Dienstnehmer im Bereich "Solution Sales": Werbungskosten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf), der bei der ***X GmbH*** als Dienstnehmer im Bereich "Solution Sales" beschäftigt ist, die Berücksichtigung (nur) des halben Kfz-Sachbezuges im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2020. Er legte diesem Schreiben neben einem Fahrtenbuch, in welchem beruflich veranlasste Fahrten im Ausmaß von 22.738 km und privat veranlasste Fahrten im Ausmaß von 3.911 km ausgewiesen sind, ein Schreiben der Personalabteilung der ***X GmbH*** vom bei, wonach er "das Firmenfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen ***Kennzeichen*** uneingeschränkt privat nutzen [darf]. Für die Privatnutzung für das Jahr 2020 wurde ein voller Sachbezug in der Höhe von € 477,00 monatlich berücksichtigt."
Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt den Bf auf, vom Dienstgeber bestätigte Tagesaufzeichnungen, eine vom Dienstgeber bestätigte Urlaubs- und Krankenstandskartei sowie Servicerechnungen beizubringen. Zudem ersuchte das Finanzamt den Bf um Abgabe eines Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung 2020.
In seiner am im Wege von FinanzOnline eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 machte der Bf ua das Werbungskostenpauschale für die Berufsgruppe der Vertreter (sogenanntes "Vertreterpauschale") geltend.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2020 fest. Dabei berücksichtigte es im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit das Vertreterpauschale im Ausmaß von 397,00 Euro als Werbungskosten (2.190,00 Euro abzüglich Kostenersätze gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 in Höhe von 1.793,00 Euro).
In seinem am im Wege von FinanzOnline eingebrachten Antrag auf "Änderung gemäß § 295a BAO", der vom Finanzamt als Beschwerde gewertet wurde, führte der Bf wie folgt aus: Er bitte darum, dass seinem Antrag vom auf Berücksichtigung (nur) des halben Kfz-Sachbezuges Rechnung getragen werde. Zudem begehre er die Berücksichtigung von Kosten für sein ausschließlich betrieblich genutztes Arbeitszimmer in seinem Wohnhaus für das Jahr 2020 sowie rückwirkend ab dem Jahr 2015 als Werbungskosten. Das Arbeitszimmer sei 10,89 m2 groß, der Anteil des Arbeitszimmers an der gesamten Wohnfläche mache 6,72% aus (gesamte Wohnfläche: 162,04 m2). Die Gesamtkosten für das Arbeitszimmer (anteilige AfA, anteilige Stromkosten, anteilige Heizungskosten, anteilige Internetkosten, anteilige Versicherungskosten) betrügen pro Jahr 861,79 Euro.
Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens änderte das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass es einen Betrag in Höhe des halben Kfz-Sachbezuges (2.862,00 Euro) sowie die Arbeitszimmeraufwendungen (861,79 Euro), gesamt sohin 3.723,79 Euro als Werbungskosten ("Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte") zuerkannte. Das im angefochtenen Bescheid gewährte Vertreterpauschale (397,00 Euro) wurde nicht zuerkannt. Begründend wurde dazu ausgeführt, die Inanspruchnahme des Vertreterpauschales sei ausgeschlossen, wenn Werbungskosten in tatsächlicher Höhe beantragt würden.
Mit Bescheid vom hob das Finanzamt seine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 299 BAO auf. Mit (neuer) Beschwerdevorentscheidung vom selben Tag änderte das Finanzamt den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass es - anders als in der aufgehobenen Beschwerdevorentscheidung - nur noch einen Betrag in Höhe des halben Kfz-Sachbezuges (2.862,00 Euro) als Werbungskosten ("Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte") zuerkannte. Die Arbeitszimmeraufwendungen sowie das Vertreterpauschale blieben unberücksichtigt. Begründend wurde nach Wiedergabe der Bestimmung des § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 ausgeführt, die auf ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen oder Ausgaben seien nur dann abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde. Die Beurteilung, ob ein Arbeitszimmer den Tätigkeitsmittelpunkt darstelle, habe nach der Verkehrsauffassung, somit nach dem typischen Berufsbild zu erfolgen. Der Tätigkeitsmittelpunkt sei nach dem materiellen Schwerpunkt der Tätigkeit zu beurteilen bzw sei darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit benützt werde. Der Tätigkeitsmittelpunkt eines Vertreters liege sowohl im Hinblick auf den materiellen Schwerpunkt als auch in zeitlicher Hinsicht unbestritten im Außendienst und nicht im häuslichen Arbeitszimmer. Die diesbezüglichen Aufwendungen seien daher nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.
In einer am über FinanzOnline eingebrachten, als "Beschwerde" titulierten Eingabe, die vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet wurde, wies der Bf ohne weiteres Vorbringen darauf hin, dass das Vertreterpauschale sowie die Arbeitszimmeraufwendungen nicht berücksichtigt worden seien.
In einer am über FinanzOnline eingebrachten weiteren Eingabe bezog der Bf zu den Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom wie folgt Stellung: Er sei bei der ***X GmbH*** als Solution-Sales-Mitarbeiter angestellt. Ein Solution-Sales-Mitarbeiter sei kein klassischer Vertreter, welcher hauptsächlich mobil Kundentermine wahrnehme, sondern ein Vertriebsmitarbeiter, der Lösungen im IT- und IKT-Bereich ausarbeite und den Kunden präsentiere und anbiete. Weitere Aufgaben seien das Updaten der firmeninternen CRM-Systeme (Account-Planung und Reporting) sowie die Behandlung von Kundenreklamationen. Für diese Tätigkeiten sei ein Büroarbeitsplatz mit Internetzugang, Laptop, Drucker usw erforderlich. Da die ***X GmbH*** in der Steiermark kein eigenes Büro habe, habe er in seinem Wohnhaus notgedrungen ein kleines Arbeitszimmer eingerichtet, damit er diese Anforderungen erfüllen könne. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass seit Beginn der COVID-Pandemie (März 2020) die meisten Kundentermine nur noch per Video- bzw Webmeeting erfolgten. Somit sei ein eigenes Arbeitszimmer unbedingt erforderlich. Es werde daher um Berücksichtigung von Arbeitszimmeraufwendungen in Höhe von 680,10 Euro als Werbungskosten für das Jahr 2020 ersucht.
In der Folge legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom bezog es wie folgt Stellung: Auch wenn der Bf vorbringe, dass ein Solution-Sales-Mitarbeiter kein klassischer Vertreter, sondern ein Vertriebsmitarbeiter sei, der Lösungen im IT- und IKT-Bereich ausarbeite und den Kunden präsentiere und anbiete, so liege der Mittelpunkt seiner Tätigkeit jedenfalls nicht in einem häuslichen Arbeitszimmer.
Am wurde am Bundesfinanzgericht ein Erörterungstermin abgehalten. Das darüber aufgenommene Protokoll lautet auszugsweise wie folgt:
"Richter an ***Bf***: In Ihrer elektronischen Eingabe vom haben Sie angegeben, dass Sie kein klassischer Vertreter, sondern ein Solution-Sales-Mitarbeiter seien, der IT- und IKT-Lösungen ausarbeite und den Kunden präsentiere und anbiete. Bitte beschreiben Sie Ihre Tätigkeit im Jahr 2020.
***Bf***: Die ***X GmbH*** (mein Arbeitgeber) hat ein umfangreiches Produkt-Portfolio an IT-Lösungen. Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit (auch in zeitlicher Hinsicht) besteht in der Ausarbeitung und Weiterentwicklung dieses Produkt-Portfolios. Dies geschieht vielfach ohne unmittelbaren Kundenkontakt. Dh ich schaue mir IT-Lösungen an, die von verschiedenen Herstellern am Markt angeboten werden, und überlege mir, welche davon in das Produkt-Portfolio der ***X GmbH*** passen würden. Dies erfolgt in Abstimmung mit anderen Abteilungen der ***X GmbH***, aber auch mit den Produktherstellern (zB Netzwerkherstellern). Weiters zählt die Abwicklung verkaufsrelevanter Prozesse zu meinem Aufgabengebiet (Produkt- und Lösungspräsentation, Vertragsverhandlungen und -gestaltungen). Ich bin nicht nur im Bereich "Sales", sondern eben auch im Bereich "Solution" tätig, dh eine wesentliche Aufgabe ist auch die Erarbeitung der technischen Lösungen (IT-Lösungen). In vielen Fällen bringe ich das Know-how selbst mit, bei besonders komplexen Fällen stimme ich mich mit anderen Abteilungen der ***X GmbH*** oder Herstellern (also externen Dritten) ab. Hier übernehme ich dann im Ergebnis die Aufgaben eines Projektmanagers. Der Großteil meiner Tätigkeit entfällt auf die Erarbeitung von technischen Lösungen (Projektentwicklung), das werden ca 2/3 der Arbeitszeit sein, die Verkaufstätigkeit ist untergeordnet.
Richter an ***Bf***: In Ihrer elektronischen Eingabe vom haben Sie angegeben, dass Sie auch für Kundenreklamationen zuständig seien. Bitte um Erläuterung.
***Bf***: Meistens kommt es in solchen Fällen zu Meetings, in denen ich eine Art "Moderator-Funktion" zwischen dem Kunden und der Technik-Abteilung der ***X GmbH*** einnehme. Auch dies kann mitunter zeitintensiv sein, abhängig von der Größe des Projektes.
Richter an ***Bf***: Laut dem von Ihnen geführten, aktenkundigen "Fahrtenbuch 2020" haben Sie an 156 Tagen beruflich veranlasste Fahrten im Gesamtausmaß von 22.738 km durchgeführt. Stellt man dies der Anzahl der Arbeitstage im Jahr 2020 gegenüber (365 Tage abzüglich Wochenenden, Feiertage, Urlaubstage, Kurzarbeit), so folgt daraus, dass Sie weit mehr als die Hälfte Ihrer Arbeitszeit im Außendienst verbracht haben. Bitte um Stellungnahme.
***Bf***: Mein zu betreuendes Gebiet umfasst die Steiermark, Kärnten, Osttirol und das Süd-Burgenland. Das ist auch der Grund dafür, weshalb ich so viele km zurücklegen musste. In jenen Fällen, in denen die zurückzulegenden Strecken nicht allzu lang waren (insbesondere Kundenbesuche in ***Stadt 1*** oder ***Stadt 3***), verbrachte ich die restliche Zeit des Arbeitstages im Home-Office.
Richter an ***Bf***: Sie haben in Ihrer Aufstellung an Internetkosten 351,86 Euro ausgewiesen und den beruflichen Nutzungsanteil mit 60% beziffert.
***Bf***: Ja, das ist auch tatsächlich so.
***Finanzamtsvertreterin***: Dieses Aufteilungsverhältnis erscheint aufgrund des geschilderten Tätigkeitsbildes plausibel.
Richter an ***Finanzamtsvertreterin***: Warum wurde seitens des Finanzamtes der halbe Pkw-Sachbezug unter der Position "Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte" berücksichtigt?
***Finanzamtsvertreterin***: Der halbe Pkw-Sachbezug ist fälschlicherweise unter der Position "Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte", ausgewiesen. Richtigerweise ist die Einnahmenseite zu reduzieren, sodass der Lohnzettel entsprechend zu korrigieren ist."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt:
Der im Umland von ***Stadt 1*** wohnhafte Bf war im Streitjahr Dienstnehmer der in ***Stadt 2*** ansässigen ***X GmbH***, die IT- und IKT-Lösungen anbietet. Er war im Bereich "Solution Sales" tätig.
Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit war die Ausarbeitung/Weiterentwicklung des Produkt-Portfolios der ***X GmbH***. Dies geschah vielfach ohne unmittelbaren Kundenkontakt. Die Tätigkeit des Bf in diesem Bereich bestand darin, dass er sich mit von verschiedenen Herstellern am Markt angebotenen IT-Lösungen auseinandersetzte und Überlegungen im Hinblick auf die Aufnahme dieser IT-Lösungen in das Produkt-Portfolio der ***X GmbH*** anstellte. Dabei stimmte er sich zum einen mit den anderen Abteilungen der ***X GmbH*** und zum anderen mit den Herstellern (zB Netzwerkherstellern) ab.
Zum Aufgabengebiet des Bf zählte auch die Abwicklung verkaufsrelevanter Prozesse (Produkt- und Lösungspräsentationen gegenüber [potenziellen] Kunden, Vertragsverhandlungen und -gestaltungen).
Dem Bf oblag weiters die Ausarbeitung technischer Lösungen (IT-Lösungen) im Rahmen von Kundenprojekten. In vielen Fällen brachte der Bf das dafür notwendige Know-how selbst mit, bei besonders komplexen Kundenprojekten stimmte er sich zum einen mit den anderen Abteilungen der ***X GmbH*** und zum anderen mit den Herstellern ab. Er übernahm dabei im Ergebnis die Aufgaben eines Projektmanagers.
Eine weitere Aufgabe des Bf bestand in der Bearbeitung von Kundenreklamationen. Im Falle von Kundenreklamationen fanden meist Meetings statt, im Rahmen derer der Bf die Rolle des Moderators zwischen den Kunden und der Technik-Abteilung der ***X GmbH*** übernahm.
Das Aufgabengebiet des Bf umfasste überdies die Erfassung und Pflege von Daten in den firmeninternen CRM-Systemen (Account-Planung, Reporting).
Was die Tätigkeitsgewichtung anbelangt, so bestand der Großteil der Tätigkeit des Bf in der Ausarbeitung technischer Lösungen (Projektentwicklung; rund zwei Drittel der Arbeitszeit), die Verkaufstätigkeit war untergeordnet.
Der Bf verbrachte im Streitjahr den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit im Außendienst (insbesondere Wahrnehmung von Kundenterminen in der Steiermark, in Kärnten und im Burgenland). Zu diesem Zweck stellte ihm die ***X GmbH*** einen Dienstwagen der Marke ***Marke*** zur Verfügung. Mit diesem Dienstwagen legte er im Streitjahr an 156 Arbeitstagen beruflich veranlasste Fahrten im Gesamtausmaß von 22.738 km zurück.
Die ***X GmbH*** stellte dem Bf keinen Büroarbeitsplatz zur Verfügung. Innendiensttätigkeiten erledigte er daher im Home-Office. Zu diesem Zweck nutzte er einen in seinem privaten Wohnhaus befindlichen Raum mit einer Größe von 10,89 m2 (dies entspricht 6,72% der gesamten Wohnfläche des Wohnhauses) als Arbeitszimmer. Er nutzte dieses Arbeitszimmer im Streitjahr in zeitlicher Hinsicht für weniger als die Hälfte seiner Tätigkeit für die ***X GmbH***.
Dem Bf erwuchsen im Streitjahr Internetkosten in Höhe von 351,86 Euro. Das Internet wurde sowohl beruflich als auch privat genutzt. Die beruflich veranlasste Nutzung des Internets machte 60% aus.
2. Beweiswürdigung:
Zu dieser Sachverhaltsfeststellung gelangt das Bundesfinanzgericht aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Aufgabengebiet des im Streitjahr bei der ***X GmbH*** als Solution-Sales-Mitarbeiter angestellten Bf beruhen zum einen auf den vom Finanzamt unwidersprochen gebliebenen, glaubhaften Ausführungen des Bf im Zuge des am am Bundesfinanzgericht abgehaltenen Erörterungstermines, zum anderen auf dem Vorbringen des Bf in seiner elektronischen Eingabe vom .
Dass die ***X GmbH*** dem Bf einen Dienstwagen zur Verfügung stellte, ist durch eine aktenkundige Bestätigung der Personalabteilung der ***X GmbH*** vom belegt.
Dass die ***X GmbH*** dem Bf keinen Büroarbeitsplatz zur Verfügung stellte und er daher einen in seinem privaten Wohnhaus befindlichen Raum mit einer Größe von 10,89 m2 als Arbeitszimmer nutzte, ergibt sich aus einer aktenkundigen Bestätigung der Personalabteilung der ***X GmbH*** vom betreffend Home-Office sowie aus den Ausführungen des Bf in seiner elektronischen Eingabe vom , denen das Finanzamt nicht entgegengetreten ist.
Die Feststellung, dass der Bf im Streitjahr den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit im Außendienst verbrachte und das in seinem privaten Wohnhaus befindliche Arbeitszimmer (nur) in zeitlich untergeordnetem Ausmaß für seine Tätigkeit für die ***X GmbH*** nutzte, beruht auf Folgendem: Dem aktenkundigen "Fahrtenbuch 2020" zufolge, das sich nach stichprobenartiger Überprüfung mit den ebenfalls aktenkundigen Outlook-Kalender-Daten deckt, führte der Bf an 156 Tagen im Kalenderjahr 2020 beruflich veranlasste Fahrten im Gesamtausmaß von 22.738 km durch. Diese Fahrten betrafen zum größten Teil Kundentermine in der Steiermark, in Kärnten und im Südburgenland. Den genannten aktenkundigen Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass der Bf meist mehrere Kundentermine je Ausfahrt wahrnahm. Stellt man dies der Anzahl der Arbeitstage im Kalenderjahr 2020 gegenüber (366 Tage abzüglich Samstage und Sonntage [104 Tage], gesetzliche Feiertage, die nicht auf einen Samstag oder Sonntag fallen [10 Tage], Urlaubstage (laut aktenkundigem Urlaubskonto 31 Tage] sowie arbeitsfreie Tage infolge Corona-Kurzarbeit [laut aktenkundigen Outlook-Kalender-Daten 12 Tage]), so ist davon auszugehen, dass der Bf den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit im Kalenderjahr 2020 im Außendienst verbrachte. Diesen Umstand hielt das erkennende Gericht dem Bf im Zuge des am abgehaltenen Erörterungstermines vor. Der Bf trat dem nicht substantiiert entgegen. Sein diesbezügliches Vorbringen erschöpfte sich darin, dass das von ihm zu betreuende Gebiet die Steiermark, Kärnten, Osttirol und das Südburgenland umfasse (was auch der Grund dafür sei, weshalb er so viele Kilometer habe zurücklegen müssen), und er in jenen Fällen, in denen die Strecken nicht allzu lang gewesen seien (insbesondere Kundenbesuche in ***Stadt 1*** oder ***Stadt 3***), die restliche Zeit des Arbeitstages im Home-Office verbracht habe. Aufzeichnungen, denen die konkrete Dauer der Kundenbesuche bzw der Home-Office-Tätigkeit zu entnehmen wäre, brachte der Bf nicht bei (auch das Fahrtenbuch enthält keine Uhrzeitangaben), sodass sein diesbezügliches, nicht näher konkretisiertes Vorbringen über die Behauptungsebene nicht hinausgeht. Wenn der Bf überdies darauf verweist, dass seit dem Beginn der COVID-Pandemie die meisten Kundentermine nur noch per Video- bzw Webmeeting erfolgt seien (siehe elektronische Eingabe des Bf vom ), so trifft dies nach den aktenkundigen Aufzeichnungen (Fahrtenbuch, Outlook-Kalender-Daten) nur auf den Zeitraum Mitte März bis Ende Mai 2020 zu. Das erkennende Gericht nimmt es vor diesem Hintergrund als erwiesen an, dass der Bf im Streitjahr den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit im Außendienst verbrachte und das in seinem privaten Wohnhaus befindliche Arbeitszimmer (nur) in zeitlich untergeordnetem Ausmaß für seine Tätigkeit für die ***X GmbH*** nutzte.
Die Internetkosten wurden belegmäßig nachgewiesen. Der Bf schätzte die beruflich veranlasste Nutzung des Internets auf 60%. Die Finanzamtsvertreterin führte dazu im Zuge des am am Bundesfinanzgericht abgehaltenen Erörterungstermines aus, dass diese Schätzung angesichts der Tätigkeit des Bf plausibel erscheine. Dem schließt sich das Bundesfinanzgericht an. In Anbetracht der breiten privaten Nutzungsmöglichkeiten des Internets und aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens gelangt das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass die beruflich veranlasste Nutzung des Internets 60% ausmachte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung):
Deutung des Antrages vom auf "Änderung gemäß § 295a BAO"als Beschwerde im Sinne der §§ 243 ff BAO:
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sind Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl etwa ; ; ; siehe dazu auch Ritz/Koran, BAO7 § 85 Tz 1).
Vor diesem Hintergrund kann dem Finanzamt nicht entgegengetreten werden, wenn es den vom Bf am - somit innerhalb der Beschwerdefrist - im Wege von FinanzOnline eingebrachten Antrag auf "Änderung gemäß § 295a BAO" als Beschwerde im Sinne der §§ 243 ff BAO wertete.
Vertreterpauschale:
Gemäß § 17 Abs 6 EStG 1988 können zur Ermittlung von Werbungskosten vom Bundesminister für Finanzen Durchschnittssätze für Werbungskosten im Verordnungswege für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt werden.
Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl II 382/2001 (in der Folge "Verordnung"), erlassen, deren Inhalt (in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung) auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:
(…)
9. Vertreter
5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich
Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden.
(…)
§ 2. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Pauschbeträge sind die Bruttobezüge abzüglich der steuerfreien Bezüge und abzüglich der sonstigen Bezüge, soweit diese nicht wie ein laufender Bezug nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern sind (Bruttobezüge gemäß Kennzahl 210 abzüglich der Bezüge gemäß Kennzahlen 215 und 220 des amtlichen Lohnzettelvordruckes L 16).
(…)
§ 4. (1) Kostenersätze gemäß § 26 EStG 1988 kürzen die jeweiligen Pauschbeträge.
(…)
§ 5. Werden die Pauschbeträge in Anspruch genommen, dann können daneben keine anderen Werbungskosten aus dieser Tätigkeit geltend gemacht werden."
Mit BGBl II 39/2021 wurde § 6 der Verordnung um folgenden Abs 5 ergänzt:
"§ 1 Z 9 ist auch anwendbar, wenn aufgrund der COVID-19-Krise im Kalenderjahr 2020 nicht mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit im Außendienst verbracht wurde."
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist zum Begriff des Vertreters auf die Verkehrsauffassung abzustellen. Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind (vgl etwa ; ). Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, ist keine Vertretertätigkeit (vgl etwa ; ). Auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst gehört zur Vertretertätigkeit. Hiezu zählen etwa Abrechnungen mit Kunden, Nachweis des Arbeitseinsatzes, Einholung von Weisungen oder Entgegennahme von Waren (vgl etwa 2885 und 2994/80; ). Der Vertreter muss eine ausschließliche Vertretertätigkeit ausüben. Eine völlig untergeordnete andere Tätigkeit steht der Inanspruchnahme des Vertreterpauschales allerdings nicht entgegen (vgl etwa ; ; ).
Wie den Ausführungen des erkennenden Gerichtes unter Punkt II.1. (Festgestellter Sachverhalt) und Punkt II.2. (Beweiswürdigung) zu entnehmen ist, bestand der Schwerpunkt der Tätigkeit des Bf für die ***X GmbH*** in der Ausarbeitung technischer Lösungen (Projektentwicklung). Die - für einen Vertreter charakteristische - Verkaufstätigkeit war untergeordnet. Damit steht dem Bf im Streitjahr das Vertreterpauschale nicht zu.
Arbeitszimmer:
Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.
Für die Bestimmung des Mittelpunktes einer Tätigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ihr materieller Schwerpunkt maßgebend; in Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl etwa ; ; ; ; ). Der Umstand, dass ein Abgabepflichtiger über keinen anderen Arbeitsraum (etwa beim Arbeitgeber) verfügt, macht ein Arbeitszimmer nicht zwangsläufig zum Tätigkeitsmittelpunkt (vgl etwa ; siehe auch Peyerl in Jakom EStG16 § 20 Rz 51).
Wie den Ausführungen des erkennenden Gerichtes unter Punkt II.1. (Festgestellter Sachverhalt) und Punkt II.2. (Beweiswürdigung) zu entnehmen ist, nutzte der Bf das in seinem privaten Wohnhaus befindliche Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht nicht für mehr als die Hälfte seiner Tätigkeit für die ***X GmbH***. Er verbrachte den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit im Außendienst.
Vor dem Hintergrund der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung steht ihm daher im Streitjahr für das Arbeitszimmer kein Werbungskostenabzug zu.
Internetkosten:
Kosten der beruflichen Verwendung eines Internetanschlusses sind - unabhängig vom Vorliegen eines begünstigten häuslichen Arbeitszimmers - als Werbungskosten absetzbar. Sofern Internetkosten sowohl beruflich als auch privat veranlasst sind, sind sie aufzuteilen. Ist eine genaue Abgrenzung nicht möglich, ist die Aufteilung zu schätzen (vgl Zorn in Doralt et al, EStG21 § 16 Tz 220, ABC der Werbungskosten, Stichwort "Internet").
Als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen sind über Verlangen der Abgabenbehörde gemäß § 138 BAO nachzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft zu machen (vgl ; ). Ist nach den Umständen des Einzelfalles der Beweis nicht zumutbar, genügt die Glaubhaftmachung. Sie hat den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand und unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl ). Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 2006/15/0125, das ua die Frage des Ausmaßes der Absetzbarkeit von teils beruflich, teils privat veranlassten Telefonkosten zum Gegenstand hatte, den Beweis des beruflich veranlassten Anteiles an den Telefonkosten, etwa durch einen Einzelgesprächsnachweis, als einem Dienstnehmer regelmäßig nicht zumutbar beurteilt und daher die Glaubhaftmachung genügen lassen. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes gilt dies sinngemäß für die Absetzbarkeit von Internetkosten (siehe dazu auch ).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das erkennende Gericht im vorliegenden Fall den Anteil der beruflichen Nutzung des Internets mit 60% angenommen (vgl dazu die Ausführungen des erkennenden Gerichtes unter Punkt II.1. [Festgestellter Sachverhalt] und Punkt II.2. [Beweiswürdigung]), sodass ausgehend vom Gesamtbetrag der Internetkosten in Höhe von 351,86 Euro ein anteiliger Betrag in Höhe von 211,12 Euro als Werbungskosten abzugsfähig ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Ergänzender Hinweis: Der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Lohnzettel weist "Bruttobezüge" in Höhe von 71.186,74 Euro (KZ 210) und "steuerpflichtige Bezüge" in Höhe von 50.021,16 Euro (KZ 245) aus. Unter Berücksichtigung nur des halben Kfz-Sachbezuges sind die genannten Positionen jeweils um den Betrag von 2.862,00 Euro zu kürzen (siehe beiliegendes Berechnungsblatt).
Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weswegen die Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 17 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 138 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 §§ 243 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Durchschnittssätze für Werbungskosten - Angehörige bestimmter Berufsgruppen, BGBl. Nr. 32/1993 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100270.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at