Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 10.11.2023, RV/7101954/2022

Nichtbescheide, weil eine KG infolge Auflösung ("dissolution" einer britischen Ltd.) ihrer einzigen Komplementärin nicht mehr existierte

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101954/2022-RS1
Die Löschung und Auflösung ("dissolution") einer "private limited company" nach dem Recht des Vereinigten Königreichs wirkt konstitutiv und beendet deren Rechtsfähigkeit. Hat eine inländische Personengesellschaft neben einer solchen Limited nur einen weiteren Gesellschafter, wird dieser mit der "dissolution" der Limited zum Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Kommanditist*** als Rechtsnachfolger der ***KG***, ***Adresse KG***, betreffend die Beschwerde der ***Beschwerdeführerin*** vom gegen die als Bescheide bezeichneten Erledigungen des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren für die Jahre 2007 bis 2009 sowie Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2007 bis 2010, Steuernummer ***BF1StNr1***:

I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang

Die bescheiderlassende Behörde führte bei der ***KG*** eine Außenprüfung hinsichtlich der Jahre 2007 bis 2010 durch, welche mit Bericht vom abgeschlossen wurde. Nach Ansicht der Behörde habe die nunmehrige Beschwerdeführerin (Bf.) ***Beschwerdeführerin*** als faktische Machthaberin zusammen mit dem Kommanditisten - ihrem Ehegatten - ***Kommanditist*** in großem Umfang Lohnabgaben, Umsatzsteuer sowie Einkommensteuer hinterzogen.

Infolge dieser Außenprüfung erließ die Abgabenbehörde am mehrere als (Wiederaufnahme- und Feststellungs-) Bescheide bezeichnete Erledigungen. Im Spruch der neuen "Feststellungsbescheide" wurden die Einkünfte gleichermaßen der Bf. und ihrem Ehegatten zugerechnet, während den nach Ansicht der Abgabenbehörde nur vorgeschobenen anderen Beteiligten keine Einkünfte zugerechnet wurden.

Gegen diese Erledigungen richtet sich die in diesem Verfahren gegenständliche Beschwerde der Bf. vom . Da diese zunächst eine andere Unterschrift als jene der Bf. aufwies, erließ die bescheiderlassende Behörde am einen Mängelbehebungsauftrag, woraufhin die Beschwerde innerhalb der gesetzten Frist mit der Unterschrift der Bf. an die Behörde übermittelt wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde der Bf. als unbegründet abgewiesen. Dagegen richtet sich der - als Beschwerde bezeichnete - rechtzeitige Vorlageantrag der Bf. vom . Am wurde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Zuge der Finanzorganisationsreform trat mit das Finanzamt Österreich an die Stelle der bescheiderlassenden Behörde. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache der mit neu besetzten Gerichtsabteilung 4013 zugewiesen.

Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht das Landesgericht für Strafsachen Wien um Übermittlung einiger Unterlagen aus dem dort geführten Strafakt. Mit Schreiben vom wurde diesem Ersuchschreiben entsprochen. Mit Schreiben vom wurde die Bf. diesbezüglich vom Bundesfinanzgericht um Stellungnahme ersucht, doch blieb dieses Ersuchen unbeantwortet.

2. Sachverhalt

2.1. Zu den persönlichen und gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen

Die ***KG*** betrieb im Streitzeitraum in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (Firmenbuchnummer ***FN***) an der Adresse ***Adresse KG***, eine Pizzeria.

Die KG wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und am im Firmenbuch eingetragen. Als Kommanditist war stets - und ist nach wie vor - ***Kommanditist***, der Ehegatte der Bf., im Firmenbuch eingetragen. Komplementäre waren in der Vergangenheit neben der Bf. mehrere der laut Abgabenbehörde nur vorgeschobenen (ausländischen) natürlichen Personen. Seit ist die ***Ltd*** mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Registernummer ***Ltd-Reg.Nr.***, als Komplementärin eingetragen; seit als alleinige Komplementärin.

Die ***Ltd*** wurde am in der Rechtsform einer private limited company in das vom Companies House geführte britische Handelsregister eingetragen. Mit Wirkung vom wurde sie von Amts wegen aus dem britische Handelsregister gestrichen ("struck off the register") und aufgelöst ("dissolved").

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , ***Gz***, wurden die Bf. und ihr Ehegatte verurteilt. Nach dem Schuldspruch haben sie als faktische Machthaber in Bezug auf die ***KG*** sowie drei andere Personengesellschaften Lohnabgaben und Umsatzsteuer der Jahre 2007 bis 2012 sowie jeweils ihre persönliche Einkommensteuer der Jahre 2011 bis 2012 hinterzogen (strafbestimmende Wertbeträge: ***Kommanditist*** 711.887 €, ***Beschwerdeführerin*** 689.389 €), wofür beide jeweils zu einer Geldstrafe in Höhe von 350.000 € (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Monate) sowie einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt wurden.

2.2. Zu den gegenständlichen behördlichen Erledigungen

Infolge der gegenständlichen die Jahre 2007 bis 2010 umfassende Außenprüfung erließ die Abgabenbehörde am folgende als Bescheide bezeichnete Erledigungen:

  1. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2007

  2. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2008

  3. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2009

  4. Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2007

  5. Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2008

  6. Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2009

  7. Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2010

Im Spruch der "Feststellungsbescheide" wurden die Einkünfte der KG gleichermaßen der Bf. und ihrem Ehegatten zugerechnet, während den nach Ansicht der Abgabenbehörde nur vorgeschobenen anderen Beteiligten keine Einkünfte zugerechnet wurden.

Die "Wiederaufnahmebescheide" sind wie folgt adressiert:

***KG***
***Adresse Kommanditist***
***PLZ+Ort***

Die "Bescheide" über die Feststellung von Einkünften für die Jahre 2007 bis 2009 sind wie folgt adressiert:

Firma
***KG*** / ***FN***
***Adresse KG***
***falsche PLZ+Ort***

Der "Bescheid" über die Feststellung von Einkünften für das Jahr 2010 ist wie folgt adressiert:

Firma
***KG*** / ***FN***
z. Hdn.
***Kommanditist***
***Adresse KG***
***falsche PLZ+Ort***

Die Zustellverfügung auf dem RSb-Kuvert lautet für sämtliche dieser Erledigungen wie folgt:

***Beschwerdeführerin***
***Adresse Bf.***
***PLZ+Ort***

Parallel dazu wurden sämtliche dieser Erledigungen auch ***Kommanditist*** und den nach Ansicht der Abgabenbehörde nur vorgeschobenen anderen Beteiligten der KG zugestellt.

3. Beweiswürdigung

Die Feststellungen im Abschnitt 2.1. ergeben sich widerspruchsfrei aus dem Firmenbuch, dem britischen Handelsregister sowie dem Strafakt des Landesgerichts für Strafsachen Wien zur Gz. ***Gz***, in welche das Gericht jeweils von Amts wegen Einsicht genommen hat.

Die Feststellungen im Abschnitt 2.2. ergeben sich aus den von der Abgabenbehörde dem Gericht vorgelegten Unterlagen, insbesondere den vorgelegten bekämpften Erledigungen.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass die Löschung einer private limited company im Register nach dem Recht des Vereinigten Königreichs konstitutiv wirkt und die Beendigung ("dissolution") bewirkt, dass die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft endet (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Mit der Auflösung der ***Ltd*** am endete somit deren Rechtsfähigkeit, womit auch die einzige Komplementärin der ***KG*** wegfiel und nur noch der Kommanditist als ihr einziger Gesellschafter verblieb.

Gemäß § 142 UGB erlischt eine Gesellschaft ohne Liquidation, wenn nur noch ein Gesellschafter verbleibt. Diesfalls geht das Gesellschaftsvermögen im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über. In abgabenrechtlicher Hinsicht gehen in diesem Fall gemäß § 19 Abs. 1 BAO alle Rechten und Pflichten des Rechtsvorgängers, die sich aus den Abgabenvorschriften ergeben, in materieller wie verfahrensrechtlicher Hinsicht auf den Rechtsnachfolger über.

Nach Ansicht des Gerichtes wurden die gegenständlichen Bescheide an die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht mehr existierende ***KG*** adressiert. Hinsichtlich der "Wiederaufnahmebescheide" ergibt sich dies aus dem Umstand, dass in diesen Erledigungen keine anderen Personen namentlich genannt werden. Hinsichtlich der "Feststellungsbescheide" ergibt sich dies aus dem Umstand, dass im Adressfeld dieser Erledigungen die KG unter Angabe ihrer Firmenbuchnummer und mit der Anrede "Firma" aufscheint. Die Nennung der Bf. auf der Zustellverfügung bzw. dem RSb-Kuvert genügt nach herrschender Rechtsprechung nicht, um den Adressaten einer Erledigung zu erschließen (; , 90/17/0385).

Die Adressierung einer Erledigung an ein rechtlich nicht (mehr) existierendes Gebilde entfaltet keine Rechtswirkung, und zwar auch dann nicht, wenn die Erledigung tatsächlich dem Rechtsnachfolger zukommt (; , 91/13/0162).

Die Nennung der Bf. im Spruch der "Feststellungsbescheide" (als Person, der Einkünfte zugerechnet werden) reicht ebenfalls nicht für die Annahme, sie sei Adressatin dieser Erledigungen, da in Zusammenschau mit der Nennung der KG im Adressfeld jedenfalls unklar bleibt, wer nun wirklich Adressat dieser Erledigungen sein soll. Derartige Unklarheiten über die Identität des Bescheidadressaten führen ebenfalls dazu, dass überhaupt keine wirksamen Bescheide vorliegen (vgl. ).

Zusammengefasst wären die angefochtenen Erledigungen vom daher richtigerweise nicht an die ***KG*** zu richten gewesen, sondern an ***Kommanditist*** als Rechtsnachfolger der ***KG***. Aufgrund der Nennung eines nicht (mehr) existierenden Bescheidadressaten bzw. einer unklaren Bezeichnung des Adressaten handelt es sich bei den bekämpften Erledigungen um Nichtbescheide.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO sind Beschwerden zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig sind. Insbesondere sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter nach herrschender Ansicht als unzulässig zurückzuweisen (Ritz/Koran, BAO7, § 260 Tz 8 mit weiteren Nachweisen).

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge der Zurückweisung im Fall einer Beschwerde gegen eine an eine nicht mehr existente Personengesellschaft gerichtete Erledigung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Mangels einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung war die Revision daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 142 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101954.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at