1. Rechtmäßige Anwendung der Differenzbesteuerung im Gemeinschaftsgebiet führt zu keiner Erwerbsbesteuerung (Art 24 UStG 1994) 2. Versagung des Vorsteuerabzugs nur aus materiellen Gründen und nicht allein wegen Verletzung der Formvorschriften
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/13/0001.
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RV/7100525/2019-RS1 | Ist die Anwendung der Differenzbesteuerung im Gemeinschaftsgebiet gem. § 25a Abs. 2 Nr. 1 dUStG für den Verkauf von selbst aus dem Drittland importierten Silbermünzen nach nationalem Recht als rechtmäßig zu beurteilen, unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb für das beschwerdeführende Unternehmen gem. Art. 24 Abs. 2 UStG 1994 nicht der Umsatzsteuer. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***3*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ALTHUBER SPORNBERGER & PARTNER Rechtsanwälte GmbH, Doblhoffgasse 9, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Umsatzsteuer 2013 und 2014, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2013 und 2014 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Umsatzsteuer(Gutschrift) wird für das Jahr 2013 in Höhe von -19.763,28 € festgesetzt.
Die Umsatzsteuer wird für das Jahr 2014 in Höhe von 94.305,54 € festgesetzt.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) betrieb bis zum ein Einzelunternehmen im Bereich "Handel mit Gold- und Silberwaren".
Mit Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurde bei der Bf. am eine Betriebsprüfung abgeschlossen, welche unter anderem die Umsatzsteuer in den Jahren 2012 bis 2014 zum Gegenstand hatte.
Streitgegenständlich sind die Feststellungen in Tz 1 und Tz 2 des Prüfungsberichtes, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Umsatzsteuerbescheide 2013 und 2014.
Die belangte Behörde folgte in der Begründung zu den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden 2013 und 2014 der Rechtsauffassung der Außenprüfung, die im Wesentlichen wie folgt zusammenzufassen war:
Zu Tz 1: Differenzbesteuerung - Silbermünzen
Die Bf. habe im Jahr 2014 Lieferungen von Silbermünzen im Wert von 3,444.655,31 € von der in Deutschland im Jahr 2014 neu gegründeten ***4*** GmbH (idF GmbH) erhalten. Es handelte sich hierbei um ein im Einflussbereich des Ehegatten der Bf. stehendes Unternehmen, dass laut Auskunft der steuerlichen Vertretung bzw. laut Auskunft des Ehegatten nur differenzbesteuerte Umsätze in Deutschland tätigte. Die gegenständlichen von der GmbH aus dem Drittland importierten Silbermünzen seien an die Bf. differenzbesteuert geliefert worden und in der Folge von ihr ebenfalls differenzbesteuert an Privatpersonen verkauft worden. Die GmbH hat die in Deutschland anfallenden EUSt-Beträge i.H.v. 7 % der jeweiligen Einstandspreise nicht als Vorsteuer geltend gemacht.
Es sei strittig gewesen, ob im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung eine Differenzbesteuerung von Silbermünzen überhaupt möglich gewesen wäre.
Der Prüfer folgte mit seiner rechtlichen Würdigung einer Stellungnahme des Fachbereiches für Umsatzsteuer im Bundesministerium für Finanzen. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die aktuelle deutsche Rechtslage die Anwendung der Differenzbesteuerung für diese Silbermünzen im Ausland unionsrechtswidrig gestatte. Aufgrund des Art 16 DVO (EU) 282/2011, könne der Mitgliedstaat der Beendigung des Versands seine Besteuerungskompetenz unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands wahrnehmen. Unter anderem könne daraus abgeleitet werden, dass die österreichische Finanzverwaltung eigenständig beurteilen könne, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Differenzbesteuerung in Deutschland vorgelegen haben. Daraus sei zu schließen, dass bei diesen Lieferungen die Differenzbesteuerung in Österreich unzulässig gewesen wäre, weil sie aus österreichischer und unionsrechtlicher Sicht auf die Eingangsumsätze nicht hätte angewendet werden dürfen. Es reiche nach Ansicht des Fachbereiches für Umsatzsteuer nicht aus, dass nach dem Wortlaut des Art 24 Abs. 2 UStG 1994 die Differenzbesteuerung tatsächlich angewendet wurde, sondern ihre Anwendung müsse auch im Ausland rechtlich zulässig gewesen sein. Die Lieferung der Silbermünzen hätte damit richtigerweise als innergemeinschaftliche Lieferung bzw. Erwerb behandelt werden müssen.
Zu Tz.2 Vorsteuerkürzung
Im Rechnungswesen der Bf. habe sich eine Eingangsrechnung eines Lieferanten, ***1***, ***2***, über die Lieferung von Edelmetallen (Silber und Platin) im Zeitraum August bis September 2013 befunden. Die darin gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer wurde von der Bf. als Vorsteuer geltend gemacht.
"Im Zuge einer durch eine Kontrollmitteilung des auch für diesen Fall zuständigen Finanzamts ausgelösten Außenprüfung bei ***1*** wurde für den Zeitraum Juli bis Oktober 2013, festgestellt, dass der auf besagten Rechnungen ausgewiesene Firmensitz in ***2***, tatsächlich niemals existent war. Bei der Begehung durch Organe der Finanzverwaltung war der Zugang zum Grundstück versperrt, Hinweise auf ein Unternehmen des ***1*** konnten nicht vorgefunden werden. Weder seiner steuerlichen Vertreter noch der Finanzverwaltung ist es gelungen, im Rahmen der Außenprüfung mit ***1*** Kontakt aufzunehmen. Da nicht überprüft werden konnte, ob die auf den Rechnungen ausgewiesenen Lieferungen von Silber und Platin tatsächlich erfolgt sind, wurde ***1*** die Umsatzsteuer nach § 11 Abs. 14 UStG vorgeschrieben.
Im Rahmen der Außenprüfung bei der Bf. wurde mittels Auskunftsersuchens an die deutsche Finanzverwaltung festgestellt, dass ***1*** die Waren von einem deutschen Lieferanten tatsächlich erhalten hat. Dass die Waren in der Folge an die Abgabepflichtige geliefert wurden, steht daher außer Streit. Von der Betriebsprüfung wird der Vorsteuerabzug nicht anerkannt, da die vorliegenden von ***1*** ausgestellten Rechnungen nicht den Bestimmungen des § 11 iVm § 12 UStG 1994 (Rechnungsadresse im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung nicht aufrecht) entsprechen."
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am den Umsatzsteuerbescheid 2013, in welchem Vorsteuern in Höhe von 63.943,56 € nicht anerkannt wurden.
Im Umsatzsteuerbescheid 2014 wurde der Ankauf der Silbermünzen im Wert von 3,444.655,31 € als innergemeinschaftlicher Erwerb der Erwerbsbesteuerung unterzogen und in einem die Erwerbsteuer in Höhe von 688.931,06 € als Vorsteuer in Abzug gebracht.
Die Außenprüfung beurteilte die anschließende Lieferung als nicht differenzbesteuert, errechnete infolgedessen eine Bemessungsgrundlage für die an Privatpersonen zum Normalsteuersatz weiterverkauften Silbermünzen in Höhe von 2,870,546,09 € (3,444.655,31/1,2) und zählte diese zu den erklärten steuerbaren Umsätzen, sodass sich daraus ein Gesamtbetrag in Höhe von 3,611.388,61 € ergeben hatte.
Nach mehrmaliger Verlängerung der Beschwerdefrist wurde am Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2013 und 2014 erhoben und am fristgerecht die Begründung zur Beschwerde an die belangte Behörde übermittelt. Infolge eines Wechsels der steuerlichen Vertretung wurde am ein ergänzendes Beschwerdevorbringen eingebracht.
Die Bf. sei mit ihrem damaligen Ehegatten von September 2008 bis Februar 2016 (also auch während der streitgegenständlichen Jahre) verheiratet gewesen. Der Ehegatte wäre ausgebildeter Vermögens- sowie Finanzberater und ursprünglich bei einer Bank tätig gewesen.
Während dieser Tätigkeit habe er sich mit dem Handel von Edelmetallen befasst und nach deren Beendigung verstärkt dem Unternehmen der Bf. gewidmet und wollte dessen Geschäftsumfang ausweiten, weshalb unter anderem weitere Filialen in größeren österreichischen Städten, auch im angrenzenden Ausland eröffnet und schließlich die ***4*** GmbH in Deutschland gegründet worden wäre. Alleingesellschafter und Geschäftsführer dieser GmbH wäre Herr ***4*** gewesen.
Das Unternehmen der Bf. sei schließlich mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom zum von der Bf. an ihren damaligen Ehegatten übertragen worden. Die Bf. wäre bis zum Verkauf ihres Betriebes im Unternehmen tätig gewesen und danach ausgeschieden.
Die steuerliche Vertretung führte überdies zu Tz 1 und Tz 2 des Prüfungsberichtes in einem ergänzenden Beschwerdevorbringen vom im Wesentlichen wie folgt aus:
TZ 1: Zulässigkeit der Differenzbesteuerung in Deutschland und tatsächliche Differenzbesteuerung
Unter Hinweis auf § 24 Abs. 1 UStG 1994 und Art 24 Abs. 2 UStG 1994 (idF UStG) vertritt die steuerliche Vertreter die Ansicht, dass die zentrale Anforderung für die Steuerfreistellung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs nach Art 24 Abs. 2 UStG die tatsächliche Anwendung der Differenzbesteuerung im Ausland sei. Dies wäre im vorliegenden Fall unstrittig erfüllt worden, da die Bf. keine Befreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen angenommen habe, zumal auf sämtliche Lieferungen die Differenzbesteuerung angewandt worden wäre.
Diese Vorgangsweise habe der deutschen Rechtslage entsprochen, wonach gem. § 25 Abs. 2 Z 1 dUStG der Wiederverkäufer spätestens bei Abgabe der ersten Voranmeldung eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären könne, dass er die Differenzbesteuerung von Beginn dieses Kalenderjahres an auch auf Sammlungsstücke (Nummer 49 Buchstabe f und Nummer 54 der Anlage 2), die er selbst eingeführt hat, anwende.
Laut Anlage 2 Nummer 54 Buchstabe c Unterbuchstabe cc zählten dazu auch Münzen und Medaillen aus Edelmetallen, wenn die Bemessungsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250 % des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts ohne USt betrage (aus Positionen 7118, 97050000 und 97060000 des Zolltarifs).
Die hier gegenständlichen Silbermünzen erfüllten diese Anforderungen der Definition in Deutschland, auch wenn sie unter die Position 7118 des Zolltarifs fallen, die von der Mehrwertsteuerrichtlinie allenfalls nicht erfasst sei. Demnach könne in Deutschland nach deutschem Recht unbestrittenermaßen die Differenzbesteuerung angewendet werden.
Unionsrechtlich sieht Art 316 Abs. 1 lit. a MwStSyst-RL vor, dass die Mitgliedstaaten den steuerpflichtigen Wiederverkäufern das Recht einräumen, die Differenzbesteuerung bei der Lieferung von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten anzuwenden, die sie selbst eingeführt haben. Nach Art 316 Abs. 2 MwStSyst-RL legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten der Ausübung der Option des Abs. 1 fest, die in jedem Fall für einen Zeitraum von mindestens zwei Kalenderjahren gelten muss.
Die steuerliche Vertretung folgte der Ansicht des bundesweiten Fachbereichs nicht, wonach der Art 311 Abs. 1 Z 3 MwStSystRL den Begriff "Sammlungsstücke" für das gesamte Kapitel 4 (und damit auch für Zwecke des Art 316 MwStSyst-RL) mit Verweis auf den Anhang IX Teil B definiere. Dabei wären im Sinne des Art 316 Abs. 1 lit a MwStSystRL die steuerpflichtigen Wiederverkäufer berechtigt, nur für Sammlungsstücke gem Anhang IX Teil B 2, unter anderem von münzkundlichem Wert (KN-Code 97050000 des Zolltarifs), nicht aber für Münzen der Position 7118 die Differenzbesteuerung anzuwenden, wenn sie sie selbst eingeführt hatten.
Unter Verweis auf EuGH Daiber, C- 200/84 und der Ansicht des deutschen /04, RZ 172, sei nach Auffassung der steuerlichen Vertretung die Anführung der KN Code Nummer in Klammern durch den Richtliniengesetzgeber nur demonstrativer und nicht abschließender Natur. Danach erscheine es zum einen angesichts der Rechtsprechung des EuGH zu Sammlungsstücken überzeugend, die Sammlungsstücke mit münzkundlichem Wert aus dem Begriff heraus auszulegen, um ein einheitliches für umsatzsteuerliche Zwecke abgeschlossenes Begriffsverständnis zu erhalten.
Ein solches demonstratives Verständnis ergebe sich zum anderen aus dem Umstand, dass sich etwaige Änderungen der Klassifizierungen für das Zollrecht nicht auf den Umfang der Differenzbesteuerung auswirken könnten. Sammlungsstücke mit münzkundlichem Wert könnten demzufolge aus mehreren Positionen des Zolltarifs (teilweise auch aus anderen als der KN-Code 9705 00 00) stammen. Notwendige Anforderung sei, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250% des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts ohne USt betrage.
Damit werde eine sachgerechte Abgrenzung von Sammlungsstücken mit und Sammlungsstücken ohne münzkundlichem Wert herbeigeführt, und diese Abgrenzung sei auch mit der Definition im Anhang IX Teil B der MwStSyst-RL vereinbar.
Im Ergebnis habe Deutschland richtlinienkonform die Differenzbesteuerung auch für bestimmte Silbermünzen mit münzkundlichem Wert iSd Position 7118 angewendet.
Selbst wenn man sich dieser Rechtsauffassung nicht anschließen sollte und im Sinne der Rechtsauffassung des bundesweiten Fachbereiches davon ausginge, dass Deutschland die Differenzbesteuerung richtlinienwidrig angewendet habe, bliebe im vorliegenden Fall die Differenzbesteuerung bei der Bf. im Jahre 2014 aufgrund des Art 24 Abs. 2 UStG 1994 erhalten.
Würde aber das Unternehmen der Bf. in Österreich einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern müssen (iSd Art 1 UStG) wäre eine richtlinienwidrige Doppelbesteuerung die Folge. Könnte Österreich als Erwerbsstaat eigenständig entsprechend der MwStSystRL festlegen, dass alleine bei einer nach nationalem Recht und dem Unionsrecht gedeckten Anwendung der Differenzbesteuerung eine Ausnahme von der Erwerbsbesteuerung, wie in Art 24 Abs. 2 UStG geregelt, zulässig gewesen wäre, laufe dies der grundlegenden Systematik der MwStSyst-RL, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, zuwider. Dabei ergebe der Wortlaut des Art 24 Abs. 2 UStG eindeutig, dass im Fall einer Anwendung der Differenzbesteuerung (§ 24 UStG) im Ausland der innergemeinschaftliche Erwerb nicht der Umsatzsteuer unterliege, wenn auf die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber iSd Art 1 Abs. 2 UStG 1994 im übrigen Gemeinschaftsgebiet die Differenzbesteuerung angewendet worden ist. Dem Wortlaut dieser Bestimmung könne nicht entnommen werden, dass es auf die rechtliche Zulässigkeit der Differenzbesteuerung nach der Mehrwertsteuerrichtlinie ankomme. Es gebe für die Auffassung des bundesweiten Fachbereiches auch keine historischen, systematischen oder teleologischen Argumente. Eine richtlinienwidrige Rechtslage im Ausland wäre vielmehr im Rahmen einer Gesetzesänderung dort zu beheben und könnte etwa im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens angeregt werden.
Der EuGH hat im Urteil vom , Litdana, C-624/15, im Fall einer unrichtigen Angabe der Anwendung der Differenzbesteuerung in der Rechnung über eine innergemeinschaftliche Lieferung und in Fällen, in denen nicht alle materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, die das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf einen Vorsteuerabzug eröffnen, wiederholt festgestellt: Das Recht auf Anwendung der Begünstigung oder der Befreiung darf einem Steuerpflichtigen nicht versagt werden, der im guten Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. Teleos C-409/04, EuGH 06-09.2012, Mecsek - Gabona, C-273/11).
Daraus sei für den Beschwerdefall ableitbar, dass einem Steuerpflichtigen, der eine Rechnung mit Angaben zur Differenzbesteuerung erhalten hat, das Recht zur Anwendung der Differenzbesteuerung nicht versagt werden könne, selbst wenn eine spätere Prüfung zeigte, dass die Differenzbesteuerung auf die Lieferung dieser Gegenstände unionsrechtlich nicht angewendet werden hätte dürfen. Im vorliegenden Fall stünde außer Zweifel, dass keine Steuerhinterziehung vorgelegen wäre, weil die Anwendung deutschem Recht entsprochen habe und von den dortigen Behörden bestätigt worden wäre.
Die steuerliche Vertretung beantragte den Umsatzsteuerbescheid 2014 abzuändern und auf die Erlöse in Höhe von 3,444.655,31 € die Differenzbesteuerung anzuwenden.
Zu Tz 2: Vorsteuerkürzung
Auf Basis aktueller Rechtsprechung des VwGH wie auch des EuGH könne wegen der fehlenden Greifbarkeit von Herrn Bela ***1*** an der in den Rechnungen angegebenen Adresse kein Vorsteuerabzug versagt werden, da keine Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1994 vorliege.
§ 11 Abs. 1 Z 3 lit a UStG 1994 verlange nach besagter Rechtsprechung, dass der Lieferant unter der angegebenen Adresse nicht erreichbar sei, sondern allein, dass die auf der Rechnung aufscheinende Gesellschaft mit der auf der Rechnung angeführten Anschrift Lieferantin gewesen wäre. Im konkreten Fall sei der leistende Unternehmer eindeutig identifizierbar, zudem sei auch unstrittig, dass die gegenständlichen Lieferungen tatsächlich erfolgt sind.
Außerdem wären im Sinne der Gutglaubensjudikatur des EuGH von der Bf. alle zumutbaren branchenüblichen Maßnahmen getroffen worden, um den Vorsteuerabzug zu kontrollieren: Einsichtnahme in das Firmenbuch, Überprüfung der UID, Aufsuchen des Lieferanten am , am von einem Mitarbeiter der Bf., ***5*** ***6***, Übernahme der Waren am Firmensitz von Bela ***1***. Ferner habe es keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der auf den Rechnungen angegebenen Firmenanschrift gegeben. Nach Auskunft des Vermieters, habe es an der relevanten Adresse einen Mietvertrag mit ***1*** gegeben und wären Mieten bezahlt worden.
Die belangte Behörde erließ am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in welcher sie zu den Feststellungen der Außenprüfung in Tz 1 wie folgt ausführte:
"Die Anwendung der Differenzbesteuerung gem. § 24 Abs. 2 lit a UStG auf die von der Bf. eingeführten Silbermünzen (konkret: Wiener Philharmoniker in Silber) ist nach geltendem österreichischem Umsatzsteuerrecht nicht zulässig. Die Bf. argumentierte damit, dass laut Auskunft des Steuerberaters der deutschen ***4*** GmbH die Anwendung der Differenzbesteuerung auf diese Silbermünzen in Deutschland zulässig ist.
Im der Beschwerde beigelegten Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Michael Tumpel vom wurde unter Berufung auf Art. 316 Abs. 2 MwStSys-RI die Rechtsauffassung vertreten, dass das deutsche Umsatzsteuergesetz mit der Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung für die Lieferung der Silbermünzen nicht gegen das Unionsrecht verstoßen habe und die Differenzbesteuerung infolge dessen auch bei einer Lieferung nach Österreich anwendbar bliebe. Deutschland und Österreich interpretieren das Unionsrecht in Hinblick auf die Definition des Begriffs "Sammlungsstücke von ... münzkundlichem Wert" unter Tarifposition 9705 00 00 der Kombinierten Nomenklatur sowie Anhang IX, Teil B Z 2 zu Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom nicht gleich. Als Sammlungsstücke werden nach der Judikatur des EuGH Gegenstände bezeichnet, die geeignet sind, in Sammlungen aufgenommen zu werden, dh Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels sind und einen hohen Wert haben ( 200/84 "Daiber", Slg 3363,; , Rs 252/84 "Collector Guns", Slg 3387). Nach österreichischer Judikatur sind Sammlungsstücke Objekte, deren kultureller Wert den Gebrauchswert so wesentlich übersteigt, dass sie nach der Verkehrsauffassung nicht Zwecken des täglichen Lebens dienen, sondern regelmäßig mit anderen Gegenständen gleicher Art nach einem systematischen Zusammenhang aufbewahrt und gepflegt werden (, ÖStZB 247 = Slg 4892 F; , 126/76, ÖStZB 1977, 39). Derartige Gegenstände sind begünstigt, auch wenn sie im konkreten Fall einer Sammlung nicht angehören, andere Gegenstände sind nur begünstigt, wenn sie im Einzelfall tatsächlich einer bestimmten Sammlung gewidmet sind (vgl. Ruppe/Achatz 4. Auflage, § 10 Anm 42 zu Sammlungsstücken iSd Nummer 45 der Anlage). Laut der Sachverhaltsdarstellung im Prüfbericht wurden die gegenständlichen Silbermünzen nicht zu diesen Zwecken gehandelt/erworben, sondern es handelt sich aus Sicht des österreichischen Umsatzsteuerrechts um Anlageobjekte, die nicht unter die Differenzbesteuerung fallen. Geldmünzen und Medaillen, die nicht als Sammlungen oder Sammlungsstücke von münzkundlichen Wert zu bezeichnen sind (z.B. größere Sendungen der gleichen Münze oder Medaillen) gehören zu Kapitel 71 der Kombinierten Nomenklatur, auch wenn sie für den allgemeinen Verkauf in besonderen Aufmachungen angeboten werden, für diese ist die Differenzbesteuerung nicht anwendbar. In Deutschland werde, anders als in Österreich, von einem münzkundlichen Wert bereits ausgegangen, "...wenn die Bemessungsgrundlage für die Umsätze mehr als 250 von Hundert des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts ohne Umsatzsteuer beträgt". Die Praxis der deutschen Steuerverwaltung, bei einer größeren Abweichung vom Materialwert automatisch von einem münzkundlichen Wert auszugehen, lässt sich nicht aus dem Unionsrecht ableiten. Aus österreichischer Sicht liegt kein münzkundlicher Wert vor und wurden innergemeinschaftliche Erwerbe bewirkt, da Art. 24 Abs. 2 UStG, nach dem innergemeinschaftliche Erwerbe bei differenzbesteuerten Lieferungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeschlossen sind wegen der (aus österreichischer und unionsrechtlicher Sicht) zu Unrecht erfolgten Differenzbesteuerung in Deutschland nicht zur Anwendung gelangt. Gemäß Art. 16 DVO (EU) 282/2011 kann der Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände im Sinne von Artikel 20 der Richtlinie 2006/112/EG seine Besteuerungskompetenz unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände wahrnehmen. Im 17. Erwägungsgrund zur DVO wird hierzu erläutert, dass das Recht des Erwerbsmitgliedstaats zur Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs nicht durch die mehrwertsteuerliche Behandlung der Umsätze im Abgangsmitgliedstaat beeinträchtigt werden sollte. Die weiter unten vertretene Auffassung, dass die Kombinierte Nomenklatur für die Interpretation von umsatzsteuerlichen Belangen nur "zweifelhafte Bedeutung" habe wird seitens des Finanzamtes ebenfalls nicht geteilt, da in den Anhängen zur Mehrwertsteuersystemrichtline explizit auf die KN-Codes verwiesen wird. Das Gutachten und die Beschwerde nehmen zudem noch auf die Entscheidung in Sachen Litdana (, C-24/15) Bezug. Im Sachverhalt dieser Entscheidung stellte die litauische Steuerbehörde im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung bei der Litdana fest, dass bei einem Gebrauchtwagengeschäft der Lieferant entgegen den in der Rechnung festgehaltenen Angaben gegenüber dem Käufer die Differenzbesteuerung nicht angewendet hat. Aufgrund dessen forderte die Behörde die Litdana zur Entrichtung der Mehrwertsteuer auf, worauf diese den Instanzenzug bis zum EuGH verfolgte. Der EuGH gestand der Litdana die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung zu, da diese aufgrund der Rechnungsangaben im guten Glauben gehandelt und alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung getroffen hatte. Aus dieser Entscheidung ist für den gegenständlichen Sachverhalt nichts zu gewinnen, da es nicht um eine unterschiedliche Interpretation des Unionsrechts in den zwei beteiligten Mitgliedstaaten ging, sondern um eine vom Lieferanten begangene Steuerhinterziehung. Der Hauptstreitpunkt war die Frage, ob einem gutgläubigen differenzbesteuerten Käufer bei vereinbarungswidriger Geltendmachung von Vorsteuern durch den Lieferanten im Versendestaat weiterhin der Vorteil der Differenzbesteuerung erhalten bleibt oder ob er wegen dem Verhalten seines Lieferanten die volle Umsatzsteuer abführen muss. Aus diesem Urteil lässt sich weder ableiten, dass ein Lieferant durch die rechtswidrige Anwendung der Differenzbesteuerung für den Käufer im Empfangsstaat das Recht auf die Anwendung der Differenzbesteuerung schaffen kann, noch, dass eine unionsrechtswidrige steuerliche Vorgehensweise im Versendestaat den Empfangsstaat bindet.
TZ 2 Vorsteuerkürzung
Es ist aufgrund des Ortsaugenscheins an der Rechnungsadresse in ***8*** ***7*** davon auszugehen, dass der Rechnungsaussteller Bela ***1*** dort niemals einer Geschäftstätigkeit nachgegangen ist. Der Verweis auf die VwGH-Entscheidungen vom , 2010/13/0185 und 2012/13/0007 ist verfehlt, die Ermittlungen der Finanzverwaltung zum Rechnungsaussteller ergaben, dass der Lieferant an der angeführten Adresse für umsatzsteuerrechtliche Zwecke niemals greifbar war. Im Rahmen der Ermittlungen gelang es auch nicht, Herrn ***1*** für eine Kontaktaufnahme zu lokalisieren. Eine ordnungsgemäße Rechnung gehört zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Dazu gehört auch die Angabe der zutreffenden Anschrift des Rechnungsausstellers. Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift nicht aus. Der gute Glaube vermag auch nach dem Gemeinschaftsrecht fehlende Rechnungsmerkmale nicht zu ersetzen. Da auf den Rechnungen des Bela ***1*** eine Adresse angegeben wurde, an der eine Geschäftstätigkeit nicht entfaltet wurde, ist der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen zu versagen, da sie nicht den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z. 1 UStG entsprechen."
In den ergänzenden Schreiben vom und vom brachte die steuerliche Vertretung im Wesentlichen vor:
Tz 1 Zulässigkeit der Differenzbesteuerung auf Silbermünzen:
Die steuerliche Vertretung führte in den genannten Schreiben zu ihren bisherigen Vorbringen weiters aus, dass die Bf., bevor sie mit der Differenzbesteuerung im Jahre 2014 begonnen habe, vom damals zuständigen Fachbereich die mündliche Auskunft erhalten habe, dass ein differenzbesteuerter Einkauf der relevanten Silbermünzen von Deutschland möglich sei, und der Verkauf in Österreich ebenfalls differenzbesteuert erfolgen könne.
Die steuerliche Vertretung regte an, für den Fall, dass das Bundesfinanzgericht Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität der Anwendung der Differenzbesteuerung in Deutschland hat, zur Vorabentscheidung gemäß § 267 AEUV vorzulegen.
Im Schreiben vom verwies die steuerliche Vertretung auf die bis zum , somit auf das Streitjahr 2014, anzuwendende Rechtslage, wonach der ermäßigte Steuersatz und damit auch die Differenzbesteuerung nach § 24 UStG 1994 gemäß den Ziffern 44 bis 46 der Anlage 1 auch für die Lieferung und die Einfuhr von Münzen und Medaillen aus Edelmetallen galt, wenn die Bemessungsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250% des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts betrug. Erst mit dem StRefG 2015/2016 (BGBl I118/2015) sei diese Begünstigung aus unionsrechtlichen Gründen gestrichen worden.
Daraus ergeben sich nachstehende Konsequenzen:
Die beschwerdegegenständlichen Silbermünzen würden im Jahr 2014 von Gesetzes wegen als Sammlungsstücke (von münzkundlichem Wert) gelten, die der Differenzbesteuerung nach § 24 UStG 1994 zugänglich gewesen wären.
Auf diese Silbermünzen hätte daher im Jahre 2014 in Übereinstimmung mit der Gesetzes- und Erlasslage, die Differenzbesteuerung nach § 24 UStG 1994 zur Anwendung gebracht werden können, da es sich - ausweislich der steuerlichen Behandlung in Deutschland - um Münzen aus Edelmetallen handelte, bei denen die Bemessungsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250% des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts betragen habe.
Die in der Beschwerdevorentscheidung als Begründung angeführte Rechtslage hätte nur auf Zeiträume nach dem angewendet werden dürfen.
Hinsichtlich des Jahres 2014 habe es zwischen Deutschland und Österreich keine Auslegungsunterschiede gegeben und wäre die Rechts- und Erlasslage nebst Verwaltungspraxis identisch gewesen. Sowohl nach § 24 UStG 1994 wie auch nach § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG könnten die hier angesprochenen Silbermünzen im Jahre 2014 differenzbesteuert werden.
Die Unionsrechtswidrigkeit des § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG könne verneint werden, da im österreichischen Umsatzsteuerrecht in Bezug auf Sammlungsstücke von münzkundlichem Wert bei Silbermünzen europarechtskonform keine Einschränkung auf Position 9705 des Zolltarifs vorgesehen sei und eine solche auch nicht dem deutschen Umsatzsteuerrecht abverlangt werden könnte, um europarechtskonform zu sein. Demnach begründe der Umstand, dass die hier angesprochenen Silbermünzen unter Position 7118 des Zolltarifs fallen mögen, insofern für sich allein sicher noch keinen Verstoß gegen die MwStSyst-Rl. Hingewiesen wurde auf Rz 1353 UStR, in welcher angeführt wurde, dass bis zum der begünstigte Steuersatz und damit die Differenzbesteuerung auch auf Münzen, die unter die Position 7118 fielen, angewendet werden könne.
Das Vorgehen der belangten Behörde sei daher
in Hinblick auf § 28 Abs. 42 Z 1 UStG 1994 unzulässig und eine eindeutige Verletzung des Art 18 Abs. 1 B-VG, sowie auch
auch in Ansehung von Rz 1353 ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben
Tz 2 Vorsteuerabzug:
Auch wenn Bela ***1*** allenfalls später am Firmensitz nicht mehr erreichbar gewesen wäre, könne daraus nicht automatisch gefolgert werden, dass der Lieferant im Zeitpunkt der Rechnungsstellung an der Rechnungsanschrift überhaupt nicht erreichbar gewesen wäre.
Die Bf. legte eine am handschriftlich unterzeichnete Eidesstattliche Erklärung von ***5*** ***6*** vor, wonach er als Angestellter der Bf. am und am Waren am Firmensitz von ***1*** übernommen habe. Zudem habe er im, wenn auch sehr eingeschränkten Geschäftsverkehr mit ***1*** niemals Zweifel gehabt, dass er nicht tatsächlich Lieferant der entsprechenden Waren gewesen wäre.
Daraus könne abgeleitet werden, dass die formellen Rechnungsanforderungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen würden, und unabhängig davon könne auf Basis der Gutglaubensjudikatur, weil die Bf. alle Maßnahmen getroffen habe, die von ihr erwartet werden konnten, um überzeugt zu sein, dass die einzelnen Abrechnungsmerkmale der Wirklichkeit entsprächen, kein Vorsteuerabzug versagt werden.
Die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug lägen zweifelsfrei vor, die von der belangten Behörde monierten Rechnungsmängel (unrichtige Anschrift) würden sich fallkonkret als bloß unerhebliches Formgebrechen erweisen und als solche nicht ausreichen, der Bf. den Vorsteuerabzug zu versagen. Außerdem habe die Bf. den Vorsteuerabzug weder in betrügerischer noch in missbräuchlicher Weise geltend gemacht. Die steuerliche Vertretung führte dazu die aktuelle Rechtsprechung des EuGH, VwGH und BFG an. Diesbezüglich wird auf das ergänzende schriftliche Vorbringen vom verwiesen.
In einer schriftlichen Stellungnahme vom entgegnete die belangten Behörde den Ausführungen der steuerlichen Vertretung im Wesentlichen:
Zur Differenzbesteuerung verwies die belangte Behörde auf ein Schreiben des deutschen Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ. III C2-S7246/19/10001:002, in welchem inzwischen von einer Unvereinbarkeit der Verwaltungspraxis der Finanzbehörden mit dem deutschen Gesetz ausgegangen werde. In diesem Schreiben werde klargestellt, dass die Eigenschaft als "Sammlungsstück" unabdingbar für die Anwendung der Differenzbesteuerung sei. Unabhängig davon wäre nach Ansicht der belangten Behörde die im Streitfall angewandte Regelung jedenfalls nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.
Denn der Verweis in § 25a iVm Nr. 53 Anlage 2 dUStG auf Münzen und Medaillen aus Edelmetallen aus den Positionen 7118, 9705 00 00 und 9706 00 00 der KN, wenn die Bemessungsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250% des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts ohne Umsatzsteuer beträgt, fände keine Entsprechung in der MwStSystRL. Zweifelsfrei stünde die damalige deutsche Rechtspraxis insoweit nicht im Einklang mit dem Unionsrecht.
Außerdem vertritt die belangte die Ansicht, dass mit Art 316 Abs. 2 MwStSystRL eine das Verfahren zur Anwendung der optionalen Differenzbesteuerung betreffende Anordnung geregelt wurde und diese Vorschrift keinesfalls als eine Ausdehnung des in Art 311 MwStSystRL vorgegebenen inhaltlichen Anwendungsbereiches interpretiert werden könne. Der Art 316 MwStSystRL gehört zu Kapitel 4 (Sonderregelungen für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten), demnach sei aus dessen systematischer Einordnung abzuleiten, dass er ebenfalls in den in Art 311 MwStSystRL vorgegebenen inhaltlichen Anwendungsbereich fiele.
Der im Gutachten vorgenommenen Auslegung des Art 316 Abs. 2 MwStSystRL könne auch deshalb nicht gefolgt werden, da nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eine von der allgemeinen Regelung der MwStSystRL abweichende Sonderregelung, wie die Regelung zur Besteuerung der Handelsspanne des steuerpflichtigen Wiederverkäufers bei der Lieferung von Gebrauchtgegenständen eng auszulegen sei (vgl. , "Litdana"). Daher könne Art 316 Abs. 2 MwStSystRL nicht dahingehend ausgelegt werden, dass mit dieser Vorschrift ein über den Regelungsinhalt des Art 311 MwStSystRL bzw. des Anhangs IX Teil B hinausgehender Anwendungsbereich der Differenzbesteuerung durch das dt. UStG gerechtfertigt werden soll.
Unter Hinweis auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenständlichen Silbermünzen zu Sammlungszwecken gehandelt oder erworben worden wären, es sich bei diesen vielmehr um Anlageobjekte gehandelt habe, welche nicht unter die Differenzbesteuerung iSd § 24 UStG 1994 fielen.
Münzen, die im Ausgabeland gesetzliches Zahlungsmittel seien, gehörten zur Tarifpostion 7118 KN, auch wenn sie für den allgemeinen Verkauf in besonderen Aufmachungen angeboten werden und dem Normalsteuersatz von 20% unterliegen. Daraus folge, dass einerseits Münzen der Tarifpostion 7118 nicht zur Tarifposition 9705 00 00 zählten, andererseits auf diese die Differenzbesteuerung nicht angewendet werden könne, sondern eine Besteuerung nach den allgemeinen Besteuerungsvorschriften zum Normalsteuersatz erfolgen müsse.
Zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Anwendung der Differenzbesteuerung und zur Erwerbsbesteuerung im Inland hielt die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme fest, dass eine Auslegung, wonach die Differenzbesteuerung durch - bewusst oder unbewusst - unzutreffende Anwendung letztlich legitimiert und einer korrekten Besteuerung der Boden entzogen würde, nicht im Einklang mit den unionsrechtlichen Grundsätzen, nach denen eine Bestimmung auch nach ihrem Sachzusammenhang sowie den damit verfolgten Zielsetzungen ausgelegt werden müsse. Auf Grund der insoweit eindeutigen unionsrechtlichen Regelung könne auf Gegenstände der Position 7118 KN oder Gegenstände, bei denen die Bemessungsgrundlage mehr als 250% des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts ohne Umsatzsteuer beträgt, die Differenzbesteuerung nicht angewendet werden.
Mit Verweis auf Art 16 DVO (EU) 282/2011 könne nach Auffassung der belangten Behörde die Erwerbsbesteuerung im Inland unabhängig von der Besteuerung im Abgangsstaat vorgenommen werden. Das Finanzamt sollte nicht an eine unzutreffende Besteuerung in einem anderen Mitgliedstaat gebunden sein. Zudem ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Art 16 erster Unterabsatz DVO (EU) 282/2011, nach dem der Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände seine Besteuerungskompetenz unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände wahrnimmt. Es sei nicht darauf abzustellen, ob die Besteuerung im Abgangsland der Waren rechtswidrig ist oder nicht.
Zur maßgeblichen Rechtslage im Jahr 2014 tritt die belangte Behörde den Schlussfolgerungen in der Beschwerde entschieden entgegen, wonach in Österreich bis zum der ermäßigte Steuersatz und damit auch die Differenzbesteuerung nach § 24 UStG 1994 gemäß den Ziffern 44 bis 46 der Anlage 1 auch für die Lieferung und die Einfuhr von Münzen und Medaillen aus Edelmetallen gegolten habe, wenn die Bemessugnsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250% des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts betragen hat. Diese Schlussfolgerung finde keine Deckung im UStG 1994 und könne auf Grundlage dieser kein schützenswertes Vertrauen seitens der Bf. begründet werden.
Denn auf diese Gegenstände konnte - auch wenn zufolge § 10 Abs. 2 Z 1 lita zweiter Teilstrich UStG 1994 für Lieferungen und die Einfuhr dieser Gegenstände der ermäßigte Steuersatz möglich war, die Differenzbesteuerung nicht angewendet werden, da weder § 24 Abs. 1 noch Abs. 2 UStG 1994 einen Hinweis auf die in § 10 Abs. 2 Z 1 lit. a zweiter Teilstrich UStG 1994 genannten Gegenstände enthielten.
Der dem Urteil des EuGH in der Rs C-624/15, "Litdana" zugrundeliegende Sachverhalt sei mit dem verfahrensgegenständlichen nicht vergleichbar, da es dort nicht um eine unterschiedliche Interpretation des Unionsrechts in den zwei beteiligten Mitgliedstaaten ginge, sondern um eine von einem Lieferanten begangene Steuerhinterziehung und um die Frage, ob einem gutgläubigen Käufer bei vereinbarungswidriger Geltendmachung von Vorsteuern durch den Lieferanten im Abgangsstaat der Liefergegenstände weiterhin der Vorteil der Differenzbesteuerung erhalten bliebe, oder ob er wegen des Verhaltens seines Lieferanten die USt nach den allgemeinen Besteuerungsvorschriften entrichten müsse. Die Bf. könne sich daher in Bezug auf die Anwendung einer Begünstigungsvorschrift nicht auf den guten Glauben stützen, da kein Fall einer Steuerhinterziehung vorliege.
Nachfolgende Ausführungen der belangten Behörde würden eine im Beschwerdefall missbräuchliche Praxis aufzeigen, die den in Tz 2 von der Außenprüfung festgestellten Vorsteuerausschluss begründet hätte:
"Demgegenüber liegt im gegenständlichen Fall, in dem in Österreich erzeugte Silbermünzen, die die Bf. durchaus auch in Österreich erwerben könnte, zunächst in ein Drittland exportiert, anschließend nach Deutschland importiert und von dort unter Anwendung der Differenzbesteuerung nach deutschem Recht, das nicht im Einklang mit dem Unionsrecht steht, nach Österreich zurück geliefert werden, um in Österreich ebenfalls (unzulässigerweise) differenzbesteuert weiterverkauft zu werden, eine missbräuchliche Praxis vor. Hinzu kommt, dass die beiden beteiligten Unternehmen (das liefernde Unternehmen in Deutschland und das erwerbende Unternehmen in Österreich) in einem Naheverhältnis stehen, da der Ehemann der Bf., der zudem auch in dem von der Bf. geführten Unternehmen beschäftigt war, gleichzeitig der Geschäftsführer des liefernden Unternehmens in Deutschland war, und die gegenständlichen Münzen - mit wenigen Ausnahmen - nur von diesem deutschen Unternehmen erworben wurden. Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGHs, dass die Bekämpfung etwaiger Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und Missbräuche ein Ziel ist, das von der MwSt-RL anerkannt und gefördert wird und dass nach dem für den Bereich der Mehrwertsteuer geltenden Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erlangen, verboten sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen für die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer zwei Voraussetzungen vorliegen; zum einen müssen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen in den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen lediglich dieser Steuervorteil angestrebt wird (siehe auch C-276/18, KrakVet Marek Batko sp.k., Rn 84 und 85 mHa das Urteil vom , WebMindLicenses, C-419/14, EU:C:2015:832, Rn 35 und die dort angeführte Rechtsprechung sowie Urteil vom , Kursu zerrte, C-273/18, EU:C:2019:588, Rn 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese beiden Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor: Wie oben dargestellt handelt es sich um eine aufwändige Geschäftsabwicklung, die sich nur dadurch erklären lässt, dass die Silbermünzen der Differenzbesteuerung zugänglich gemacht werden sollen, was zum einen bei einer Anschaffung in Österreich nicht möglich gewesen wäre und zum anderen mit den unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist. Die Gewährung der Differenzbesteuerung im gegenständlichen Fall liefe daher dem in der MwSt-RL vorgesehenen Ziel, die Differenzbesteuerung auf diese Silbermünzen nicht anzuwenden, zuwider. Zudem ist anhand objektiver Anhaltspunkte nachgewiesen worden, dass mit den fraglichen Umsätzen ein Steuervorteil angestrebt wurde, welcher ohne die streitgegenständlichen Korrekturen des Finanzamts auch erreicht worden wäre. Die Höhe der zu niedrig entrichteten Umsatzsteuer auf Grund der zu Unrecht angewendeten Differenzbesteuerung und der unterlassenen Erwerbsbesteuerung wurde vom Finanzamt bereits mit € 574.109,218 ermittelt und ist Gegenstand dieses Verfahrens. Der durch diese Vorgangsweise erzielte Steuervorteil gegenüber einer ordnungsgemäßen Besteuerung durch Anwendung des Normalsteuersatzes kann außerdem auch durch folgende Auszüge auf Grund von Internetrecherchen, die im Jahr 2014 vorgenommen wurden, dokumentiert werden:
Die Silbermünze "Wiener Philharmoniker" wurde von der Bf. im Jahr 2014 zu einem Verkaufspreis von 17,70€ und mit dem Hinweis "Differenzbesteuert" angeboten.
Dass die Bf. dadurch, dass sie diese Silbermünzen nur auf Grund der unzulässigen Differenzbesteuerung um etwas mehr als 3 € günstiger anbieten konnte als die Münze Österreich, und damit einen ungerechtfertigten Steuervorteil erzielt hat, wird dadurch ebenfallsdargetan.
Das Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis wurde vom Finanzamt somit eindeutig- und den Vorgaben des EuGH entsprechend nachgewiesen. Abgesehen davon, dass im Hinblick auf die obigen Ausführungen das Vorbringen der Bf, gutgläubig gewesen zu sein, nicht nachvollziehbar ist, kommt es beim Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis nicht (mehr) auf die Gutgläubigkeit der Steuerpflichtigen an".
Dem entgegnete die steuerliche Vertretung der Bf. am wie folgt:
1. Allgemeines
Die Beschwerdeführerin hat ihre Rechtsansicht im bisherigen Beschwerdeverfahren bereits umfassend dargestellt. Insoweit wird insbesondere auf die Bescheidbeschwerde vom , die Beschwerdebegründung vom sowie die ergänzenden Vorbringen vom , und nebst den vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen verwiesen. Das gesamte bisherige Vorbringen wird vollinhaltlich aufrechterhalten und der Stellungnahme des FAÖ vom entgegengehalten. Sämtliche nachfolgenden Ausführungen treten nicht an die Stelle des bisherigen Vorbringens, sondern ergänzen dieses lediglich.
2. Vorbemerkungen zum Missbrauchsvorwurf des FAÖ
Das FAÖ versagte der Beschwerdeführerin im Umsatzsteuerbescheid 2013 vom einen Vorsteuerabzug in der Höhe von EUR 63.943,56 aus Lieferungen von Edelmetallen durch den Unternehmer Bela ***1***, ***2***, ausschließlich wegen formeller Rechnungsmängel (Tz 2 des Prüfberichts vom ). Das FAÖ bringt in diesem Zusammenhang nunmehr erstmals vor, der Vorsteuerabzug sei "jedenfalls auch aufgrund des Vorliegens einer missbräuchlichen Praxis nicht zulässig". Es steht dem FAÖ zwar frei, jederzeit neues Rechtsvorbringen zu erstatten, doch stützt sich dieses neue Rechtsvorbringen imvorliegenden Fall auf neues, beweisbedürftiges Tatsachenvorbringen, das - wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird - mit den wirklichen Gegebenheiten nicht das Geringste zu tun hat. Der Missbrauchsvorwurf entbehrt daher schon aus diesem Grund jeder Grundlage (siehe hierzu noch im Detail Punkt 9.). Indem das FAÖ in diesem Stadium des Verfahrens zwecks nachträglicher Konstruktion einer missbräuchlichen Gestaltung (§ 22 BAO) unvermittelt neues, beweisbedürftiges (und unzutreffendes) Tatsachenvorbringen erstattet, hat es unzweifelhaft eklatant gegen seine Verfahrensförderungspflicht(§ 272 Abs. 2 BAO) verstoßen.
Das jetzige Vorbringen des FAÖ wäre im Geltungsbereich der durch das AbgÄG 2022 geschaffenen Rechtslage insgesamt als verspätet zurückzuweisen, und zwar gerade, weil im bisherigen Verfahren auf Basiseines unstrittigen Sachverhalts ausschließlich Rechtsfragen im Raum standen und sohin auch keine mündliche Verhandlung beantragt wurde.
Daher geht auch die Erklärung des FAÖ ins Leere, die Behörde habe "von einer diesbezüglichen rechtlichen Argumentation" bisher abgesehen, weil man "von einem Vorsteuerausschluss bereits aufgrund der formellen Mängel" ausging. Der entscheidende Punkt ist hier schlicht nicht die rechtliche Argumentation, sondern das dieser Argumentation zugrundeliegende, neue (verspätete und unrichtige) Vorbringen im Tatsachenbereich (siehe hierzu im Detail wieder Punkt 9.).
Selbst bezogen auf das rein rechtliche Vorbringen handelt es sich zudem um eine offenkundige Schutzbehauptung des FAÖ. Die Rechtsprechung des EuGH, aus der sich unzweifelhaft ergibt, dass rein auf Grund formeller Rechnungsmängel unter Bedingungen wie im vorliegenden Fall der Vorsteuerabzug nicht verwehrt werden darf, stammt aus dem Jahr 2018, jene des BFG aus dem Jahr 2019 und jene des VwGH aus dem Jahr 2021. Dem FAÖ musste daher schon seit geraumer Zeit bewusst sein, dass mit seinem bisherigen Rechtsvorbringen (formelle Rechnungsmängel) nicht das Auslangen zu finden sein wird. Das FAÖ hatte daher alle Zeit der Welt, seine Argumentation rein rechtlich in Richtung Missbrauch (§ 22 BAO) zu ergänzen, war aber auch hiermit evident säumig.
Vor diesem Hintergrund ist die jetzt erstmalig behauptete "Missbräuchliche Praxis" in Wahrheit eine bodenlose Frechheit gegenüber der Beschwerdeführerin und dem BFG.
3. Zur(unveränderten) Rechtlage In Deutschland
Soweit das FAÖ zur Untermauerung seines Standpunkts auf das Schreiben des deutschen Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ: III C 2 - S7246/19/100001 :002 verweist, so ist aus diesem für das FAÖ nichts zu gewinnen, zeigt dieses Schreiben doch eindeutig, dass das deutsche Bundesministeriumfür Finanzen nach wie vor (zu Recht) davon ausgeht, dass Silbermünzen, wie sie Gegenstand dieses Verfahrens bilden, in Deutschland derDifferenzbesteuerung unterzogen werden können.
Mit deutlichen Worten: Das deutsche Bundesministerium für Finanzen hat sich jüngst mit der Besteuerung von Silbermünzen befasst, und kam dabei - konträr zum FAÖ - offenkundig nicht zu dem Schluss,dass die deutsche Differenzbesteuerung von unter die Kennziffer 7118 der Kombinierten Nomenklatur fallenden Silbermünzen gegen EU-Recht verstoßen könnte. Die Rechtslage in Deutschland ist unverändert geblieben (vgl § 25a dUStG iVm Nr 54 lit c sublit cc der Anlage 2 zum dUStG). Dass das deutsche Bundesministerium für Finanzen nunmehr eine zusätzliche Prüfung verlangt, ob es sich tatsächlich um Sammlungsstücke handelt, ändert hieran nichts.
Soweit das FAÖ in Hinblick auf das Schreiben des deutschen Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ: III C 2 - S 7246/19/100001 :002, weiters behauptet, dass nunmehr zweifelfrei feststehe, dass "die damalige deutsche Praxis insoweit nicht im Einklang mit Unionrecht" stand, ist auf das Schreiben des deutschen Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ: III C 2 - S 7245/19/10001 :003, zu verweisen, welches vom FAÖ geflissentlich verschwiegen wird. Aus diesem erschließt sich nämlich zwanglos, dass das deutsche Bundesministerium für Finanzen auch diese Rechtansicht des FAÖ nicht teilt, da aus Sicht des deutschen Bundesministeriums für Finanzen keine Bedenken bestanden, die alte deutsche Verwaltungspraxis in Bezug auf Silbermünzen bis zum fortzuführenund die Vergangenheit unangetastet zu lassen.
"Es wird ferner nicht beanstandet, wenn der Unternehmer Silbermünzen als "Sammlungsstücke" im Sinne der Nummer 54 der Anlage 2 zum UStG behandelt, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedarf, wenn er die Silbermünzen bis einschließlich geliefert hat und sie nicht in der Anlage 1 zum BMF-Schreiben vom 5. August 20045, BStBl I S. 638, zu Tz. 174 in der bis zum anzuwendenden Fassung angeführt waren."
Das gesamte diesbezügliche Vorbringen des FAÖ ist daher offenkundig unzutreffend und irreführend. Das deutsche Bundesministerium für Finanzen hat sich in puncto Differenzbesteuerung in seiner Rechtsmeinung dem Standpunkt des FAÖ keinen Deut angenähert.
4. ZurEigenschaft der gegenständlichen Silbermünzen als "Sammlungsstück"
Seitens des FAÖ wird darauf hingewiesen, dass im Schreiben des deutschen Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ: IIIC 2S 7246/19/100001 :002 klargestellt worden sei, dass "die Eigenschaft als Sammlungsstück unabdingbar für die Anwendung der Differenzbesteuerung ist".
Der diesbezüglichen Ansicht des FAÖ, dass nur unterdie Kennziffer 9705 der Kombinierten Nomenklatur fallende Silbermünzen als Sammlungsstücke gewertet werden können, wird von der Beschwerdeführerin (wie augenscheinlich auch vom deutschen Bundesministeriumfür Finanzen) nicht geteilt. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, wird insofern auf das bisherige Vorbringen samt vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen verwiesen. Der vom Richtliniengesetzgeber verwendete Klammerausdruck in Anhang IX Teil B der MwStSyst-RL, auf den Art 311 Abs. 1 Z3 MwStSyst-RL verweist, ist lediglich demonstrativer und nicht abschließender Natur und steht daher der Klassifizierung der Verfahrensgegenständlichen Silbermünzen als Sammlungsstücke nicht entgegen.
Vielmehr ist der auch vom deutschen Bundesministerium für Finanzen vertretene Ansatz überzeugend, dass der Ausdruck Sammlungsstücke - insbesondere gemäß der vom EuGH und VwGH für Sammlungsstücke entwickelten Kriterien - aus sich selbst heraus auszulegen ist, um ein einheitliches, für umsatzsteuerliche Zwecke abgeschlossenes Begriffsverständniszu erhalten.
Entscheidend ist daher allein, dass es sich um Sammlungsstücke handelt und nicht, welche Kennziffer der Kombinierten Nomenklatur zur Anwendung gelangt. Die Vom EuGH und VwGH in Hinblick auf Sammlungsstücke entwickelten Kriterien werden von den verfahrensgegenständlichen Münzen jedenfalls erfüllt.
Dass es sich bei den gegenständlichen Silbermünzen um Sammlungsstücke handelt, ergibt sich zudem auch aus der Verordnung (EU) 651/2012 vom über die Ausgabe von Euro-Münzen. Es ist insofern auf Art 1 Z 3 sowie Art 5 der Verordnung (EU)651/2012 zu verweisen. Nach den dortigen Maßstäben sind sämtliche von der Beschwerdeführerin vertriebenen Münzen, per analogiam auch jene aus dem nicht EU-Raum, zweifelsfrei als Sammlermünzen zu qualifizieren.
Angesichts der genannten Verordnung kann auch der Einwand des FAÖ nicht verlangen, dass es fallkonkret um Münzen gehe, die im Ausgabeland gesetzliches Zahlungsmittel seien, die als solches unter die Kennziffer 7118 der kombinierten Nomenklaturfielen und daher, auch wenn sie in besonderer Aufmachung vertrieben würden, gerade nicht differenzbesteuert werden könnten. Die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittelssteht der Eigenschaft als Sammlungsstück nach Auffassung des EU-Gesetzgebers nämlich offensichtlichnicht entgegen.
Während die Verordnung (EU) 651/2012 prinzipiell davon ausgeht, dass Münzen, wie sie hier in Rede stehen, Sammlermünzen sind und somit evident wohl zuSammlungszwecken dienen, wird dies vom FAÖ bestritten:
"Demgegenüber kann im vorliegenden Fall nach den diesbezüglichen Ermittlungen nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenständlichen Silbermünzen zu diesen Zwecken gehandelt oder erworben werden, sondern dass es sich bei diesen Münzen vielmehr um Anlageobjekte handelt, welche nicht unter die Differenzbesteuerung iSd § 24 UStG 1994 fallen".
Das ist unzutreffend. Die diesbezügliche Fehleinschätzung des FAÖ ist augenscheinlich darauf zurückzuführen, dass es davon ausgeht, die Geschäfte der Beschwerdeführerin beträfen ausschließlich Silber-"Philharmoniker", die von der Münze Österreich Serie auf Serie in praktisch unveränderter Prägung begeben werden. Diese machen aber nur einen kleinen Teil der von der Beschwerdeführerin vertriebenen Münzen aus. Das Gros des Handels der Beschwerdeführerin betrifft ausländische Münzen, die von den jeweiligen Münzanstalten in Serien mit regelmäßig mit wechselnden Prägungen bzw. Motiven herausgegeben werden und sohin für Sammler von offensichtlichem numismatischem Interesse sind und dementsprechend oftmals gleich serienweise, also in größerer Anzahl, angeschafft werden.
Mag eine entsprechende Sammlung teilweise auch einen erheblichen Wert darstellen, so geht es hier typischerweise dennoch darum, dass Gegenstände gleicher Art (Münzen) von Enthusiasten nach einem systematischen Zusammenhang aufbewahrt und gepflegt werden. Der Wert des Edelmetalls als Anlageform steht hier nicht im Vordergrund, sondern der ideele Wert (numismatischer Liebhaber- oder Sammlerwert) besagter Münzen, wobei gilt, je älter und seltener die Münze, umso höher ihr Liebhaber- oder Sammlerwert.
5. Zur Differenzbesteuerung als eng auszulegende Ausnahmeregelung
Das FAÖ weist darauf hin, dass es sich bei der Differenzbesteuerung für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten gem. Art 312 ff MwStSyst-RL um eine Sonderregelung" handelt, sodass die in Art 311 MwStSyst-RL enthaltene Definition von Sammlungsstücken eng auszulegen sei:
"Hinzu kommt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH eine von der allgemeinen Regelung der MwSt-RL abweichende Sonderregelung wie die Regelung zur Besteuerung der Handelsspanne des steuerpflichtigen Wiederverkäufers bei der Lieferung von Gebrauchtgegenstädnen eng auszulegen ist (siehe auch RN 23 des "Litdana").
Allerdings ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH ebenso, dass es nicht dem Sinn der Regel einer engen Auslegung entspricht, wenn die zur Umschreibung der genannten Regelung verwendeten Begriffe in einer Weise ausgelegt werden, die ihnen ihre Wirkung nimmt:
"Es entspricht jedoch nicht dem Sinn dieser Regel einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung der genannten Regelung verwendeten Begriffe in einer Weise ausgelegt werden, die ihnen ihre Wirkung nimmt. Ihre Auslegung muss nämlich mit den Zielen im Einklang stehen, die mit der Regelung verfolgt werden, und den Erfordernissen der steuerlichen Neutralität entsprechen (vgl. entsprechend Urteil vom , PFC Clinic, C-91/12, EU:C:2013:198, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung)."
Das Ziel der Differenzbesteuerung besteht - wie dem 51. Erwägungsgrund der MwStSyst-RL zu entnehmen ist - darin, Doppelbesteuerungen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen Steuerpflichtigen im Bereich der Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten zu vermeiden.
Genau dieses Ziel würde aber verfehlt, wenn man der Beschwerdeführerin auf Grund einer verengten, vom EU-Ausland (Deutschland) nicht mitgetragenen Begriffsauslegung bezüglich Sammlungsstücke das Recht auf Differenzbesteuerung in Österreich absprechen würde, da es in der vorliegenden Konstellation zu einer richtlinienwidrigen Doppelbesteuerung im Bereich der Umsatzsteuer käme.
6. Zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Differenzbesteuerung in Deutschland
Anders als das FAÖ vermeint, ist die tatsächliche Vornahme der Differenzbesteuerung in Deutschland hier nämlich durchaus von größter Relevanz. Sowohl § 24 UStGals auch Art24 Abs. 2 UStGstellen expressis verbis darauf ab, dass die Differenzbesteuerung (im Ausland) tatsächlich vorgenommen wurde. Wie in Österreich umsatzsteuerlich vorzugehen ist, wenn in Deutschland die Differenzbesteuerung zur Anwendung gelangte, wird daher vom UStG völlig unmissverständlich geregelt. Eine Einschränkung in Richtung "sofern die Differenzbesteuerung im Ausland zu Recht angewendet wurde" ist dem Gesetz eindeutig nicht zu entnehmen.
Korrespondierend kann auch die Auffassung des FAÖ bezüglich Art 16 der Durchführungsverordnung (EU)282/201 1 vom nicht geteilt werden. Gemäß Art. 16 der Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 nimmt der Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände seine Besteuerungskompetenz unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände wahr. Konkret müsste die von Art 16 der Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 angesprochene Besteuerungskompetenz aber von irgendwo herkommen. Da Art 16 der Durchführungsverordnung (EU) 282/2011, ähnlich einem DBA, ersichtlich keinen eigenständigen Besteuerungstatbestand oä schafft, kann sich die Besteuerungskompetenz wohl nur aus dem Umsatzsteuerrecht des Mitgliedstaats der Beendigung des Versands oder der Beförderung ergeben. Im Falle Österreichs wäre dies das UStG.
Das österreichische UStGgibt jedoch keine Besteuerungskompetenz her. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Eine Erwerbsbesteuerung käme theoretisch in Frage. Art 24 Abs. 2 UStGist aber, wie oben dargestellt, eindeutig und untersagt jede Erwerbsbesteuerung, wenn in Deutschland die Differenzbesteuerung zur Anwendung gelangte, und zwar ohne Wenn und Aber. Das FAÖ ist insofern auch gar nicht an die (zutreffende) Besteuerung in Deutschland gebunden, sondern schlicht und einfach an das österreichischen UStG. Österreich kann zu Folge Art 16 der Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 eine allfällige Erwerbsbesteuerungskompetenz ungeachtet der steuerlichen Behandlung in Deutschland vornehmen, nicht jedoch ungeachtet des österreichischen UStG.
Aus diesem Grund ist mit dem fortgesetzten Verweis auf Art 16 der Durchführungsverordnung (EU)282/2011 für die Position des FAÖ auch nichts gewonnen. Art 16 der Durchführungsverordnung (EU)282/201 1 ermöglicht es dem FAÖ vielleicht bei der Erwerbsbesteuerung deutsches Steuerrecht unberücksichtigt zu lassen, er erlaubt dem FAÖ aber jedenfalls nicht, sich über die Bestimmungen des österreichischen UStG, konkret Art 24 Abs 2 UStG, hinwegzusetzen. Hierfür ist Art16 der Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 schon seinem Wortlaut nach keine taugliche Rechtsgrundlage.
Aus § 24 UStG iVm Art 24 Abs 2 UStG ergibt sich daher trotz Art 16 der Durchführungsverordnung (EU) 282/201 1 folgendes Ergebnis: Wird von einem Mitgliedstaat (Deutschland) in einen anderen Mitgliedstaat (Österreich) unter Anwendung der Differenzbesteuerung geliefert, so ist der Erwerb im Empfangsstaat (Österreich) nicht zu versteuern. Eine Versteuerung des Erwerbs im Empfangsstaat (Österreich) würde zu einerrichtlinienwidrigen Doppelbelastung führen. Esmuss daher entsprechend den tragenden Grundsätzen der MwStSyst-RLbei der Differenzbesteuerung im Mitgliedstaat der Lieferung (Österreich) bleiben. Dieses Ergebnis ist durch die tragenden Grundsätze und Zielsetzungen der MwStSyst-RLgedeckt und sohin auch evident rechtsrichtig.
Dies zeigt auch, wie abstrus und widersinnig die Argumentation des FAÖ letztlich ist: Wenn die Differenzbesteuerung in Deutschland, wie das FAÖ mutmaßt, unionrechtswidrig wäre, was sie aber nicht ist, und man Art 16 der Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 die Bedeutung beimessen könnte, die ihm das FAÖ unterstellt, was aber nicht geht, so würde diese auf Hypothesen und fragwürdigen Rechtsansichten beruhende Rechtsmeinung jedenfalls zu einer nicht den tragenden Grundsätzen der MwStSyst-RL entsprechenden Doppelbesteuerung führen. Dass das Verständnis des FAÖ daher nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand.
Entgegen der Auffassung des FAÖ wird daher durch die von der Beschwerdeführerin vertretenen Rechtsauffassung keine "unzutreffende Anwendung legitimiert und einer korrekten Besteuerung der Boden entzogen". Ganz im Gegenteil, erst das vom FAÖ gezeigte Rechtsverständnis würde zu einem solchen (unionsrechtswidrigen) Ergebnisführen.
7. Zurmaßgeblichen Rechtslage im Jahr 2014
Die hier vertretene Rechtsansicht des FAÖ wird nicht geteilt und ausdrücklich bestritten. Aber selbst wenn dem FAÖ gefolgt werden könnte, wäre zu konstatieren, dass nach Auffassung des FAÖ im Jahr 2014 die verfahrensgegenständlichen Silbermünzen nach § 10 Abs 2 Z1 lit a zweiter TsUStGin der bis zum StRefG 2015/2016 (BGBl I 1 18/2015) geltenden Fassung dem ermäßigten Steuersatzunterworfen werden konnten.
Die Möglichkeit auf besagte Silbermünzen den begünstigten Steuersatz anzuwenden beruht(e) aber auf Art 103 MwStSyst-RL. Gemäß Art 103 MwStSyst-RLkönnen Mitgliedstaaten vorsehen, dass der ermäßigte oder ein ermäßigter Steuersatz, den sie gemäß Art 98 und 99 MwStSyst-RLanwenden, auch auf die Einfuhr von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten iSd Art 311 Abs 1 Z 2, 3 und 4 MwStSyst-RLangewendet wird. Esist daher unmittelbar einleuchtend, dass Österreich im Jahr 2014 davon ausgegangen sein muss, dass Silbermünzen, wie sie im vorliegenden Fall in Rede stehen, als Sammlungsstücke iSd Art311 Abs 1 Z3 MwStSyst-RL zu qualifizieren waren (und noch immer sind), da sie ansonsten nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 10 Abs. 2 Z 1 lit a UStG in der bis zum StRefG 2015/201 6 geltenden Fassung unterworfen hätte werden können.
Daraus kann aber den Denkgesetzen folgend nur geschlossen werden, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Silbermünzen, die 2014 selbst nach Meinung des FAÖ dem Begünstigten Steuersatz des § 10 Abs. 2 Z 1 lit a UStG in der bis zum StRefG 2015/2016 geltenden Fassung zugänglich waren, auch um Sammlungsstücke für Zwecke der Differenzbesteuerung handeln muss, da sowohl in Bezug auf die Differenzbesteuerung als auch in Bezug auf den Ermäßigten Steuersatz auf die Definition von Sammlungsstücken in Art 311 Abs. 1 Z 3 MwStSyst-RL verwiesen wird.
Das dem FAÖ augenscheinlich vorschwebende Verständnis, dass die verfahrensgegenständlichen Silbermünzen für Zwecke des ermäßigten Steuersatzes. Sammlungsstücke sein konnten, nicht hingegen für Zwecke der Differenzbesteuerung, ist demgegenüber denkunmöglich. Die logische Konklusion der Beschwerdeführerin, dass aus dem Umstand, dass die gegenständlichen Silbermünzen im Jahr 2014 dem begünstigten Steuersatz zugänglich waren, zu schließen ist, dass sie auch der Differenzbesteuerung zugänglich sein mussten, ist daher - entgegen der Auffassung des FAÖ - stichhaltig und die Berufung auf den Vertrauensgrundsatz daher gerechtfertigt.
8. ZurRechtssache C-624/15 "Litdana"
Dem unzutreffenden Einwand des FAÖ, dass aus der Rechtssache C-624/15 "Litdana" für die Position der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen sei, da es in dieser Rechtssache um Steuerhinterziehung ging, im vorliegenden Fall demgegenüber aber eine unterschiedliche Auslegung von Unionsrecht gegenständlich sei, ist zu entgegnen, dass, wenn in einem erwiesenen Fall von Steuerhinterziehung der gute Glaube und das Vertrauen des Käufers auf die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung geschützt wird, dies umso mehr gelten muss,wenn lediglich eine unterschiedliche Interpretation von Unionsrecht vorliegt, zumal die Differenzbesteuerung in Deutschland zweifelsfrei in Einklang mit dem deutschen UStGerfolgte.
Die Rechtssache C-624/15 "Litdana", sowie die von der Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit dieser gemachten Aussagen sind daher - entgegen dem Verständnis des FAÖ - fallkonkret sehr wohl einschlägig.
9. Zum Missbrauchsvorwurf
Ergänzend führt das FAÖ aus, die Beschwerdeführerin könne sich nicht auf die Rechtssache C-624/15 "Litdana", berufen da eine missbräuchliche Gestaltung vorliege. Das FAÖ stützt sich bezüglich dieser rechtlichen Einschätzung auf das nachstehende, erstmals vorgebrachte, beweisbedürftige, unzutreffende Tatsachenvorbringen:
"Demgegenüber liegt im gegenständlichen Fall, indem in Österreich erzeugte Silbermünzen, die die BF.durchaus auch in Österreich erwerben könnte, zunächst in ein Drittland exportiert, anschließen nach Deutschland importiert und von dort unter Anwendung der Differenzbesteuerung nach deutschen Recht, das nicht im Einklang mit Unionsrecht steht, nach Österreich zurückgeliefert werden, um in Österreich ebenfalls (unzulässigerweise) differenzbesteuert weiterverkauft zu werden, eine missbräuchliche Praxisvor."
Das ist falsch.
Das Vorbringen des FAÖ beruht augenscheinlich auf der bereits erwähnten irrigen Annahme, die Beschwerdeführerin handle nur mit von der Münze Österreich begebenen Silber-"Philharmonikern". Diese machen aber tatsächlich nur einen Bruchteil des Portfolio der Beschwerdeführerin aus, die in größerem Umfang mit ausländischen Silbermünzen handelt, die nicht in Österreich hergestellt werden, sondern ursprünglich aus Prägeanstalten aller Herren Länder (USA, Kanada, Australien, Großbritannien, Südafrika, Deutschland etc.) stammen. Der Silber-"Philharmoniker" ist nur eine von 24 an- und verkauften gebrauchten Münzen, die den Gegenstand dieses Verfahrens bilden.
Die Behauptung des FAÖ, die Beschwerdeführerin hätte die verfahrensgegenständlichen gebrauchten Silbermünzen zunächst von Österreich in ein Drittland exportiert, sie von dort nach Deutschland importiert, um sie von dort nach Österreich zurückzuführen, ist - noch höflich ausgedrückt - eine tendenziell abenteuerliche Konfabulation des FAÖ. Wie das FAÖ hierauf kommt und auf welches Beweissubstrat es sich stützt, ist nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin exportierte keine Silbermünzen ins Drittlandsgebiet, um sie von dort nach Deutschland zu importieren und hernach nach Österreich zurückzuführen. Die gegenteilige Behauptung des FAÖ ist schon deshalb absurd, weil der Großteil der von der Beschwerdeführerin an- und verkauften gebrauchten Silbermünzen, wie oben erwähnt, gar nicht aus Österreich stammten.
Die Beschwerdeführerin (Einzelhändlerin) erwarb die verfahrensgegenständlichen gebrauchten Silbermünzen verschiedenster Provenienz von der deutschen ***4*** GmbH (Zwischenhändler), welche die Münzen ihrerseits im Rahmen größerer Chargen von internationalen Anbietern mit Sitz in den USA (Großhändler) ankaufte. Dieentsprechenden Transaktionen sind weder aufwändig noch kompliziert oder künstlich/konstruiert. So erfolgt der Handel mit nahezu allen Gütern dieser Erde.
Die ***4*** GmbH hat ihren Sitz in Deutschland, da praktisch der gesamte europäische Großhandel mit gebrauchten Sammlermünzen und Silberwaren über Frankfurt/Main abgewickelt wird. Ökonomisch sinnvoll können sich europäische Zwischenhändler wie die ***4*** GmbH mit den verfahrensgegenständlichen Gebrauchtmünzen praktisch nirgends anders eindecken. Ihre Präsenz in Deutschland hat daher handfeste wirtschaftliche Gründe.
Die ***4*** GmbH belieferte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im Übrigen nicht nur die Beschwerdeführerin, sondern hauptsächlich Abnehmer in Deutschland, das den Zielmarkt der ***4*** GmbH darstellt. Von 308 im Jahr 2014 ausgestellten Rechnungen gingen 187 (= 62,1 %) an deutsche Firmen, 95 (= 31,6 %) an deutsche Privatpersonen und lediglich 18 (= 6,3 %) an die Beschwerdeführerin. Sie war und ist eine vollkommen normale, operative Handelsgesellschaft, die in Deutschland steuerlich erfasst, veranlagt und geprüft wird.
Umgekehrt hätte die Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständlichen gebrauchten Münzen auch von 100 anderen deutschen Anbietern - wohlgemerkt in exakt der gleichen Weise differenzbesteuert (!) - erwerben können, sodass auch das Naheverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der ***4*** GmbH bezüglich der hier strittigen Differenzbesteuerung offensichtlich völlig unerheblich ist.
Für die Beschwerdeführerin war der Ankauf von der ***4*** GmbH einfach wirtschaftlich sinnvoll,da ihr diese den besten Preismachte. Auch ist darauf hinzuweisen, dass zahlreiche Wirtschaftsgüter im Ausland billiger erworben werden können als im Inland, sodass einer Unternehmerin wie der Beschwerdeführerin kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn sie diese einführt, insbesondere wenn die Einfuhr aus einem anderen Mitgliedstaat der EUerfolgt. Unternehmer trifft keine Verpflichtung, sich zu schlechteren Konditionen im Inland mit Ware einzudecken. Eshandelt sich aus diesem Grund auch hier um denkbar simple Transaktionen. Die Zahl österreichischer Unternehmen, die im EU-Ausland einkaufen, geht in die Zehntausende.
Vor diesem Hintergrund, kann dann aber evident keine Rede davon sein, fallkonkret läge "eine aufwändige Geschäftsabwicklung, die sich nur dadurch erklären lässt, dass die Silbermünzen der der Differenzbeteuerung zugänglich gemacht werden sollen" vor. Die vom FAÖ unsubstantiiertbehaupteten Tatsachen, auf den diese Einschätzung fußt, liegen schlicht nicht vor, sodass sich schon aus diesem Grund jede weitere rechtliche Auseinandersetzung mit dem vom FAÖ erhobenen Missbrauchsvorwurf erübrigt. Eine iSd § 22 Abs 2 BAO in Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung (günstiger Ankauf gebrauchter Silbermünzen) unangemessen rechtliche Gestaltung (Ankauf in Deutschland), deren wesentlicher Zweck darin besteht, einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu erlangen, ist auf Grundlage der tatsächlichen Gegebenheiten nicht einmal in Ansätzen zu erkennen.
Bei jedem Ankauf der verfahrensgegenständlichen gebrauchten Silbermünzen, egal von welchem deutschen Händler auch immer, wäre es immer zur Differenzbesteuerung gekommen. Dieses vom FAÖ monierte steuerliche Ergebnis (Differenzbesteuerung) entspricht der Natur der hier In Rede stehenden Geschäfte mit Gebrauchtgegenständen/Sammlungsstücken und ist vom Gesetzgeber soweit ersichtlich exakt so beabsichtigt (§ 24 UStG iVm Art 24 Abs 2 UStG; § 25b dUStG; Art 312 ff MwStSyst-RL). Entgegen der Auffassung des FAÖ geschieht fallkonkret daher auch nichts, das den Zielen der genannten Bestimmungen (UStG, dUStG, MwStSyst-RL) zuwiderlaufen würde.
Weder hat noch musste die Beschwerdeführerin sohin tatsächliche oder juristische Verrenkungen unternehmen, um in den Genuss der Differenzbesteuerung zu gelangen oder diese zu erschleichen. Die von der Beschwerdeführerin getätigten Transaktionen (simpler Ankauf von gebrauchter Silbermünzen in Deutschland) zielten nicht darauf ab, einen Steuervorteil in Form der Differenzbesteuerung zu erlangen, sondern zogen diese - der Intention des Gesetzgebers entsprechend - einfach nach sich.
Wenn das FAÖ schließlich und endlich unter Verweis auf eine 2014 durchgeführte Internetrecherche einen ungerechtfertigten Steuervorteil auf Seiten der Beschwerdeführerin nachgewiesen zu haben glaubt, so ist dieses Ergebnis wohl mehr von einer vorgefassten Meinung und einer bestimmten Intention des FAÖ denn von handfesten Überlegungen getragen.
Einerseits handelt es sich bei den vom FAÖ für seine Argumentation herangezogenen Silber-,,Philharmonikern", wie schon mehrfach erwähnt, nur um eine von 24 verschiedenen (ausländischen) Münzen, die von der Beschwerdeführerin an- und verkauft wurden. Dementsprechend sind Silber-"Philharmoniker", wenn überhaupt, auch nur von untergeordneter Bedeutung für das Verfahren, während das FAÖ nach Kräften den unrichtigen Eindruck zu erwecken versucht, es ginge nur um Silber-,,Philharmoniker". Betrachtet man nämlich das gesamte verfahrensgegenständliche Münzportfolio der Beschwerdeführerin, so fällt der Missbrauchsvorwurf augenblicklich in sich zusammen, denn das FAÖ wird sich die Frage gefallen lassen müssen, wo denn der (zu Unrecht behauptete) ungerechtfertigte Steuervorteil bei den 23 anderen, ausländischen Silbermünzen gelegen ein soll.
Anderseits lässt das FAÖ unerwähnt, dass die von ihm bemühten Silber-"Philharmonikern" von der Münze Österreich selbst geprägt und anschließend vertrieben werden. Die Münze Österreich handelt sohin mit neuen Münzen. Die Beschwerdeführerin vertrieb demgegenüber ausschließlich gebrauchte Münzen. Die verfahrensgegenständlichen, 2014 an- und verkauften Münzen, zu denen neben 23 ausländischen Münzen auch Silber-"Philharmoniker" zählten, waren daher ausnahmslos schon im Umlauf, dh aus zweiter, dritter, vierter, fünfterusw Hand.
Dezent sei insofern auch darauf hingewiesen, dass die von der Beschwerdeführerin vertriebenen gebrauchten Münzen - insbesondere die Silber-"Philharmoniker" - auf irgendeiner vorgelagerten Stufe bereits einmal der Umsatzsteuerunterworfen wurden, was bei den von der Münze Österreich vertriebenen, selbst hergestellten, neuen Münzen gerade nicht der Fall gewesen sein kann.
Dass der Vertrieb neuer Münzen durch deren Produzenten (Münze Österreich) umsatzsteuerlich anders behandelt wird (Normalbesteuerung, 20 % Umsatzsteuer) als der Handel mit gebrauchten Sammlermünzen durch die Beschwerdeführerin (Differenzbesteuerung) ist der Natur des jeweiligen Geschäfts geschuldet und unmittelbarer Ausflussdes UStG. Um ein plakatives Vergleichsbild zu gebrauchen: Der Handel mit Neuwagen ist offenkundig etwas anderes als der Handel mit Gebrauchtwagen.
Weder hatte noch erzielte die Beschwerdeführerin daher fallkonkret einen ungerechtfertigten Steuervorteilgegenüber der Münze Österreich. Bei der Münze Österreich und der Beschwerdeführerin liegen schlicht vollkommen unterschiedliche Lebenssachverhalte vor, die verschiedene umsatzsteuerliche Folgen nach sich ziehen, wobei, wie schon erwähnt, beim von der Beschwerdeführerin betriebenen Handel mit Gebrauchtgegenständen/Sammlungsstücken der Eintritt der Differenzbesteuerung dem augenscheinlichen Willen des Gesetzgebers entspricht (§ 24 UStG iVm Art 24 Abs 2 UStG; § 25b dUStG; Art 312 ff MwStSyst-RL). Das FAÖ vergleicht daher- sprichwörtlich - Äpfel mit Birnen und gelangt zu einem Ergebnis, der steuerrechtlich mit mehr als nur einem Bein hinkt.
Auch die Vergleichsrechnung des FAÖ ist betriebswirtschaftlich geradezu hanebüchen. Das FAÖ stellt einfach den Verkaufspreis eines Silber-"Philharmonikers" bei der Beschwerdeführerin und bei der Münze Österreich gegenüber, und behauptet, die Unterschiedsbetrag (rund EUR 3) sei das Ergebnis der aus Sicht des FAÖ ungerechtfertigten Differenzbesteuerung. Das FAÖ lässt dabei aber essentielle Dinge außer Acht, die den Preisunterschied abseits der Differenzbesteuerung erklären, wie etwa, dass die Beschwerdeführerin mit gebrauchten Münzen handelt, die Münze Österreich hingegen mit selbst hergestellten neuen Münzen, die Beschwerdeführerin Anschaffungskosten hat, die Münze Österreich abweichende Herstellungskosten etc. Auch bleibt die Frage wieder völlig offen, wie ein Vergleich, der sich auf Silber-"Philharmoniker" verengt, den ungerechtfertigten Steuervorteil bei den 23 anderen, ausländischen Gebrauchtmünzen, die im Jahr 2014 an- und verkauft wurden, zeigen soll, die von der Münze Österreich gar nicht vertrieben werden. Die Antwort ist klar: Gar nicht.
Zusammengefasst wird durch das FAÖ daher in puncto Missbrauch - man muss es leider so hart sagen - wenn nicht direkte Desinformation so doch blanker Unsinn verbreitet. Wenn das FAÖ demgegenüber behauptet, "das Vorliegen einer missbräuchlichen Praxiswurde vom Finanzamt somit eindeutig und den Vorgaben des EuGH entsprechend nachgewiesen" so kann dies - salopp gesprochen - nur als frommes Wunschdenken bezeichnet werden. Esgibt im vorliegenden Fall evident keinen Missbrauch, weshalb dies bisher auch nie vorgebracht wurde. Eskann als gerichtsbekannt angesehen werden, dass das Standardvorgehen des FAÖ andernfalls darin besteht, präventiv, immer, sofort, bei erster Gelegenheit und laut "Missbrauch" zu rufen.
10. Zusammenfassung
Aus dem unter Punkt 1. bis Punkt 9. Gesagten folgt, dass dem Vorbringen des FAÖ insgesamt jedwede tatsächliche wie rechtliche Substanz fehlt. Die Beschwerdeführerin hält Ihre bisherigen Anträge daher aufrecht."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Differenzbesteuerung /Silbermünzen
Im Jahre 2014 lieferte die ***4*** GmbH gebrauchte Silbermünzen im Wert von 3,444.655,31 € differenzbesteuert an die Bf..
Die GmbH wurde 2014 in Deutschland gegründet, während die Bf. im Inland ein Einzelunternehmen betrieb und die von der GmbH im Streitjahr erworbenen Silbermünzen noch in diesem Jahr differenzbesteuert an Privatpersonen verkaufte.
Der Prüfungsbericht enthält keine Feststellungen, dass die Bf. in Hinblick auf die streitgegenständlichen Silbermünzen mit neuen Münzen handelte, ebenso wenig kommt darin zum Ausdruck, dass sie ausschließlich Wiener Philharmoniker verkauft hätte. Das Prüfungsergebnis steht somit nicht in Widerspruch zur schriftlichen Stellungnahme der steuerlichen Vertretung vom , wonach die Bf. ausschließlich gebrauchte Münzen vertrieben hatte, und überdies ein Verkauf von gebrauchten Wiener Philharmonikern für das Beschwerdeverfahren von untergeordneter Bedeutung war.
Ob die gegenständlichen Silbermünzen Anlagemünzen oder Sammlungsstücke von münzkundlichem Wert waren und als solche zu Recht sowohl im Gemeinschaftsgebiet an die Bf. als auch in weiterer Folge von ihr an Private im Inland differenzbesteuert verkauft wurden, wird nachfolgend dargelegt.
Erwiesen ist, dass die Geschäftsanteile an der ***4*** GmbH im Eigentum des Herrn ***4***, des Ehegatten der Bf. standen, der auch Geschäftsführer dieser GmbH war. Die GmbH tätigte nur differenzbesteuerte Umsätze. Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom wurde mit Wirkung zum das Unternehmen der Bf. an Herrn ***4*** übertragen.
Die ***4*** GmbH hatte die an die Bf. gelieferten Silbermünzen zuvor von einem Großhändler aus dem Drittland (USA, Kanada, Schweiz) erworben. Der Wareneinkauf erfolgte über differenzbesteuerte Einkaufsrechnungen. Die bei der Einfuhr der Silbermünzen in Deutschland erhobene Einfuhrumsatzsteuer wurde von der ***4*** GmbH nicht als Vorsteuer in Abzug gebracht.
Im Jahre 2014 belieferte die ***4*** GmbH nicht nur die Bf., sondern auch deutsche Unternehmen (62,1%) und deutsche Privatpersonen (31,6 %). Der prozentuelle Anteil der an die Bf. ausgestellten Rechnungen betrug demnach 6,3 %.
In Streit steht, ob der innergemeinschaftliche Erwerb der Silbermünzen durch die Bf. im Inland im Sinne des Art 24 Abs. 2 UStG 1994 nicht der Umsatzsteuer unterliegt, da auf die Lieferung der Silbermünzen von der deutschen GmbH an die Bf. im Sinne des Art 1 Abs. 2 im übrigen Gemeinschaftsgebiet die Differenzbesteuerung (§ 24) angewendet worden ist. Unter dieser Voraussetzung hätte die Bf. in weiterer Folge zu Recht die Waren differenzbesteuert an Privatpersonen verkauft.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der Unionsrechtswidrigkeit des § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG, und ob die Bf. einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern hätte müssen, da die Differenzbesteuerung in Deutschland unionsrechtswidrig zur Anwendung gelangte. Diesfalls wäre der Weiterverkauf der Silbermünzen an Private als differenzbesteuerter Umsatz im Sinne des § 24 UStG 1994 ausgeschlossen gewesen.
Vorsteuerkürzung
Die Bf. erhielt im Zeitraum August 2013 bis September 2013 Lieferungen von Edelmetallen (Silber und Platin) und machte die in den Rechnungen gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 63.943,56 € als Vorsteuern geltend. Leistender war laut den besagten Rechnungen das Unternehmen ***1*** mit einem ausgewiesenen Unternehmenssitz in ***8*** ***7***. Im Zuge der Außenprüfung im Juli 2017 wurde vergeblich versucht, mit diesem Unternehmen Kontakt aufzunehmen. Eine Begehung vor Ort hatte keine Hinweise auf ein bestehendes Unternehmen von ***1*** ergeben.
Aktenkundig war zudem eine schriftliche Auskunft der deutschen Finanzverwaltung, welche über Ersuchen der belangten Behörde bekanntgab, dass ***1*** die an die Bf. fakturierten streitgegenständlichen Waren tatsächlich von einem deutschen Lieferanten erhalten hatte.
Das Bundesfinanzgericht beurteilt auf Basis dieser Feststellungen und der vom Prüfer daraus abgeleiteten Schlussfolgerung, dass ***1*** die Waren tatsächlich an die Bf. geliefert hatte, die materiellen Voraussetzungen einer Lieferung an die Bf. als erfüllt. Gegenteilige Ermittlungsergebnisse seitens der belangten Behörde liegen nicht vor.
Die alleinigen Ausführungen der belangten Behörde in der Stellungnahme vom , wonach die vorgenommene Vorsteuerkürzung mit dem Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis gerechtfertigt sei, belegen keineswegs konkrete objektive Umstände von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen bzw. eines Missbrauches, sodass sie ins Leere gehen.
Denn für das Vorliegen von Missbrauch bedarf es konkreter Sachverhaltsfeststellungen, damit der von der Finanzverwaltung unterstellte Vorgang nachvollziehbar ist, wobei die Missbrauchshandlung und die Missbrauchsabsicht von der Behörde nachzuweisen gewesen wäre (vgl. , ). Solche Feststellungen finden sich mit keinem Wort im Prüfungsbericht aus dem Jahre 2017; die belangte Behörde hat im Gegenteil, eine Lieferung der gegenständlichen Waren an die Bf. unstrittig angenommen.
Zum erstmals in ihrer Stellungnahme vom formulierten Missbrauchsvorwurf in Bezug auf den Einkauf der Silbermünzen, behauptete die belangte Behörde, dass die Bf. in Österreich erzeugte Silbermünzen, die sie durchaus auch in Österreich erwerben hätte können, zunächst in ein Drittland exportiert und anschließend nach Deutschland importiert hätte, um diese unter Anwendung der Differenzbesteuerung nach deutschem Recht, das nicht im Einklang mit dem Unionsrecht stehe, nach Österreich zurückzuliefern und in Österreich unzulässigerweise differenzbesteuert weiterzuverkaufen.
Diese Ausführungen sind zum einen auf keine dem Prüfungsbericht entnehmbaren Ermittlungsergebnisse zurückzuführen, darüber hinaus hat die belangte Behörde diesbezügliche Nachforschungen während des Prüfungsverfahren auch nicht in Erwägung gezogen.
Zum anderen liegt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinesfalls ein Missbrauch vor, wenn eine abgabenrechtliche Begünstigung auf einem Weg erreicht wird, der vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (, -0275).
Auch aus dieser Sicht fehlt den Ausführungen des Prüfungsberichtes die Grundlage für einen Missbrauch: Die GmbH in Deutschland nahm im Sinne des § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG in der mit gültigen Fassung und der dort festgelegten Voraussetzungen als Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung für selbst importierte Sammlungen in Anspruch, die in Nr. 49 Buchstabe f und 54 der Anlage 2 zum dUStG angeführt waren. Darunter zählten unter anderem Münzen und Medaillen aus Edelmetallen aus den Positionen 7118 (Silbermünzen), wenn die Bemessungsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250 Prozent des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts ohne USt beträgt. Diese Voraussetzungen trafen, mangels konkreter gegenteiliger Ergebnisse, auf den Beschwerdefall zu, sodass daraus kein Missbrauch abgeleitet werden kann.
Ebenso ist auf Grundlage der unbestritten gebliebenen Ausführungen der steuerlichen Vertretung in der Gegenäußerung vom der vorliegende Geschäftsablauf als weder ungewöhnlich noch als unangemessen zu beurteilen. Die Münze Österreich handelte mit neuen Münzen, die Bf. demgegenüber ausschließlich mit gebrauchten, sodass ein Vergleich dieser beiden Unternehmen, ohne weitergehende für einen Missbrauchsvorwurf geeignete objektive Anhaltspunkte, keineswegs darlegte, dass mit den fraglichen Umsätzen lediglich ein ungerechtfertigter Steuervorteil bezweckt wurde (vgl. , Tanoarch, ÖStZB 2013/269, RN 52, und , Weald Leasing, ÖStZB 2012/214).
Dazu kommt, dass nach der Rechtsprechung des VwGH von einer ungewöhnlichen oder unangemessenen rechtlichen Gestaltung dann nicht gesprochen werden kann, wenn der Steuerpflichtige unmittelbar jenen Weg beschreitet, den das Gesetz selbst vorzeichnet, mag auch die Steuerersparnis das Ziel der Gestaltung sein. Der Steuerpflichtige verantwortet - mit anderen Worten - keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 22 BAO, wenn er lediglich eine Steuerbegünstigung auf dem vom Gesetz selbst hierfür vorgesehenen Weg in Anspruch nimmt (vgl. ). Dies trifft auf den konkreten Fall zu, da für die deutsche GmbH die Voraussetzungen einer Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG vorlagen, und die Differenzbesteuerung von ihr auch angewendet wurde. Die vom Unterschiedsbetrag zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis geschuldete Umsatzsteuer sowie die im Preis enthaltene Restmehrwertsteuer wurden zum Kostenfaktor, sodass aus Sicht des nationalen Rechts im Sinne des Art 24 Abs. 2 UStG 1994 der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland nicht der Umsatzsteuer unterlag. Das Bundesfinanzgericht nimmt aus diesen Gründen das Vorliegen eines ungerechtfertigten Steuervorteils nicht an.
Der Hinweis der belangten Behörde auf den Geschäftsablauf zwischen der Bf. und ihrem Ehegatten als Eigentümer der GmbH begründet für sich allein noch nicht eine Konstellation, die eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Missbrauchsthematik notwendig gemacht hätte. Dies deshalb, da sie beispielsweise auch nicht konkret festgestellt hat, dass die Bemessungsgrundlagen der differenzbesteuerten Umsätze oder die sonstigen Bedingungen der Umsatzbeziehung nicht wie unter Fremden gestaltet worden wären. (vgl. ). Demzufolge ist es von Grund auf nicht erwiesen, dass mit der konkret gewählten Gestaltung der Geschäftsbeziehung von Missbrauch auszugehen war.
Darüber hinaus ist es unverhältnismäßig, der Bf. als Erwerberin der Silbermünzen die Prüfung des § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG auf eine mögliche Unionsrechtswidrigkeit aufzuerlegen. Selbst im Fall der Unionsrechtswidrigkeit dieser Bestimmung, hätte sie diese im Rahmen der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen müssen und war demzufolge zu Recht vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen, wie im § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG geregelt, ausgegangen (vgl. BFH , V R 52/07, "Litdana", C-624/15, Ruppe/Achatz, UStG5, § 24 Tz 14).
2. Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht erachtet die getroffenen Feststellungen als erwiesen und stützt sich in Bezug auf den Ablauf des Ankaufes der Silbermünzen durch die ***4*** GmbH und den Weiterverkauf an die Bf. auf die Ausführungen im Prüfungsbericht vom , insoweit sie mit den schriftlichen Stellungnahmen der steuerlichen Vertretung übereinstimmen. Unbestritten blieb außerdem, dass die ***4*** GmbH 6,3 % der von ihr veräußerten Silbermünzen an die Bf. lieferte, der übrige Anteil ging an deutsche Unternehmen und Privatkunden (vgl. Stellungnahme der steuerlichen Vertretung vom und vom ).
Mit dem Vorbringen und den bloßen Hinweisen auf das Vorliegen eines Missbrauchs ist die belangte Behörde in ihrem Schriftsatz vom , wie zu Punkt 1. bereits dargelegt, keineswegs der von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs geforderten Nachweispflicht nachgekommen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
a. Umsatzsteuer 2014/Differenzbesteuerung:
§ 24 Abs. 1 UStG 1994 bestimmt, dass für die Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken oder Antiquitäten (Nummern 44 bis 46 der Anlage) oder anderen beweglichen körperlichen Gegenständen, ausgenommen Edelsteine (aus Positionen 7102 und 7103 der Kombinierten Nomenklatur) oder Edelmetalle (aus Positionen 7106, 7108, 7110 und 7112 der Kombinierten Nomenklatur), eine Besteuerung nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften (Differenzbesteuerung) gilt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Unternehmer ist ein Händler, der gewerbsmäßig mit diesen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert (Wiederverkäufer).
2. Die Lieferung der Gegenstände an den Unternehmer wurde im Gemeinschaftsgebiet ausgeführt. Für diese Lieferung wurde
a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder
b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
Differenzbesteuerung in besonderen Fällen
(2) Der Wiederverkäufer (Abs. 1 Z 1) kann erklären, daß er die Differenzbesteuerung auch bei der Lieferung folgender Gegenstände anwendet:
a) von ihm selbst eingeführte Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten;
b) vom Urheber oder von dessen Rechtsnachfolgern gelieferte Kunstgegenstände;
c) Kunstgegenstände, die nicht von einem Wiederverkäufer an ihn geliefert werden, wenn auf diese Lieferung der ermäßigte Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z 1 lit. c anzuwenden ist.
Art 24 UStG 1994 (BGBl I 2003/134) schränkt den Anwendungsbereich der Differenzbesteuerung ein. Die Differenzbesteuerung gem. § 24 UStG 1994 findet dann keine Anwendung, wenn der ausländische Lieferant beim Verkauf an den inländischen Wiederverkäufer die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in Anspruch genommen hat.
Art 24 UStG 1994 regelt:
"(1) Die Differenzbesteuerung gemäß § 24 findet keine Anwendung,
a) auf die Lieferung eines Gegenstandes, den der Wiederverkäufer innergemeinschaftlich erworben hat, wenn auf die Lieferung des Gegenstandes an den Wiederverkäufer die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet angewendet worden ist,
b) auf die innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge im Sinne des Art. 1 Abs. 8 und 9.
(2) Der innergemeinschaftliche Erwerb unterliegt nicht der Umsatzsteuer, wenn auf die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber im Sinne des Art. 1 Abs. 2 im übrigen Gemeinschaftsgebiet die Differenzbesteuerung (§ 24) angewendet worden ist.
(3) Die Anwendung des Art. 3 Abs. 3 und die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (Art. 7 Abs. 1) sind bei der Differenzbesteuerung (§ 24) ausgeschlossen.
Nach Art 311 (1) MwStSystRL gelten für die Zwecke dieses Kapitels unbeschadet sonstiger Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts folgende Begriffsbestimmungen:
"Gebrauchtgegenstände" sind bewegliche körperliche Gegenstände, die keine Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten und keine Edelmetalle oder Edelsteine im Sinne der Definition der Mitgliedstaaten sind und die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind;
"Kunstgegenstände" sind die in Anhang IX Teil A genannten Gegenstände;
"Sammlungsstücke" sind die in Anhang IX Teil B genannten Gegenstände;
"Antiquitäten" sind die in Anhang IX Teil C genannten Gegenstände;
"steuerpflichtiger Wiederverkäufer" ist jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft, seinem Unternehmen zuordnet oder einführt, gleich, ob er auf eigene Rechnung oder aufgrund eines Einkaufs- oder Verkaufskommissionsvertrags für fremde Rechnung handelt;
"Veranstalter einer öffentlichen Versteigerung" ist jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit Gegenstände zur öffentlichen Versteigerung anbietet, um sie an den Meistbietenden zu verkaufen;
"Kommittent eines Veranstalters öffentlicher Versteigerungen" ist jede Person, die einem Veranstalter öffentlicher Versteigerungen einen Gegenstand aufgrund eines Verkaufskommissionsvertrags übergibt.
(2) …………….
(3) …………………….
Die im Anhang IX Teil B genannten Gegenstände und Sammlungsstücke sind Briefmarken, Stempelmarken, Steuerzeichen, Ersttagsbriefe, Ganzsachen und dergleichen, entwertet oder nicht entwertet, jedoch weder gültig noch zum Umlauf vorgesehen (KN-Code 9704 00 00); zoologische, botanische, mineralogische oder anatomische Sammlungsstücke und Sammlungen; Sammlungsstücke von geschichtlichem, archäologischem, paläontologischem, völkerkundlichem oder münzkundlichem Wert (KN-Code 9705 00 00).
Nach Art 314 MwSt-SystRL gilt die Differenzbesteuerung für die Lieferungen von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten durch einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, wenn ihm diese Gegenstände innerhalb der Gemeinschaft von einer der folgenden Personen geliefert werden:
a) von einem Nichtsteuerpflichtigen;
b) von einem anderen StPfl, sofern die Lieferungen des Gegenstands durch diesen anderen StPfl gem Art 136 von der Steuer befreit ist;
c) von einem anderen StPfl, sofern für die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen StPfl die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen gem Art 282-292 gilt und es sich dabei um ein Investitionsgut handelt;
d) von einem anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, sofern die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer gem dieser Sonderregelung mehrwertsteuerpflichtig ist.
Nach Art 316 MwStSystRL haben die Mitgliedstaaten den steuerpflichtigen Wiederverkäufern das Optionsrecht einzuräumen, die Differenzbesteuerung auch bei der Lieferung folgender (auch neuer) Gegenstände anzuwenden:
Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten, die sie selbst eingeführt haben.
Die Einzelheiten der Ausübung dieser Option sind von den Mitgliedstaaten selbst festzulegen; sie muss aber in jedem Fall für einen Zeitraum von mindestens zwei Kalenderjahren gelten.
Das dUStG regelt in diesem Zusammenhang in § 25a Abs. 2 Z 1, dass der Wiederverkäufer spätestens bei der Abgabe der ersten Voranmeldung gegenüber dem Finanzamt erklären kann, dass er die Differenzbesteuerung von Beginn dieses Kalenderjahres an auch auf Sammlungsstücke (Nummer 49 Buchstabe f und Nummer 54 der Anlage 2), die er selbst eingeführt hat, anwendet. Die Nummer 54 lit c der Anlage 2 nennt Sammlungsstücke von münzkundlichem Wert, und zwar unter cc) Münzen und Medaillen aus Edelmetallen, wenn die Bemessungsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250 Prozent des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts ohne Umsatzsteuer beträgt. Zolltarifarisch werden hier die Positionen 7118, 970500 00 und 9706 00 00 angeführt.
Nach den Erläuterungen zum Zolltarif sind Geldmünzen oder Medaillen, deren Wert auf ihrem Alter oder ihrer Seltenheit beruht, als Einzelstücke oder in Sammlungen vorzufinden. Ein münzkundlicher Wert ist im Allgemeinen nur gegeben, wenn eine Einzelsendung von der gleichen Münze oder Medaille sehr wenige Stücke enthält, und beide offensichtlich für eine Sammlung bestimmt sind. Da die vorstehenden Abgrenzungsmerkmale der Erläuterungen zum Zolltarif den Erfordernissen der umsatzsteuerlichen Praxis nicht gerecht geworden wären, enthält die Nummer 54 der Anlage 2 des dUStG eine, wie oben angeführt, vom Zolltarif abweichende objektivierte Bestimmung des Begriffs "Sammlungsstücke von münzkundlichem Wert" (Schwarz /Widmann/ Radeisen, USt Praxiskommentar, 213. Lfg, 5/2020, § 12 Abs. 2 Nr. 1, Rz 814, 815).
Das dUStG sieht eine Möglichkeit der freiwilligen Anwendung der Differenzbesteuerung gem. § 25a Abs. 2 vor, wenn unter anderem Sammlungsstücke (Nr. 49 Buchstabe f und Nr. 54 der Anlage 2 aus dem Drittland importiert wurden (s. Schwarz/Widmann/Radeisen, USt Praxiskommentar, 231. Lfg., 11/2022, § 25a Rz 69 ff). Diese Gegenstände werden auch im Zusammenhang mit der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 dUStG definiert.
Nach Schwarz/Widmann/Radeisen, USt Praxiskommentar, 189. Lfg., 11/2016, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rz 791, kommt diese Steuerermäßigungsvorschrift betreffend Kunstgegenstände und Sammlungsstücken aus unionsrechtlichen Gründen mit Wirkung ab dem nur noch für die Einfuhr von Sammlungsstücken in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 12 dUStG iVm Nr. 54 der Anlage 2 des dUStG erfüllt sind. § 25a Abs. 2 dUStG in der für das Jahr 2014 anzuwendenden Fassung ermöglichte den Händlern für eingeführte Silbermünzen die Anwendung der Differenzbesteuerung. Im Rahmen dieser Besteuerung war folglich auf die Umsätze von Sammlungsstücken iSd Nr. 54 der Anlage 2 des dUStG stets der allgemeine Steuersatz anzuwenden.
Unter diesen Bedingungen unterlagen die ohne Umsatzsteuer angekauften gebrauchten und importierten Silbermünzen der Differenzbesteuerung. Das in § 25a Abs. 2 Nr. 1 dUStG vorgesehene Wahlrecht ermöglichte es, die Differenzbesteuerung auf selbst eingeführte Sammlungsstücke anzuwenden, darunter Münzen im Sinne der Anlage 2 Nr. 54 lit c Doppelbuchstabe cc dUStG, deren Einfuhr dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Die Frage, ob vor diesem Hintergrund die Voraussetzungen für eine Differenzbesteuerung in Deutschland vorlagen, muss schon deshalb bejaht werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen des dt. UStG vom liefernden Unternehmen erfüllt worden sind. Damit steht auch fest, dass objektiv aus Sicht der deutschen umsatzsteuerlichen Rechtsvorschriften die Berechtigung zur Anwendung der Differenzbesteuerung bei der ***4*** GmbH bestanden hat.
Art 24 UStG 1994 regelt nun, inwieweit die Binnenmarktregelungen eine Differenzbesteuerung nach § 24 UStG 1994 ausschließt oder umgekehrt, dass aufgrund der Differenzbesteuerung verschiedene Binnenmarktregelungen nicht anzuwenden sind. Dadurch soll vermieden werden, dass es zu einer Doppelbelastung oder Nichtbelastung mit Umsatzsteuer aufgrund der Binnenmarktregelungen kommt.
Gemäß Art 24 Abs. 1 UStG kommt es im Beschwerdefall schon deshalb nicht zur Erwerbsbesteuerung im Inland, da der deutsche Lieferant beim Verkauf der Silbermünzen an die Bf. die echte Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nicht in Anspruch genommen hat. Ein möglicher Einwand, dass der deutsche Lieferant trotz Vorliegens der Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung die Differenzbesteuerung angewendet hatte, ist aus Sicht des nationalen Rechts schon deshalb unzutreffend, da eine Differenzbesteuerung für eingeführte Silbermünzen dem § 25a Abs. 2 dUStG entsprochen hat und überdies nach den Feststellungen der Außenprüfung deshalb beim Import der Silberwaren kein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wurde. Demnach lastete auf die Lieferung an die Bf. eine Restmehrwertsteuer, sodass in weiterer Folge durch die Anwendung der Differenzbesteuerung eine Doppelbesteuerung vermieden wurde.
Dass Silbermünzen, die unter die Tarifpost 7118 fallen, nicht als Sammlungsstücke gemäß Art 311 Abs. 1 MwStSystRl und Art 316 MwStSystRL genannt sind, mag auf eine nicht vollständige Umsetzung der Richtlinie hinweisen.
Das Bundesfinanzgericht folgt in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung der steuerlichen Vertretung, wonach Deutschland auf Grundlage des Art 316 Abs. 2 MwStSystRL (Ausübung der Option) festlegen hätte können, dass die Differenzbesteuerung auf Silbermünzen anzuwenden wäre, die unter die Position 7118 fielen. Nach Art 316 Abs. 2 MwStSystRL können sich die Einzelheiten der Ausübung der Option, die jedenfalls für einen Zeitraum von mindestens zwei Kalenderjahren gelten müssen, nur auf die formale und nicht auf ihre inhaltliche Gestaltung beziehen. Zu Letzterem zählte beispielsweise, welche Waren mit welcher zolltarifarischen Einordnung als Sammlungsstücke zu werten wären.
Nach der deutschen Literatur kommt den verfahrensgegenständlichen Silbermünzen die Eigenschaft Sammlungsstücke zu, wenn sie den im dUStG geforderten Metallwert erfüllen, sodass sie für Zwecke der umsatzsteuerlichen Abgrenzung im Sinne einer vom Zolltarifrecht abweichenden objektivierten Bestimmung (Nr. 54 Buchstabe c. Doppelbuchst.cc. der Anlage 2 des dUStG) differenzbesteuert verkauft werden können (vgl. Schwarz/Widmann/Radeisen, USt- Praxiskommentar, 213. Lfg., 5/2020, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rz 814 und 815).
Diese vom Zolltarif abweichende objektivierte Bestimmung steht nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts im Einklang mit der EuGH Rechtsprechung ( Daiber, C-200/84), nach welcher das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut des Zolltarifs und in den Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind.
Das Bundesfinanzgericht erachtet in Hinblick auf die für das Jahr 2014 in Österreich geltende Rechtslage die Ausführungen der steuerlichen Vertretung vom insoweit als zutreffend: Bis galt der ermäßigte Steuersatz von 10% auch für die Lieferung und die Einfuhr von Münzen und Medaillen aus Edelmetallen, wenn die Bemessungsgrundlage für die Umsätze mehr als 250% des Metallwertes betragen hatte. Damit wurden - wie in Deutschland - Münzen aus Edelmetallen, deren Handelswert bedeutend höher war als der Metallwert, dem ermäßigten Steuersatz unterstellt (vgl. Ruppe/Achatz5 UStG, § 10 Tz 126). Diese Begünstigung wurde mit dem StRefG 2015/2016 aus unionsrechtlichen Gründen in Österreich gestrichen.
Die verfahrensgegenständlichen Silbermünzen wurden demnach auch im Jahre 2014 in Österreich als begünstigte Sammlungsstücke beurteilt. Nach VwGH sind Sammlungsstücke Objekte, deren kultureller Wert den Gebrauchswert so wesentlich übersteigt, dass sie nach der Verkehrsauffassung nicht Zwecken des täglichen Lebens dienen, sondern regelmäßig mit anderen Gegenständen gleicher Art nach einem systematischen Zusammenhang aufbewahrt und gepflegt werden. Derartige Gegenstände sind begünstigt, auch wenn sie im konkreten Fall einer Sammlung nicht angehören (vgl. , Ruppe/Achatz, UStG5, § 10 Tz 124).
Auch aus der Sicht, dass eine Zolltarifauskunft allein für Umsatzsteuerzwecke nicht vorgesehen ist und eine für eine bestimmte Ware bestehende Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke keine bindende, sondern allenfalls eine Indizwirkung hat (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 10 Tz 30), kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die gegenständlichen Silbermünzen nach ihrer objektivierten Bestimmung auch nach inländischer Rechtslage im Streitjahr als Sammlungsstücke für die Differenzbesteuerung gegolten hätten, obgleich in Bezug auf § 24 UStG 1994 in der Nummer 45b der Anlage zum UStG 1994 allein die KN 9705 00 00 angeführt war.
Im vorliegenden Fall war jedoch die rechtmäßige Anwendung der Differenzbesteuerung in Deutschland nach den dort geltenden Bestimmungen zu beurteilen.
Zum Einwand der belangten Behörde in der schriftlichen Stellungnahme vom , wonach die vorliegenden Silbermünzen Anlageobjekte gewesen wären, ist auszuführen, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Silbermünzen, mangels gegenteiliger Anhaltspunkte, um gebrauchte Münzen gehandelt hat, für welche im Streitjahr auf Basis einer durch die deutsche Finanzverwaltung getroffenen Vereinfachungsregelung im /04, die Differenzbesteuerung bei ihrer Einfuhr anwendbar war.
Auch wenn diese Vereinfachungsregelung des BMF die Differenzbesteuerung für Silbermünzen als Anlageobjekte und über § 25a Abs. 2 Nr. 1 dUStG sowie das darin geregelte Wahlrecht auch für Silbermünzen als "Sammlungsstücke" im Sinne der Nr. 54 der Anlage 2 zum dUStG ermöglichte, lässt sich eine daraus ableitbare Unvereinbarkeit dieser Regelung mit dem Unionsrecht letztlich nur durch verbindliche nationale Bestimmungen ausräumen, die denselben rechtlichen Rang haben wie die zu ändernde Bestimmung (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5 Einf Tz 24). Dem Grundsatz der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien in den Fällen, in denen diese inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, folgt, dass sich der einzelne Steuerpflichtige darauf berufen kann, und Verwaltung und Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, die mit den Richtlinien nicht im Einklang stehen. Ist hingegen im Einzelfall das nationale Recht für den Steuerpflichtigen günstiger als das Richtlinienrecht, so gilt, dass die Richtlinie keine unmittelbare Verpflichtung der einzelnen Bürger begründen kann, der Anwendungsvorrang des nationalen Rechts (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5 Einf Tz 26).
Demnach ist zur von der belangten Behörde dagegengehaltenen Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Bestimmung auf die ständige EuGH-Rechtsprechung (vgl. Linneweber, C-453/02, C-462/02,) zu verweisen, nach der sich ein Steuerpflichtiger gegenüber einer für ihn nachteiligen Vorschrift des innerstaatlichen Rechts unmittelbar auf eine für ihn günstigere Bestimmung einer Richtlinie berufen kann, wenn der nationale Gesetzgeber es versäumt hat, diese fristgemäß und korrekt in innerstaatliches Recht umzusetzen. Ein solches Berufungsrecht hängt nach EuGH von bestimmten Bedingungen ab:
Die Richtliniennorm muss dem Steuerpflichtigen einen positiven Anspruch gegenüber dem Staat geben (zB Anspruch auf eine Umsatzsteuerbefreiung).
Sie muss hinreichend klar und genau sein.
Sie muss inhaltlich unbedingt (bedingungsabhängig) und damit in ihrem Wesen geeignet sein, unmittelbare Wirkungen zu erzeugen. Sie darf den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht keinen Gestaltungsspielraum lassen.
Der Umstand, dass im Jahre 2014 nach deutschem Recht die ohne Umsatzsteuer aus dem Drittland importierten Silbermünzen (als Sammlungsstücke oder Anlageobjekte) der Differenzbesteuerung unterlagen und diese Sonderbesteuerung im Wege einer Option auch bei den von außerhalb der Union importierten Silbermünzen galt, war eine Steuerbegünstigung. Daraus kann sich jedoch für den Anwender einer Differenzbesteuerung, wie im konkreten Fall für die ***4*** GmbH kein Anwendungsvorrang einer Richtliniennorm ableiten, zumal die nationale Rechtsvorschrift für den Steuerpflichtigen nach der konkreten Sachlage günstiger war. Im Beschwerdefall war somit von einer Derogation der nationalen Bestimmung, des § 25 Abs. 2 Z 1 dUStG, nicht auszugehen.
Zum Hinweis der belangten Behörde in ihrem Schreiben vom auf ein jüngst ergangenes -III C 2-S-7246/19/10001:002, in welchem die deutsche Finanzverwaltung die früher vorgenommene Ausdehnung der gesetzlichen Definition der Sammlungsstücke von münzkundlichem Wert zurücknahm, ist auszuführen, dass dieses Schreiben die Rechtslage ab 2023 betroffen hat, demnach nicht auf das Jahr 2014 zurückwirkte. Außerdem erging seitens der deutschen Finanzverwaltung am eine Nichtbeanstandungsregelung, wonach die Einfuhr von Silbermünzen unter den im genannten Rahmenbedingungen weiterhin ermöglicht wurde, sofern die Silbermünzen bis zum eingeführt bzw. geliefert wurden (vgl. Stiller in UR 5/2023, 177).
Die belangte Behörde verweist auf Art 16 der DVO (EU) 282/2011, wonach der Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände, in dem ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen im Sinne von Art 20 der MwStSystRL erfolgt, seine Besteuerungskompetenz unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands oder der Beförderung wahrnimmt.
Die VO 282/2011 ist, ohne dass es eines nationalen Umsetzungsakts bedarf, als unmittelbar geltendes Recht sowohl für die Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission als auch für den EuGH rechtlich bindend (vgl. Huschens, in Einführung in das Unionsrecht der Umsatzsteuer, 5/2022, Tz 481).
Der Art 16 dieser Verordnung hat als Überschrift "Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs" im Sinne der Art 40 bis 42 der MwStSystRL und enthält die Klarstellung, dass der Mitgliedstaat, in dem die Warenbewegung endet, die Besteuerungskompetenz des ig Erwerbs hat, und zwar unabhängig davon, wie die ig Lieferung besteuert wurde. Entscheidungsrelevant ist demzufolge, dass die im Jahre 2014 geltende Bestimmung des dUStG rechtmäßig angewendet wurde, infolgedessen die ***4*** GmbH mit der Lieferung der aus dem Drittland selbst importierten Silbermünzen an die Bf. in Deutschland den Tatbestand der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt hat. Demnach verbleibt im Beschwerdefall für Art 16 DVO 282/2011 kein Anwendungsbereich.
Die Ausführungen der belangten Behörde in der Stellungnahme vom gehen demzufolge ins Leere, zumal mit Art 16 MwSt-DVO jene Fälle gemeint sind, in denen eine im Gemeinschaftsgebiet ausgeführte Lieferung umsatzsteuerpflichtig behandelt wurde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Deutschland erfüllt waren. Österreich kann diesfalls seine Besteuerungskompetenz unabhängig von der rechtswidrigen mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands oder der Beförderung des Gegenstandes wahrnehmen. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung lagen im konkreten Fall nach dUStG definitiv nicht vor.
Gaedke/Huber-Wurzinger in Tumpel/Melhardt, UStG3, § 24 Tz 38 und Ruppe/Achatz in UStG5, § 24 Tz 14 verweisen auf BFH , V R 52/07, wonach die Anwendung einer Differenzbesteuerung bei der Lieferung eines Gegenstandes - obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen - dazu führt, dass der Erwerber (Wiederverkäufer) bei der Weiterveräußerung keine Differenzbesteuerung anwenden darf. Sie führen weitergehend aus, dass eine Differenzbesteuerung nur dann unzulässig wäre, wenn der Wiederverkäufer von der unrechtmäßigen Inanspruchnahme der Differenzbesteuerung wusste oder wissen müsste.
Demgegenüber vertreten Ecker/Epply/Rößler/Schwab, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, , zu § 24, dass die Anwendung der Differenzbesteuerung aufgrund einer Vertrauensschutzregelung nicht zulässig und im Umsatzsteuergesetz auch nicht vorgesehen ist.
Der BFH führte im oben zitierten Urteil vom , V R 52/07 aus, dass die Vornahme der Differenzbesteuerung voraussetzt, dass die Lieferung an den Wiederverkäufer die gesetzlichen Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 dUStG erfüllt. Es reicht nicht aus, dass die Lieferung an den Wiederverkäufer nur faktisch als der Differenzbesteuerung unterliegend behandelt wurde. Der Gerichtshof hebt hervor, dass nur unter diesen Voraussetzungen eine Wettbewerbssituation zwischen der Lieferung durch den Wiederverkäufer und durch Nichtunternehmer besteht.
Bezogen auf den konkreten Fall bedeutet dies, dass die ***4*** GmbH aus der Sicht des § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG die Differenzbesteuerung auf Sammlungen der Nr. 49 Buchstabe f und 54 der Anlage 2, die sie selbst eingeführt hatte gemäß dem nationalen Recht angewendet hat. Eine faktische nicht dem § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG entsprechende Behandlung des Umsatzes als differenzbesteuert und infolgedessen das Entstehen von vom BFH genannter Wettbewerbsverzerrungen war daher zu verneinen. In diesem Sinne brachte auch der Mensing, C-264/17, zum Ausdruck: "Zum anderen ist speziell hinsichtlich der mit der Differenzbesteuerung verfolgten Ziele darauf hinzuweisen, dass mit ihr nach dem 51. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie bezweckt wird, auf dem Gebiet der Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke Doppelbesteuerungen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen Steuerpflichtigen zu vermeiden."
Aus dem Vorumsatz wurde im Beschwerdefall die Einfuhrumsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen, sodass im Falle einer Nichtanwendung der Differenzbesteuerung eine Steuer von der Steuer, eine Steuerkumulation entstanden wäre. Der ***4*** GmbH war in diesem Zusammenhang auch keine gewillkürte Anwendung der Differenzbesteuerung anzulasten, zumal auch nicht feststand, dass sie die Silbermünzen im Regelbesteuerungsverfahren erworben hätte.
§ 24 Abs. 1 Z 2 lit b UStG 1994 legt die rechtliche Möglichkeit für einen Unternehmer fest, die Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken oder Antiquitäten oder anderen beweglichen körperlichen Gegenständen der Differenzbesteuerung zu unterwerfen, wenn die Lieferung dieser Gegenstände an den Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet ausgeführt wurde und für diese Lieferung die Differenzbesteuerung angewendet wurde.
Die Bf. konnte daher nach bestehender Sachlage die aus Deutschland erworbenen Silbermünzen differenzbesteuert im Inland an Private veräußern. Der Beschwerde war demzufolge insoweit stattzugeben.
b. Vorsteuerkürzung betreffend 2013
§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG regelt:
"(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Besteuert der Unternehmer nach vereinnahmten Entgelten (§ 17) - ausgenommen Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 1 zweiter Satz - und übersteigen die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 - hierbei bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz - im vorangegangenen Veranlagungszeitraum 2 000 000 Euro nicht, ist zusätzliche Voraussetzung, dass die Zahlung geleistet worden ist. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung der Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft;"
Nach dem festgestellten Sachverhalt wurde im Zuge des Prüfungsverfahrens und nach den Feststellungen der Außenprüfung unter Tz 2 des Prüfungsberichtes ausgeführt, dass im Beschwerdefall keine Scheinlieferungen vorliegen, zumal die Lieferung von Edelmetallen an ***1*** durch einen deutschen Lieferanten mittels Auskunftsersuchen bestätigt wurde, und die Weiterlieferung der Waren an die Bf. nicht strittig war.
Die Versagung des Vorsteuerabzuges aus den Rechnungen von ***1*** aus formalen Gründen, obgleich feststand, dass Edelmetalle zwischen den beteiligten Unternehmen geliefert wurden, entspricht nicht der Rechtsprechung des EuGH und des VwGH. Der EuGH brachte im Urteil vom , Barlis, C-516/14, zum Ausdruck, dass die MwStSystRL einer Praxis entgegensteht, die den Vorsteuerabzug wegen formeller Mängel versagt, wenn die materiellen Voraussetzungen vorliegen. Formelle Mängel führten dann zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges, wenn diese den sicheren Nachweis verhindern, dass die materiellen Anforderungen erfüllt sind. Desgleichen ist nach der Rechtsprechung des VwGH in jenen Fällen, in denen an der angegebenen Adresse des leistenden Unternehmers keine Geschäftstätigkeit festgestellt werden kann, der Vorsteuerabzug nicht wegen Verletzung der Formvorschriften, sondern aus materiellen Gründen zu versagen (vgl. ), wenn eine Prüfung ergab, dass der angegebene leistende Unternehmer auch an anderen Orten als dem Ort der Rechnungsadresse keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hatte. Zu beachten ist, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auch von anderen Orten als dem Gesellschaftssitz ausgeführt werden (vgl. auch m. Hinweis a. PPUH Stehcamp, C-277/14, ).
Die Ausführungen, - nach einer Begehung vor Ort im Jahre 2017 - dass der Rechnungsaussteller ***1*** an der Rechnungsadresse niemals einer Geschäftstätigkeit nachgegangen ist, lassen für sich allein ohne weitere Prüfungsfeststellungen keinen Missbrauchstatbestand annehmen von dem die Bf. wusste oder wissen hätte müssen. Dies wird überdies durch die eidesstattliche Erklärung eines Angestellten des Unternehmens der Bf. untermauert, der keine konkreten Feststellungen entgegen zu halten waren.
Das Fehlen von Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Gestaltung, die allenfalls zur Versagung des Vorsteuerabzuges führten, kann nicht mit Argumenten, die sich in der Darstellung der Liefervorgänge erschöpfen und mit dem bestehenden Naheverhältnis zwischen dem Ehemann der Bf. und ihr selbst begründet werden, ohne dass das Finanzamt objektive Umstände nachgewiesen hätte, die die Begehung eines Missbrauchs dargestellt hätten.
Abschließend ist darauf zu verweisen, dass § 270 Abs. 2 BAO idF BGBl. I Nr. 108/2022, eine Verfahrensförderungspflicht normiert, wonach jede Partei ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann. Diese Verpflichtung besteht insbesondere für alle Verfahren, in denen keine mündliche Verhandlung durchgeführt wird.
Vor diesem Hintergrund kann das Bundesfinanzgericht für die von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom behaupteten Missbrauchsvorbringen keine sachliche Rechtfertigung erkennen, insbesondere deshalb, da diesbezügliche grundlegende Ermittlungen nicht bereits im abgabenbehördlichen Verfahren oder spätestens nach Bekanntgabe des Vorlageberichts eingebracht wurden (vgl. Gleiss/Hubmann, Neuerungsverbot nach mündlicher Verhandlung und Verfahrensförderungspflicht im BFG Verfahren, AVR 2022, 202).
Auch aus nachstehenden Gründen war unter Bezugnahme auf , auf den am behaupteten Missbrauch nicht weiter einzugehen: Ein Beweisantrag setzt voraus, dass er "prozessual ordnungsgemäß" gestellt wird, denn nur dann ist er als solcher beachtlich. Entscheidend für einen Beweisantrag ist vor allem die Angabe des Beweismittels und des Beweisthemas, also der Punkte und Tatsachen, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen. Erheblich ist ein Beweisantrag jedoch in der Folge nur dann, wenn Beweisthema eine Tatsache ist, deren Klärung, wenn diese nicht schon selbst (sachverhalts-)erheblich ist, zu mindestens mittelbar beitragen kann, Klarheit über eine (sachverhalts-)erhebliche Tatsache zu gewinnen (vgl. dazu Stoll, BAO-Handbuch, 1891). Beweise bei einem nur unbestimmten Vorbringen müssen nicht aufgenommen werden (vgl. , 0023).
Aus vorstehenden Gründen war der Beschwerde auch in diesem Punkt stattzugeben.
Die Berechnungsgrundlagen stellen sich wie folgt dar:
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision wird im Beschwerdefall als zulässig erachtet, da eine Rechtsprechung bezüglich der Frage der Unionsrechtswidrigkeit des § 25a Abs. 2 Z 1 dUStG und insbesondere, ob eine auf Grundlage dieser Bestimmung angewendete Differenzbesteuerung in Deutschland den Weiterverkauf der Silbermünzen in Österreich als differenzbesteuerten Umsatz ausgeschlossen hätte, fehlt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 16 DVO 282/2011, ABl. Nr. L 77 vom S. 1 Art. 24 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 24 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 272 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | BFH , V R 52/07 |
Zitiert/besprochen in | Tumpel in BFGjournal 2023, 384 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100525.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at