Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.09.2023, RV/7101312/2023

FLAG: Verständigung nach § 281a BAO; kein Vorlageantrag

Entscheidungstext

Verständigung

Das Bundesfinanzgericht teilt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***K N***, ***Adresse*** zur Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von € 901,50 für den Zeitraum Februar bis Juni 2021 für das Kind ***E M***, mit:

Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes wurde in Bezug auf die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom über die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Februar bis Juni 2021 kein Vorlageantrag eingebracht.

Die Parteien werden hierüber gemäß § 281a BAO in Kenntnis gesetzt.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde ***K N***, geboren am ***GebDatum***, gemäß § 26 Abs 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (nachfolgend "FLAG 1967") in Verbindung mit § 33 Abs 3 EStG 1988 aufgefordert, die für seinen Sohn ***E M***, geboren am ***GebDatum***, bezogene Familienbeihilfe sowie die Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Februar bis Juni 2021 zurückzuzahlen. Die Familienbeihilfe werde zurückgefordert, weil der Sohn seit nicht mehr im Haushalt von ***Herrn N*** (Kindesvater) lebe. Obwohl ***Herr N*** die überwiegenden Unterhaltskosten trage, erhalte er keine Familienbeihilfe, weil eine andere Person aufgrund eines gemeinsamen Haushaltes mit dem Kind anspruchsberechtigt sei (§ 2 Abs 2 FLAG 1967).

Am erhob ***Herr N*** fristgerecht Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid. Es sei bei der Wiener Kinder- und Jugendhilfe am eine Vereinbarung zwischen der Kindesmutter (***V M***, geboren am ***GebDatum***, wohnhaft in ***Adresse***) und ihm getroffen worden, wonach der Hauptwohnsitz des Kindes "künftig" bei ihm sein soll. ***E M*** sei "weiterhin nach wie vor bei ihm wohnhaft", er gehe auch im 5. Bezirk in Wien in die Schule. ***Herr N*** übernehme auch die Lebenserhaltungskosten. Die Mutter des Kindes habe das Kind "ohne sein Wissen abgemeldet und bei sich angemeldet". Die Mutter habe somit die getroffene Vereinbarung nicht eingehalten, ***Herr N*** habe sich diesbezüglich bereits an das Gericht gewendet. Im Anhang zur Beschwerde übermittelte ***Herr N*** die erste Seite eines vom Bezirksgericht Donaustadt ausgefertigten Pflegschaftsbeschlusses betreffend ***E M*** sowie diverse, auf ihn lautende Rechnungen der Stadt Wien ("Kostenverrechnungen Wiener Schulen") aus dem Jahr 2021.

Am erging ein Ergänzungsersuchen seitens des Finanzamtes an ***Herrn N***: Um seine Beschwerde vom bearbeiten zu können, werde er um Nachreichung einer amtlichen Bestätigung (Gericht oder Jugendamt) ersucht, aus der hervorgeht, wer für ***E M*** seit Februar 2021 die Obsorge innehat bzw wo sich das Kind seit diesem Zeitpunkt überwiegend aufhält. Es gehe aus der Aktenlage hervor, dass das Kind bei der Kindesmutter gemeldet sei. Es werde um Stellungnahme ersucht.

Am übermittelte ***Herr N*** dem Finanzamt eine Niederschrift über eine Verhandlung bei der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien, die am stattgefunden hat. Gegenstand der Verhandlung war die Regelung des hauptsächlichen Aufenthaltes und der Besuchskontakte zum Sohn ***E M***. Anwesend waren die Eltern des Kindes (also ***K N*** und ***V M***) sowie die Sozialarbeiterin ***M S*** als Verhandlungsleiterin. Die Eltern gaben damals an, dass der Aufenthalt des Sohnes ***E M*** wie folgt geregelt werde: "Der hauptsächliche Aufenthalt ***E M*** liegt beim Vater. Die Mutter wird jede Woche, sobald sie ihren Dienstplan hat, dem Vater Bescheid geben. Jede zweite Woche wird die Mutter ***E M*** an ihrem freien Tag zu sich nehmen, je nach Dienstzeit auch über Nacht. Die Woche danach kann sie dem Vater ebenfalls, sobald sie den Dienstplan hat, Bescheid geben, ob sie ***E M*** abholen kann. Sollte die berufliche Situation der Mutter sich verändern (andere, keine oder weniger Arbeit), wird sie ***E M*** jede Woche für einen Tag und eine Nächtigung zu sich nehmen. In diesem Fall wird, wenn möglich, ein fixer Wochentag vereinbart. Die Hauptwohnsitzmeldung erfolgt ab Mai 2022, sodass zuerst alle organisatorischen Angelegenheiten geregelt werden können."

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt ***Herrn N*** um Vorlage einer Aufstellung der Aufenthaltstage von ***E M*** bei der Kindesmutter bzw beim Kindesvater im Zeitraum 02-06/2021. Die Aufstellung müsse auch von der Kindesmutter unterfertigt sein, um den Anspruch auf Familienbeihilfe tatsächlich feststellen zu können. Eine Antwort auf dieses Ergänzungsersuchen ist beim Finanzamt nicht eingegangen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Für den hier betroffenen Zeitraum sei trotz mehrmaliger Aufforderung kein Nachweis bezüglich des überwiegenden Aufenthaltes des Kindes ***E M*** beim Kindesvater vorgelegt worden.

Am schrieb ***K N*** wie folgt an das Finanzamt: "Sehr geehrtes Finanzamt! Es geht um die Beschwerdevorentscheidung die Sie getroffen haben, dass meine Beschwerde abgewiesen wurde. Die Begründung von Ihnen sei das Ich Ihnen keinen Nachweis übermittelt habe, über den überwiegenden Aufenthalt Meines Kindes ***E M***. Das Ist nicht Korrekt! Es ist bei Ihnen schon im Mai angelangt. Ich habe mit Ihnen ein Schreibverkehr wo alle Unterlagen übermittelt worden sind. Wie Bezirksgerichtsbeschlüsse, vom Jugendamt Niederschriften und auch den Nachweis wo genau über den Aufenthalt für den Zeitraum von 02/21 bis 06/21 und darüber hinaus erörtert wurde. Nach mühsamen Telefonaten mit Ihrem Inkompetenten Personal, Beschwerden schreiben, langen Wartezeiten, alle erfordernden Relevanten Unterlagen Vorgelegt wurden, wo die Fristen eingehalten wurden trotzdem abgewiesen. Es ist definitiv etwas schiefgelaufen! Ich werde dies Alles wiederum vorlegen und hoffe das es korrekt bearbeitet Wird. Im August habe Ich einen Antrag auf Familienbeihilfe beantragt bitte dies rückwirkend ab Juli geltend machen. Mit Freundlichen Gruß". Im Anhang zu diesem Schreiben übermittelte ***Herr N*** den Pflegschaftsbeschluss vom (Bezirksgericht Donaustadt, ***GZ***) betreffend das Kind ***E M*** (damals wohnhaft an der Adresse von ***Herrn N*** im 5. Bezirk in Wien), wonach die zwischen den Eltern vor der Wiener Kinder- und Jugendhilfe am getroffene Vereinbarung pflegschaftsgerichtlich genehmigt werde. Der hauptsächliche Aufenthaltsort von ***E M*** sei beim Kindesvater. Vorerst werde ***E M*** wochentags (Montag bis Freitag) beim Kindesvater und am Wochenende bei der Kindesmutter sein. Sobald die Mutter alle wichtigen Angelegenheiten geregelt hat, werde eine 50/50 Lösung angestrebt, welche dann vereinbart wird. Der Hauptaufenthalt solle weiterhin beim Kindesvater liegen. Aus dem Pflegschaftsbeschluss geht auch hervor, dass zwischen den Kindeseltern am eine Vereinbarung über die gemeinsame Obsorge geschlossen worden ist und zwar damals mit hauptsächlichem Aufenthaltsort des Kindes bei der Kindesmutter. Übermittelt wurde auch erneut die Niederschrift über eine am vor der Wiener Kinder- und Jugendhilfe getroffene Vereinbarung über den Aufenthalt von ***E M***.

Am forderte das Finanzamt ***Herrn N*** auf, dazu Stellung zu nehmen, in welchem Ausmaß sich ***E M*** im Zeitraum 05-06/2021 tatsächlich in seinem Haushalt aufgehalten hat. ***E M*** sei von bis an der Wohnadresse der Kindesmutter mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen. Er solle nachweisen, wie oft ***E M*** je Monat bei ihm genächtigt habe und zwar anhand von schlüssigen Auflistungen, Kalendereintragungen oder sonstigen Beweismitteln. Er solle auch die Frage beantworten, ob es eine gerichtliche Vereinbarung (Bezirksgericht) betreffend den hauptsächlichen Aufenthaltsort des Kindes ***E M*** gebe, welche auch den hier gegenständlichen Zeitraum umfasst. Es werde um Vorlage aller relevanten gerichtlichen oder sonstigen Vereinbarungen betreffend den Aufenthaltsort des Kindes ersucht.

Am beantwortete ***Herr N*** das Ergänzungsersuchen: Es sei die - auch pflegschaftsgerichtlich genehmigte - Vereinbarung getroffen worden, dass der hauptsächliche Aufenthaltsort beim Kindesvater liegen soll. Die Kindesmutter habe den Hauptwohnsitz des Kindes geändert, obwohl ein Gerichtsbeschluss vorhanden war, wonach der Hauptaufenthalt bei ihm und nicht bei der Kindesmutter sein soll. Er versuche die Fragen dazu, in welchem Ausmaß sich ***E M*** in seinem Haushalt aufgehalten habe, noch detaillierter zu beantworten: Im Februar 2021 habe ***E M*** wochenweise abwechselnd bei ihm bzw bei der Kindesmutter geschlafen ("1 Woche übernachtete ***E M*** bei mir 1 Woche bei ihr"). Im März habe ***E M*** von Montag bis Donnerstag bei ihm übernachtet. ***E M*** sei am Freitag von der Kindesmutter von der Schule abgeholt worden und er sei sodann am Wochenende bei ihr gewesen. Am Montag habe die Kindesmutter ***E M*** wieder in die Schule gebracht und er habe ihn dann wieder abgeholt. Im April habe ***E M*** von Montag bis Freitag bei ihm im Haushalt genächtigt und am Wochenende bei der Kindesmutter. Die Osterferien habe ***E M*** bei der Kindesmutter verbracht. Im Mai habe ***E M*** überwiegend beim Kindesvater übernachtet. Die Kindesmutter habe ***E M*** - wenn sie konnte - zum Übernachten mitgenommen, was jedoch selten vorgekommen sei. ***E M*** habe sich im Mai eher stundenweise bei der Kindesmutter aufgehalten. Im Juni habe ***E M*** nur 3-4 Tage bei der Kindesmutter übernachtet und sonst beim Kindesvater.

Ebenfalls am richtete das Finanzamt ein schriftliches Auskunftsersuchen an die Kindesmutter, das unbeantwortet geblieben ist. Sie werde ersucht, dazu Stellung zu nehmen, warum am eine Abmeldung des Hauptwohnsitzes von ***E M*** an der Wohnadresse des Kindesvaters durch sie erfolgt ist und ob sich das Kind im Zeitraum 02-06/2021 tatsächlich im Haushalt der Kindesmutter aufgehalten hat. Gegebenenfalls solle sie die Anzahl der Nächtigungen in ihrem Haushalt mittels einer detaillierten Auflistung, Kalendereinträgen oder sonstigen Beweismitteln darlegen. Sofern es eine gerichtliche Vereinbarung betreffend den hauptsächlichen Aufenthaltsort des Kindes ***E M*** gebe, werde sie aufgefordert, diese oder sonstige schriftliche Vereinbarungen betreffend den Aufenthaltsort des Kindes zu übermitteln.

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Dabei wurde das am beim Finanzamt eingelangte Schreiben von ***Herrn N*** als Vorlageantrag gewertet. Dieser sei verspätet eingegangen. Die Beschwerdevorentscheidung sei erstmalig am zur Abholung bereitgehalten worden und somit zugestellt gewesen. Der Vorlageantrag sei erst am beim Finanzamt eingelangt.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist im vorliegenden Fall ein Vorlageantrag nicht eingebracht worden:

Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt es für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl zB ; ; ). Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (siehe zB ; ). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich (siehe etwa ; ; ). Parteienerklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl zB ; ; ).

In Ansehung dieser Grundsätze ist das am beim Finanzamt eingelangte Schreiben nicht als Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) zu werten:

***Herr N*** wendet sich in der Eingabe an das Finanzamt, nimmt Bezug auf die Beschwerdevorentscheidung und bringt vor, diese sei nicht korrekt, da er Unterlagen über den Aufenthalt seines Kindes ***E M*** im betroffenen Zeitraum übermittelt habe. Er lege sämtliche Unterlagen nochmals vor und hoffe nun, dass eine korrekte Bearbeitung erfolgt. Daraus ergibt sich die Absicht, eine anderslautende Entscheidung über die den Rückforderungsbescheid vom betreffende Beschwerde herbeizuführen. Ein auf das Erwirken einer Rechtsmittelerledigung durch das Bundesfinanzgericht gerichteter Wille wird in dem - über zwei Monate nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung eingebrachten - Schreiben aber nicht zum Ausdruck gebracht. Vom Bundesfinanzgericht zum Zweck des betreffenden Schreibens befragt, erläuterte ***Herr N***, dass er nicht beabsichtigt habe, das Bundesfinanzgericht mit der Angelegenheit zu befassen. Er habe damit erreichen wollen, dass die Sache vom Finanzamt richtiggestellt wird. Eine Abänderung von Bescheiden durch die Abgabenbehörde nach Eintritt der Rechtskraft ermöglicht etwa § 299 BAO. Nach dieser Bestimmung kann die Abgabenbehörde (hier das Finanzamt) auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist. Auch Beschwerdevorentscheidungen sind Bescheide der Abgabenbehörde und daher gemäß § 299 Abs 1 BAO aufhebbar (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 299 Rn 5). Anträge nach § 299 BAO sind - wie alle Anbringen - ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Ob die Eingabe von ***Herrn N*** (nicht fachkundig vertreten) ihrem Inhalt nach eine Deutung als Antrag gemäß § 299 BAO zulässt, ist von der Abgabenbehörde zu beurteilen und in einem etwaigen Säumnisbeschwerdeverfahren vom Bundesfinanzgericht zu überprüfen.

Andere Schreiben, die als Vorlageantrag zu werten wären, sind nicht eingebracht worden.

Wenn das Bundesfinanzgericht nach einer Vorlage (§ 265 BAO) zur Auffassung gelangt, dass ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, hat es die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen (siehe § 281a BAO, eingeführt mit dem Jahressteuergesetz 2018, BGBl I 62/2018 und ErlRV 190 BlgNR 26. GP, 56: "Die neue Verständigungspflicht gemäß § 281a BAO soll, insbesondere im Hinblick auf die Verständigung des Beschwerdeführers vom Zeitpunkt und Inhalt der zunächst erfolgten Vorlage, gewährleisten, dass beide Parteien rasch und einfach mittels formloser Mitteilung des Verwaltungsgerichtes davon Kenntnis erlangen, dass sich das Verwaltungsgericht für unzuständig hält. […] Verneint das Verwaltungsgericht nach der Vorlage der Beschwerde zu Unrecht seine Zuständigkeit und unterlässt es die Erledigung der Beschwerde, steht beiden Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ein Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof [§ 38 VwGG] offen. […] Ein Rechtsanspruch auf gesonderte Feststellung der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit besteht nicht [vgl Ra 2017/13/0010, Ra 2016/13/0023].").

Information für die Parteien (Belehrung gemäß § 280 Abs 4 BAO)

Gegen diese Verständigung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101312.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at