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VwGH vom 16.11.2021, Ro 2021/03/0018

VwGH vom 16.11.2021, Ro 2021/03/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-8/114/1/9-2021, betreffend eine Angelegenheit nach dem Epidemiegesetz 1950 (Mitbeteiligte: C M in T, vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Anfechtungsumfang, somit insoweit, als es der Mitbeteiligten für den Zeitraum vom bis eine Vergütung für den Verdienstentgang in Höhe von EUR 5.956,44 zugesprochen hat, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Die Mitbeteiligte ist Betreiberin des Gasthofes T in T, bei dem es sich - unstrittig - um einen Beherbergungsbetrieb gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 handelt.

2Im Zuge der COVID-19-Pandemie verfügte die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg (BH) mit Verordnung vom gemäß § 20 Abs. 1 und 4 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) die Schließung aller Beherberungsbetriebe im Bezirk, wovon auch der Betrieb der Mitbeteiligten betroffen war. Die Schließung trat (frühestens) mit , 20:00 Uhr, in Kraft. Diese Verordnung wurde (formal) mit Verordnung der BH vom (kundgemacht am selben Tag) wieder aufgehoben.

3Mit Verordnung vom , LGBl. Nr. 25/2020, kundgemacht am selben Tag, verfügte der Landeshauptmann von Salzburg (LH), gestützt auf § 2 Z 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) ein Betretungsverbot (u.a.) von Beherbergungsbetrieben als Touristin bzw. als Tourist für das gesamte Bundesland Salzburg.

4Die Mitbeteiligte stellte ihren Betrieb mit Ablauf des ein und nahm ihn in der laufenden Wintersaison nicht wieder auf.

5Mit Antrag vom begehrte die Mitbeteiligte bei der BH eine Entschädigung für erlittene Vermögensnachteile gemäß § 32 EpiG für den Zeitraum vom bis in näher bezeichneter Höhe.

6Mit Bescheid vom erkannte die BH der Mitbeteiligten eine Vergütung für den Zeitraum bis zu (Spruchpunkt I.), wies jedoch den Antrag in Bezug auf den danach liegenden Zeitraum vom bis ab (Spruchpunkt II.). Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass der Mitbeteiligten für den erstgenannten Zeitraum eine Vergütung nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG zustehe; für den Zeitraum danach sei jedoch keine Maßnahme gemäß § 20 EpiG wirksam gewesen, weshalb ein Anspruch nicht bestehe.

7Gegen Spruchpunkt II. erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg.

8Das Verwaltungsgericht gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis teilweise Folge und änderte Spruchpunkt II. des verwaltungsbehördlichen Bescheides dahingehend ab, dass der Mitbeteiligten für den Zeitraum bis ein Betrag von EUR 5.956,44 als Vergütung des durch die Behinderung im Erwerb entstandenen Vermögensnachteils aus Bundesmitteln zuerkannt werde. Der geltend gemachte Mehrbetrag von EUR 1.985,48 für den Verdienstentgang am werde hingegen abgewiesen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.

9Seine Entscheidung begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass der Mitbeteiligten ein Vergütungsanspruch für den Zeitraum bis gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG zustehe, weil die Verordnung der BH vom , mit der eine Betriebsschließung gemäß § 20 Abs. 1 und 4 EpiG angeordnet worden sei, für diesen Zeitraum wirksam gewesen sei.

10Wenn die BH die Auffassung vertrete, das mit Verordnung des LH vom , LGBl. Nr. 25/2020, verfügte Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben für Touristinnen und Touristen habe eine materielle Derogation der Verordnung der BH vom bewirkt, weshalb ab Inkrafttreten der Verordnung des LH kein Vergütungsanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG mehr bestehe, werde diese Rechtsauffassung vom Verwaltungsgericht nicht geteilt. Eine materielle Derogation bedeute, dass derselbe Tatbestand (Sachverhalt) neu geregelt werde, ohne dass die frühere Rechtsvorschrift formell aufgehoben werde. Die betreffenden Rechtsvorschriften müssten in einem unlösbaren rechtlichen Widerspruch stehen, nach der nur eine der beiden Regelungen - was im Zweifel die spätere sei - Bestand haben könne. Die Vorschriften dürften auch nicht im Verhältnis der Spezialität stehen. Nach diesen Grundsätzen sei ein mittels Verordnung gemäß § 2 Z 2 COVID 19-MG erlassenes Betretungsverbot für Kunden bestimmter Betriebe einer Betriebsschließung gemäß § 20 Abs. 1 EpiG nicht gleichzuhalten und es sei dadurch auch keine materielle Derogation eingetreten, weil im letzteren Fall der Betrieb (mit Ausnahme ausdrücklich erlaubter Tätigkeiten) vollkommen einzustellen sei, während im ersteren Fall alles - mit Ausnahme einer Betretung der in der Verordnung genannten Orte durch den dort genannten Personenkreis - gestattet sei (Hinweis auf ). Nur „faktische Betriebsschließungen“, die der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BM) mit Betretungsverbot gemäß § 1 COVID-19-MG verfügt habe, stünden einer Schließung nach § 20 Abs. 1 und 4 EpiG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung entgegen, weil nach § 4 Abs. 2 COVID-19-MG das EpiG im Anwendungsbereich einer solchen Verordnung nicht zur Anwendung gelange (Hinweis auf ; ). Im Übrigen blieben aber die Bestimmungen des EpiG nach § 4 Abs. 3 COVID-19-MG unberührt; es sei also in vollem Umfang anzuwenden.

11Auch wenn das Betretungsverbot des LH für Beherbergungsbetriebe somit keine materielle Derogation der Betriebsschließung gemäß § 20 Abs. 1 EpiG darstelle, könnte es im gegenständlichen Fall insofern von Bedeutung sein, als der Entschädigungsanspruch gemäß § 32 Abs. 1 EpiG nur subsidiären Charakter besitze und dieser nur dann bestehe, wenn durch die Schließung gemäß § 32 Abs. 1 letzter Satz EpiG ein Verdienstentgang eingetreten sei. Das bedeute, dass eine Schließung einen effektiven Schaden verursacht haben müsse und für Unternehmen, welche bereits aus anderen Gründen geschlossen seien oder nicht betrieben werden dürften, auch kein Entschädigungsanspruch bestehe.

12Im fraglichen Zeitraum vom bis sei Touristinnen und Touristen das Betreten des Beherbergungsbetriebes der Mitbeteiligten durch die Verordnung des LH untersagt gewesen. Auch sei die Gastronomie, also das Betreten zum Zweck der Konsumation von Speisen und Getränken, gemäß § 3 der Verordnung des BM betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COIVD 19, BGBl. II Nr. 96/2020 (COVID-19-MV-96), untersagt gewesen. Ausgenommen von diesem Verbot der Gastronomie seien gemäß § 3 Abs. 3 COVID-19-MV-96 lediglich rechtmäßig im Betrieb beherbergte Gäste gewesen. Es hätten daher im Entschädigungszeitraum Nicht-Touristen, das heißt Personen, die vor Ort zu beruflichen Zwecken tätig gewesen seien, und Ortsansässige das Beherbergungsangebot des Betriebes der Mitbeteiligten in Anspruch nehmen können. Der Restaurantbetrieb hätte zu dieser Zeit für andere als die genannten Kunden nur als Lieferservice (§ 3 Abs. 5 COVID-19-MV-96) geführt werden dürfen. Darüber hinaus hätte auch das damals bestehende allgemeine Betretungsverbot für öffentliche Orte gemäß § 1 der Verordnung des BM BGBl. II Nr. 98/2020 (COVID-19-MV-98), welches in der Folge vom Verfassungsgerichtshof für gesetzwidrig erklärt worden sei, die Inanspruchnahme des Beherbergungsbetriebes der Mitbeteiligten durch mögliche Kunden erschwert. Der Beherbergungsbetrieb der Mitbeteiligten sei sohin durch die damaligen Beschränkungen abseits des EpiG (insbesondere die Verordnung des LH) aus rechtlicher Sicht nicht zur Gänze geschlossen gewesen. Das Verwaltungsgericht folgere daraus, dass der Vergütungsanspruch gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG aufgrund der Betriebsschließung durch die BH dem Grunde nach fortbestanden habe.

13Das Verwaltungsgericht gehe zwar davon aus, dass im fraglichen Zeitraum unter den Einschränkungen gemäß § 2 COVID-19-MG (d.h. dem Betretungsverbot für Touristen und Touristinnen) ein Betrieb des im Wintersportgebiet O situierten Beherbergungsbetriebs der Mitbeteiligten nicht wirtschaftlich zu führen gewesen wäre. Es erscheine aber mangels einer rechtlichen Grundlage ausgeschlossen, diese Einschränkungen, welche keine vollständige Sperre des Betriebes bewirkt hätten, als „faktische Betriebsschließung“ mit der Folge zu werten, dass die aufrechte Betriebsschließung gemäß § 20 Abs. 1 EpiG aufgrund der Verordnung der BH nicht mehr als Ursache eines Verdienstentganges gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG zu werten wäre.

14Das Betretungsverbot für Touristen und Touristinnen könnte daher - wenn überhaupt - nur bei der Frage der Vergütungshöhe Relevanz besitzen. Die Höhe der Vergütung sei jedoch nach den Vorgaben der EpG 1950-Berechnungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 329/2020, vorzunehmen. Weder das EpiG noch die EpG 1950-Berechnungsverordnung würden eine Handhabe für eine Minderung der Vergütung von Erwerbseinbußen bieten, die der Berechtigten im Schließungszeitraum aus anderen Einflüssen (etwa wegen einer anderen - nicht anspruchsbegründenden - Beschränkung des Betriebes) ohnehin entstanden wären. Somit sei die Vergütung nach den Vorgaben der EpG 1950-Berechnungsverordnung zu ermitteln, weshalb das unstrittige tägliche Vergütungsausmaß für den Monat März 2020 von EUR 1.985,48 für die Tage vom bis zuzusprechen gewesen sei.

15Die Revision sei zuzulassen, weil noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des Nebensatzes „und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist“ in § 32 Abs. 1 EpiG im Zusammenhang mit betrieblichen Verlusten existiere, wobei dies auch auf die Frage zutreffe, ob ein vom Landeshauptmann gemäß § 2 Z 2 COVID-19-MG erlassenes Betretungsverbot für Betriebsstätten einen Entschädigungsanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG schmälern oder ausschließen könne.

16Erkennbar nur gegen den dem Antrag der Mitbeteiligten stattgebenden Teil des angefochtenen Erkenntnisses wendet sich die vorliegende Amtsrevision, die zusammengefasst geltend macht, mit Wirkung ab sei von einer materiellen Derogation der Verordnung der BH vom auszugehen, sodass ab diesem Zeitpunkt keine Betriebsschließung auf Basis des EpiG mehr bestanden habe. Für die Zeit danach könne deshalb auch kein Entschädigungsanspruch nach dem EpiG mehr geltend gemacht werden. Die Verordnung des LH vom , LGBl. Nr. 25/2020, habe nämlich bezweckt, dass der Betrieb von Beherbergungsunternehmen hinsichtlich Geschäftsreisender und Ortsansässiger, nicht jedoch hinsichtlich Touristen und Touristinnen möglich sei. Die Verordnung der BH müsse daher wegen des sonstigen Widerspruchs zur Verordnung des LH mit deren Inkrafttreten aus dem Rechtsbestand ausgeschieden worden sein. Dies ergebe sich bereits aus der Übergangsbestimmung in § 2 Abs. 3 der Verordnung des LH, wonach Ausnahmebewilligungen aufgrund einer Verordnung gemäß § 20 EpiG als Ausnahmebewilligungen nach der Verordnung des LH gelten würden; diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn man davon ausginge, dass die auf § 20 EpiG gestützte Verordnung der BH ohnehin weitergegolten hätte.

17Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Verordnung der BH auch nach Kundmachung der Verordnung des LH weiterhin im anwendbaren Rechtsbestand gewesen sei, könne sich - so die Amtsrevision weiter - ein Anspruch auf Verdienstentgang nur auf das der Verordnung des LH widersprechende Plus beziehen, sohin auf einen hypothetischen Verdienstentgang aufgrund eines allfällig entgangenen Verdienstes wegen der Schließung auch über touristische Zwecke hinaus. Das Verwaltungsgericht führe in diesem Zusammenhang nicht aus, wie es über den klaren Wortlaut des § 32 EpiG hinwegkomme, der einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Maßnahme nach dem EpiG und einem eingetretenen Verdienstentgang verlange. Gegenteiliges könne auch nicht aus der EpG 1950-Berechnungsverordnung abgeleitet werden, die der Vereinheitlichung der Berechnung des Verdienstentganges diene, jedoch keinesfalls eine Ausweitung der Ersatzpflicht des Bundes für einen Verdienstentgang bezwecke, der offenkundig nicht aufgrund einer Maßnahme nach dem EpiG entstanden sei.

18Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der die Zurück-, hilfsweise die Abweisung der Revision beantragt wurde. Durch die Verordnung des LH vom , LGBl. Nr. 25/2020, sei keine materielle Derogation der Verordnung der BH vom erfolgt, weil die Betriebsschließung durch die letztgenannte Verordnung und das Betretungsverbot aufgrund der Verordnung des LH nicht inhaltsgleich gewesen seien. Der LH habe auch gar keine Kompetenz gehabt, eine Betriebsschließung zu verfügen und ein von ihm verhängtes Betretungsverbot führe nicht dazu, dass ein Entschädigungsanspruch nach dem EpiG eingeschränkt wäre. Nur bei einer Verordnung des BM, die das Betreten von Betrieben verbiete, entfalle gemäß § 4 Abs. 2 COVID-19-MG der Entschädigungsanspruch gemäß EpiG. Im Übrigen blieben die Bestimmungen des EpiG hingegen unberührt und schmälerten einen Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19Die Revision ist im Hinblick auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis von Maßnahmen der BH gemäß § 20 Abs. 1 und 4 EpiG und jenen des LH, gestützt auf das COVID-19-MG, sowie deren Auswirkungen auf einen allfälligen Entschädigungsanspruch gemäß § 32 EpiG zulässig.

20Sie ist auch begründet.

21Die fallbezogen relevanten Rechtsvorschriften (in der jeweils maßgeblichen Fassung) lauten:

1. Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950 idF BGBl. I Nr. 16/2020 (EpiG):

„Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen.

§ 20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde. ... (2) ... (3) ...

(4) Inwieweit die in den Abs. 1 bis 3 bezeichneten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können, wird durch Verordnung bestimmt. ....

Vergütung für den Verdienstentgang.

§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1.[bis] 4. ...

5.sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, ...

6.[bis] 7. ...

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.

(3) ...

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.“

2. Artikel 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“), BGBl. II Nr. 74/2020:

„Auf Grund des § 20 Abs. 4 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2018, und die Bundesministeriengesetz-Novelle 2020, BGBl. I Nr. 8/2020, wird verordnet:

Die in § 20 Abs. 1 bis 3 des Epidemiegesetzes 1950, in der jeweils geltenden Fassung, bezeichneten Vorkehrungen können auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 (‚2019 neuartiges Coronavirus‘) getroffen werden.“

3. Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl. I Nr. 12/2020 (§ 1 und 4 idF BGBl. I. Nr. 16/2020):

„Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§ 1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind.

Betreten von bestimmten Orten

§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1.vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2.vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3.von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken.

...

Inkrafttreten

§ 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft.

(1a) Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2020 tritt rückwirkend mit in Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt. ...“

4.Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020 (COVID-19-MV-96):

„§ 3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

(2) ...

(3) Abs. 1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

(4) ...

(5) Abs. 1 gilt nicht für Lieferservice.“

5. Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom betreffend die Schließung des Seilbahnbetriebes und von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2:

„Gemäß ... § 20 Abs 1 und 4 Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr. 186, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-DoV-2 (‚2019 neuartiges Coronavirus‘), BGBl II Nr 74/2020, wird verordnet: ...

§ 2 (1) Beherbergungsbetriebe (§ 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994) sind gemäß § 20 Abs. 1 und 4 der Verordnung BGBl II Nr. 74/2020 zu schließen.“

6. Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom betreffend Aufhebung einer Verordnung:

„§ 1 Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom betreffend die Schließung des Seilbahnbetriebes und von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2, kundgemacht am durch Anschlag in den Gemeinden des Bezirks wird aufgehoben.“

7. Verordnung des Landeshauptmannes von Salzburg vom betreffend Betretungsverbot bestimmter Einrichtungen, LGBl. Nr. 25/2020:

„Auf Grund von § 2 Z 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020, in der geltenden Fassung wird verordnet:

...

§ 2 (1) Das Betreten von Beherbergungsbetrieben (§ 111 Abs 1 Z 1 GewO 1994) als Touristin bzw als Tourist ist im gesamten Landesgebiet verboten.

(2) Vom Verbot nach Abs 1 kann die Bezirksverwaltungsbehörde im besonderen öffentlichen Interesse, etwa zur erforderlichen Beherbergung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lebenswichtiger Versorgungsbetriebe, Ausnahmen bewilligen.

(3) Ausnahmebewilligungen auf Grund einer Verordnung gemäß § 20 Epidemiegesetz 1950 gelten als Ausnahmebewilligungen nach dieser Verordnung.“

22Im gegenständlichen Fall ordnete die BH mit Verordnung vom , gestützt auf § 20 Abs. 1 und 4 EpiG iVm der Verordnung des Bundesministers BGBl. II Nr. 74/2020, eine Betriebsschließung an, die auch den Beherbergungsbetrieb der Mitbeteiligten betraf. Die Verordnung trat mit in Kraft.

23Unstrittig ist, dass diese Betriebsschließung einen Vergütungsanspruch zugunsten der Mitbeteiligten gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG (beginnend mit ) begründete.

24Strittig ist hingegen, ob und in welcher Höhe dieser Vergütungsanspruch auch nach Inkrafttreten der Verordnung des LH vom , LGBl. Nr. 25/2020, ab fortbestand.

25Dazu ist Folgendes festzuhalten:

26§ 4 Abs. 2 COVID-19-MG sieht vor, dass die Bestimmungen des EpiG betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung gelangen, wenn der BM gemäß § 1 leg. cit. eine Verordnung erlässt, und zwar im Anwendungsbereich dieser Verordnung. Eine Verordnung des BM gemäß § 1 COVID-19-MG, die das Betreten von Beherbergungsbetrieben - wie jenen der Mitbeteiligten - verboten hätte, existierte im strittigen Zeitraum nicht. Insoweit wurde die Verordnung zur Betriebsschließung seitens der BH Tamsweg durch keine Verordnung des BM gemäß § 1 COVID-19-MG ersetzt.

27Abgesehen davon sahen weder das EpiG noch das COVID-19-MG ausdrückliche Regelungen dafür vor, in welchem Verhältnis eine auf § 20 EpiG gestützte (regionale) Verordnung des BH zu einer ebenfalls in Kraft stehenden Verordnung des LH betreffend das Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben für Touristen und Touristinnen im gesamten Bundesland Salzburg (gestützt auf § 2 Z 2 COVID-19-MG) stand.

28Insbesondere legten die damals geltenden Gesetze nicht fest, dass mit dem Inkrafttreten der Verordnung des LH die bereits bestehende Verordnung des BH außer Kraft treten sollte.

29Wenn die Amtsrevision argumentiert, der Verordnung des BH sei durch die Verordnung des LH materiell derogiert worden, kann dem nicht gefolgt werden:

30Eine Derogation käme überhaupt nur in Betracht, wenn die beiden Verordnungen in einem normativen Widerspruch zueinander stünden (vgl. zur derogatorischen Kraft von Durchführungsverordnungen untereinander etwa Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht 2 [1988], 1175f). Davon kann aber schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die beiden Verordnungen nebeneinander bestehen können und unterschiedliche Regelungsgegenstände zum Inhalt haben: Mit der Verordnung des BH wurde eine vollständige Betriebsschließung angeordnet, während die Verordnung des LH Betretungsverbote von Beherbergungsbetriebe für bestimmte Personengruppen (Touristen und Touristinnen) vorsahen.

31Dass die - qualitativ unterschiedlichen - Anordnungen für das betroffene Unternehmen vergleichbare Auswirkungen (nämlich ein Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken) haben konnten, mag zutreffen. Es ändert aber nichts daran, dass zwischen den Verordnungen kein normativer Widerspruch bestand, aufgrund dessen die eine bei Inkrafttreten der anderen nicht mehr fortbestehen konnte.

32Wenn die Amtsrevision ins Treffen führt, der LH habe mit seiner Verordnung eine vollständige Neuregelung vornehmen wollen, die auch bereits bestehende Betriebsschließungen miteinbezog, so finden sich dafür keine belegbaren Hinweise in der Verordnung und es werden solche von der Amtsrevision auch nicht dargelegt. Eine solche Sichtweise stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu dem während der Pandemie bestehenden allgemeinen (und letztlich auch kodifizierten) Grundsatz, dass entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden könne und auf regionaler Ebene strengere Maßnahmen ergriffen werden können, um den lokalen Erfordernissen der Pandemiebekämpfung bestmöglich zu begegnen.

33Soweit die Amtsrevision ihre Rechtsauffassung damit zu untermauern versucht, dass die Verordnung des LH in ihrem § 2 Abs. 3 vorsah, Ausnahmebewilligungen auf Grund von Verordnungen (der BH) gemäß
§ 20 EpiG auch für den Anwendungsbereich der Verordnung des LH gelten zu lassen, und daraus den Schluss ziehen möchte, dass die Verordnungen (der BH) beseitigt werden sollten, überzeugt diese Rechtsansicht nicht: Der Hinweis des § 2 Abs. 3 der Verordnung des LH zeigt lediglich, dass dem LH als Verordnungsgeber die mögliche Existenz von Ausnahmebewilligungen in bereits bestehenden (regionalen) Verordnungen der BH bewusst war und er diese auch im Anwendungsbereich der landesweiten Verordnung gelten lassen wollte. Der Umkehrschluss, im Übrigen habe der LH mit seiner Verordnung sämtliche (regionalen) Anordnungen der BH beseitigen wollen, lässt sich daraus aber nicht ziehen.

34Dem Verwaltungsgericht ist daher zuzustimmen, dass die Verordnung des LH, mit der Betretungsverbote von Beherbergungsbetrieben für Touristen und Touristinnen in ganz Salzburg angeordnet wurden, der Verordnung der BH nicht derogiert hat, sondern die beiden Verordnungen (bis zu ihrer Aufhebung) nebeneinander bestehen blieben.

35Ungeachtet des bisher Gesagten hatte das Inkrafttreten der Verordnung des LH aber Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch der Mitbeteiligten nach § 32 Abs. 1 EpiG, der sich aus der Betriebsschließung durch die BH ergab: Zu Recht macht die Amtsrevision nämlich geltend, dass nach der genannten Norm ein Vergütungsanspruch nur soweit besteht, als durch die Betriebsschließung gemäß § 20 EpiG ein Verdienstentgang eingetreten ist (arg.: „...und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.“). Die Verordnung der BH musste also kausal für den Verdienstentgang der Mitbeteiligten sein. Soweit der Verdienstentgang auch und unabhängig von der Betriebsschließung gemäß § 20 EpiG durch andere Ursachen (hier: der Verordnung des LH) entstanden war, fehlte es im Umfang dieser alternativen Verursachung an der notwendigen Kausalität.

36Ein Fortbestehen des Ersatzanspruches käme nur dann in Betracht, wenn auch für den durch die - auf das COVID-19-MG gestützte - Verordnung des LH eingetretenen Verlust eine Vergütung nach § 32 EpiG zustehen würde. Insofern ist zwar anzumerken, dass § 4 Abs. 3 COVID-19-MG im Allgemeinen davon spricht, dass die Bestimmungen des EpiG unberührt blieben. Wie in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung aber bereits wiederholt erkannt wurde, haben Gesetzgeber und Verordnungserlasser des COVID-19-MG bzw. der darauf gestützten „COVID-19-Verordnungen“ die pandemiebedingten Einschränkungen nicht isoliert erlassen, sondern „in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet“ (vgl. , Punkt 2.3.6). Wenn nun der Gesetzgeber des COVID-19-MG es für notwendig erachtete, ein eigenes - nach dem oben Gesagten in ein Gesamtpaket, mit dem die einschneidenden Maßnahmen (teilweise) abgefedert werden sollten, eingebettetes - Gesetz zur Bewältigung der Pandemie zu erlassen, das selbst gerade keinen Ersatzanspruch für die damit ermöglichten Beschränkungen vorsieht, steht dies der Annahme entgegen, die Einschränkungen nach den auf dieses Gesetz gestützten Verordnungen könnten einen Anspruch iSd (im Zuge des genannten „Pakets“ insoweit unverändert belassenen) § 32 iVm § 20 EpiG auslösen (vgl. ). Dies gilt in gleichem Maße für Einschränkungen nach dem COVID-19-MG, die vom BM angeordnet wurden, wie für jene, die - wie im vorliegenden Fall - der LH gestützt auf dieses Gesetz verfügte.

37Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass für jenen Verdienstentgang der Mitbeteiligten, der durch das mit Verordnung des LH angeordnete Betretungsverbot für Touristen und Touristinnen entstanden ist, kein Vergütungsanspruch besteht. Selbst wenn es die vollständige Betriebsschließung durch die BH Tamsweg nicht gegeben hätte, wäre der Mitbeteiligten somit in diesem Umfang (also der Nichtbeherbergung von Touristen und Touristinnen) ein Verdienstentgang entstanden, für den per se kein Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG besteht.

38Anders gewendet entstand der Mitbeteiligten durch die vollständige Betriebsschließung gemäß § 20 EpiG seitens der BH im Zeitraum vom bis bei gleichzeitiger Geltung der Verordnung des LH nur jener Verlust, der aus der Nichtbeherbergung von Gästen resultieren konnte, die durch die Verordnung des LH nicht erfasst waren. Nur insoweit steht ihr auch ein Vergütungsanspruch zu.

39Wenn das Verwaltungsgericht - obwohl es diese rechtlichen Erwägungen im Grundsatz richtig angewandt hat - letztlich doch vollen Ersatz nach der EpG 1950-Berechnungsverordnung zusprach, weil in dieser Verordnung auf die dargestellte Problematik nicht Bedacht genommen worden sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof diese Sichtweise nicht zu teilen. Wie die Amtsrevision richtig ausführt, legt die Berechnungsverordnung nur Grundsätze der Berechnung fest, sagt damit aber nichts darüber aus, welcher Verlust - nach den Regeln der Kausalität - überhaupt ersatzfähig ist. Aus diesem Grund erweist sich die letztlich vorgenommene Berechnung als nicht rechtskonform und kann das angefochtene Erkenntnis im Anfechtungsumfang keinen Bestand haben.

40Im fortgesetzten Verfahren ist daher zu ermitteln, ob und in welcher Höhe von der Mitbeteiligten in der Vorjahresperiode Einkommen aus der Beherbergung von Personen ausgenommen Touristen und Touristinnen erwirtschaftet worden ist. Ausgehend davon hat allenfalls eine neue Berechnung des Verdienstentganges zu erfolgen.

41Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seiner Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021030018.J00

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