Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.12.2023, RV/7101815/2022

Kein Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich daher keine Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Sascha Flatz, Rathausstraße 5/3, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab April 2020, SVNr. ***, nach mündlicher Verhandlung auf Antrag der Beschwerdeführerin am im Beisein der Schriftführerin ***10*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte mit formlosen Schreiben vom , eingelangt bei der belangten Behörde am , die Gewährung von Familienbeihilfe für ***1***, geb. am tt.mm.2020"über den März hinaus" und legte Kopien aus dem Mutter-Kind-Pass, ihrem Reisepass und bezügl. des Aufenthaltstitels (nicht leserlich) von ***1*** vor.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom ab April 2020 mit folgender Begründung abgewiesen:

"Sie haben weder einen Wohnsitz noch Ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Daher

steht Ihnen keine Familienbeihilfe zu (§ 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Aus den vorgelegten Unterlagen ist ein ständiger Aufenthalt von Ihnen in Österreich nicht

verifizierbar.

Laut vorhandener Informationen haben Sie einen Wohnsitz in ***11*** /Türkei und betreiben

dort einen Schönheitssalon. Ihre beiden minderjährigen Kinder ***12*** und ***6*** besuchen seit

2016 die Schule in der Türkei. Es ist daher davon auszugehen, dass Sie Ihren Wohnsitz seit ca

Mitte 2016 nicht mehr in Österreich haben. Eine Meldeadresse (bei Ihren erwachsenen Kindern)

in Österreich und gelegentliche Besuche in Österreich begründen keinen Wohnsitz.

Zu ***3*** ***1***:

Ihr Enkelkind hält sich nicht ständig in Österreich auf, die Familienbeihilfe steht daher nicht zu (§5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Es ist davon auszugehen, dass sich ***1*** bei Ihnen in der Türkei aufhält."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der die Bf. folgendes vorbrachte:

Bestritten werde, dass die Bf. in der Türkei einen Schönheitssalon betreibe und sich nur gelegentlich in Österreich aufhalte. Offenbar sei zu diesem Sachverhalt eine anonyme Anzeige erstattet worden. Der Bf. sei es gesundheitlich gar nicht möglich, einen Schönheitssalon zu betreiben, sie sei seit 2008 infolge eines Bandscheibenvorfalles arbeitsunfähig und müsse starke Schmerzmittel nehmen. Zusätzlich sei bei ihr auch noch Gebärmutter-und Eierstockkrebs festgestellt worden.

Wenn sich die belangte Behörde auf eine Internetseite stütze, wonach die Bf. einen Schönheitssalon betreibe, so sei ihr vorzuwerfen, dass sie nicht bei den türkischen Behörden ermittelt habe, ob es diesen Schönheitssalon tatsächlich gäbe und wer ihn betreibe. Auf dieser Internetseite sei das Anlegen eines angeblichen Unternehmens einfach und ohne Zustimmung der erwähnten Personen möglich und es sei daher auch unkompliziert und schnell möglich, dies zu fingieren. Es erfolgte keine Prüfung des Portalbetreibers, ob es die dort eingetragenen Unternehmen tatsächlich gäbe.

Die Beschwerdeführerin lebe mit ihrem Ehemann Herrn ***4*** in Wien an der

Adresse ***5*** und besuche lediglich öfters im Jahr ihre zwei Kinder, ***6***, geb.: ***7*** und ***12***, geb.: ***9***, welche derzeit ein Schulinternat in der

Türkei besuchen und dort die meiste Zeit verbringen. Dass die Beschwerdeführerin daher ihren Wohnsitz in Österreich aufgeben würde, obwohl die Kinder der Beschwerdeführerin nur selten nicht im Internat zugegen seien, sei daher nicht nachvollziehbar und hätte die Behörde sich von diesem Umstand ein genaueres Bild machen müssen.Durch diese Besuche in der Türkei werde kein Wohnsitz der Bf. in der Türkei begründet. Darüber hinaus hätte die Behörde auch feststellen müssen, welche Flugreisen die Beschwerdeführerin in den letzten Jahren unternommen habe, um feststellen zu können, wie oft diese Besuche in der Türkei unternimmt. Hätte die Behörde dies festgestellt, wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschwerdeführerin lediglich gelegentliche Besuche in der Türkei vornehme und keinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in der Türkei begründet habe.

Sie habe demnach ihren Lebensmittelpunkt in Wien. Die Antragstellerin lebe seit dem Jahr 1990, in welchem sie nach Österreich gekommen sei, nicht mehr in der Türkei und war auch dort nicht mehr erwerbstätig. Die Behörde habe keine Informationen offengelegt oder Beweise dafür vorgebracht, dass sie in der Türkei einen Schönheitssalon betreibe. Selbst wenn dies zuträfe, hätte sie dadurch noch nicht ihren Wohnsitz in Österreich aufgegeben. Diesbezüglich hätte die Behörde jedoch Auskunft bei den türkischen Behörden einholen müssen, ob die Beschwerdeführerin in der Türkei wohnhaft oder gemeldet ist. Dies habe sie unterlassen. Die Bf. habe die Obsorge für ihren Enkel ***1*** inne und befinde sich dieser selbstverständlich auch überwiegend bei der Beschwerdeführerin an ihrem Wohnsitz in Wien, die leibliche Mutter von ***1*** sei ebenfalls in Wien und unterstütze die Bf. bei der Wahrnehmung der Obsorge. Es werde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.Die belangte Behörde stützte die Abweisung auf folgenden Sachverhalt:

***13*** (in der Folge auch als "Kindesmutter" bezeichnet) ist die

Kindesmutter von ***1*** (SV-Nr.: ***; in der Folge auch als "Kind" bezeichnet).

***18*** (in der Folge auch als "Beschwerdeführerin", "Bf." oder

"Großmutter" bezeichnet) ist die Mutter von ***13*** und die Großmutter von

***1***.

Nach der Aktenlage war die Großmutter in den Jahren 2003 bis 2010 in der Schweiz wohnhaft.

Zwei weitere Kinder der Beschwerdeführerin, ***12*** und ***6*** besuchen seit dem Schuljahr 2016/2017 eine Schule in der Türkei.

Das jüngere Kind war zum Zeitpunkt des beginnenden Schulbesuches in der Türkei daher 10 und

das ältere Kind 13 Jahre alt.

Ob der Großmutter ist aktenkundig, dass diese am eine Ausbildung an der "ELENA

KEPLINGER BEAUTY SCHOOL" erfolgreich abgeschlossen hat. Eine in der Beschwerde vorgebrachte angebliche Arbeitsunfähigkeit der Bf. seit dem Jahr 2008 ist daher in Ansehung mit der in dieser Zeit absolvierten Ausbildung nicht im Einklang zu bringen (dazu gleich unten).

Die Österreichische Botschaft in Ankara hat (unter anderem) das Finanzamt davon verständigt,

dass der Name der Beschwerdeführerin bei einem Schönheitssalon in der Türkei als "***"

(wörtlich übersetzt "Berechtigte Person") aufscheint. Auf der Internetseite des Salons war

insbesondere auch ein Foto der Großmutter veröffentlicht worden.

Die Schule, die die Kinder ***12*** und ***6*** besuchten bzw. besuchen, und der

Schönheitssalon liegen beide in der Türkei in ***20***. Erhebungen des Finanzamtes haben ergeben, dass zwischen der Adresse, die auf der Schulbestätigung betreffend das Kind ***12*** aufscheint, und der Adresse des Schönheitssalons je nach gewählter Strecke lediglich ein

Fußweg/eine Entfernung von 1,7 km bis 1,8 km liegt.

In der Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht,

❖ dass die Beschwerdeführerin seit 2008 arbeitsunfähig gewesen wäre,

❖ dass die Kinder ***12*** und ***6*** "die meiste Zeit" in einem Internat untergebracht

gewesen wären und

❖ dass das Finanzamt im Ausland Erhebungen hätte durchführen müssen.

Die belangte Behörde verwies unter Zitierung entsprechender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf, dass es sich um einen Auslandssachverhalt handle und somit an die Mitwirkungs-und Offenlegungspflicht der Partei erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Der Schulbesuch der Kinder bzw. die Unterbringung in einem Internat sei von der Bf. nicht in Abrede gestellt worden. Kinder im Alter von 10 bzw 13 Jahren, wie die der Bf., benötigten am Schulort eine Beaufsichtigung und sei nicht nachgewiesen worden, dass die Kinder im Internat auch genächtigt hätten. Die Bf. habe vorgebracht, die Kinder seine die "meiste" Zeit im Internat gewesen. Auch passe der Schulbeginn in der Türkei mit dem Schuljahr 2016/2017 zu der von der Bf. absolvierten Ausbildung an der Elena Beauty School im Juli 2017 und die Lage der Schule zu dem in unmittelbarer Nähe befindlichen Schönheitssalon. Die Ausbildung der Bf. spreche auch gegen die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit. Nach Auffassung der belangten Behörde habe das Enkelkind jedoch in Österreich gewohnt, sei somit bei ihr nicht haushaltszugehörig gewesen. Es sei nicht aktenkundig, dass das Kind der Kindesmutter abgenommen worden wäre und auch weltfremd, dass ein Neugeborenes von der Kindesmutter getrennt würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich der nicht näher begründete Vorlageantrag vom .

Im Zuge der weiteren Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht wurde von der belangten Behörde der Akt der MA 62 betr. amtliche Abmeldung der Bf. sowie der Kinder ***12*** und ***6*** von der Adresse 1140 Wien, ***15*** vorgelegt.

Aus diesem gehen folgende für den Beschwerdefall interessierende Tatsachen hervor: Die Wohnung der Bf., bestehend aus Küche, Wohnzimmer und zwei Schalfzimmer, wurde bereits im August 2017 von der MA 62 besichtigt und die anwesende Tochter ***19*** befragt, wieviel Personen in der Wohnung wohnen. Diese gab an: ihr (Stief-)Vater, ihre Mutter die Geschwister ***12***, ***6***, ***13*** und ***14***.

Die Bf. wurde im November 2017 befragt, wieviele Personen in der Wohnung wohnen und gab diese an, dass ***12*** und ***6*** auf Grund der beengten Wohnverhältnisse nun in der Türkei in ein Internat gingen.

Lt. Akt des Verwaltungsgerichtes Wien fand am eine mündliche Verhandlung statt, in der auch die Wohnungsnachbarin Fr. Mag. ***16*** geladen war. Diese sagte aus:

Ich habe die unmittelbare Nachbarwohnung der fraglichen Adresse 1140 Wien,

***15***, auf demselben Stockwerk, diese bewohne ich seit rund neun

Jahren. Allerdings war ich im Schuljahr 2020/2021 nicht oft anwesend, da ich ein

Freijahr hatte.

Ich beobachte meine Nachbarn nicht aktiv. Im Lauf der Jahre habe ich regelmäßig drei

Personen in der fraglichen Nachbarwohnung wahrgenommen, von diesen ist heute

Herr ***4*** anwesend. Ich habe mich auch nicht von mir aus an die Behörde

gewandt, vielmehr wurde ich von diesen kontaktiert, ohne dass ich dazu beigetragen

hatte. Ich vermute, dass dies als Bewohnerin desselben Stockwerks erfolgt ist.

Über Befragen des VL:

Die heute anwesende Frau ***18*** ist mir nicht als Nachbarin erinnerlich, ich kann

jedoch naturgemäß nicht ausschließen, dass diese die Nachbarwohnung benutzt hat.

Herrn ***4*** habe ich öfter gesehen. Dann waren noch zwei jüngere

Familienmitglieder öfter zu sehen, diese sind jedoch nicht mit den heute anwesenden."

Auch der Akt der Staatsanwaltschaft Wien wurde von der belangten Behörde vorgelegt und enthält insbesondere die von dieser angeordnete Depersonalisierung der Flugdaten betr. die Bf. im Jahr 2020 und die Einstellungsbegründung vom , gerichtet an die PVA Wien, die der Bf. und ihrem Vertreter in der mündlichen Verhandlung vom zur Einsicht vorgelegt wurden.

In der Flugdatenauawertung wurde ermittelt, an welchen Tagen die Bf. von der Türkei nach Wien und wieder retour geflogen ist. Die belangte Behörde erstellte folgende Zusammenstellung dieser Daten für das Bundesfinanzgericht und merkte dazu an:

Eine Auswertung der Flugdaten (ebenfalls in der Anlage) hat ergeben, dass

***18*** in 2020 am Tag der Geburt von ***1*** (geboren am tt.mm.2020), nämlich am

tt.mm.2020 in Österreich eingereist ist, weil die medizinische Betreuung in Österreich doch besser sein dürfte, als in der Türkei. Dieser Aufenthalt in Wien - anlässlich der Geburt von ***1*** - war der einzige längere Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich in 2020. Alle anderen Aufenthalte hatten höchstwahrscheinlich "lediglich" den Zweck, die Mutter-Kind-Pass-

Untersuchungen ob ***1*** durchzuführen zu lassen und dauerten diese anderen Aufenthalte

lediglich wenige Tage.

Auch ist davon auszugehen, dass ein Kleinstkind mit der Mutter wieder in die Türkei ausgereist istund deswegen von dem Kleinkind in den Unterlagen der MA62 nie die Rede ist.

Auffällig ist auch, dass am eine Flugbewegung von Österreich in die Türkei stattgefunden hat und am (zum Schulbeginn) wiederum eine Flugbewegung von Österreich in die Türkei vorgenommen worden ist, ohne dass dazwischen ein Flug von der Türkei nach Österreich inder Auswertung aufscheint".

Die Staatsanwaltschaft Wien gelangte lt. der erwähnten Einstellungsbegründung zur Auffassung, dass auf Grund der geringen Aufenthaltstage in Österreich, der Lebensmittelpunkt im Jahr 2020 jedenfalls in der Türkei gelegen sei und zwar unabhängig vom Grund des Türkeiaufenthaltes.

Am legte der Vertreter der Bf. dem Bundesfinanzgericht folgende Unterlagen vor:

  1. Bestätigung vom der Fa. BUWOG betr. Eintritt der Bf. in die Mietrechte betr. die Wohnung ***15***,

  2. die anonyme Anzeige, auch in deutscher Übersetzung,

  3. den Beschluss des BG Fünfhaus vom , mit dem die Obsorge für ***1*** der Bf. übertragen wird (Begründung:………" die Kindesmutter auf Grund einer Intelligenzminderung und Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage ist, ein Kind zu versorgen und Verantwortung zu übernehmen

  4. Beschluss des BF Fünfhaus vom , mit dem die gerichtliche Erwachsenenvertretung für ***13*** vom Vater auf die Bf. übertragen wird

  5. Schulbesuchsbestätigungen für ***6*** und ***12*** vom einer Schule in ***20***

  6. Auszug aus dem Zentralen Melderegister betr. ***1*** (Geburtsdatum tt.mm.2020, Ausstellung eines Reisepasses am , gemeldet in 1140 Wien, ***15*** von 27.1.202-)

  7. Bestätigung der "Direktion der Anstalt für Soziale Sicherheit, Generaldirektion für Rentendienste" vom , wonach die Bf. keine Versicherung hat und kein Altersruhegeld bezieht,

  8. Bescheid der PVA vom begr. Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension

  9. Berufskundliches Sachverständigengutachten vom

  10. Urteil des Arbeits-und Sozialgerichtes Wien vom

  11. Ein Foto von der Internetseite www.***, dass u.a. die Bf. und zwei weitere Frauen zeigt, angeblich im erwähnten Schönheitssalon

  12. Den Betreuungsvertrag zwischen "Sozialwerke Clara Fey und ***13*** ***3*** vom

  13. Den Mutter-Kind-Pass von ***1***

Am fand die von der Bf. beantragte mündliche Verhandlung statt, in der die Parteien jeweils ihr bisheriges Vorbingen wiederholten.

Der Vertreter der belangten Behörde verwies insbesondere auf folgende Umstände, die abgesehen von der Anzeige beim Österreichischen Generalkonsulat in Ankara die Auffassung der belangten Behörde begründen, dass die Bf. nicht den Lebensmittelpunkt in Österreich hatte.

1. Abschlusszertifikat der Elena Keplinger Beauty school vom (im Akt)

2. Schulbesuchsbestätigungen der Kinder ***6*** und ***12*** aus der Türkei, somit ein Drittstaat

3. Die aus dem Strafverfahren bekannte Flugdatenauswertung wonach die Bf. im Zeitpunkt der Geburt des jüngsten Kindes länger in Österreich gewesen sei und ansonsten jeweils nur wenige Tage, die sich mit den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen decken und während der Woche stattfanden, währenddessen die Kinder in der Türkei in der Schulde bzw. im Internat waren

4. Im Akt der MA62 findet sich kein Hinweis, dass an der Meldeadresse 1140 Wien, ***15*** ein Kleinkind aufhältig gewesen sei.

Die Bf. betonte, dass sie in 1140 Wien, ***15*** tatsächlich gewohnt habe.

Laut Jugendamt durfte ***13*** nicht gemeinsam mit dem Baby in einer Wohnung wohnen und habe ein paar Monate beim Bruder in 1140 Wien, *** (siehe ZMR) gewohnt. Da der Bruder nicht die Miete bezahlt habe, seien beide zurück in die ***17*** gezogen.

In der Türkei habe sie keinen Schönheitssalon und keinen Gewerbeschein gehabt, habe nie gearbeitet und sei nie selbständig tätig gewesen. Dazu verwies sie auf eine dem Bundesfinanzgericht übermittelte Bestätigung der türkischen Behörden vom , wonach sie in der Türkei nicht versichert sei und kein "Altersruhegeld" beziehe.

Die Bf. legte dem Mutter-Kind-Pass von ***1*** vor mit Untersuchungen am und am . Für die Zeit dazwischen gibt es keine Eintragungen.

Die Bf. sagte aus: "Ich war aber Ende 2021 oder Anfang 2022 mit dem Kind bei Frau Dr. ***23***. Im Jahr 2022 waren wir noch 1-2-mal dort und im St. Anna Kinder Spital auf der HNO Ambulanz."

Vorgelegt wurde weiters eine Wiegekarte mit folgenden Terminen: , , , . In Zusammenhang damit monierte die Bf., dass sie lt. Flugdatenauswertung von bis in der Türkei gewesen sei, es würden daher Flüge fehlen. Im Übrigen sei sie 2020 wegen Corona mit dem Baby länger in der Türkei gewesen. Ihr Mann sei im August nachgekommen.

In der mündlichen Verhandlung wurde die unmittelbare Wohnungsnachbarin,

Fr. Mag. ***16*** als Zeugin einvernommen.

Diese sagte aus: "Aus dem Akt bzw Abfrage aus dem ZMR ist bekannt, dass Sie von bis in 1140 Wien, ***21*** gemeldet waren. Ist das richtig?

Zeugin: Ja, das ist richtig

Sie waren in dieser Zeit berufstätig?

Zeugin: Ja, als Lehrerin in Wien, nur während der Schulferien war ich seltener in der Wohnung.

Sind Sie jeden Tag zur gleichen Zeit außer Haus gegangen und wieder zurückgekehrt oder zu unregelmäßigen Zeiten, etwa später am Vormittag weg, am Nachmittag zurück?

Zeugin: Ich bin ich meistens schon sehr früh weggegangen (nach 7:00 Uhr) an einzelnen Tagen auch später und bin dann im Laufe des Nachmittags immer zu verschiedenen Zeiten nach Hause gekommen.

Tür Nr. 3 ist die Nachbarwohnung von Tür Nr. 4. Ist das richtig?

Zeugin: Ja

Frau ***3*** gibt an, auch auf Nr. 4 gewohnt zu haben. Können Sie sich an Fr. ***3*** erinnern?

Zeugin: An Frau ***3*** kann ich mich nicht erinnern. Frau ***3*** habe ich das erste Mal bei der Verhandlung beim Verwaltungsgericht Wien im Mai 2022 gesehen.

Sie haben 6 Jahre Tür an Tür gewohnt. An welche Personen von Nr. 4 können Sie sich erinnern?

Zeugin: Ich kann mich an 3 Personen erinnern, die ich immer wieder einmal beim Kommen und Gehen gesehen habe. Im Detail: Eine junge Frau mit längeren dunklen Haaren, ein jüngerer Mann und ein älterer Mann. Ich dachte mir, das könnte der Vater der jungen Frau sein, hatte schon graue Haare.

An Kinder die ständig dort gewohnt hätten, kann ich mich nicht erinnern.

Haben Sie mit den Nachbarn auch gesprochen? Konnten Sie bzw. einer von Ihnen Deutsch? Haben Sie auch mit der jungen Frau gesprochen? Können Sie sich an einen Namen erinnern?

Zeugin: Gesprochen haben wir nicht miteinander.

Das Kind der jungen Frau ist am tt.mm.2020 geboren., d.h. sie muss ab April 2019 schwanger gewesen sein. Ist Ihnen eine Schwangerschaft bei der jungen Frau aufgefallen?

Zeugin: Das ist mir nicht aufgefallen.

Das Kind ist am tt.mm.2020 geboren und ab tt.mm.2020 auf Tür Nr. 3 gemeldet gewesen. Ist Ihnen auf Tür Nr. 3 ein Baby aufgefallen? Geschrei, Kinderwagen…………

Zeugin: Nein.

Die Zeugin ergänzt, im Schuljahr 2021 (September 2020-Juni 2021) hatte ich ein Sabbatical und war wenig in der Wohnung. Jedenfalls haben Sie ab Jänner 2020 bis zu ihrem Auszug nie ein Baby od. Kleinkind auf Tür Nr. 3 wahrgenommen. Ist da richtig?

Zeugin: Ja

Die junge Frau , an die sie sich erinnern können, war immer die selbe? Von 2016 bis 2022?

Zeugin: Ja

Die Zeugin ergänzt, in meinem letzten Schuljahr 2021/2022 habe ich nie ein Kleinkind bei den Nachbarn wahrgenommen.

Vertreter Bf.: Die Bf. kennt die Zeugin nicht. Schwangerschaft und Spielsachen sind der Zeugin auf Befragen des Vertreters nicht aufgefallen. Die Aussage der Zeugin ist für den Vertreter kein Indiz, dass Frau ***3*** auf Tür Nr. 3 nicht gewohnt bzw. gewohnt hat.

Auf die Frage des Vertreters der belangten Behörde, ob die Bf. in der Nachbarwohnung Kindergeschrei gehört habe, antwortete diese:

"Nein, nur Kinderstimmen. Babygeschrei kenne ich von den Vormietern von Tür Nr. 3."

Im Akt der belangten Behörde befindet sich ein weiterer Antrag der Bf. auf Gewährung von Familienbeihilfe für ***1*** sowie das Kind ***12*** vom ohne Beginndatum, sowie eine Schulbesuchsbestätigung für ***12*** einer Wiener Schule ab dem Wintersemester 2022 und ein Kindergartenbestätigung für ***1*** ab Oktober 2022.

Ebenso vorgelegt wurde der Mietvertrag bezügl. der Wohnung in 1100 Wien, ***22***, beginnend mit .

Lt. Abfrage aus dem Zentralen Melderegister sind an dieser Adresse seit dem gemeldet:

Die Bf., ihr Ehemann, ***13*** (bis ), ***14*** (seit ), ***6***, ***12*** und ***1***.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im Zentralen Melderegister scheinen bezüglich der Bf. und ihrer Familie für die Adresse 1140 Wien, ***15*** folgende Meldedaten auf:

-:

Die Bf., ihr Ehemann, die Kinder ***12*** und ***6***

- und von -: ***13***

-: ***3*** ***14*** (Stiefsohn der Bf.)

-: ***19*** (Tochter aus erster Ehe)

-: ***1***

Die Stieftochter ***13*** leidet an Intelligenzminderung und einer Persönlichkeitsstörung und hat ihren Vater, den Ehemann der Bf., als gerichtlichen Erwachsenenvertreter.

Am tt.mm.2020 hat sie das Kind ***1*** geboren.

Mit Beschluss des BG Fünfhaus vom wurde die Obsorge für das Kind an die Bf. übertragen, da das Gericht davon ausging, dass die Kindesmutter nicht für das Kind wird sorgen und Verantwortung übernehmen können.

Am wurde für das Kind ein Reisepass ausgestellt.

Lt. vorgelegten Unterlagen (Wiegekarte und Mutter-Kind-Pass) befand sich das Kind jedenfalls am , , , , und am in Österreich. Ab Oktober 2022 besuchte es den Kindergarten in Wien.

Die Kinder ***12*** und ***6*** besuchten seit dem Schuljahr 2016/2017 eine Schule in der Türkei und zwar in jenem Ort, in dem die Bf. lt. einer anonymen Anzeige angeblich einen Schönheitssalon betreibt und ein Haus besitzt. Seit September 2022 besucht ***12*** die Schule in Wien.

Der Stiefenkelsohn ***1*** besucht seit Oktober 2022 einen Kindergarten in Wien.

Die Bf. bezieht in Österreich eine Berufsunfähigkeitspension.

Im Jahr 2020 befand sich die Bf. an der überwiegenden Anzahl der Tage nicht in Österreich, sondern in der Türkei. Die Reisedaten und die daraus resultierende jeweilige Aufenthaltsdauer in Österreich bzw. in der Türkei sind der in den Entscheidungsgründen dargestellten Tabelle, in der die Flugdaten ausgewertet wurden, zu entnehmen.

Die Bf. war seit an der Adresse 1140 Wien, ***15*** gemeldet, war allerdings der unmittelbaren Wohnungsnachbarin bis zum Zusammentreffen anlässlich einer Verhandlung beim Verwaltungsgericht Wien im Mai 2022 nicht bekannt.

Die sowohl vor dem Verwaltungsgericht Wien, als auch vor dem Bundesfinanzgericht Wien unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht als Zeugin einvernommene Nachbarin konnte sich an drei Bewohner erinnern, nämlich einen älteren und einen jüngeren Mann sowie eine junge Frau.

Ab war die Familie, wie oben dargestellt, in 1100 Wien, ***22*** gemeldet.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, Einsicht in die von der belangten Behörde vorgelegten Auszüge aus dem Akt der StA Wien und weitere Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes wie in den Entscheidungsgründen dargestellt. Weiters wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung eine Zeugin einvernommen, deren Aussage ebenfalls in den Entscheidungsgründen dargestellt ist.

Die Abgabenbehörden haben gemäß § 115 Abs 1 BAO die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amtswegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

Die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sind gemäß § 119 Abs 1 BAO vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.

Die Abgabenbehörde hat gemäß § 167 Abs 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht.

Bei Erforschung des tatsächlich verwirklichten Sachverhaltes sind die Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 167 Abs. 2 BAO zu beachten. Die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen haben schlüssig zu sein, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens zu entsprechen. (Vgl. , , ).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs 2 BAO zukommenden "freien Überzeugung" von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. (Vgl ).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Nach § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967, BGBl 376/1967 idgF., haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

lit a) für minderjährige Kinder, …

§ 2 Abs. 8 FLAG 1967 lautet:

"Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) …

§ 13 FLAG 1967 lautet:

§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Finanzamt Österreich zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Die Frage ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0098, VwSlg 8.202/F, und den hg. Beschluss vom , 2009/16/0082).

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/13/0083, mwN).

Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist der Abweisungsbescheid vom . Dieser weist den Antrag der Bf. vom auf (Weiter)-gewährung von Familienbeihilfe für ihren Stiefenkelsohn ***1*** ab April 2020 ab. In der Begründung wird im Wesentlichen darauf verwiesen, dass weder die Bf. noch das Kind den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, sondern in der Türkei hätten. Eine Meldeadresse in Österreich sowie gelegentliche Besuche in Österreich würden daran nichts ändern.

Lt. Beschwerde vom wurde der Bescheid am der Bf. zugestellt.

Die Bf. bringt vor, an der Adresse 1140 Wien, ***15*** gemeldet gewesen zu sein und dort auch tatsächlich gewohnt zuhaben.

Eine Person kann nach der geltenden Rechtsprechung zwar mehrere Wohnsitze haben, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG (vgl. ; ).

Die polizeiliche Ab- und Anmeldung (§ 1 Abs. 1 MeldeG) ist dabei nicht entscheidend () und kann lediglich ein Indiz darstellen bzw. in Zweifelsfällen einen Begründungsanhalt bieten (). Sowohl die Bf. als auch ihr Ehemann und die Kinder ***12***, ***6***,***13*** und ***14*** waren ab bis (bzw. ) in 1140 Wien, ***15*** gemeldet. Der Enkelsohn war ab an der nämlichen Adresse gemeldet. Diese Meldungen alleine reichen aber nicht aus, um den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. in Österreich nachzuweisen.

Im Erkenntnis vom , 86/16/0198 hat der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis ausgeführt, dass die auf die einzelnen Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten ein bedeutsames quantitatives Kriterium darstellen, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person besteht "Wenn eine im Ausland tätige Person, die regelmäßig an den Wochenenden zur im Inland ansässigen Familie heimkehrt, mit dieser die sonstigen freien Tage und den Urlaub verbringt und solcherart mehr als 150 Tage im Jahr am Familienwohnort verweilt, so ist die Annahme, dass zu diesem Ort die stärksten persönlichen Beziehungen bestehen und dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Denn die auf die einzelnen Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten sind lt. VwGH ein bedeutsames quantitatives Kriterium dafür, wo der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer Person besteht. Die zu lösende Rechtsfrage sei daher schon aufgrund des von der belangten Behörde festgestellten zeitlichen Verhältnisses der Aufenthalte geklärt."

Dem Bundesfinanzgericht liegt dazu die Flugdatenauswertung aus dem Jahr 2020 vor, die vom Bundesministerium für Inneres/Bundeskriminalamt im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien durchgeführt wurde und der Bf. und ihrem Vertreter in der mündlichen Verhandlung übergeben und von diesen gelesen wurde.

In Zusammenhang mit der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Wiegekarte mit den augenscheinlich wahrgenommenen Terminen am , , und brachte der Vertreter der Bf. nach Einsicht in die Flugdatenauswertung vor, dass die Bf. von bis in der Türkei gewesen wäre, es würden daher Flüge fehlen. Dazu ist anzumerken, dass auch die belangte Behörde auf eine mögliche Unvollständigkeit hinwies, zumal am und am Flüge von Wien in die Türkei erfolgten, jedoch in der Zeit dazwischen kein Flug von der Türkei nach Wien angezeigt wurde. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes würden jedoch drei weitere, möglicherweis nicht durch die Flugdatenauswertung erfasste Wienaufenthalte nichts daran ändern, dass die Bf. die weitaus geringere Anzahl von Tagen des Jahres 2020 in Wien verbrachte, bzw. die überwiegende Anzahl von Tagen in der Türkei: dies deshalb, da die Bf. lt. der von der belangten Behörde übermittelten Tabelle 50 Tage in Wien verbrachte und auch für die möglicherweise fehlenden Zeiträume davon auszugehen ist, dass sich der Aufenthalt der Bf., wie sonst auch, auf einige wenige Tage beschränkte. Im Übrigen zeigt die Flugdatenauswertung, dass die Bf. am tt.mm.2020, also am Tag der Geburt des Kindes nach Wien flog und am tt.mm.2020 wieder in die Türkei. Dieser Aufenthalt von xx Tagen ist aus naheliegenden Gründen der längste in Wien im Jahr 2020 und der zeitliche Zusammenhang mit der Geburt des Kindes unübersehbar.

Auch kann zwischen den Terminen 4.2. und lt. Wiegekarte sowie lt. Mutter-Kind-Pass und der Flugdatenauswertung insofern ein Zusammenhang festgestellt werden, als sich die Bf. demgemäß vom tt.mm.2020 bis tt.mm.2020 und von bis in Wien aufhielt. Nach den gegebenen Umständen ist davon auszugehen, dass die Bf. ihre Tochter zu den Untersuchungen begleitete oder die Arztbesuche ohne die Kindesmutter absolvierte. Dies verdeutlicht auch folgende Aussage der Bf. in der mündlichen Verhandlung:

"Ich war aber Ende 2021 oder Anfang 2022 mit dem Kind bei Frau Dr. ***23***. Im Jahr 2022 waren wir noch 1-2-mal dort und im St. Anna Kinder Spital auf der HNO Ambulanz."

Aus dieser Aussage i.Z. mit den aktenkundigen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen wird weiters deutlich, dass offenbar im Jahr 2021 keine weiteren Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen durchgeführt wurden. Diese sind jedoch lt. www.öesterreich.gv.at im 3.-5., 7.-9. und 10.-14. Lebensmonat vorgesehen, um Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe beziehen zu können. Erst am ist wieder eine Untersuchung eingetragen, also zu einem Zeitpunkt zu dem jedenfalls davon ausgegangen werden kann, dass die Bf. ihren Lebensmittelpunkt in Österreich hatte. Einzelne Arztbesuche im Jahr 2022 lt. den vagen Angaben der Bf. in der mündlichen Verhandlung, vermögen an der Feststellung, dass die Bf. ihre Wienaufenthalte fallweise mit Arztbesuchen verband, nichts zu ändern.

Die Bf. brachte im Verfahren vor, sie sei an der Adresse 1140 Wien, ***15*** nicht nur gemeldet gewesen, sie habe dort auch tatsächlich gewohnt und zwar mit Ihrem Mann, den Kindern ***12***, ***6***, ***14*** und ***13*** und ihrem Stiefenkelsohn ***1*** geb. tt.mm.2020, dem Sohn ihrer Tochter ***13***.

Die Bf. bestreitet nicht, dass ***12*** und ***6*** ab dem Schuljahr 2016/2017 in der Türkei in ein Internat gingen. Die Kinder haben sich damit ständig im Ausland aufgehalten. Erst ab dem Schuljahr 2022/2023 besuchte ***12*** lt. vorliegender Schulbesuchsbestätigung eine Schule in Wien. Da die Bf. am einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe stellte (ohne Beginndatum) wurde ihr Familienbeihilfe ab Dezember 2022 bis Mai 2024 (Volljährigkeit des Kindes) gewährt.

Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe für ***1*** auf die von ihr als erwiesen angenommenen Tatsache, dass die Bf. ihren Mittelpunkt der Lebesinteressen nicht in Österreich habe und zwar ab dem Ende des Schulbesuchs von ***12*** und ***6*** in Österreich mit Ende des Schuljahres 2015/2016. Sie begründete ihren Standpunkt weiters mit den ihr von der Österreichischen Botschaft übermittelten Informationen, wonach dieser angezeigt worden sei, die Bf. betreibe in der Türkei einen Schönheitssalon und besitze ein Haus. Sie verfüge diesbezüglich auch über Ausdrucke aus dem Internet, die die Bf. im Schönheitssalon mit Mitarbeiterinnen zeigen, ein Zeugnis eines von ihr absolvierten Kurses an der Elena Beauty School vom ("Perfekt Wimpernlaminierung") und den Internetauftritt des Studios "***" mit genauer Adresse, der Bf. als "verantwortlicher Person", sowie der E-Mail-Adresse ***.

Die Bf. bringt demgegenüber vor, sie habe nie einen Schönheitssalon besessen, habe nie in der Türkei gearbeitet, habe nie einen Gewerbeschein gehabt oder selbständig gearbeitet. Den o.a. Kurs habe sie aus privatem Interesse gemacht. Dieses Vorbringen steht zwar im Widerspruch zu den von der Österreichischen Botschaft weitergeleiteten Informationen, die ebenfalls denkmöglich erscheinen, z.B wegen der zeitlichen Nähe des Kurses mit dem Schulbesuch der Kinder in der Türkei. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes gibt die Frage, ob die Bf. in der Türkei einen Schönheitssalon tatsächlich betrieben oder sonst in dessen Betrieb involviert war, nicht den Ausschlag für die Beurteilung der Frage, wo sich ihr Lebensmittelpunkt befunden hat. Auffallend ist jedenfalls, dass lt. den übermittelten Informationen die E-Mail- Adresse unter der die Bf. als "verantwortliche Person" für das Unternehmen erreich bar sei eine von jenen ist, die die Bf. der Österreichischen Finanzverwaltung als Kontakt-E-Mail-Adresse bekanntgegeben hat. Die Annahme eines Bezuges zwischen der Bf. und dem genannten Unternehmen ist daher nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Gleiches gilt für das Foto, das angeblich von der Internetseite www.***. stammt. Diese Adresse ist am oberen Hand der Kopie zu sehen und wurde diese Kopie nicht nur der belangten Behörde via Österreichische Botschaft, sondern auch dem Bundesfinanzgericht am vom Vertreter der Bf. übermittelt. Eine der drei fotografierten Frauen ist eindeutig die Bf.. Dem Verdacht der Bf., die Internetseiten seien gefälscht, kann sich das Bundesfinanzgericht nicht anschließen.

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Bf. nicht an der angegebenen Adresse wohnte ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt der MA 62 betr. amtliche Abmeldung, wonach am eine Erhebung vor Ort stattgefunden habe, nur die Tochter ***13*** angetroffen worden sei und diese angegeben habe, dass in der Wohnung sie, ihr Vater und ihr Bruder lebten. Die Tochter machte keine Angaben dahingehend, dass in der Wohnung auch ihr am tt.mm.2020 geborenes Kind leben würde.

Bereits in diesem Verfahren wurde die unmittelbare Wohnungsnachbarin Frau Mag.

***16*** sowohl von der MA 62 selbst als auch in dem beim Verwaltungsgericht Wien geführten Beschwerdeverfahren als Zeugin einvernommen. Diese gab in glaubwürdiger Weise an, die Bf. nicht zu kennen, jedoch drei Personen, bei denen es sich der Beschreibung nach um den Ehemann der Bf., den Sohn ***14*** und die Tochter ***13*** handeln muss, immer wieder getroffen zu haben.

Diese Zeugin wurde auch in der mündlichen Verhandlung am vor dem Bundesfinanzgericht unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht befragt und wiederholte ihr Vorbringen, die Bf. erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien im Mai 2022 zum ersten Mal gesehen zu haben. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Zeugin bereits seit 2013 auf Tür Nr. 4 wohnt und seit der Meldung der Bf. und ihrer Familie im Jahr 2016 bis zu deren Abmeldung im April 2022 immerhin sechs Jahre vergangen sind. Selbst wenn die Zeugin angibt im Schuljahr 2020/2021 wenig in der Wohnung gewesen zu sein, ist es kaum vorstellbar, die Bf. über einen Zeitraum von sechs Jahren nie gesehen zu haben, die anderen Bewohner hingegen schon. Die Zeugin wurde weiters darauf aufmerksam gemacht, dass die "junge Frau" im Jahr 2019 schwanger war und im Jänner 2020 (also noch vor Beginn des Schuljahres 2020/2021) ein Kind geboren hat. Die Zeugin erklärte glaubwürdig, ab Jänner 2020 kein Babygeschrei oder sonstige Hinweise festgestellt zu haben (Kinderwagen, Spielsachen..), die darauf hingedeutet hätten, dass auf TürNr. 3 ein Baby bzw. Kleinkind wohnte. Dies könne sie auch deshalb so deutlich behaupten, weil vor der Familie der Bf. eine andere mit Baby dort wohnte.

Da die Zeugin auch aussagte, zu unregelmäßigen Zeiten das Haus zu verlassen bzw zurückzukehren, ist bei einem Wohnen "Tür an Tür" über einen Zeitraum von sechs Jahren hinweg denkunmöglich, einander nie zu begegnen.

Das Bundesfinanzgericht sieht keinen Grund an den Aussagen der Zeugin, die diese in zwei unterschiedlichen Verfahren jeweils unter Wahrheitspflicht tätigte, zu zweifeln.

Das Bundesfinanzgericht geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass weder die Bf. noch ihr Stiefenkelsohn in 1140 Wien, ***15*** wohnten. Diese Feststellung ist nicht nur für das Jahr 2020 von Bedeutung, sondern auch darüber hinaus und für Zeiträume vor 2020. Da die Bf. der Zeugin nicht bekannt war obwohl die Bf. bereits seit dem Jahr 2016 in der ***17*** gemeldet war und die Zeugin selbst von bis dort gemeldet war und auch dort gewohnt hat, kann das Vorbringen der Bf. in der mündlichen Verhandlung, sie habe sich gleichsam nur im Jahr 2020 wegen Corona überwiegend mit dem Baby in der Türkei aufgehalten der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Da die Zeugin seit 2013 an der nämlichen Adresse wohnt und die Bf. seit 2016 dort gemeldet ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Bf. nie dort gewohnt hat.

Die Bf. verwies zum Nachweis ihres Lebensmittelpunktes in Österreich auch auf die mit ***1*** durchgeführten Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und legte zu diesem Zweck zunächst Kopien daraus und im Zuge der mündlichen Verhandlung auch das Original vor.

Daraus sind zwei Untersuchungstermine des Kindes ersichtlich und zwar am und am . Aus der Flugdatenauskunft ist ersichtlich, dass die Bf. am nach Wien flog. Auch hier ist wiederum der zeitliche Zusammenhang mit dem Arzttermin am eindeutig nachvollziehbar.

Nicht unerwähnt bleiben soll auch der Umstand, dass lt. Abfrage aus dem zentralen Melderegister bezügl. ***1*** für diesen bereits am ein Reisepass in der Türkei ausgestellt wurde. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ist es nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes nicht üblich, für ein einwochenaltes Kind bereits einen Reisepass auszustellen, es sei denn man hat vor, in naher Zukunft mit dem Kind zu verreisen. Dies legt den Schluss nahe, dass das Kind am mit der Bf. in die Türkei ausreiste.

Sollte die Bf. im Jahr 2020 an einzelnen Untersuchungsterminen entgegen der Flugdatenauswertung doch mit dem Kind in Österreich aufhältig gewesen sein, so ändert dies, wie bereits ausgeführt, nichts daran, dass sie die überwiegende Zeit in der Türkei aufhältig war.

Dass der Bf. mit Gerichtsbeschluss die Obsorge für ***1*** übertragen wurde, hat für die Frage, ob ihr Familienbeihilfe zusteht keine Bedeutung, da die Obsorge nicht Tatbestandsvoraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe ist.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem er regelmäßig mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt die Führung eines gemeinsamen Haushaltes voraus ().

Die Bf. ist zwar verheiratet, ein gemeinsamer Haushalt mit ihrem Ehemann lag aber jedenfalls im Jahr 2020 nicht vor. Aus dem Sachverhalt ergaben sich keine Anhaltspunkte, dass sich an der geschilderten Lebenssituation-bis zum Datum der Bescheiderlassung--und darüber hinaus etwas geändert hätte: die Bf. und weitere Familienmitglieder, wie dargestellt, meldeten sich erst am in 1110 Wien, ***22*** an. Die Wohnungsnachbarin und Zeugin wohnte bis an der Adresse ***17*** und war ihr die Bf. jedenfalls bis Mai 2022 (Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien) nicht bekannt. Die Zeugin tätigte auch keine Aussage dahingehend, dass sie die Bf. nach Mai 2022 als Wohnungsnachbarin wahrgenommen hätte. Das Kind ***12*** besuchte erst ab September 2022 die Schule in Wien, ***1*** den Kindergarten ab Oktober 2022.

Es ist daher nach dem Gesamtbild der Verhältnisse davon auszugehen, dass die Bf. im vom bekämpften Bescheid umfassten Zeitraum April 2020 bis März 2021 (Datum der Bescheiderlassung durch die belangte Behörde ) den Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht in Österreich hatte und mit den Kindern ***12*** und ***6*** sowie dem Stiefenkelkind ***1*** in der Türkei lebte.

Es besteht daher gem. § 2 Abs. 8 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag im gegenständlichen Fall nicht vor. Fragen der Beweiswürdigung sind der Revision nicht zugänglich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101815.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at