Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.11.2023, RV/3100655/2019

Vorliegen eines Wohnsitzes sowie des Mittelpunktes der Lebensinteressen

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/15/0010.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom bzw. betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 bis 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2012 bis 2015 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach den Ausführungen im Vorlagebericht der Abgabenbehörde an das Bundesfinanzgericht bezog der Beschwerdeführer in den Streitjahren 2012 bis 2015 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Arbeitnehmer in der Schweiz (Samnaun). Auf Grundlage der monatlichen Lohnabrechnungen des schweizerischen Arbeitgebers des Beschwerdeführers für die Monate April 2012 bis Dezember 2015, welche von der in Österreich wohnhaften und ansässigen Ehegattin des Beschwerdeführers ihren Familienbeihilfenanträgen beigelegt wurden, erfolgte für die Jahre 2012 und 2013 mit Bescheiden vom und für die Jahre 2014 und 2015 mit Bescheiden vom die Veranlagung zur Einkommensteuer und Festsetzung von Anspruchszinsen.

Mit den Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter gegen diese Bescheide Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass er Schweizer Staatsbürger sei, ebendort seinen Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen habe sowie polizeilich gemeldet sei und ebendort auch arbeite und seine Steuern bezahle. In Österreich besuche er lediglich seine Kinder, die bei seiner Ehegattin leben würden.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom betreffend die Beschwerden gegen die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2015, addressiert an den steuerlichen Vertreter, erging nachstehender Vorhalt an den Beschwerdeführer:

"Als wesentliche Faktoren, die den Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmen bzw. beeinflussen, gelten der gewöhnliche Aufenthalt und die Wohnsituation, die persönliche und familiäre Lage, die gesellschaftlichen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Gegebenheiten einschließlich des regelmäßigen Arbeitsortes. Indizien sind Beruf, Familie, Religion, Kultur, persönliche Interessen und Neigungen. Entscheidend ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Aber auch andere Betätigungen zur Entfaltung der persönlichen Interessen und Neigungen wie zB. die Mitgliedschaft in einem Verein, die Ausübung sportlicher Aktivitäten und anderer Hobbys, das Unterhalten von privaten Kunstsammlungen, sowie Passionen der Person wie zB Jagd oder Pferdehaltung können Indizien für den Mittelpunkt der Lebensinteressen darstellen (Nachweise).

Das Abstellen auf das Überwiegen erfordert eine zusammenfassende Wertung der verschiedenen Beziehungen, es zählt das Gesamtbild der Lebensverhältnisse. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den wirtschaftlichen Beziehungen in der Regel eine geringere Bedeutung zu als den persönlichen Beziehungen.

Folgende Punkte sind nach Ansicht des Finanzamtes Landeck Reutte noch ergänzungsbedürftig:

  1. In der Beschwerdeschrift vom wird festgehalten, dass der Bf. in der Schweiz ansässig ist, warum wurde auf den übermittelten Lohnzetteln aus der Schweiz bis einschließlich 2015 eine österreichische Adresse vermerkt?

  2. Vorlage der Meldebescheinigung der Schweizer Meldebehörde ab 2012 bis laufend.

  3. Vorlage von Kopien allfälliger Mietverträge samt Betriebskostenabrechnungen ab dem Jahr 2012.

  4. Ggf. Bestätigung der Ehegattin betreffend Mittelpunkt der Lebensinteressen der verfahrensgegenständlichen Jahre.

  5. Nachweise betreffend steuerlicher Erfassung in der Schweiz, wobei schweizer Steuerbescheide vorzulegen sind.

  6. Vorlage bestehender Versicherungen (Unfall-, Lebensversicherung...).

Sie werden daher ersucht, sämtliche zweckdienliche Unterlagen, welche die obgeschilderten Umstände für die Jahre 2012 bis 2015 beweisen könnten, vorzulegen. Widrigenfalls sieht sich das Finanzamt gezwungen, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Auf die von Gesetzes wegen bestehenden Offenlegungspflichten gemäß §§ 119 und 138 BAO und die erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei bei Sachverhalten, die ihre Wurzeln im Ausland haben, weist das Finanzamt explizit hin."

Dieser Vorhalt der Abgabenbehörde verblieb unbeantwortet.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom , in welcher der oben angeführte Vorhalt der Abgabenbehörde wörtlich wiedergegeben wurde, traf die Abgabenbehörde sodann die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich sowohl über einen Wohnsitz als auch über den Mittelpunkt der Lebensinteressen verfüge, weshalb Österreich gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft unter Anwendung der Anrechnungsmethode das Besteuerungsrecht an den Einkünften zukomme. Um eine Doppelbesteuerung in den Vertragsstaaten zu vermeiden, gelte auf Grund des DBA mit der Schweiz zwar die Anrechnungsmethode, da aber keine Schweizer Steuerbescheide vorgelegt worden seien, könne auch keine Steuer angerechnet werden.

Mit Schreiben vom wurde durch den steuerlichen Vertreter ohne weitere Ausführungen bzw. Entgegnungen zu den Feststellungen der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht eingebracht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer

1. Besteuerungsrecht aufgrund eines Wohnsitzes:

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob Österreich das Besteuerungsrecht hinsichtlich der vom Beschwerdeführer in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zukommt.

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Ist eine Person unbeschränkt steuerpflichtig, dann erfasst die Steuerpflicht sohin alle steuerbaren Einkünfte iSd § 2 EStG 1988 (Welteinkommen, Totalitätsprinzip).

Für die Auslegung des Begriffes "Wohnsitz" im Sinne des § 1 EStG 1988 ist § 26 BAO maßgebend.

Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es der Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderung jederzeit zum Wohnen benützt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (Ritz, BAO, § 26, Tz. 1, mit Verweis auf ). Steuerrechtlich ist das Bestehen eines Wohnsitzes sohin stets an die objektive Voraussetzung der Innehabung einer Wohnung geknüpft. Innehaben bedeutet, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können. Als Rechtsgründe für die Innehabung kommen Eigentum, Miete, Untermiete, Wohnungsrecht, aber auch familienrechtliche Ansprüche (z.B. des Ehegatten) in Betracht. In diesem Sinn können auch Untermietzimmer, im Fall einer Dauermiete sogar Hotelzimmer eine Wohnung und damit einen Wohnsitz gemäß § 26 Abs. 1 BAO darstellen (vgl. ). Eine bestimmte rechtsgeschäftliche Form ist nicht nötig (vgl. Ritz, BAO, § 26, Tz. 6, mit Verweis auf ). Für das Vorliegen eines Wohnsitzes ist also das objektive Moment der Innehabung unter den in § 26 BAO genannten Umständen maßgebend ().

Maßgeblich ist die tatsächliche Gestaltung der Dinge (). Für die Annahme eines Wohnsitzes ist nicht entscheidend, in welchem zeitlichen Ausmaß eine Wohnung tatsächlich genutzt wird (). Eine berufliche Tätigkeit im Ausland und häufige Auslandsreisen schließen einen Wohnsitz im Inland nicht aus (). Die Wohnung muss auch nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden, man kann gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben ().

Sachverhaltsbezogen ist zur Frage des Wohnsitzes des Beschwerdeführers Nachstehendes festzustellen:

Der Beschwerdeführer ist schweizer Staatsbürger und bezieht in der Schweiz auch Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Er ist verheiratet und hat mit seiner Gattin (österreichische Staatsbürgerin) zwei gemeinsame Kinder. Die Gattin des Beschwerdeführers ist Eigentümerin eines Wohnhauses in ihrer Heimatgemeinde in Österreich und lebt dort mit den beiden gemeinsamen Kindern.

In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2012 bis 2015 hat die Ehegattin des Beschwerdeführers jeweils angegeben, mit dem Beschwerdeführer verheiratet zu sein und nicht dauernd von ihm getrennt zu leben.

Anlässlich einer persönlichen Einvernahme durch die Abgabenbehörde am teilte sie weiters mit, dass ihr Ehegatte nicht bei ihr wohne, sondern in seinem Elternhaus in der Schweiz, er jedoch täglich nach Hause komme, derzeit arbeitslos sei und sich selbst in der Schweiz (Samnaun) versichert habe und selbständig arbeite.

Nach den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerde, lebe er mit seiner Gattin nicht zusammen, sondern besuche viel mehr hin und wieder die Kinder am Wohnsitz seiner Gattin (Schreiben des steuerlichen Vertreters vom ).

Den voranstehend wiedergegebenen umfangreichen Vorhalt der Abgabenbehörde vom zur Frage der konkreten Lebensumstände des Beschwerdeführers verblieb unbeantwortet. Auch der Hinweis auf diesen unbeantwortet verbliebenen Vorhalt in der Beschwerdevorentscheidung vermochte den Beschwerdeführer nicht dazu zu veranlassen, im Vorlageantrag den Vorhalt zu beantworten.

In der Beschwerdevorentscheidung der insoweit auch Vorhaltswirkung zukommt, wurde ausgeführt, dass für die Abgabenbehörde kein Zweifel darüber bestehe, dass der Beschwerdeführer den "Wohnsitz" im Inland zumindest zeitweise anlässlich von Inlandsaufenthalten (zB. an Wochenenden, im Urlaub, aus sonstigen Anlässen) auch tatsächlich benutzt habe und diese Annahme durch die Grenzübertritte mit den zwei auf die Gattin in Österreich angemeldeten Fahrzeugen und durch die aufrechte Ehe, welche auch nicht bestritten wird, untermauert werde. Zumal die Gattin in ihren Steuererklärungen angegeben habe, mit dem Beschwerdeführer als Ehegatten in aufrechter Ehe mit ihm und den gemeinsamen Kindern am Wohnsitz in Österreich zu leben.

Auch diesen Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung, insbesondere, dass die Gattin in ihren Steuererklärungen angegeben habe, mit dem Beschwerdeführer als Ehegatten in aufrechter Ehe mit ihm und den gemeinsamen Kindern am Wohnsitz in Österreich zu leben, verblieben im Vorlageantrag unwidersprochen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach § 115 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln haben, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird allerdings durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

Dazu wurde in der Beschwerdevorentscheidung des Weiteren auch ausdrücklich auf die gem. §§ 119 und 138 Bundesabgabenordnung (BAO) normierte Offenlegungspflichten und die erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei bei Sachverhalten, die ihre Wurzel im Ausland haben, hingewiesen. Trotzdem wurde mit dem Vorlageantrag weder der umfangreiche Vorhalt der Abgabenbehörde vom August 2018 beantwortet, noch irgendein sonstiges Vorbringen zum Wohnsitz des Beschwerdeführers erstattet.

Aufgrund der mangelnden bzw. widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers und jener seiner Gattin können keine konkreten Feststellungen darüber getroffen werden, wie oft genau sich der Beschwerdeführer am Wohnsitz in Österreich aufgehalten hat. Es steht aber aufgrund der Angaben der Ehegattin jedenfalls fest, dass sie in aufrechter Ehe zusammenleben. Bei dem Eigenheim der Ehegattin handelt es sich somit um die gemeinsame eheliche Wohnung, zumal dort auch die Kinder wohnhaft sind. Da ein solches Zusammenleben in der gemeinsamen ehelichen Wohnung (Eigenheim der Ehegattin) jedenfalls stattgefunden hat, ist sachverhaltsbezogen die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer über einen Wohnsitz in Österreich verfügt hat. Dass ein Benutzungsrecht an der ehelichen Wohnung in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht ausgesprochen wurde, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen. Nach der Aktenlage gibt es auch keine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung, mit welcher die Nutzung des Eigenheimes zwischen den Ehegatten (in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht) geregelt worden wäre. Des Weiteren gibt es zwischen den Ehegatten auch keine Trennungs-, Unterhalts- oder Besuchsrechtsvereinbarungen. Damit kam dem Beschwerdeführer aber die tatsächliche Verfügungsmacht über das im Eigentum der Ehegattin stehende Eigenheim zu.

Da der Beschwerdeführer sohin über einen Wohnsitz in Österreich verfügt, kommt Österreich grundsätzlich auch das Besteuerungsrecht an den von ihm erzielten Einkünften aus nichtselbständiger zu.

Im übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer trotz Aufforderung der Abgabenbehörde (Vorlage der Meldebescheinigung der Schweizer Meldebehörde ab 2012 bis laufend; Vorlage von Kopien allfälliger Mietverträge samt Betriebskostenabrechnungen ab dem Jahr 2012) keinen Nachweis über einen allfälligen Wohnsitz in der Schweiz erbracht hat, sodass nicht einmal zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass er auch tatsächlich über einen solchen in der Schweiz verfügt.

2. Besteuerungsrecht nach dem DBA-Schweiz

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen wurde zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Abkommen BGBl. Nr. 64/1975 (in der Folge: DBA-CH) geschlossen.

Gegenständlich regeln die Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 23 Abs. 1 und 2 des DBA-CH (in der in den Streitjahren geltenden Fassung) die Besteuerung der schweizerischen unselbständigen Einkünfte des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung.

Artikel 4 DBA-CH lautet:

1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.

2. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a) Die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen) ……. .

Unter der Prämisse, dass der Beschwerdeführer tatsächlich über einen Wohnsitz in der Schweiz verfügen wurde, hinsichtlich welchen Umstandes vom Beschwerdeführer aber kein Nachweis erbracht wurde, wäre zur Beurteilung der Frage des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Beschwerdeführers eine Prüfung durchzuführen, zu welchem Staat er die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen innehat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Für die Beurteilung dieser Frage ist auf das Gesamtbild seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt dabei den wirtschaftlichen in der Regel eine geringere Bedeutung zu als den persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (; , Ra 2016/15/008; , Ra 2016/15/0057; , 2013/15/0117; , 2011/15/0193). Dabei kommt es etwa auf die polizeiliche Abmeldung im Inland bzw polizeiliche Anmeldung im Ausland nicht an ().

Im Beschwerdefall bestanden die wirtschaftlichen Beziehungen des Beschwerdeführers zur Schweiz aufgrund der dort im Streitzeitraum ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit. Er war im Streitzeitraum zumindest nach seinen durch nichts belegten Behauptungen darüberhinaus auch in der Schweiz wohnhaft. Weitere Angaben zu den konkreten Lebensumständen und persönlichen Beziehungen in der Schweiz wurden vom Beschwerdeführer trotz des umfangreichen Vorhaltes der Abgabenbehörde und die nochmalige Bezugnahme auf diesen Vorhalt in der Beschwerdevorentscheidung nicht gemacht. Somit fehlt es an jeglichem Vorbringen zum Vorliegen konkreter persönlicher Beziehungen in der Schweiz. Das Bestehen von sozialen Kontakten in der Schweiz wurde vom Beschwerdeführer ebensowenig behauptet, wie das Unterhalten von Freundschaften oder das Unterhalten anderer sozialer Beziehungen. Die wirtschaftlichen Beziehungen zur Schweiz erschöpften sich in dem Dienstverhältnis und den daraus resultierenden Lohneinkünften.

Demgegenüber ist die Ehegattin des Beschwerdeführers, von der er nicht dauernd getrennt lebt, in Österreich Eigentümerin des Wohnhauses. Dort leben seine minderjährigen Kinder und seine Ehegattin und dort hat der Beschwerdeführer auch über den inländischen Wohnsitz verfügt. Auch wenn der Beschwerdeführer beruflich in der Schweiz tätig war, hat er nach den Angaben seiner Gattin sogar täglich am Familienwohnsitz genächtigt bzw. nach seinen Angaben zumindest an Wochenenden.

Im übrigen wird auf die diesbezüglich unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung, welcher insoweit Vorhaltswirkung zukommt, verwiesen. Danach besteht für die Abgabenbehörde kein Zweifel, dass der Wohnsitz im Inland zumindest zeitweise anlässlich von Inlandsaufenthalten (z.B. an Wochenenden, im Urlaub, aus sonstigen Anlässen) auch tatsächlich benutzt werde und diese Annahme durch die Grenzübertritte mit den zwei auf die Gattin in Österreich angemeldeten Fahrzeugen und durch die aufrechte Ehe, welche auch nicht bestritten wird, untermauert werde. Zudem habe die Gattin den Beschwerdeführer in ihren Steuererklärungen angegeben, mit dem Beschwerdeführer in aufrechter Ehe und mit ihm und den Kindern an der inländischen Wohnadresse zu leben. Zudem habe sie auch mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer für den gemeinsamen Lebensunterhalt mitaufkomme.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht es der Lebenserfahrung, dass eine Person zu einem Wohnsitz, der am Arbeitsort besteht und nur während der Arbeitszeit benützt wird, engere Beziehungen hätte als zu einer mit dem Ehegatten gemeinsam benützten Wohnung, in der auch die gemeinsamen Kinder leben. Daraus folgt, dass Personen, die zwar den überwiegenden Teil der Woche im Ausland tätig sind, die Wochenenden, die sonstigen freien Tage und den Urlaub jedoch regelmäßig mit ihren im Inland lebenden Familien verbringen, ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Regel am Ort der privaten Lebensführung und nicht am Arbeitsort haben (Huemer, Die unbeschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen, 144, 146 und die hierin zitierte Judikatur).

Zusammenfassend ist bei Beziehungen vom Mittelpunkt der Lebensinteressen und damit die einkommensrechtliche Ansässigkeit einer natürlichen Person in der Regel jenem Ort zuzusprechen, wo sie mit ihrer Familie lebt.

Aus der oben angeführten Verteilung der wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen geht klar hervor, dass der Beschwerdeführer seine wirtschaftlichen Beziehungen überwiegend in der Schweiz, seine für ihn wesentlichen und einzigen bekannten persönlichen Beziehungen aber nahezu ausschließlich in Österreich hatte. In Gesamtabwägung dieser Umstände ergibt sich ohne Zweifel, dass für den Beschwerdeführer im Streitzeitraum Österreich der bedeutungsvollere Staat war. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers lag sohin im Streitzeitraum jedenfalls in Österreich.

3. Besteuerungsrecht an den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach DBA-CH:

Artikel 15 DBA-CH lautet:

1. Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

2. Ungeachtet des Absatzes 1 dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person für eine in dem anderen Vertragstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden, wenn

a) der Empfänger sich in dem anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres aufhält,

b) Die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht in dem anderen Staat ansässig ist, und

c) die Vergütungen nicht von einer Betriebstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber in dem anderen Staat hat.

Artikel 23 DBA-CH lautet:

1. Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in dem anderen Vertragstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat, vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

2. Ungeachtet des Absatzes 1 darf Österreich Einkünfte im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 sowie Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt.

………. .

Aufgrund obiger Bestimmungen dürfen die Schweiz und Österreich die Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit besteuern. Um eine Doppelbesteuerung in den Vertragsstaaten zu vermeiden, ist die Anrechnungsmethode anzuwenden. Hiebei besteuert der Ansässigkeitsstaat die in- und ausländischen Einkünfte, jedoch wird die im Quellenstaat erhobene Steuer auf die Steuer im Ansässigkeitsstaat angerechnet.

Soweit in der Beschwerde eingewendet wurde, dass die Einkünfte von der Abgabenbehörde viel zu hoch "angenommen" worden seien und eine Schätzung sich an den tatsächlichen Gegebenheiten zu orientieren habe, wird auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen, wonach die Festsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre anhand der den Familienbeihilfenanträgen der Ehegattin beigelegten Lohnzettel erfolgte.

Die von der Abgabenbehörde zugrunde gelegten Bemessungsgrundlagen sind jedoch insoweit zu korrigieren, als das 13. Monatgehalt sowie das Feriengeld, welche jeweils im Dezember zur Auszahlung gebracht wurden, begünstigt zu besteuern sind. Im übrigen ergeben sich die erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter Herausrechnen der Kinderzulage und Sozialversicherungsbeiträge sowie Sonderzahlungen und sind als solche der Berechnung der darauf entfallenden Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen.

Die anrechenbare Quellensteuer wurde ohne entsprechenden Nachweis der Entrichtung mit 5 % der Bezüge berechnet.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich im Wesentlichen um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrundeliegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend beantwortet sind.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 138 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 119 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 23 Abs. 1 und 2 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 4 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 15 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100655.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at