VwGH vom 29.06.2020, Ro 2020/16/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Bundesministers für Inneres gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zlen. W176 2227085-1/4E, W176 2227086-1/4E und W176 2230001-1/2E, betreffend Dolmetschergebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; mitbeteiligte Partei: TRA in W), in der Sache zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahin abgeändert, dass es wie folgt lautet:
„Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom wird als unbegründet abgewiesen.“
Begründung
1Unbestritten ist, dass der Mitbeteiligte am vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu insgesamt fünf Einvernahmen indischer Staatsangehöriger beigezogen wurde. Im Zuge zweier dieser Einvernahmen übersetzte er jeweils sechs in englischer Sprache abgefasste, zur Beantragung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates erforderliche Formulare der indischen Botschaft in Wien für die Eintragung von Daten der jeweils Einvernommenen in diese Dokumente mündlich. Schließlich wurden die über die Einvernahmen aufgenommenen Niederschriften vom Mitbeteiligten jeweils rückübersetzt.
2In seiner Gebührennote vom selben Tag machte der Mitbeteiligte folgende Beträge geltend:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
„I. Entschädigung für Zeitversäumnis (§§ 32 Abs. l und 33 Abs. l GebAG): | ||
für 2 begonnene Stunden à EUR 22,70 | EUR | 45,40 |
II: Mühewaltung (§ 54 GebAG): | ||
1. für die Teilnahme an Verhandlungen | ||
5 erste halbe Stunden à EUR 24,50 | EUR | 122,50 |
7 weitere halbe Stunden Werktag 6-20h à EUR 12,40 | EUR | 86,80 |
2 halbe Stunden Werktag 20-6h à EUR 18,60 | EUR | 37,20 |
2. Übersetzung von Schriftstücken während der Vernehmung | ||
a) mündl Übersetzung auf Punjabi von engl HRZ Formularen und Kontrolle | ||
16 Seiten à EUR 7, 60 | EUR | 121,60 |
e) 5 Schriftstücke während der Vernehmung angefertigt à EUR 20,00 | EUR | 100,00 |
IV. 1 Abendessen | EUR | 8,50 |
V. Reisekosten (§ 27 GebAG): | ||
Öffentliches Verkehrsmittel hin- und retour à EUR 2,40 | EUR | 4,80 |
Summe | EUR | 526,80 |
20% USt | EUR | 105,36 |
Endsumme (aufgerundet auf volle 10 Cent) | EUR | 632,20“ |
3Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die Bestimmung seiner Gebühren mit dem Betrag von € 577,50 Folge, bestimmte dessen Gebühren (antragsgemäß) mit € 632,20 und sprach weiters aus, dass der Differenzbetrag von € 54,70 kostenfrei nachzuzahlen sei. Ein Ersatz von Kosten des Beschwerdeverfahrens finde nicht statt.
Schließlich sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges zunächst in tatsächlicher Hinsicht aus, der rechtlichen Beurteilung werde der eingangs wiedergegebene Sachverhalt zugrunde gelegt. Fest stehe daher, dass der Mitbeteiligte den beiden Einvernommenen jeweils die unter Punkt I.1. angeführten Formulare der indischen Botschaft von insgesamt acht Seiten mündlich übersetzt habe.
Nach Darlegung der Rechtsgrundlagen, insbesondere des § 54 GebAG, führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, nach Auffassung des Mitbeteiligten stehe diesem im Hinblick auf die Bestimmung des § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG bezüglich der mündlich übersetzten Formulare der indischen Botschaft für jede Seite (unabhängig von den dort enthaltenen Zeichen) die Gebühr von € 7,60 zu. Dies treffe im Ergebnis auch zu:
„Zwar kann sich § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG seinem Wortlaut nach (steht ‚für jede Seite zu die, [...] auf einer eigenen Seite übersetzt wurde‘) nur auf schriftliche Übersetzungen beziehen.
Jedoch darf nicht vernachlässigt werden, dass § 54 Abs. 1 Z 4 erster Halbsatz GebAG bezüglich der Bemessung der Gebühr des Dolmetschers für Schriftstücke, die während einer Vernehmung oder gerichtlichen Verhandlung übersetzt werden, - indem er normiert, dass die Hälfte der Gebühr für die Übersetzung eines Schriftstücks gebührt - auf die Regeln verweist, nach denen die Gebühr für schriftliche Übersetzungen zu bemessen ist. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Bestimmung des § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG von diesem Verweis durchaus mitumfasst, ist aber (sinngemäß) so zu verstehen, dass bei mündlicher Übersetzung die Gebühr nach Abs. l leg. cit. dann ungeachtet der darin enthaltenen Schriftzeichen für jede Seite zusteht, wenn im Fall der schriftlichen Übersetzung jede Seite des betreffenden Dokuments zur Wahrung der Übersichtlichkeit auf einer eigenen Seite zu übersetzen wäre. Diesfalls wird jede Seite eines übersetzten Dokuments bei der Berechnung mit dem Wert von 1000 Schriftzeichen veranschlagt.
Dadurch wird (jedenfalls für eine solche Konstellation) auch dem Umstand Rechnung getragen, dass § 54 Abs. l Z 4 erster Halbsatz GebAG weiterhin auf den Begriff ‚Seite‘ abstellt, während dies auf die Bemessung der Gebühr bei schriftlicher Übersetzung seit der Novellierung des GebAG durch das Bundesgesetz BGBl I 2007/111 im Regelfall nicht mehr zutrifft.
Was die vom [Mitbeteiligten] übersetzten Dokumente der indischen Botschaft angeht, besteht für das Bundesverwaltungsgericht in Hinblick auf deren Natur kein Zweifel, dass sie bei schriftlicher Übersetzung zur Wahrung der Übersichtlichkeit Seite für Seite zu übersetzen wären; denn bei Formularen, die von einem anderen Staat für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates verlangt werden, kann schwerlich angenommen werden, dass sie in einem anderen Format zu übersetzen wären als dem, in dem sie abgefasst sind. Im Übrigen handelt es sich gegenständlich nicht (wie von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt) um ein Formblatt zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, sondern um getrennte Schriftstücke, die allesamt zur Ausstellung einer solchen Bestätigung der indischen Botschaft vorzulegen sind.
Sofern die belangte Behörde aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , ..., ableitet, dass im Fall des mündlichen Übersetzens (und gemeinsamen Ausfallens mit dem Vernommenen) von Dokumenten zur Erlangung eines Heimreisezertifikates in der Vernehmung die Schriftzeichen der übersetzten Dokumente zu zählen seien, ist festzuhalten, dass dieses Verfahren die Vorschreibung von Dolmetscherkosten an einen Asylwerber betraf, wobei die Dolmetschergebühr nach Schriftzeichen und somit wohl niedriger bemessen worden war als bei Anwendung von § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG und diese Frage weder zwischen den Verfahrensparteien strittig war noch vom Gericht in irgendeiner Weise behandelt wurde.
Der Vollständigkeit halber sei auch noch darauf verwiesen, dass die vom Beschwerdeführer übersetzten Formulare - auch in Anbetracht des Umstandes, dass an bestimmten Stellen Daten der Vernommenen einzusetzen waren - keine Schriftstücke sind, die im Rahmen der Vernehmung angefertigt wurden; denn sie waren schon vor der jeweiligen Vernehmung existent und wurden in diese eingebracht (vgl. dazu ausführlich BVwG, , W108 2129196-1).
Auf die Frage, ob dem Gesetzgeber zugesonnen werden kann, dass zur Ermittlung der dem Dolmetscher nach § 54 Abs. l Z 4 erster Halbsatz GebAG zustehenden Gebühr Zeichen einer anderen Schrift als der lateinischen (etwa des Arabischen, wo in Hinblick auf die Verbindung der Schriftzeichen nur ein Sprachkundiger angeben kann, wie viele Zeichen eine Seite enthält) zu zählen sind, musste bei diesem Ergebnis nicht eingegangen werden.
3.3.3. Somit steht dem [Mitbeteiligten] die Gebühr von EUR 7,60 für die Übersetzung von Schriftstücken, die nicht während der Vernehmung angefertigt werden, 16 mal (und nicht bloß - wie von der belangten Behörde angenommen -10 mal) zu.
Daher ist dem [Mitbeteiligten] der Betrag von EUR 54,70 kostenfrei nachzuzahlen.
3.4. Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. l und Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. l EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich.
3.5. Hinsichtlich des vom [Mitbeteiligten] begehrten Kostenersatzes einschließlich Ersatz der Eingabengebühr ist Folgendes festzuhalten:
Gemäß § l Abs. l der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Gebühr beim Bundesverwaltungsgericht sowie bei den Landesverwaltungsgerichten (BuLVwG-EGebV) sind Eingaben an das Bundesverwaltungsgericht gebührenpflichtig, soweit nicht gesetzlich Gebührenfreiheit vorgesehen ist. Die Gebühr beträgt für Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 2 Abs. 1 EUR 30,--. Sie entsteht im Zeitpunkt der Einbringung der Eingabe und wird mit diesem Zeitpunkt fällig.
Für Bescheidbeschwerden gilt - anders als für Maßnahmen- und Verhaltensbeschwerden, bei denen ein ‚Gewinnerprinzip‘ festgelegt wurde - der Grundsatz der Kostenselbsttragung ... Weder § 35 VwGVG noch das GebAG sehen einen Kostenersatz einschließlich eines Ersatzes oder der Rückzahlung der Eingabengebühr vor. Mangels solcher materienspezifischer Sonderregelung hat jeder Beteiligte, also auch der [Mitbeteiligte] , die ihm im Verfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten ...“
4Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, die vorliegende Entscheidung hänge von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung insofern ab, als es (sofern überblickbar) an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die Bestimmung des § 54 Abs. 3 zweiter Halbsatz GebAG von dem im Abs. 1 Z 4 erster Halbsatz leg. cit. (hinsichtlich der Gebühr für die mündliche Übersetzung von Schriftstücken in Vernehmungen und gerichtlichen Verhandlungen) normierten Verweis auf die Gebühr, die für schriftliche Übersetzungen zustehe, mitumfasst sei.
5Gegen dieses Erkenntnis - mit Ausnahme des Satzes über ein Unterbleiben eines Ersatzes von Kosten des Mitbeteiligten im Beschwerdeverfahren - richtet sich die Revision des Bundesministers für Inneres mit dem Antrag, dieses im Umfang des Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Amtsrevision teilt die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in der Zulässigkeit seiner Revision und sieht diese überdies darin begründet, zwar verweise die Gebührenbemessung nach § 54 Abs. 1 Z 4 erster Halbsatz GebAG auf die Regelungen für eine schriftliche Übersetzung und somit auf Abs. 3 leg.cit.; es stelle sich jedoch die Rechtsfrage, ob im Rahmen einer mündlichen Übersetzung von Schriftstücken eine Bemessung auch nach § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG und nicht nur nach dem ersten Satz leg.cit. zu erfolgen habe.
Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses sieht die Amtsrevision zusammengefasst darin, im Revisionsfall seien weder „Dokumente“ (Urkunden) noch schriftliche Übersetzungen vorgelegen, vielmehr sei ein Schriftstück mündlich übersetzt worden. Eine Übersichtlichkeit durch Übersetzung jeder Seite auf eine eigene Seite sei daher nicht gewahrt worden und habe auch nicht gewahrt werden können. § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG sei daher nicht anwendbar.
6Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7Gemäß § 53b AVG haben nichtamtliche Dolmetscher für ihre Tätigkeit im Verfahren Anspruch auf Gebühren, die durch Verordnung der Bundesregierung in Pauschalbeträgen (nach Tarifen) festzusetzen sind. Soweit keine solchen Pauschalbeträge (Tarife) festgesetzt sind, sind auf den Umfang der Gebühr die § 24 bis 34, 36 und 37 Abs. 2 des Gebührenanspruchsgesetzes - GebAG, BGBl. Nr. 136/1975, mit den in § 53 Abs. 1 GebAG genannten Besonderheiten und § 54 GebAG sinngemäß anzuwenden. Unter nichtamtlichen Dolmetschern im Sinne dieses Bundesgesetzes sind auch die nichtamtlichen Übersetzer zu verstehen. § 53a Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 bis 4 ist sinngemäß anzuwenden.
8§ 54 des Gebührenanspruchsgesetzes, BGBl. Nr. 136/1975 - GebAG, lautet, soweit im Revisionsfall von Relevanz (Abs. 1 Z 1 lit. a idF der Novelle BGBl. I Nr. 111/2007, Abs. 1 Z 4 idF des Budgetbegleitgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 40, Abs. 3 idF der Novelle BGBl. Nr. 623/1994):
„Gebühr für Mühewaltung
§ 54. (1) Die Gebühr der Dolmetscherinnen und Dolmetscher beträgt
1.bei schriftlicher Übersetzung
a)für je 1 000 Schriftzeichen (ohne Leerzeichen)15,20 Euro;
...
4.für jede während einer Vernehmung oder gerichtlichen Verhandlung übersetzte Seite eines Schriftstücks neben der Gebühr nach Z 3 die Hälfte der Gebühr für die Übersetzung eines Schriftstücks; wurde das zu übersetzende Schriftstück im Rahmen derselben Vernehmung oder gerichtlichen Verhandlung angefertigt, so gebühren für die Übersetzung des gesamten Schriftstücks höchstens 20 Euro;
...
(3) Zur Ermittlung der Gebühr ist die Anzahl der Schriftzeichen der Übersetzung (ohne Leerzeichen) durch 1 000 zu dividieren und das Ergebnis mit der Gebühr nach Abs. 1 zu multiplizieren. Bei Übersetzungen von Dokumenten steht die Gebühr nach Abs. 1 ungeachtet der darin enthaltenen Schriftzeichen auch für jede Seite zu, die einer Seite des zu übersetzenden Dokuments entspricht und zur Wahrung der Übersichtlichkeit auf einer eigenen Seite übersetzt wurde.“
9Die ErläutRV zu einem Gebührenanspruchsgesetz 1974, 1336 BlgNR XIII. GP 35, führen zu § 54 aus,
„[d]ie Gebühr für Mühewaltung ist verschieden, je nachdem, ob die Tätigkeit im Übersetzen oder im Dolmetschen besteht; im ersten Fall wird nach der Art der Übersetzung oder ihrer besonderen sprachlichen oder fachlichen Schwierigkeit (Abs. 1 Z. 1) abgestuft, im zweiten Fall soll die Mühewaltung durch die Gebühr nach Abs. 1 Z. 3 entlohnt werden. ...
Schriftliche Übersetzungen, bei denen entweder das zu übersetzende Schriftstück mit lateinischen oder deutschen Schriftzeichen geschrieben ist oder bei denen für die Übersetzung in die fremde Sprache lateinische oder deutsche Schriftzeichen zu verwenden sind, sollen niedriger entlohnt werden als Schriftstücke mit anderen Schriftzeichen. ...
Das Dolmetschen selbst wird entlohnt, indem für die Zuziehung zu einer gerichtlichen Vernehmung oder Verhandlung für die erste, wenn auch nur begonnene halbe Stunde ein Betrag von ... gebühren soll (Abs. 1 Z. 3). ...
Übersetzt der Dolmetscher während einer gerichtlichen Vernehmung (oder Verhandlung ein Schriftstück mündlich (Abs. 1 Z. 4), das mehr als eine volle Seite umfasst, so soll er zusätzlich die für die schriftliche Übersetzung eines Schriftstücks vorgesehene Gebühr (Abs. 1 Z. 1) erhalten.
...“
10Durch Art. I Z 16 lit. c der Novelle BGBl. Nr. 623/1994 wurde dem Abs. 3 des § 54 GebAG der obzitierte zweite Satz angefügt. Die ErläutRV zu dieser Novelle, 1554 BlgNR XVIII. GP 16, führen hiezu aus,
„[n]ach der geltenden Regelung des § 54 Abs. 3 GebAG 1975 ist die Seite einer schriftlichen Übersetzung nur dann als voll zu bewerten, wenn sie mindestens 25 Zeilen mit durchschnittlich mindestens 40 Zeichen enthält. Bei der Übersetzung von Dokumenten (Geburtsurkunden, Staatsbürgerschaftsnachweisen etc.) ist es aus Gründen der Übersichtlichkeit üblicherweise erforderlich, diese deckungsgleich mit dem Original wiederzugeben. Von den Interessenvertretern der Dolmetscher wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß dadurch die oben genannten Kriterien für die Entlohnung einer vollen Seite kaum erreicht werden, daß mit der deckungsgleichen Übersetzung aber ein gewisser Mehraufwand verbunden ist, der der Übersetzung einer Normalseite gleichkommt. Dieser Mehraufwand soll durch die vorgesehene Neuregelung abgedeckt werden.“
11Schließlich wurde durch Art. VIII Z 2 des Budgetbegleitgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 40, § 54 Abs. 1 Z 4 - wie eingangs wiedergegeben - neu gefasst. Die ErläutRV 53 BlgNR XXV. GP 10 führen hiezu aus:
„Im Bereich des § 54 Abs. 1 Z 1 lit. b GebAG erscheint der bei der schriftlichen Übersetzung gebührende Zuschlag für den Fall, dass das zu übersetzende Schriftstück in anderen als lateinischen oder deutschen Schriftzeichen geschrieben ist oder für die Übersetzung andere als lateinische oder deutsche Schriftzeichen zu verwenden sind, angesichts der in der heutigen Zeit zur Verfügung stehenden Hilfsmittel nicht mehr zeitgemäß. Er soll daher entfallen.
Ein (weitergehender) Änderungsbedarf besteht ferner im Bereich des § 54 Abs. 1 Z 4 GebAG. Hier ist aktuell vorgesehen, dass für jede während einer Vernehmung oder gerichtlichen Verhandlung übersetzte Seite eines Schriftstücks neben der Gebühr nach § 54 Abs. 1 Z 3 GebAG die Gebühr für die Übersetzung eines Schriftstücks zusteht. Diese Anordnung stellt insofern eine Abweichung von der sonstigen Systematik des GebAG dar, als hier gleichzeitig sowohl eine (volle) Zeitgebühr nach der Z 3 als auch die volle Gebühr für die Übersetzung eines Schriftstücks verzeichnet werden kann, sodass es im Ergebnis zu einer doppelten Abgeltung desselben Aufwands kommt. Insofern erscheint es legitim, dass in solchen Konstellationen für die Übersetzung eines Schriftstücks im Rahmen einer Vernehmung oder gerichtlichen Verhandlung künftig nur mehr die Hälfte der Gebühr für die Übersetzung des Schriftstücks zustehen soll.
...“
12§ 54 GebAG (in Verbindung mit § 53b AVG) unterscheidet, wie schon den zitierten ErläutRV zu einem GebAG 1974 entnommen werden kann, zwischen der Tätigkeit des Übersetzens und jener des Dolmetschens. Während sich die Tätigkeit des Übersetzens auf das geschriebene Wort bezieht, bezieht sich jene des Dolmetschens auf das gesprochene (gehörte) Wort. Dieser Unterscheidung folgend knüpft § 54 GebAG die Gebühr für Mühewaltung für Übersetzen an das Schriftgut und die darin enthaltenen Schriftzeichen (ohne Leerzeichen) an, jene für Dolmetschen grundsätzlich an die aufgewendete Zeit.
13§ 54 Abs. 1 Z 4 GebAG regelt den besonderen Fall, dass während einer Vernehmung oder gerichtlichen Verhandlung, sohin während der Zuziehung als Dolmetscher, eine Übersetzung eines Schriftstücks erfolgt, und ordnet an, dass für jede während einer Vernehmung oder gerichtlichen Verhandlung übersetzte Seite eines Schriftstücks neben der Gebühr nach Z 3 die Hälfte der Gebühr für die Übersetzung eines Schriftstücks zusteht.
Mit den Worten „Hälfte der Gebühr für die Übersetzung eines Schriftstücks“ verweist § 54 Abs. 1 Z 4 GebAG auf die Regelungen für die Gebühr bei schriftlicher Übersetzung, fallbezogen auf § 54 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 GebAG.
Dem Verwaltungsgericht ist noch insofern zu folgen, als der Verweis in § 54 Abs. 1 Z 4 GebAG auch § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG mitumfasst; allerdings ordnet § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG Besonderes nur für die Übersetzung von Dokumenten ungeachtet der Zahl der darin enthaltenen Schriftzeichen für jede Seite an, die einer Seite des zu übersetzenden Dokuments entspricht und zur Wahrung der Übersichtlichkeit auf einer eigenen Seite übersetzt wurde. § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG regelt daher den besonderen Fall, dass die Übersetzung eines Schriftstückes („des zu übersetzenden Dokuments“) in einem anderen Schriftstück dergestalt Niederschlag findet, dass - zur Wahrung des Übersichtlichkeit - jede Seite des zu übersetzenden Dokuments in einer eigenen Seite der - schriftlichen - Übersetzung „deckungsgleich mit dem Original“ (so die zitierten ErläutRV 1554 BlgNR XVIII. GP 16) wiedergegeben wird.
14Ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichtes umfasste die Tätigkeit des Mitbeteiligten im Rahmen der Einvernahmen am einerseits das Dolmetschen, andererseits auch das Übersetzen von Schriftstücken (in Englisch) in Punjabi, jedoch lediglich mündlich, ohne dass die Übersetzung der Dokumente einen schriftlichen Niederschlag gefunden hätte, insbesondere in einer in § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG geforderten Beibehaltung der seitenweisen Gliederung bei der Übersetzung in die andere Sprache.
Die bloß mündliche Übersetzung der Schriftstücke konnte daher nicht die besonderen Voraussetzungen des § 54 Abs. 3 zweiter Satz GebAG erfüllen.
Was, wie vom Verwaltungsgericht bedacht, bei einer Verschriftlichung der Übersetzung oder bei Verwendung fremder Schriftzeichen hypothetisch zu gelten hätte, hat im Revisionsfall dahingestellt zu bleiben.
15Damit zeigte die Beschwerde des Mitbeteiligten keine Rechtswidrigkeit der erfolgten Bemessung der Gebühr auf, womit sich die Sache schon als entscheidungsreif erweist und im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis eines weiteren Verfahrens das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 4 VwGG dahingehend abzuändern ist, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten als unbegründet abzuweisen ist.
16Der Ausspruch des Verwaltungsgerichtes über ein Unterbleiben des Ersatzes von Kosten des Beschwerdeverfahrens war von der Anfechtung der Amtsrevision unberührt.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020160016.J00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.