fristen bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die eine längere Frist rechtfertigen, mit Verordnung erstrecken.

Die Bf. hat die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2017 elektronisch eingebracht. Demgemäß wäre die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2018 Ende des Monats Juni 2019 einzubringen gewesen. Da die Bf. am ***Datum3*** als Geschäftsführerin abberufen wurde, liegt in der Unterlassung der Einreichung der Abgabenerklärung zwar eine Pflichtverletzung vor, jedoch war diese nicht kausal für den Abgabenausfall, da selbst wenn die Bf. die Abgabenerklärung am (der war ein Sonntag) eingereicht und die belangte Behörde umgehend den Veranlagungsbescheid erlassen hätte, läge der Fälligkeitstag (gemäß § 210 BAO mit Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe) jedenfalls nach dem Tag der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit der Bf.

Der Beschwerde war daher insoweit stattzugeben.

Bezüglich der Körperschaftsteuervorauszahlungen 1-3/2019 und 4-6/2019 gab die belangte Behörde der Beschwerde mit der Begründung statt, dass diese aufgrund des Vorauszahlungsbescheides vom festgesetzt worden seien. Da dieser dem Haftungsbescheid nicht beigelegt worden sei, entfalle die Haftung für diese Abgaben.

Dieser Rechtsansicht kann sich das Bundesfinanzgericht nicht anschließen.

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ), daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt.

Dies setzt jedoch voraus, dass der Haftende rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt wird, dass die der Haftung zugrundeliegende Abgabenschuld bereits bescheidmäßig festgesetzt wurde.

Dazu führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. ) aus:

"Wird der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt wurden, so liegt infolge unvollständiger Information im Sinne des Erkenntnisses vom , Zl. 98/13/0115, ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist. Die belangte Behörde (der unabhängige Finanzsenat) hätte den Haftungsbescheid aus diesem Grund aufheben müssen."

Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, erging der Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid für 2019 am , somit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bf. noch als Geschäftsführerin der GmbH fungierte. Der Abgabenanspruch wurde der Bf. somit bereits zur Kenntnis gebracht, es liegt daher kein Informationsmangel vor.

Dazu kommt noch, dass am und Benachrichtigungen zu den Körperschaftsteuervorauszahlungen mit folgendem Inhalt ergingen:

"Der Vorauszahlungsteilbetrag an Körperschaftsteuer für den Zeitraum 01-03/2019 (04-06/2019) in Höhe von € 2.834,00 wird am (bzw. ) fällig.

Jahresbetrag: € 11.338,00


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
01-03/2019
04-06/2019
07-09/2019
10-12/2019
fällig am
Betrag
€ 2.834,00
€ 2.834,00
€ 2.834,00
€ 2.836,00

Kontostand am (bzw. ): Rückstand € 17.980,75 (€ 45.346,69)"

Der Bf. musste die Höhe der quartalsmäßig zu leistenden Körperschaftsteuerschaftsteuervorauszahlungen für 2019 bekannt sein, dennoch wurden die Vorauszahlungsbeträge nicht entrichtet.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes liegt kein Grund vor, die Haftung aus dem vom Finanzamt genannten Grund einzuschränken.

Der Argumentation der Bf., dass für 2019 maximal die Mindest-KöSt festzusetzen gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, dass sich die gesetzliche Grundlage für die Festsetzung von Körperschaftsteuervorauszahlungen sich in § 24 Abs. 3 KStG 1988 iVm § 45 EStG 1988 findet.

Gemäß § 45 Abs. 3 EStG werden bereits fällig gewordene oder innerhalb eines Monates ab Bekanntgabe einer Erhöhung der Vorauszahlungen fällig werdende Vorauszahlungsteilbeträge durch eine Änderung in der Höhe der Vorauszahlung (Abs. 1) nicht berührt. Der Unterschiedsbetrag ist, sofern er nicht eine Gutschrift ergibt, erst bei Fälligkeit des nächsten Vorauszahlungsteilbetrages auszugleichen (Ausgleichsviertel). Nach dem 30. September darf das Finanzamt Bescheide über die Änderung der Vorauszahlung für das laufende Kalenderjahr nicht mehr erlassen; dies gilt nicht für Bescheide auf Grund eines Antrages, den der Steuerpflichtige bis zum 30. September gestellt hat, sowie für eine Änderung in einem Rechtsmittelverfahren. Erfolgt die Bekanntgabe von Bescheiden über die Erhöhung oder die erstmalige Festsetzung der Vorauszahlung nach dem 15. Oktober, dann ist der Unterschiedsbetrag (der Jahresbetrag der Vorauszahlung) innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe des Bescheides zu entrichten.

Eine Änderung der haftungsgegenständlichen Körperschaftsteuervorauszahlungen ist daher aufgrund der Rechtslage (nach dem 30. September..) nicht möglich. Für eine veranlagte Körperschaftsteuer wurde die Bf. nicht zur Haftung herangezogen.

Sollte der Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2019 abgeändert werden und diese Änderung zu einer Gutschrift führen, die auf die Haftungsschuld anzurechnen ist, reduziert sich der Haftungsbetrag, ohne dass der Haftungsbescheid berichtigt werden muss.

Zum Antrag auf Zustellung sämtlicher Umsatzsteuerbescheide betreffend die Jahre 2018 und 2019 zur Erhebung eines Rechtsmittels:

Der Haftungsbescheid enthält keine Nachforderungen aufgrund der Veranlagungen der Umsatzsteuer für die Jahre 2018 und 2019. Demzufolge hat der Antrag auf Zustellung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2018 und 2019 keinen Einfluss auf dieses Erkenntnis.

In der (nachträglichen) Berichtigung von Umsatzsteuer (§ 16 Abs. 3 UStG), für die der Geschäftsführer einer GmbH zur Haftung herangezogen worden war, ist kein Wiederaufnahmsgrund betreffend das Haftungsverfahren zu erblicken. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Minderung des Abgabenanspruches, der durch Abgabenbescheid festzustellen ist und sich nach (zusammengefasster) Verbuchung und Verrechnung (§ 213 f BAO) unmittelbar auf die Höhe des Haftungsbetrages auswirkt (vgl. ).

Kann die Bf. für Verspätungszuschläge und Zwangsstrafen zur Haftung herangezogen werden?

Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2).

Gemäß § 3 Abs. 2 lit. b und c BAO gehören zu den Nebenansprüchen der Verspätungszuschlag (lit b) und die im Verfahren festgesetzten Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen (lit c).

Aufgrund der eindeutigen Rechtslage war die belangte Behörde berechtigt, die Bf. auch für nichtentrichtete Verspätungszuschläge und Zwangsstrafen der GmbH zur Haftung gemäß § 9 BAO heranzuziehen.

Für die Haftung gemäß § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Im vorliegenden Fall hat die Bf. zwar die haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben (Umsatzsteuer, Lohnabgaben) gemeldet, jedoch nicht entrichtet. Ebenso wurden die bescheidmäßig festgesetzten Abgabenschuldigkeiten (z.B. UVA 5/2018, K-VZ, Zwangsstrafen, Verspätungszuschläge) nicht zum jeweiligen Fälligkeitstag entrichtet.

Die Nichtentrichtung der genannten Abgabenschuldigkeiten bei deren Fälligkeit stellt eine schuldhafte Pflichtverletzung dar.

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. etwa , , mwN).

Der Vertreter haftet für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. ).

Wird der Nachweis, dass keine liquiden Mittel vorhanden waren oder welcher Betrag aus vorhandenen Mitteln bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, vom Vertreter nicht erbracht, kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (z.B. ).

In der Beschwerde vom wird vorgebracht, dass sich die Erstellung eines Gleichbehandlungsnachweises coronabedingt verzögert habe. Seitdem sind beinahe 2 Jahre vergangen ohne dass ein Gleichbehandlungsnachweis nachgereicht worden wäre. Da dieser Nachweis nicht angetreten wurde, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. ).

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz gelten (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 0038, ausdrücklich aufrecht erhaltenen ständigen Rechtsprechung des VwGH fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne der §§ 80ff BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet.

Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Einbringlichkeit

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeit rasch eingebracht werden kann. Ein solcher Fall liegt hier im Hinblick auf die bereits erfolgte Löschung der GmbH im Firmenbuch nicht vor.

Weiters hat die Bf. in der gegenständlichen Beschwerde ohnehin keine Einwendungen zum Ermessen vorgebracht.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und hatte die Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen im Einzelfall und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 9 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 134 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 2 lit. b und c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103107.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at