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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 25.10.2023, RV/3100361/2023

Unzulässige Ausdehnung der Beschwerde auf Wiederaufnahmebescheide im Mängelbehebungsverfahren bei eindeutig nur gegen die Sachbescheide gerichteter Beschwerde

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100361/2023-RS1
Werden in einem Schriftsatz zur Mängelbehebung zusätzliche Bescheide als angefochten bezeichnet, obwohl kein Mangel der Bescheidbezeichnung vorlag, wurde gegen diese Bescheide erst mit diesem Schreiben Beschwerde erhoben und nicht schon mit dem ursprünglichen Beschwerdeschreiben. Wurde ein Mängelbehebungsauftrag erlassen, obwohl kein Mangel vorlag, kann die "Behebung" des angeblichen Mangels nicht gemäß § 85 Abs. 2 letzter Satz BAO zurückwirken.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Lenfeld | Leys | Sonderegger - Rechtsanwälte (GesbR), Malserstraße 19, 6500 Landeck, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2014 bis 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***:

I. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang / Sachverhalt

1.1. Bescheide des Finanzamts Innsbruck vom

Am erließ das Finanzamt Innsbruck gegenüber dem Beschwerdeführer (Bf.) acht Bescheide, nämlich

  1. 3 Bescheide über die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2014 bis 2016,

  2. 3 neue Einkommensteuerbescheide für 2014 bis 2016 und

  3. 2 Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2014 und 2015.

Die Bescheiderlassung erfolgte nicht in Form eines "Sammelbescheides", sondern in Form acht separater Ausfertigungen, von denen jede für sich alle Merkmale gemäß § 96 und § 93 Abs. 3 BAO sowie eine Amtssignatur enthält.

In den Wiederaufnahmebescheiden führte die Abgabenbehörde begründend aus, dass nachträglich aufgrund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels Umstände bekannt geworden seien, aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergebe. Zur näheren Begründung verwies die Behörde auf die neuen Sachbescheide.

Die neuen Sachbescheide wurden mit der "Änderung auf Grund neuer Tatsachen" (wohl gemeint: aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen) begründet, wobei die Daten der geänderten Lohnzettel jeweils auf Seite 4 der neuen Sachbescheide angeführt sind.

In den Rechtsmittelbelehrungen der Wiederaufnahmebescheide sowie der neuen Sachbescheide werden die erforderlichen Inhalte einer Beschwerde ausgeführt, insbesondere, dass die Bescheide im Falle der Anfechtung zu bezeichnen sind. Dabei legte die Abgabenbehörde dem Bf. hinsichtlich der Wiederaufnahmebescheide ausdrücklich die Bezeichnung "Wiederaufnahmebescheid vom betreffend Einkommensteuerbescheid für [Jahr]" nahe und hinsichtlich der neuen Sachbescheide die Bezeichnung "Einkommensteuerbescheid für [Jahr] vom ".

1.2. Beschwerde vom

Mit Schreiben vom , zur Post gegeben am und bei der Behörde eingelangt am , erhob der Bf. nachfolgende Beschwerde:

"Betreff: Einkommensteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 sowie Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2015 und 2014 jeweils vom 4.4.2018

Gegen die oben angeführten Bescheide erhebe ich innerhalb offener Frist

B e s c h w e r d e

und begründe dies wie folgt:

Mit den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2014, 2015 und 2016 wurde für das Kalenderjahr 2014 die Einkommensteuer neu festgesetzt mit € 3.836,- , für 2015 mit € 4.136,- und für 2016 mit € 2.529,-. Weiters wurden für 2014 € 156,06 und für 2015 € 89,51 Anspruchszinsen festgesetzt.

In der Begründung der Einkommensteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 wurde lediglich angegeben, dass neue Tatsachen hervorgekommen seien. Ansonsten wurde mir nicht mitgeteilt, was genau sich geändert haben soll. Aus den neuen Einkommensteuerbescheiden geht hervor, dass offensichtlich nachträglich vom Arbeitgeber ein höheres Einkommen gemeldet wurde. Unterlagen dazu sind mir keine zugegangen und ist diese Begründung somit nicht nachvollziehbar.

Das nachträglich gemeldete Einkommen ist nicht nachvollziehbar und erscheint jedenfalls zu hoch.

Da die jeweils neu berechnete Einkommensteuer zu hoch ist, fällt auch die Grundlage für die errechneten Anspruchszinsen weg.

Ich beantrage die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Erlassung neuer Bescheide, mit dem meinem Beschwerdevorbringen Rechnung getragen wird, da die nachträglich übermittelten Jahreslohnzettel nicht den Tatsachen entsprechen."

Darüber hinaus enthält die Beschwerde einen Aussetzungsantrag und wurde vom Bf. eigenhändig unterschrieben.

1.3. Beschwerdeergänzung vom

Mit Schreiben vom , bei der Behörde eingelangt am , ergänzte der Bf. die Beschwerde wie folgt:

"Betreff: Einkommensteuerbescheide 2014, 2015 und 2016 sowie Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2015 und 2014 jeweils vom - Ergänzung zur Beschwerde vom

Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit Schreiben vom habe ich Beschwerde gegen oben genannte Bescheide eingebracht. Ergänzend zu meiner Beschwerde möchte ich hiermit, für den Fall dass meinem Beschwerdevorbringen nicht vollinhaltlich stattgegeben wird (also die Einkommensteuer wieder auf den ursprünglichen Betrag vor der Wiederaufnahme des Verfahens reduziert wird), mitteilen, dass ich meine Anträge zur Arbeitnehmerveranlagung der Jahre 2014, 2015 und 2016 zurückziehe.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme und entsprechende Ergänzung meiner bereits eingebrachten Beschwerde."

Wie auch die Beschwerde wurde dieses Schreiben vom Bf. eigenhändig unterschrieben.

1.4. Mängelbehebungsauftrag vom

Am fertigte die bescheiderlassende Behörde einen Mängelbehebungsauftrag mit folgendem Inhalt aus:

"Ihre Beschwerde vom gegen Einkommensteuerbescheide 2014-2016 weist hinsichtlich dem Fehlen eines Inhaltserfordernisses die nachfolgenden Mängel auf:

Fehlen eines Inhaltserfordernisses gemäß § 250 Abs. 1 BAO

a)………….die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c) …………………..die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d) …………………………………………………..eine entsprechende Begründung
e) und sie muss vom Pflichtigen oder seinem Vertreter im Sinne der Bundesabgaben-
ordnung unterschrieben sein.

Fehlen eines Inhaltserfordernisses
c) …………………..die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

Die angeführten Mängel sind beim Finanzamt Innsbruck gemäß § 85 Abs. 2 BAO bis zum zu beheben. Bei Versäumung dieser Frist gilt das Anbringen als zurückgenommen."

1.5. Schriftsatz zur Mängelbehebung vom

Am langte bei der Abgabenbehörde ein Schriftsatz der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf. ein. Als Betreff des Schriftsatzes ist auf dem Rubrum "weitere Ausführung der Beschwerde vom - Mängelbehebung" angegeben. Die Überschrift des Schriftsatzes lautet wie folgt:

Inhaltlich wird darin - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - ausgeführt, der Bf. habe mit den in den Punkten 1.2. und 1.3. dieses Beschlusses wiedergegebenen Schriftsätzen gegen alle acht Bescheide vom - einschließlich der Wiederaufnahmebescheide -Beschwerde erhoben. In weiterer Folge rügt der Bf. Begründungs- und Verfahrensmängel, unrichtige Feststellungen und eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Ferner enthält der Schriftsatz einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er enthält aber keine näheren Ausführungen zur hier strittigen Frage, ob der Bf. die Wiederaufnahmebescheide bereits mit der ursprünglichen Beschwerde bekämpft wurden.

1.6. Weiteres Verfahren zu den neuen Sachbescheiden und Anspruchszinsen

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde hinsichtlich der neuen Sachbescheide und Anspruchszinsenbescheide vom als unbegründet ab. Eine Entscheidung zu den Wiederaufnahmebescheiden erging zu diesem Zeitpunkt nicht. Am stellte der Bf. über seine rechtsfreundliche Vertretung diesbezüglich einen Vorlageantrag ohne weitere Begründung.

Im Zuge der Finanzorganisationsreform trat mit das Finanzamt Österreich an die Stelle der bescheiderlassenden Behörde. Das Finanzamt Österreich legte die Beschwerde am samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache der mit neu besetzten Gerichtsabteilung 4013 zugewiesen.

1.7. Weiteres Verfahren zu den Wiederaufnahmebescheiden

Am informierte das Gericht die belangte Behörde formlos darüber, dass noch keine Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Wiederaufnahmebescheide ergangen ist und das Gericht folglich nicht berechtigt ist, über die neuen Sachbescheide abzusprechen. Daraufhin erließ die belangte Behörde am Beschwerdevorentscheidungen, mit welchen sie die Beschwerde hinsichtlich der Wiederaufnahmebescheide als verspätet zurückwies. Dabei führte die Behörde begründend zusammengefasst aus, in der Beschwerde vom seien die angefochtenen Bescheide klar und deutlich bezeichnet; die Wiederaufnahmebescheide seien davon nicht umfasst. Der Mängelbehebungsauftrag habe sich nur auf den Beschwerdeantrag bezogen. Daher sei gegen die Wiederaufnahmebescheide erstmals im Schriftsatz zur Mängelbehebung vom - und somit verspätet - Beschwerde erhoben worden.

Dagegen wendet sich der von der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf. am eingebrachte Vorlageantrag, in welchem wiederholt ausgeführt wird, dass der Bf. mit seiner Beschwerde vom gegen sämtliche Bescheide vom Beschwerde erhoben habe. Insbesondere ergebe sich dies aus dem angeführten Beschwerdegrund, dass die Gründe für die Wiederaufnahme nicht mitgeteilt worden seien. Für die Bezeichnung des Bescheides sei keine bestimmte Form vorgeschrieben, sondern genüge es, wenn aus dem Vorbringen insgesamt hervorgeht, wogegen es sich richtet. Im Mängelbehebungsauftrag habe die Behörde außerdem nicht darauf hingewiesen, dass sie davon ausgehe, dass nicht sämtliche Bescheide angefochten wurden. Damit habe sie ihre Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG gegenüber dem damals noch unvertretenen Bf. gröblich verletzt. Darüber hinaus sei die Wiederaufnahme mangelhaft begründet worden. Dem Vorlageantrag ist ein E-Mail des Bf. an seine rechtsfreundliche Vertretung beigeschlossen, in welcher er erklärt, er sei davon ausgegangen, dass seine Beschwerde gegen alle ihm zugestellten Bescheide gelte.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide samt Akt und Vorlagebericht (zusammen mit den bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegten Anspruchszinsenbescheiden) dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt (Verfahrensgang) ergibt sich unmittelbar und widerspruchsfrei aus den angeführten Schriftstücken aus dem Veranlagungsakt des Bf. Es liegen dem Gericht keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der tatsächliche Sachverhalt von den aufgrund der Aktenlage getroffenen Feststellungen abweicht. Das Gericht konnte den Sachverhalt daher entsprechend feststellen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 274 Abs. 1 BAO hat eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn dies in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wurde oder wenn der Einzelrichter es für erforderlich hält.

Anträge, die in einem die Beschwerde ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen jedoch keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das gilt auch für einen Antrag, der in einem Schreiben zur Mängelbehebung gestellt wird (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 274 Rz 3 f mit zahlreichen Judikaturfundstellen).

Überdies kann bei Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet auch von einer gültig beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden (§ 274 Abs. 3 Z 1 BAO). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erschien dem Gericht bei der gegebenen
Sach- und Rechtslage auch nicht geboten.

3.2. Auslegung der Beschwerde vom

Strittig ist, ob die gegenständlichen Wiederaufnahmebescheide bereits mit der Beschwerde vom angefochten wurden bzw. ob die Bezeichnung der angefochtenen Bescheide im Rahmen der Mängelbehebung zulässigerweise konkretisiert wurde, oder ob diese Bescheide erstmals im Rahmen des Schriftsatzes vom zur Mängelbehebung - und somit verspätet - angefochten wurden.

Zunächst ist daher zu prüfen, ob bereits die ursprüngliche Beschwerde vom so auszulegen ist, dass sie sich auch gegen die Wiederaufnahmebescheide richtet.

Dagegen spricht jedenfalls die eindeutige, keinerlei Zweifel zulassende Bezeichnung der angefochtenen Bescheide im Betreff der Beschwerde vom sowie der Beschwerdeergänzung vom , in welchen die Wiederaufnahmebescheide nicht genannt werden, während die übrigen fünf Bescheide desselben Datums jedoch klar und deutlich bezeichnet werden.

Die Begründung der Beschwerde richtet sich im Wesentlichen dagegen, dass einerseits nur pauschal von neuen Tatsachen die Rede sei, aber nicht angegeben worden sei, was genau sich geändert habe und andererseits offenbar vom Arbeitgeber ein höheres Einkommen gemeldet worden sei, welches dem Bf. jedoch nicht nachvollziehbar sei und jedenfalls zu hoch erscheine.

Das erste Argument der Beschwerde könnte sich grundsätzlich sowohl auf die Wiederaufnahmebescheide als auch auf die neuen Sachbescheide beziehen, da in beiden auf neue bzw. neu hervorgekommene Tatsachen verwiesen wird. Mit dem zweiten Argument bezieht sich der Bf. eindeutig auf die neuen Sachbescheide und die darin enthaltenen Angaben zu den geänderten Lohnzetteln.

Mit seinem Beschwerdeantrag begehrt der Bf. ausdrücklich die "Erlassung neuer Bescheide", mit denen seinem Beschwerdevorbringen Rechnung getragen wird. Daraus ist für die Auslegung jedoch nichts zu gewinnen, da damit sowohl die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide als auch eine Abänderung der neuen Sachbescheide gemeint sein kann. Der Eventualantrag mit Zurückziehung der Arbeitnehmerveranlagung kann sich jedenfalls nur auf die neuen Sachbescheide beziehen.

Bei der Auslegung von Anbringen kommt es nach ständiger Rechtsprechung des VwGH insbesondere bei unvertretenen Parteien nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt einer Eingabe an (; , 2004/16/0043). Ist der Umfang eines Anbringens unklar, ist die Behörde verpflichtet, den Einschreiter zur Präzisierung des Anbringens aufzufordern ().

Maßgebend ist stets das Erklärte und nicht das (mutmaßlich) Gewollte. Ist der Inhalt eines Anbringens eindeutig, ist eine davon abweichende, nach außen hin nicht auch nur andeutungs-weise zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (; , Ra 2014/17/0025).

Aufgrund der eindeutigen Bezeichnung (nur) der Sachbescheide als bekämpfte Bescheide war im gegenständlichen Fall keine Aufforderung zur Präzisierung der Bezeichnung der bekämpften Bescheide notwendig, zumal sowohl die Beschwerdebegründung als auch das Beschwerde-begehren nicht zwingend auf die Wiederaufnahmebescheide abzielen, sondern auch als schlüssige Begründung bzw. schlüssiges Begehren hinsichtlich der neuen Sachbescheide aufgefasst werden können.

Die Behörde ist nicht befugt, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen als erstattet zu fingieren, und zwar auch dann nicht, wenn dies im Interesse der Partei liegen sollte (). Bei deutlicher Bescheidgestaltung, insbesondere wenn die behördlichen Erledigungen eine Trennung in Wiederaufnahmebescheide und Abgabenbescheide klar erkennen lassen, kommt der Bezeichnung des Gegenstandes der Beschwerde entsprechende Bedeutung zu, sodass eine Auslegung oder Umdeutung der diesbezüglich eindeutigen Parteierklärung nicht in Betracht kommt ().

Die Abgabenbehörde hat die ursprüngliche Beschwerde daher richtigerweise als nur gegen die neuen Sachbescheide, aber nicht gegen die Wiederaufnahmebescheide gerichtet behandelt. Nun ist noch zu prüfen, ob die Bezeichnung der angefochtenen Bescheide im Rahmen der Mängelbehebung zulässigerweise (und somit gemäß § 85 Abs. 2 BAO rückwirkend) konkretisiert wurde.

3.3. Mängelbehebungsauftrag ohne Mangel

Eine Beschwerde ist inhaltlich mangelhaft, wenn sie nicht alle erforderlichen Inhalte gemäß
§ 250 Abs. 1 BAO enthält. Diese Inhaltserfordernisse sind:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung.

Nach Ansicht der bescheiderlassenden Behörde lag im gegenständlichen Verfahren hiervon ausschließlich ein Mangel des Beschwerdebegehrens ("die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden") vor.

Tatsächlich weist die Beschwerde jedoch nach Ansicht des Gerichts - unter Berücksichtigung der Beschwerdeergänzung vom - sämtliche Inhaltserfordernisse auf. Wie bereits zuvor ausgeführt wurde, geht das Gericht (wie zuvor auch schon die belangte Behörde) davon aus, dass die angefochtenen Bescheide hinreichend klar bezeichnet wurden und die Wiederaufnahmebescheide davon nicht umfasst sind. Als "angefochtene Punkte" bezeichnet die Beschwerde klar die nach Ansicht des Bf. überhöhte Festsetzung der Einkommensteuer infolge eines zu hohen Einkommens bzw. zu hoher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Eine Begründung, die den Anforderungen des § 250 Abs. 1 BAO genügt, ist ebenfalls vorhanden.

Das Beschwerdebegehren "Erlassung neuer Bescheide, mit dem meinem Beschwerdevorbringen Rechnung getragen wird" im ursprünglichen Beschwerdeschreiben ist tatsächlich unklar, da daraus nicht ohne weiteres abgeleitet werden kann, welchen Inhalt diese neuen Bescheide haben sollen. Mit der Ergänzung vom begehrte der Bf. allerdings ausdrücklich, dass "die Einkommensteuer wieder auf den ursprünglichen Betrag vor der Wiederaufnahme des Verfahens reduziert wird". Dies kann unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nur die neuen Sachbescheide angefochten wurden, nur so verstanden werden, dass der Bf. begehrt, die neuen Sachbescheide dahingehend abzuändern, dass sie den Erstbescheiden in jeder Hinsicht entsprechen. Dieses Begehren ist jedoch nach Ansicht des Gerichtes klar genug, sodass jedenfalls ab der Beschwerdeergänzung vom kein Mangel des Beschwerdebegehrens mehr vorlag. Der Mängelbehebungsauftrag vom erging folglich ohne Vorliegen eines inhaltlichen oder sonstigen Mangels der Beschwerde.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts kann die "Behebung" eines nicht existierenden Mangels infolge eines - zu Unrecht ergangenen - Mängelbehebungsauftrags nicht dazu führen, dass der Inhalt der ursprünglichen Beschwerde rechtswirksam abgeändert wird. Dies schließt einerseits schon der Wortlaut des § 85 Abs. 2 zweiter Satz, zweiter Halbsatz BAO aus, da diese Bestimmung für die Rechtsfolge der Rückwirkung voraussetzt, dass auch tatsächlich ein Mangel behoben wird.

Ferner kann man dies aus der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu § 85 Abs. 2 BAO ableiten, nach welcher die Zurücknahmefiktion des § 85 Abs. 2 zweiter Satz, erster Halbsatz BAO nur bei rechtmäßigen Mängelbehebungsaufträgen - insbesondere nur bei tatsächlichem Vorliegen eines Mangels - zur Anwendung kommt (; , 2006/15/0157). Wenn die Rechtsfolge des § 85 Abs. 2 zweiter Satz, erster Halbsatz BAO nur unter diesem Umstand eintritt, kann für die Rechtsfolge des § 85 Abs. 2 zweiter Satz, zweiter Halbsatz BAO nichts anderes gelten.

Der Bf. wird dadurch nicht schlechter gestellt als bei rechtskonformem Vorgehen der Behörde (nämlich, wenn mangels Vorliegen der diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen überhaupt kein Mängelbehebungsauftrag erteilt wird). Es würde im Gegenteil sogar eine sachlich nicht rechtfertigbare Besserstellung des Bf. im Vergleich zu anderen Abgabepflichtigen darstellen, wenn ein Fehler der Behörde ihm die Möglichkeit gäbe, nach Ablauf der Beschwerdefrist weitere Bescheide anzufechten, weil andere Abgabepflichtige in Verfahren, in denen die Behörde rechtskonform vorgeht, diese Möglichkeit nicht hätten.

Der Verweis des rechtsfreundlichen Vertreters des Bf. auf die Manuduktionspflicht der Behörde "gemäß § 13a AVG" ist einerseits insoweit verfehlt, als im Abgabenverfahren Rechtsbelehrungen gemäß § 113 BAO nur auf Verlangen des Bf. zu erteilen sind, und andererseits auch deshalb, weil die Behörde in ihren Rechtsmittelbelehrungen ohnehin deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich bei den Wiederaufnahmebescheiden um selbständig anfechtbare Bescheide handelt und diese im Falle der Anfechtung auch entsprechend zu bezeichnen sind.

Somit erfolgte keine wirksame Anfechtung der Wiederaufnahmebescheide mit der Beschwerde vom , sondern wurde erst mit dem Schriftsatz zur Mängelbehebung vom Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide erhoben. Da die angefochtenen Bescheide dem Bf. spätestens am Tag, an welchem er nach eigenen Angaben die Beschwerde verfasst hat (), zugegangen sein müssen, war die Beschwerdefrist zum Zeitpunkt der Einbringung des Schriftsatzes zur Mängelbehebung bereits abgelaufen.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Beschwerde wäre auch im Falle der Rechtzeitigkeit erfolglos

Auf die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente zur mangelhaften Angabe eines Wiederaufnahmegrundes ist grundsätzlich nicht näher einzugehen, wenn die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen ist.

Der Vollständigkeit halber sei der Bf. jedoch darauf hingewiesen, dass in den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden begründend ausgeführt wird, dass nachträglich aufgrund eines berichtigten oder neuen Lohnzettels Umstände bekannt wurden, aus denen sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergibt. Zur näheren Begründung verwies die Behörde auf die neuen Sachbescheide, in welchen die Daten der geänderten Lohnzettel abgebildet sind.

Damit hat die Abgabenbehörde nach Ansicht des erkennenden Gerichts deutlich genug bezeichnet, auf welche neu hervorgekommenen Tatsachen bzw. Beweismittel sich die Behörde für die Wiederaufnahme stützt und somit den für die Wiederaufnahme relevanten Tatsachenkomplex im Sinne der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur ausreichend bezeichnet.

Der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide wäre folglich auch dann kein Erfolg beschieden, wenn davon auszugehen wäre, dass sie rechtzeitig eingebracht wurde.

3.5. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die in diesem Beschluss behandelten Fragen der Auslegung von Anbringen stellen mangels über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung keine revisiblen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung vor, zumal sich das erkennende Gericht bei seiner Entscheidung von der zitierten Rechtsprechung leiten ließ. Die rechtlichen Ausführungen zum Mängelbehebungsauftrag fußen auf dem klaren Wortlaut des Gesetzes und der zitierten Rechtsprechung, weshalb auch insoweit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100361.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at