Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.12.2023, RV/6100547/2015

Anwendbarkeit der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte bei mangelhafter Rechnung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100547/2015-RS1
Nach der Rechtsprechung des EuGH (, Luxury Trust Automobil GmbH) stellt das nachträgliche Erfüllen einer für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung keine Korrektur dar. Vielmehr handelt es sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann. Eine rückwirkende Sanierung von Dreiecksgeschäften scheidet demnach aus.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH, Universitätsring 10, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr "Finanzamt für Großbetriebe") vom betreffend Umsatzsteuer 2011, Umsatzsteuer 2012, Umsatzsteuer 2013 und Umsatzsteuerfestsetzung 09/2014 (nunmehr gemäß § 253 BAO gegen den Umsatzsteuerbescheid 2014 vom gerichtet) zur Steuernummer ***Bf-StNr*** zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

A. Außenprüfung, bekämpfte Bescheide

Bei der Beschwerdeführerin wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Gegenstand der Prüfung waren die Umsatzsteuer, die Körperschaftsteuer sowie die Kammerumlage der Jahre 2010 bis 2012. Zeitraum der zusätzlich durchgeführten Nachschau waren die Monate 01/2013 bis 09/2014.

Im Rahmen der Außenprüfung bzw. der Nachschau wurde die nachfolgende Feststellung getroffen:

Tz. 1 ig. Erwerbe (Doppelerwerbe)

Die ***Bf*** ist Großhändler der Marken ***Marke 1***, ***Marke 2***, ***Marke 3*** sowie ab 2012 ***Marke 4***, ***Marke 5*** und ***Marke 6***. Die ***Bf*** ist eine reine Verkaufsorganisation. Die Produkte werden von verbundenen Unternehmen (***U DK***, ***U SE***, ***U DE***, ***Marke 6***,...) gekauft und anschließend wieder verkauft, wobei die Lieferung direkt von den verbundenen Unternehmen zu den Händlern bzw. Endkunden erfolgt (ca. 80% Großhandel und 20% Einzelhandel).

Sämtlichen innergemeinschaftlichen Lieferungen liegt eine einheitliche Vorgangsweise zu Grunde. Die Kunden in den Mitgliedstaaten (Groß- oder Einzelhändler) bestellen bei ***Bf***. Die bestellte Ware wird von ***Bf*** bei ***U SE*** oder ***U DK*** bestellt und direkt von Schweden oder Dänemark an den Kunden im Mitgliedsstaat geliefert. Durch die Bestellung des Kunden bei ***Bf*** und Lieferung der Ware direkt zum Kunden durch die ***U SE***) oder ***U DK***) liegen Reihengeschäfte vor.

Art 25 UStG sieht bei Dreiecksgeschäften (Reihengeschäft, bei dem drei Unternehmer aus drei verschiedenen Mitgliedstaaten beteiligt sind) eine Vereinfachungsregelung vor, wobei der Erwerber (= der mittlere Unternehmer) von der Erwerbsteuerpflicht im Bestimmungsland befreit wird und die Steuerpflicht für die anschließende Lieferung an den Abnehmer übergeht (Reverse Charge).

Die ***Bf*** erfüllt die Voraussetzungen des Dreiecksgeschäfts nicht. In der Rechnung der ***Bf*** an den Kunden im Mitgliedstaat wird nicht auf das Vorliegen eines Dreieckgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des Abnehmers hingewiesen. In der ZM der ***Bf*** wird kein Dreiecksgeschäft erklärt und der Umsatz nicht in KZ 077 der USt-Erklärung eingetragen.

Gem. §3 Abs 8 UStG wird die Lieferung dort ausgeführt, wo mit der Beförderung oder Versendung begonnen wird. Nach der Bestimmung des Art 3 Abs 8 erster Satz wird ein innergemeinschaflicher Erwerb im Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (Art 28b Teil A Abs 1 der Sechsten RL und Art 40 der MWStSystRL).

Das geprüfte Unternehmen hat daher in den einzelnen Mitgliedstaaten der letzten Abnehmer (Bestimmungsland) innergemeinschaftliche Erwerbe bewirkt.

Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID-Nummer, so gilt gem Art 3 Abs 8 zweiter Satz UStG der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist (Art 28b Teil A Abs 2 der Sechsten RL und Art 41 der MWStSystRL).

Da die ***Bf*** gegenüber dem Lieferer die österreichische UID-Nummer verwendet hat, gilt der Erwerb auch in Österreich als bewirkt.

Gem Art 12 Abs 1 Z 1 UStG kann der Unternehmer die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen als Vorsteuer abziehen. Ein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht nur für den echten (originären) innergemeinschaftlichen Erwerb, dh den Erwerb, der im Bestimmungsland bewirkt wird. Aufgrund des und C-539/08, ist der Vorsteuerabzug für die zusätzliche Erwerbsteuer (Verwendung der österreichichen UID-Nummer) ausgeschlossen.

Dem geprüften Unternehmen ist die Erwerbsteuer in Österreich vorzuschreiben, ein entsprechender Vorsteuerabzug besteht nicht.

Die der Erwerbsbesteuerung zugrunde liegende Bemessungsgrundlage wurde vom Unternehmen berechnet (ig. Lieferungen abzüglich Durchschnittsmarge Dealer).


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2011
2012
ig. Erwerbe lt. Erklärung
9.145.398,85
9.631.080,75
darin enthaltene ig. Doppelerwerbe ohne VSt-Abzug lt. BP
1.538.183,25
1.190.775,67
Vorsteuer aus ig. Erwerb lt. Erkl.
1.829.079,77
1.926.216,15
abzügl. nicht abzugsfähiger VSt. aus ig. Doppelerwerb lt. BP
-307.636,65
-238.155,13
Vorsteuer aus ig. Erwerb lt. BP
1.521.443,12
1.688.061,02

Steuerliche Auswirkungen

Zeitraum20112012

Umsatzsteuer:

[065] Vorsteuern innergemeinschaftlicher Erwerb-307.636,65-238.155,13

Tz. 2 Nachschau

Die Nachschau erstreckt sich auf einen Zeitraum vom Jänner 2013 bis September 2014.

Die innergemeinschaftlichen Erwerbe (Doppelerwerbe lt. Tz. 1) betragen 2013 € 1.110.652,38.Die innergemeinschaftlichen Erwerbe (Doppelerwerbe lt. Tz. 1) betragen von 1/2014 - 09/2014 € 869.406,28.

Die aus dem ig. Doppelerwerb nicht abzugsfähigen Vorsteuern betragen 2013 € 222.130,48.Die aus dem ig. Doppelerwerb nicht abzugsfähigen Vorsteuern betragen von 1/2014 - 09/2014 € 173.881,26.

Der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom wird gem § 299 BAO von Amts wegenaufgehoben.

Bezüglich der detaillierten Sachverhaltsdarstellung wird auf Tz. 1 verwiesen.


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2013
01-09/2014
ig. Erwerbe lt. Erklärung bzw. Voranmeldungen
9.950.739,55
6.173.457,80
darin enthaltene ig. Doppelerwerbe ohne VSt-Abzug lt. BP
1.110.652,38
869.406,28
Vorsteuer aus ig. Erwerb lt. Erkl. bzw. Voranmeldungen
1.990.147,91
1.234.691,32
abzügl. VSt. aus ig. Doppelerwerb lt. BP
222.130,48
173.881,26
Vorsteuer aus ig. Erwerb lt. BP
1.768.017,43
1.060.810,06

[…]

Am wurden durch das belangte Finanzamt - basierend auf den Ergebnissen der Außenprüfung - die folgenden Bescheideerlassen:

  1. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2011

  2. Umsatzsteuerbescheid 2011

  3. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2012

  4. Umsatzsteuerbescheid 2012

  5. Bescheid über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2013 gemäß § 299 BAO

  6. Umsatzsteuerbescheid 2013

  7. Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 09/2014

B. Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung

Mit Schreiben vom wurde durch die (damalige) steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2011, 2012, 2013 und den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 09/2014 eingebracht. Die ebenfalls eingebrachte Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2012 ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Begründend wurde - nach Darstellung des (mit der Außenprüfung übereinstimmenden) Sachverhalts - im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

Gemäß der Rechtsprechung des EuGH (C-95/07 vom , Ecotrade SpA) dürfe die bloße Nichterfüllung von Förmlichkeiten betreffend Reverse-Charge-Umsätze nicht zu einem Verlust des Vorsteuerabzugsrechts führen. Somit sei die Sanktionierung der Nichterfüllung von Förmlichkeiten sowie Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten betreffend das Reverse-Charge-Verfahren durch Verwehrung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht gemeinschaftsrechtskonform. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer.

Gleiches müsse im gegenständlichen Fall für das vermeintlich missglückte Dreiecksgeschäft gelten. Die Norm des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 müsse in Anbetracht der Judikatur des EuGH teleologisch reduziert werden, sodass es nur dann zur Festsetzung eines "Doppelerwerbes" iSd Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994 kommen könne, wenn der ig Erwerb im Bestimmungsland zweifelhaft sei. Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung sei dazu nur festgehalten worden, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Dreiecksgeschäfts deshalb nicht erfülle, da einerseits in der Rechnung der Beschwerdeführerin an ihre Kunden nicht auf ein Dreiecksgeschäft bzw. die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers verwiesen werde, andererseits in den ZMs der Beschwerdeführerin der Hinweis auf ein Dreiecksgeschäft fehle.

In den vom Prüfer angeführten Entscheidungen des EuGH (Rs. C-536/08 und C-539/08, X und Facet), in denen der Vorsteuerabzug aus dem zusätzlichen Erwerb im Land der verwendeten UID-Nummer versagt wurde, seien in den jeweiligen Bestimmungsländern keinerlei Erklärungen der Abnehmer abgegeben worden, sodass der EuGH in seiner Entscheidungsfindung letztendlich auch den Fall eines potentiellen Steuerbetruges zu beurteilen gehabt habe.

Aus der Rechtsprechung des EuGH (C-280/10 vom , Polski Trawertyn) ergebe sich weiter, dass der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer es erfordere, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Der Steuerpflichtige müsse somit korrigierbare Fehler oder Mängel der Rechnung berichtigen können, bevor es ihm verwehrt werde, die Vorsteuer abzuziehen. Sollte eine Berichtigung nicht möglich sein, so dürften die Mitgliedstaaten sich nicht auf die Formalitäten der Rechnungsstellung berufen, um die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug zu erschweren.

Im Ergebnis sei daher davon auszugehen, dass auf Grund des systemimmanenten Prinzips der Neutralität der Mehrwertsteuer in der EU aber auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführerin der Vorsteuerabzug auf Grund des zusätzlichen ig. Erwerbes durch Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 zustehen müsse bzw. der ig. Erwerb allein auf Grund der fehlenden Rechnungsmerkmale bzw. Nichtaufnahme in der ZM auch nicht festgesetzt werden hätte dürfen.

Alternativ werde darauf verwiesen, dass nach Aussage des EuGH (C-368/08 vom , Pannon Gép) der Vorsteuerabzug aus der ursprünglichen Rechnung bei Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen und dem rechtzeitigen Zugang der berichtigten Rechnungen an die zuständige Behörde zu gewähren sei. In diesem Zusammenhang werde darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin derzeit damit beschäftigt sei, sämtliche von der Betriebsprüfung aufgegriffene Rechnungen sowie die ZMs für die betreffenden Zeiträume zu berichtigen.

Es wurde zudem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 BAO beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde durch das belangte Finanzamt als unbegründet abgewiesen.

Begründend wird im Wesentlichen auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung verwiesen sowie die Voraussetzungen für die Anwendung der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte (Art. 25 UStG 1994) im Detail dargestellt. Da im beschwerdegegenständlichen Fall wesentliche Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte fehlen würden, lägen sogenannte "misslungene Dreiecksgeschäfte" vor; diese seien wie reguläre Reihengeschäfte zu behandeln.

Gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 werde eine Lieferung dort ausgeführt, wo mit der Beförderung oder Versendung begonnen wird. Gemäß Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG 1994 werde ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Gebiet jenes Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Die Beschwerdeführerin habe nach dieser Bestimmung somit in den einzelnen Bestimmungsstaaten der letzten Abnehmer (Bestimmungsland) innergemeinschaftliche Erwerbe bewirkt.

Gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 sei der Unternehmer berechtigt, die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen als Vorsteuer abzuziehen. Ein solcher Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe allerdings nur für den echten (originären) innergemeinschaftlichen Erwerb, d.h. den Erwerb, der im Bestimmungsland bewirkt wird. Ein Vorsteuerabzug betreffend die Erwerbsteuer, die aufgrund der Verwendung der österreichischen UID der Beschwerdeführerin entstanden sei, stehe nach der Rechtsprechung des EuGH ( und Rs 539/08, X und Facet BV/Facet Trading BV) nicht zu. Dieser Doppelerwerb falle in Österreich erst weg, wenn die Beschwerdeführerin die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in den jeweiligen Mitgliedstaaten nachweist.


C. Vorlageantrag

Mit Schreiben vom wurde durch die (ehemalige) steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin ein Vorlageantrag eingebracht. Hinsichtlich der Begründung wurde auf das Beschwerdevorbringen verwiesen.

Im Rahmen eines ergänzenden Schriftsatzes vom wurde - auszugsweise - vorgebracht, dass es sich beim Rechnungshinweis um keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anwendung der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte handle. Die in Art. 25 UStG 1994 normierten Sachverhaltselemente seien im vorliegenden Fall unzweifelhaft gegeben, der fehlende Rechnungshinweis schade nicht. Zudem könne Österreich nicht bestimmen, wie die Rechnung im Bestimmungsland auszusehen habe, um ein Dreiecksgeschäft annehmen zu können. Somit falle die Beschwerdeführerin nur dann in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994, wenn auch im Bestimmungsland aus gegenständlichem Sachverhalt kein Dreiecksgeschäft angenommen werde. Das belangte Finanzamt wäre somit dazu angehalten gewesen, zu prüfen, ob im Bestimmungsland die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte anwendbar gewesen wäre, da in diesem Fall der Erwerb gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG als besteuert gelte.

Zudem finde die Rechtsansicht des belangten Finanzamtes, wonach eine spätere Rechnungskorrektur bei Dreiecksgeschäften nicht möglich sei, keine Deckung in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Selbst bei unterstellter materieller Voraussetzung der Rechnungsausstellung könne die Rechnung zumindest ergänzt werden.

Schließlich sei es für den Abnehmer aufgrund der Rechnungsangaben klar gewesen, dass es sich im gegenständlichen Fall um ein Dreiecksgeschäft handle. Davon müsse der Abnehmer aufgrund der auf der Rechnung enthaltenen Informationen (Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis, explizite Bezeichnung von Abgangsort und Bestimmungsort, Transportzuständigkeit) ausgehen, selbst wenn auf dieser kein expliziter Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts vorhanden sei.

D. Umsatzsteuerbescheid 2014

Im Rahmen der mit Schreiben vom eingebrachten Beschwerde gegen den am ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2014 (siehe dazu unten, Punkt "II. 3.1. B.") wurde im Wesentlichen auf das Vorbringen in der Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 09/2014 sowie den entsprechenden Vorlageantrag verwiesen. Der Umsatzsteuerbescheid 2014 vom wurde in weiterer Folge mittels Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom aufgehoben. Der neue Sachbescheid (d.h. der nunmehr in Geltung stehende und somit gemäß § 253 BAO verfahrensgegenständliche Umsatzsteuerbescheid 2014) wurde am erlassen.

E. Verfahren vor dem BFG - Aussetzung

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des VwGH zur GZ Ra 2015/15/0017 ausgesetzt. Diese Entscheidung ist am ergangen und beruht auf dem Urteil des im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchens angerufenen EuGH (, Hans Bühler).

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des VwGH zur GZ Ra 2020/13/0016 (gemeint wohl "Ro 2020/13/0016") erneut ausgesetzt. Diese Entscheidung ist am ergangen und beruht auf dem Urteil des im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchens angerufenen EuGH (, Luxury Trust Automobil GmbH).

F. Verfahren vor dem BFG - Fortsetzung

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Beschwerdesache in die Zuständigkeit des erkennenden Richters übertragen.

Mit Anschreiben vom wurden der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin der zur Geschäftszahl "Ro 2020/13/0016", das Urteil des EuGH in der Rs. C-247/21 vom sowie die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zur Rs. C-247/21 vom übermittelt. Es wurde insbesondere auf die Ausführungen des EuGH sowie der Generalanwältin verwiesen und um Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Erhalt des Anschreibens ersucht.

Mit Schreiben vom wurde durch die Vertretung der Beschwerdeführerin in Reaktion auf das obige Anschreiben wie folgt ausgeführt:

Einleitend werde festgehalten, dass dem Urteil des EuGH ein Sachverhalt zugrunde liege, bei dem der Endabnehmer als sogenannter "missing trader" eingestuft worden sei. Folglich liege es nahe, dass das Urteil unter diesem Gesichtspunkt ergangen sei.

In der verfahrensgegenständlichen Fallkonstellation handle es sich bei den Endabnehmern nicht um solche "missing trader", es sei somit fraglich, ob die vom EuGH postulierte "formalistische Sichtweise" auch in solchen Fällen zur Anwendung gelangen müsse, in denen trotz eines mangelnden Rechnungshinweises auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft sowohl der Erwerber (Beschwerdeführer) wie auch der Endabnehmer (Kunde) übereinstimmend von der Anwendbarkeit der Vereinfachungsbestimmung über Dreieckssachverhalte ausgegangen seien. Dies erscheine nämlich überschießend.

Zudem sei darauf hinzuweisen, dass außerhalb eines Dreieckssachverhaltes ganz allgemein die steuerrechtlichen Wirkungen des Überganges der Steuerschuld unabhängig davon gegeben seien, ob eine ordnungsgemäße Rechnung oder überhaupt eine Rechnung ausgestellt worden sei (Verweis auf die Rz 2602h UStR). Es dürfe nicht sachgerecht sein, Fallkonstellationen wie die gegenständliche, die kein Indiz auf eine Betrugs-Fallkonstellation aufweisen würden, strenger zu behandeln, stelle doch der Übergang der Steuerschuld einen Teil der Vereinfachungsregelung des Art. 25 UStG 1994 dar.

Somit bestehe in jenen Fällen, in denen ein Sachverhalt sowohl beim Erwerber als auch beim Empfänger als Dreiecksgeschäft behandelt wird, keine Veranlassung, die Anwendbarkeit der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte aufgrund eines bloßen Formmangels zu verneinen.

Zudem wurde im Rahmen dieses Schreibens der Antrag auf Entscheidung durch den Senat gemäß § 272 BAO zurückgenommen.

Im Rahmen des am durchgeführten Erörterungstermines wurde von der Vertretung der Beschwerdeführerin im Wesentlichen gleichlautend wie bereits im Schreiben vom vorgebracht. Es sei somit der Aspekt, dass das Urteil des EuGH in der Rs. C-247/21 (Luxury Trust Automobil GmbH) vor dem Hintergrund eines "missing-trader-Falles" ergangen sei, zu beachten. Zudem werde auf die BMF-Erledigung vom , BMF-010219/0396-VI/4/2016 verwiesen, wonach nach Ansicht des BMF ein vereinfachter Nachweis der Besteuerung bei missglückten Dreiecksgeschäften in gewissen Fällen möglich sei.

Zusätzlich wurden durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin Beispiele für die im Jahr 2015 durchgeführten Rechnungskorrekturen betreffend die Rechnungen der Jahre 2011 bis 2014 vorgelegt.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO zurückgenommen.

Von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin wurden mittels E-Mail vom sowie vom insgesamt fünf Schreiben von Kunden der Beschwerdeführerin vorgelegt. Die am übermittelte Bestätigung stammt von einem in Rumänien ansässigen Kunden und ist wie folgt formuliert:

We have checked our accounting records from period 2011-2015 and confirm that we treated the acquisitions from from ***Bf*** (tax code ***UID***, former name ***Bf***) as intra-community supply with the obligation to pay VAT (reverse charge).

Die am übermittelten Bestätigungen stammen von in Italien und Ungarn ansässigen Kunden und sind wie folgt formuliert:

Due to a tax audit carried out in Austria, we kindly ask you to inform us on the basis of your accounting whether your company has treated the acquisitions from ***Bf*** (tax number ***UID***, former name ***Bf***) during the period 2011 to 2015 as acquisitions that led to a transfer of the tax liability to your company (reverse-charge). If yes, please let us know whether the above acquisitions have been declared as acquisitions with the obligation to pay VAT by your company in your country in your company's VAT returns (reverse charge).

Im Zusammenhang mit den am sowie am übermittelten Schreiben bringt die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin vor, dass nach "dem Telos von Art 3 Abs 8 auch der Nachweis genügen sollte, dass im Bestimmungsland die relevanten Umsätze zwar nicht durch [Bf] als ig Erwerb aber durch die Kunden nach den Vorschriften des Bestimmungslandes erklärt wurden".

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die ***Bf*** (vormals "***Bf***" sowie "***Bf***") hat im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Lieferungen an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Unternehmer ausgeführt. Die Liefergegenstände wurden von der Beschwerdeführerin unter Verwendung ihrer österreichischen UID-Nummer bei einem in Schweden oder Dänemark ansässigen Unternehmer (aufgetreten mit der UID des Ansässigkeitsstaates) bestellt und von diesem direkt an die Kunden der Beschwerdeführerin verschickt. Die Kunden sind mit der UID des Bestimmungslandes der Waren aufgetreten. In den streitgegenständlichen Fallen sind die Liefergegenstände somit aus Schweden oder Dänemark direkt in einen anderen Mitgliedstaat der EU (außer Österreich) versendet worden.

Grafisch stellt sich dieser Sachverhalt wie folgt dar:

Von der Beschwerdeführerin wurden diese Transaktionen in Österreich ursprünglich wie folgt gemeldet (sowohl im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen wie auch im Rahmen der Zusammenfassenden Meldungen) bzw. an den Kunden fakturiert:

  1. Lieferung des Unternehmers SE/DK an die Beschwerdeführerin:

    • Innergemeinschaftlicher Erwerb in Österreich und Vorsteuerabzug in Höhe der entstandenen Erwerbssteuer

  2. Lieferung der Beschwerdeführerin an den Kunden:

    • Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in Österreich

Die ursprünglichen Rechnungen der Beschwerdeführerin an ihre Kunden wurden ohne Ausweis von Umsatzsteuer ausgestellt und haben keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts oder den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger enthalten.

Das belangte Finanzamt hat diese Transaktionen aufgrund der von der Beschwerdeführerin ohne Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes bzw. den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ausgestellten Rechnungen sowie aufgrund der Tatsache, dass die Lieferungen im Rahmen der Zusammenfassenden Meldungen nicht als "Dreiecksgeschäft" deklariert wurden, als sogenanntes "missglücktes Dreiecksgeschäft" qualifiziert und es wurden daher die allgemeinen Regeln für Reihengeschäfte zur Anwendung gebracht. Konsequenz daraus war die Festsetzung eines kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerbes in Österreich im Sinne des Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994 und die Versagung des Vorsteuerabzuges der im Zusammenhang mit diesem Erwerb entstandenen Erwerbsteuer unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH ( und 539/08, X bzw. Facet BV/Facet Trading BV).

Im - nicht verfahrensgegenständlichen - Jahr 2015 hat die Beschwerdeführerin die fraglichen Rechnungen korrigiert bzw. dahingehend ergänzt, dass diese nunmehr einen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes und den Übergang der Steuerschuld enthalten.

Zudem hat die Beschwerdeführerin insgesamt fünf Schreiben von Kunden der Beschwerdeführerin (datiert im Jahr 2023) vorgelegt, die wie folgt formuliert sind:

Schreiben 1:

We have checked our accounting records from period 2011-2015 and confirm that we treated the acquisitions from from ***Bf*** (tax code ***UID***, former name ***Bf***) as intra-community supply with the obligation to pay VAT (reverse charge).

Schreiben 2-5:

Due to a tax audit carried out in Austria, we kindly ask you to inform us on the basis of your accounting whether your company has treated the acquisitions from ***Bf*** (tax number ***UID***, former name ***Bf***) during the period 2011 to 2015 as acquisitions that led to a transfer of the tax liability to your company (reverse-charge). If yes, please let us know whether the above acquisitions have been declared as acquisitions with the obligation to pay VAT by your company in your country in your company's VAT returns (reverse charge).

Weder aus der ersten noch aus der zweiten Formulierung geht zweifelsfrei hervor, dass die Kunden der Beschwerdeführerin die in den streitgegenständlichen Jahren bezogenen Lieferungen in den jeweiligen Bestimmungsmitgliedstaaten als Dreiecksgeschäft behandelt und die Eingangsumsätze entsprechend gemeldet haben.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Waren- und Rechnungsweg sowie den beteiligten Parteien und den verwendeten UID-Nummern ergeben sich aus dem Bericht über die Durchführung Außenprüfung sowie dem gleichgelagerten Vorbringen der Beschwerdeführerin. Die Feststellungen zu den Rechnungen bzw. den in den Streitjahren erstatteten Meldungen ergeben sich aus den im Betriebsprüfungsakt einliegenden bzw. den im Rahmen des Erörterungstermins vorgelegten Rechnungen sowie dem Außenprüfungsbericht und dem Parteienvorbringen. Die umsatzsteuerlichen Konsequenzen der vom belangten Finanzamt vorgenommenen Würdigung ergeben sich aus dem Außenprüfungsbericht bzw. den angefochtenen Bescheiden.

Die Tatsache, dass die fraglichen Rechnungen durch die Beschwerdeführerin im Jahr 2015 korrigiert wurden, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie den vorgelegten korrigierten/ergänzten Rechnungen.

Der Inhalt der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Schreiben ergibt sich aus diesen. Der Formulierung des Schreibens 1 lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob der Kunde die bezogene Lieferung als innergemeinschaftlichen Erwerb ("intra-community supply with the obligation to pay VAT") oder als tatsächliches "reverse charge" (als Folge der Behandlung als Dreiecksgeschäft) gemeldet hat. Die Schreiben 2-5 wurden lediglich von den Kunden datiert und unterzeichnet, eine irgendwie geartete Bestätigung einer Behandlung als Dreiecksgeschäft in den streitgegenständlichen Jahren lässt sich auch aus diesen Schreiben somit nicht ableiten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

A. Rechtliche Grundlagen

§ 3 UStG 1994 in der für die streitgegenständlichen Jahre maßgeblichen Fassung lautet auszugweise:

[…]

(7) Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.

(8) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn der Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter befördert oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgt wird. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter.

[…]

Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 in der für die streitgegenständlichen Jahre maßgeblichen Fassung lautet:

Der innergemeinschaftliche Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, daß der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist. Im Falle des Nachweises gilt § 16 sinngemäß.

Art. 25 UStG 1994 in der für die streitgegenständlichen Jahre maßgeblichen Fassung lautet auszugweise:

(1) Ein Dreiecksgeschäft liegt vor, wenn drei Unternehmer in drei verschiedenen Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen, dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt und die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen erfüllt werden. Das gilt auch, wenn der letzte Abnehmer eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.

Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Dreiecksgeschäft

(2) Der innergemeinschaftliche Erwerb im Sinne des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz gilt als besteuert, wenn der Unternehmer (Erwerber) nachweist, daß ein Dreiecksgeschäft vorliegt und daß er seiner Erklärungspflicht gemäß Abs. 6 nachgekommen ist. Kommt der Unternehmer seiner Erklärungspflicht nicht nach, fällt die Steuerfreiheit rückwirkend weg.

Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen

(3) Der innergemeinschaftliche Erwerb ist unter folgenden Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit:

a) Der Unternehmer (Erwerber) hat keinen Wohnsitz oder Sitz im Inland, wird jedoch im Gemeinschaftsgebiet zur Umsatzsteuer erfaßt;

b) der Erwerb erfolgt für Zwecke einer anschließenden Lieferung des Unternehmers (Erwerbers) im Inland an einen Unternehmer oder eine juristische Person, der bzw. die für Zwecke der Umsatzsteuer im Inland erfaßt ist;

c) die erworbenen Gegenstände stammen aus einem anderen Mitgliedstaat als jenem, in dem der Unternehmer (Erwerber) zur Umsatzsteuer erfaßt wird;

d) die Verfügungsmacht über die erworbenen Gegenstände wird unmittelbar vom ersten Unternehmer oder ersten Abnehmer dem letzten Abnehmer (Empfänger) verschafft;

e) die Steuer wird gemäß Abs. 5 vom Empfänger geschuldet.

Rechnungsausstellung durch den Erwerber

(4) Die Rechnungsausstellung richtet sich nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, von dem aus der Erwerber sein Unternehmen betreibt. Wird die Lieferung von der Betriebsstätte des Erwerbers ausgeführt, ist das Recht des Mitgliedstaates maßgebend, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Rechnet der Leistungsempfänger, auf den die Steuerschuld übergeht, mittels Gutschrift ab, richtet sich die Rechnungsausstellung nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem die Lieferung ausgeführt wird.

Sind für die Rechnungsausstellung die Vorschriften dieses Bundesgesetzes maßgebend, muss die Rechnung zusätzlich folgende Angaben enthalten:

- einen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers,

-die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, unter der der Unternehmer (Erwerber) den innergemeinschaftlichen Erwerb und die nachfolgende Lieferung der Gegenstände bewirkt hat, und

-die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der Lieferung.

Steuerschuldner

(5) Bei einem Dreiecksgeschäft wird die Steuer vom Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung geschuldet, wenn die vom Erwerber ausgestellte Rechnung dem Abs. 4 entspricht.

Pflichten des Erwerbers

(6) Zur Erfüllung seiner Erklärungspflicht im Sinne des Abs. 2 hat der Unternehmer in der Zusammenfassenden Meldung folgende Angaben zu machen:

  1. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Inland, unter der er den innergemeinschaftlichen Erwerb und die nachfolgende Lieferung der Gegenstände bewirkt hat;

  2. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der vom Unternehmer bewirkten nachfolgenden Lieferung, die diesem im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände erteilt worden ist;

  3. für jeden einzelnen dieser Empfänger die Summe der Entgelte der auf diese Weise vom Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände bewirkten Lieferungen. Diese Beträge sind für das Kalendervierteljahr anzugeben, in dem die Steuerschuld entstanden ist.

Pflichten des Empfängers

(7) Bei der Berechnung der Steuer gemäß § 20 ist dem ermittelten Betrag der nach Abs. 5 geschuldete Betrag hinzuzurechnen.

§ 253 BAO lautet:

Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.

Art. 40 der Richtlinie 2006/112/EG ("Mehrwertsteuerrichtlinie") lautet:

Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.

Art. 41 der Richtlinie 2006/112/EG lautet:

Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist.

Wird der Erwerb gemäß Artikel 40 im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er gemäß Absatz 1 besteuert wurde, wird die Steuerbemessungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend gemindert.

Art. 42 der Richtlinie 2006/112/EG lautet:

Artikel 41 Absatz 1 ist nicht anzuwenden und der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als gemäß Artikel 40 besteuert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a)Der Erwerber weist nach, dass er diesen Erwerb für die Zwecke einer anschließenden Lieferung getätigt hat, die im Gebiet des gemäß Artikel 40 bestimmten Mitgliedstaats bewirkt wurde und für die der Empfänger der Lieferung gemäß Artikel 197 als Steuerschuldner bestimmt worden ist;

b)Der Erwerber ist der Pflicht zur Abgabe der zusammenfassenden Meldung gemäß Artikel 265 nachgekommen."

Art. 197 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG lautet:

Die Mehrwertsteuer schuldet der Empfänger einer Lieferung von Gegenständen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)Der steuerpflichtige Umsatz ist eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Artikel 141;

b)Der Empfänger dieser Lieferung von Gegenständen ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, in dem die Lieferung bewirkt wird;

c)Die von dem nicht im Mitgliedstaat des Empfängers der Lieferung ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung entspricht Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 5."

Art. 226 der Richtlinie 2006/112/EG lautet auszugsweise:

Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:

[…]

11a.bei Steuerschuldnerschaft des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers: die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers";

[…]

B. § 253 BAO

Gemäß der obig zitierten Bestimmung des § 253 BAO gilt die gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 09/2014 eingebrachte Beschwerde vom als auch gegen den zwischenzeitig ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2014 vom gerichtet (siehe dazu oben, Punkt "I.D.").

Der als Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2014 bezeichnete Schriftsatz vom ist daher als Beschwerdeergänzung zur ursprünglichen Beschwerde vom zu werten (so auch ).

C. Erwägungen

a) Vorliegen eines Reihengeschäftes

Das in Art. 25 UStG 1994 normierte Dreiecksgeschäft stellt eine Vereinfachungsregel für Reihengeschäfte dar. Bevor also die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte geprüft werden können, muss zunächst festgestellt werden, ob im streitgegenständlichen Fall ein Reihengeschäft vorliegt.

Umsatzsteuerlich liegt ein sogenanntes "Reihengeschäft" vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und diese Geschäfte dadurch erfüllt werden, dass der erste Unternehmer dem letzten Abnehmer in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft (Ruppe/Achatz, UStG4, § 3, Rz 53).

Diese Voraussetzung ist gemäß dem festgestellten Sachverhalt unzweifelhaft erfüllt. An den streitgegenständlichen Lieferketten waren drei Unternehmer aus drei verschiedenen Mitgliedstaaten beteiligt, die jeweils mit der UID-Nummer ihres Ansässigkeitsstaates aufgetreten sind. Die Waren wurden direkt vom ersten Unternehmer zum letzten Abnehmer versendet.

Bei Lieferungen in der Reihe handelt es sich gedanklich um mehrere Lieferungen, die als nacheinander erfolgt anzusehen sind, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen. Der Ort der einzelnen Umsätze muss jeweils für sich bestimmt werden; nur für einen Umsatz in der Reihe kann der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden; diese Lieferung wird üblicherweise als die "bewegte Lieferung" bezeichnet, die anderen Lieferungen als "ruhende Lieferungen" (vgl. , mwN).

Bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat kann nur die bewegte Lieferung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein. Der Ort der ruhenden Lieferung befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Beförderung oder Versendung, je nachdem, ob die bewegte Lieferung vor oder nach einer solchen Lieferung stattfindet (vgl. neuerlich , mwN). Eine innergemeinschaftliche Lieferung muss mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergehen (vgl. C- 386/16, Toridas, Rn. 31).

Gemäß dem festgestellten Sachverhalt wurde der Transport der Liefergegenstände durch den ersten Lieferer in der Lieferkette veranlasst. In einem derartigen Fall ist die bewegte Lieferung dem "gedanklich früheren" Lieferverhältnis (d.h. dem Lieferverhältnis "Unternehmer SE/DK -> Beschwerdeführerin") zuzuordnen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 3, Rz 58; Bürgler in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig (Hrsg), UStG-ON³, § 3, Rz 239). Die Lieferung der Beschwerdeführerin an ihre Kunden ist somit als in den Bestimmungsmitgliedstaaten steuerbare ruhende Lieferung zu qualifizieren. Die Beschwerdeführerin wäre somit - nach den allgemeinen Regeln für Reihengeschäfte - zur Meldung und Versteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbes im Bestimmungsmitgliedstaat der Waren verpflichtet gewesen. Die umsatzsteuerlichen Konsequenzen der anschließenden "ruhenden Lieferung" wären nach der Rechtslage in den jeweiligen Bestimmungsmitgliedstaaten zu prüfen. Fraglich ist nunmehr, ob im konkreten Fall die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte zur Anwendung kommen kann oder ob es bei der Anwendung der allgemeinen Regeln für Reihengeschäfte bleibt.

b) Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte

Die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte vermag nur bei vollständigem Vorliegen der geforderten Voraussetzungen (Art. 25 UStG 1994) folgende Rechtswirkungen zu entfalten:

  1. Der innergemeinschaftliche Erwerb nach Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG 1994 (Erwerb des zweiten Unternehmers in der Reihe im Bestimmungsmitgliedstaat) ist steuerbefreit.

  2. Der zusätzliche innergemeinschaftliche Erwerb des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994, das ist der Erwerb in jenem Mitgliedstaat, dessen UID vom Erwerber verwendet wird, gilt als besteuert. Die Steuer für die Lieferung des Erwerbers an den Empfänger im Bestimmungsmitgliedstaat wird vom Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung geschuldet.

Bei Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte geht die Steuerschuld für die dem innergemeinschaftlichen Erwerb nachfolgende Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat auf den Empfänger des Liefergegenstandes über, eine steuerliche Erfassung des Erwerbers im Bestimmungsmitgliedstaat kann somit unterbleiben. Diese Vereinfachungsregel kommt allerdings nur dann zum Tragen, wenn die Voraussetzungen des Art. 25 UStG 1994 - und somit auch die Anforderungen an die Rechnung gemäß Art 25. Abs. 4 UStG 1994 - erfüllt werden. Gemäß dieser Bestimmung (siehe oben) ist auf den Rechnungen des Erwerbers (d.h. der Beschwerdeführerin) zwingend der Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts und den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger erforderlich. Nur in diesem Fall ist nämlich sichergestellt, dass der Empfänger die Steuer für die vom Erwerber ausgeführte Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat schuldet.

Die von der Beschwerdeführerin in den streitgegenständlichen Jahren ausgestellten Rechnungen wurden - gemäß dem festgestellten Sachverhalt - ohne Ausweis von Umsatzsteuer und auch ohne Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts und/oder den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ausgestellt. Eine Besteuerung der Lieferungen im Bestimmungsmitgliedstaat konnte demzufolge nicht sichergestellt werden.

Die in Art. 25 Abs. 4 UStG 1994 ausgewiesenen Rechnungshinweise sind, wie ausgeführt, zwingend. Da diese Hinweise im streitgegenständlichen Fall fehlen, können auch die Rechtsfolgen des Dreiecksgeschäfts und somit - unter anderem - die Besteuerungsfiktion des Art. 25 Abs. 2 UStG 1994 betreffend zusätzlichen innergemeinschaftlichen Erwerb gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 nicht eintreten.

Dies steht auch im Einklang mit der nachfolgend dargestellten Rechtsprechung des EuGH. In der Rs. Luxury Trust Automobil GmbH () hatte der EuGH die folgenden vom VwGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens () gestellten Fragen zu beantworten:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 42 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit Art. 197 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie (insoweit in der Fassung der Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom ) dahin auszulegen, dass eine Bestimmung des Empfängers der Lieferung als Steuerschuldner auch dann vorliegt, wenn in der Rechnung, in der kein Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen wird, angegeben wird: "Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft"?

2. Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:

a) Kann eine derartige Rechnungsangabe nachträglich wirksam berichtigt werden (durch Angabe: "Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft gem. Art. 25 UStG. Die Steuerschuld geht auf den Leistungsempfänger über")?

b) Ist es für eine wirksame Berichtigung erforderlich, dass die berichtigte Rechnung dem Rechnungsempfänger zugeht?

c) Tritt die Wirkung der Berichtigung rückwirkend auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsstellung ein?

3. Ist Art. 219a der Richtlinie 2006/112/EG (in der Fassung der Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom und der Berichtigung ABl. L 299/46 vom ) dahin auszulegen, dass die Vorschriften über die Rechnungsstellung jenes Mitgliedstaats anzuwenden sind, dessen Vorschriften anzuwenden wären, wenn (noch) keine Bestimmung eines "Erwerbers" zum Steuerschuldner in der Rechnung erfolgt ist; oder sind die Vorschriften jenes Mitgliedstaats anzuwenden, dessen Vorschriften bei angenommener Wirksamkeit der Bestimmung des "Erwerbers" zum Steuerschuldner anzuwenden wären?

Der EuGH hat auf die Fragen wie folgt geantwortet:

1. Art. 42 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 197 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 in geänderter Fassung

ist dahin auszulegen, dass

der Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts nicht wirksam als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmt worden ist, wenn die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" gemäß Art. 226 Nr. 11a der Richtlinie 2006/112 in geänderter Fassung enthält.

2. Art. 226 Nr. 11a der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

das Weglassen der nach dieser Bestimmung erforderlichen Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" auf einer Rechnung nicht später durch Ergänzung eines Hinweises darauf berichtigt werden kann, dass diese Rechnung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betrifft und dass die Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergeht.

Im Detail hat der EuGH in seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Art. 42 Buchstabe a der Mehrwertsteuerrichtlinie (siehe oben) die materielle Voraussetzung dafür regelt, dass ein im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts getätigter Erwerb als hinsichtlich der Mehrwertsteuer gemäß Art. 40 der Mehrwertsteuerrichtlinie (siehe oben) besteuert gilt (Rz 49). Zusätzlich hat der EuGH ausgeführt, dass speziell im Rahmen der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung der Zwischenerwerber eines Dreiecksgeschäftes die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" nicht durch einen anderen Hinweis ersetzen kann (Rz 51).

Aus diesen Aussagen des EuGH ergibt sich somit zunächst einmal, dass durch die ursprünglich ausgestellten Rechnungen, auf denen kein Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers enthalten war, die Steuerschuld nicht wirksam auf den Empfänger der Waren übertragen wurde. Die Anwendung der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte war somit - aufgrund des Fehlens einer materiellen Voraussetzung - nicht möglich.

Ausgehend davon stellt sich die Frage, ob die durch die Beschwerdeführerin im Jahr 2015 durchgeführten Rechnungskorrekturen eine Rückwirkung auf die streitgegenständlichen Jahre 2011 bis 2014 zu entfalten vermögen. Diesbezüglich ist auf die expliziten Ausführungen des EuGH zu verweisen, wonach "das nachträgliche Erfüllen einer für dieSteuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung keine Korrektur" darstellt. Vielmehr handelt es sich "um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann" (Rn 61).

Eine Einschränkung dahingehend, dass diese strenge Sichtweise des EuGH nur bei "missing-trader-Fällen" oder sonstigen potentiellen Betrugsszenarien zur Anwendung kommen soll, findet sich im Urteil nicht. Vielmehr hält der EuGH dezidiert fest, dass es aufgrund der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte am Erwerber gelegen ist, den Endempfänger einer Lieferung durch die Einhaltung der Formalität des Art. 226 Nr. 11a Mehrwertsteuerrichtlinie von seinen steuerlichen Pflichten (d.h. den Übergang der Steuerschuld) in Kenntnis zu setzen. Eine Unsicherheit darf insoweit nicht bestehen.

Somit ergibt sich für den vorliegenden Fall das folgende Ergebnis:

  1. Gemäß dem festgestellten Sachverhalt enthalten die ursprünglich von der Beschwerdeführerin ausgestellten Ausgangsrechnungen für Lieferungen in den Jahren 2011 bis 2014 keinen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger.

  2. Der Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers stellt laut der obig angeführten Rechtsprechung des EuGH eine materielle Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte dar. Da dieser Hinweis - wie ausgeführt - auf den ursprünglich von der Beschwerdeführerin in den Jahren 2011 bis 2014 ausgestellten Rechnungen nicht enthalten war, konnten auch die Rechtsfolgen des Dreiecksgeschäfts gemäß Art. 25 UStG 1994 (konkret die Besteuerungsfiktion für den kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerb aufgrund der verwendeten österreichischen UID-Nummer gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994) nicht eintreten.

  3. Die im Jahr 2015 vorgenommene Rechnungsergänzung (siehe dazu den festgestellten Sachverhalt) vermag gemäß der Rechtsprechung des EuGH keine Rückwirkung auf die Streitjahre zu entfalten.

Zum Vorbringen der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin, wonach gemäß einer im Jahr 2016 ergangenen BMF-Erledigung ein vereinfachter Besteuerungsnachweis erfolgen kann, ist lediglich auszuführen, dass derartige Erledigungen keine für das Bundesfinanzgericht verbindliche Rechtsquelle darstellen.

Zum Vorbringen der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin, wonach der Zweck des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 es erfordere, einen Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat auch dann anzunehmen, wenn der Empfänger (d.h. der dritte Unternehmer in der Reihe) die Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat vorgenommen hat, ist wie folgt auszuführen:

Zunächst ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass sich aus den insgesamt fünf vorliegenden Bestätigungen von Kunden der Beschwerdeführerin nicht ableiten lässt, dass diese die bezogenen Lieferungen in den jeweiligen Bestimmungsländern tatsächlich als Dreiecksgeschäfte und nicht als innergemeinschaftliche Erwerbe gemeldet haben. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es den Zweck der Sicherungsbestimmung des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 unterlaufen würde, wenn man es auf Ebene jenes Unternehmers, der den kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerb im Mitgliedstaat der verwendeten UID bewirkt hat, genügen lassen würde, den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland durch die Meldung/Besteuerung des Kunden (d.h. eines anderen Unternehmers) zu führen. Dies daher, da es - abgesehen von missing-trader-Fällen - im Regelfall zu einer Meldung und Besteuerung des Kunden im Bestimmungsland kommen wird. Würde man diese Meldung/Besteuerung des Kunden im Bestimmungsmitgliedstaat somit zum Nachweis der Besteuerung durch den Erwerber genügen lassen, wäre der Anwendungsbereich der Bestimmung des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 massiv eingeschränkt. Der erkennende Richter vermag sich somit der diesbezüglichen Argumentation des Beschwerdeführers nicht anzuschließen.

Im Ergebnis hat die Beschwerdeführerin in den streitgegenständlichen Fällen durch die Verwendung ihrer österreichischen UID im Verhältnis zu den Lieferanten einen kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerb gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 in Österreich bewirkt, für den keine Besteuerungsfiktion zur Anwendung kommt. Dass die im Zusammenhang mit diesem kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerb angefallene Erwerbsteuer - so wie vom belangten Finanzamt ausgeführt - von der Beschwerdeführerin nicht als Vorsteuer abgezogen werden kann, ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH ( und 539/08, X bzw. Facet BV/Facet Trading BV). Eine rückwirkende Korrektur der ursprünglich ausgestellten Rechnungen scheidet gemäß der obig angeführten Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Luxury Trust Automobil GmbH aus.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der EuGH hat in seinem Urteil EuGH C-247/21 "Luxury Trust Automobil GmbH" klargestellt, dass die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn sich auf der Rechnung des Erwerbers ein Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers findet. Dass die von der Beschwerdeführerin ursprünglich ausgestellten Rechnungen keinen derartigen Hinweis enthalten haben, ergibt sich aus dem als Ergebnis der freien Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt. Die Frage, ob die im Jahr 2015 durchgeführten Korrekturen/Anpassungen der fraglichen Rechnungen auf die Streitjahre rückwirken, ist durch die obig zitierte Rechtsprechung des EuGH bzw. darauf aufbauend des VwGH (Ro 2020/13/0016) ebenfalls geklärt. Es liegt somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
, Luxury Trust Automobil GmbH
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100547.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at