Finanzstrafrecht 1992-2002
1. Aufl. 2006
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S. 611Bindungsaspekte im Abgaben- und Finanzstrafverfahren
Aktuelle Fragen zur Bindungswirkung Abgabenverfahren – Finanzstrafverfahren
Dr. Roman Leitner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Linz
I. Einhellige Ablehnung der Bindungswirkung durch VfGH, VwGH und OGH
II. Stellenwert des Abgabenverfahrens als (qualifizierte) Vorprüfung für das Finanzstrafverfahren
1. Das Abgabenverfahren als qualifizierte Vorprüfung für das Finanzstrafverfahren bei Schätzung?
4. „Wiederholtes“ Abgabenverfahren als notwendiger Bestandteil jedes Finanzstrafverfahrens
III. „Mindestbindung“ der Finanzstrafbehörde/des Gerichtes an Abgabenbescheide?
1. Bindung der Abgabenbehörden an rechtskräftige Straferkenntnisse/Urteile
2. Der Abgabenbescheid als Vorfrage für das Straferkenntnis/Urteil
3. Eingeschränkte Vorfragenbindung im Strafverfahren
4. Bindung der Strafgerichte/Behörden an Abgabenbescheide kraft materieller Rechtskraft
S. 612I. Einhellige Ablehnung der Bindungswirkung durch VfGH, VwGH und OGH
Der VfGH hat bereits mit einem Erkenntnis aus 1977 unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 MRK jegliche Bindungswirkung der Finanzstrafbehörde an den rechtskräftigen Abgabenbescheid abgelehnt. Die Finanzstrafbehörde hat demnach sowohl die Ermittlung des Sachverhalts als auch die rechtliche Beurteilung eigenständig und unter Berücksichtigung strafrechtlicher Grundsätze durchzuführen.
Dieser Judikatur hat sich der VwGH mit seinem Erkenntnis aus 1983 angeschlossen und hat ebenfalls jegliche Bindungswirkung zwischen Abgabenverfahren und Finanzstrafverfahren abgelehnt.
Lediglich der OGH hat – lange Zeit unbeirrt und unter Inkaufnahme eines klaren Rechtsprechungskonfliktes zu den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts – insbesondere unter Hinweis auf § 54 FinStrG aF, in der Folge auf § 55 FinStrG nF, eine absolute Präjudizialität des Abgabenverfahrens für das Finanzstrafverfahren angenommen.
Insbesondere hat der OGH dabei die völlig u...