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VwGH vom 20.02.2019, Ro 2019/13/0003

VwGH vom 20.02.2019, Ro 2019/13/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs, Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision 1. der A GmbH in H,

2. der A GmbH in W und 3. der A GmbH in H, alle vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-1190/001-2016, betreffend Entschädigung gemäß § 19 ALSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die drei revisionswerbenden Gesellschaften und eine vierte, später mit der Drittrevisionswerberin verschmolzene Gesellschaft waren auf einem als Verdachtsfläche nach dem Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) ausgewiesenen, im Eigentum der Drittrevisionswerberin stehenden Betriebsgelände tätig, auf dem im Jahr 2015 ergänzende Untersuchungen gemäß § 13 Abs. 1 ALSAG durchgeführt wurden. Mit der Durchführung der Untersuchungen hatte das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung ein privates Unternehmen beauftragt. Beim Setzen eines Bohrlochs zur Entnahme von Proben wurde ein Stromkabel beschädigt, was einen mehrstündigen Stromausfall auf dem ganzen Gelände und einen dadurch bewirkten Stillstand der Betriebe zur Folge hatte.

2 Mit Schriftsätzen vom richteten die vier Gesellschaften an den Landeshauptmann von Niederösterreich jeweils einen Antrag auf Entschädigung nach § 19 ALSAG, wobei sie jeweils vorbrachten, die zahlreichen auf dem Gelände beschäftigten Mitarbeiter seien am Tag des Schadensereignisses "bei Entgeltfortzahlung nach Hause geschickt" worden, als sich gegen Mittag abzeichnete, dass eine Fortsetzung ihrer Tätigkeiten an diesem Tag nicht mehr möglich sein würde. Als Schaden wurde jeweils die Entgeltfortzahlung, von der Drittrevisionswerberin auch der (vergleichsweise geringe) Aufwand für die Reparatur geltend gemacht. Die Drittrevisionswerberin legte dazu dar, sie habe den Schaden "auf ihre Rechnung" beheben lassen.

3 Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Niederösterreich die Anträge "wegen Unzulässigkeit" zurück. Begründet wurde dies "aus rechtlicher Sicht" wie folgt:

"In der österreichischen Bundesverfassung ist das Prinzip der Trennung von Justiz und Verwaltung verankert. Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen sind (sic) zweifellos dem Zivilrecht zuzuordnen und daher grundsätzlich bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Ausnahmen hievon sind zwar in einzelnen Gesetzesmaterien vorgesehen, dem Gewaltentrennungsprinzip wird aber dadurch Rechnung getragen, dass eine ‚sukzessive Gerichtszuständigkeit' normiert wird; das heißt, dass eine verwaltungsbehördliche Entscheidung über eine Entschädigung durch Anrufung eines ordentlichen Gerichtes außer Kraft gesetzt werden kann. Dadurch wird die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen gewährleistet.

Es entspricht den allgemeinen Auslegungsregeln, dass Ausnahmen von allgemeinen Rechtsgrundsätzen restriktiv auszulegen sind. Grund dafür, dass in einigen Gesetzen Verwaltungsbehörden über Entschädigungsleistungen zu entscheiden haben, sind regelmäßig verfahrensökonomische Überlegungen. Die Verwaltungsbehörde soll im Zuge eines Verwaltungsverfahrens auch gleich über Entschädigungsansprüche, die aus Anlass dieses Verfahrens entstehen und die in der Regel leicht zu ermitteln sind, entscheiden. Dadurch wird dem Anspruchsberechtigten, der in der Regel auch Partei des Verwaltungsverfahrens ist, eine gesonderte Durchsetzung seiner Ansprüche im Zivilrechtsweg erspart. Schadenersatzansprüche, die jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der verwaltungsbehördlichen Tätigkeit stehen, würden bei Durchsetzung im Verwaltungsweg einen wesentlichen Mehraufwand bedeuten. Die Verwaltungsbehörde, deren Organisationsstruktur und Verfahrensbestimmungen nicht für ein kontradiktorisches Verfahren ausgelegt sind, müsste in einem aufwendigen Verfahren Grund und Höhe des Schadenersatzanspruches ermitteln und hierüber entscheiden. Sollte eine Partei mit dieser Entscheidung nicht zufrieden seien (sic) und das ordentliche Gericht anrufen, würde die verwaltungsbehördliche Entscheidung außer Kraft treten und das gesamte Ermittlungsverfahren müsste durch das Gericht neuerlich durchgeführt werden. Dies ist jedoch sicherlich nicht Ziel und Zweck dieser Bestimmungen.

Auch das Argument, dass durch die Beweislastumkehr bei Gericht der Anspruchsberechtigte schlechter gestellt würde, geht ins Leere da - sofern eine Partei mit der Entscheidung der Verwaltungsbehörde nicht zufrieden ist - aufgrund der sukzessiven Gerichtszuständigkeit ohnehin das Gericht angerufen werden muss und dort die Regelungen der Zivilprozessordnung zu befolgen sind.

Aus den oben dargelegten Überlegungen ergibt sich, dass die gegenständliche versehentliche Durchtrennung eines Stromkabels nicht Gegenstand des § 19 Abs. 1 AlSAG sein kann und den Antragstellerinnen daher die Antragslegitimation fehlt."

4 Gegen diese Entscheidung erhoben die vier Antragstellerinnen mit Schriftsätzen vom Beschwerden, worin sie geltend machten, der Bescheid und seine Begründung stünden in mehrfacher Hinsicht nicht im Einklang mit der Rechtslage. Beantragt wurde jeweils auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht.

5 Im August 2017 brachten die vier Antragstellerinnen Fristsetzungsanträge ein, über die das Verfahren nach Vorliegen des nunmehr angefochtenen Erkenntnisses mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Fr 2017/16/0008 bis 0011, eingestellt wurde.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerden ohne Durchführung der beantragten Verhandlung und ohne Vorhalt der beabsichtigten Feststellungen zum Sachverhalt als unbegründet ab.

7 In den Entscheidungsgründen stellte das Landesverwaltungsgericht u.a. neu fest, die Drittrevisionswerberin habe den mit den Probebohrungen Beauftragten Pläne über bestehende Kanal- und Wasserleitungen übergeben, eine Information über "die ebenfalls bestehende und im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit einer Stromleitung" auf einem der Grundstücke aber unterlassen. In der Revision wird dazu vorgebracht, dies sei nicht die Stromleitung gewesen, deren Beschädigung den Betriebsstillstand auslöste.

8 Das Landesverwaltungsgericht stellte auch fest, vom nicht näher bezeichneten "Eigentümer der Stromleitung" sei "kein Schaden geltend gemacht" worden. "Vielmehr" habe die Drittrevisionswerberin den Schaden auf ihre Rechnung beheben lassen. Nach dem Vorbringen in der Revision war die Drittrevisionswerberin Eigentümerin der beschädigten Leitung.

9 Zur Beweiswürdigung verwies das Landesverwaltungsgericht in allgemein gehaltener Form auf die eingesehenen Unterlagen sowie darauf, dass der "festgestellte Sachverhalt" von den Beschwerdeführerinnen "nicht in Abrede gestellt" werde.

10 In rechtlicher Hinsicht würdigte das Landesverwaltungsgericht den Sachverhalt - nach einer Wiedergabe des Verfahrensganges sowie von Vorschriften und deren Kommentierung in einem Kurzkommentar - wie folgt:

"Anspruchsberechtigte können demnach einen Antrag gemäß § 19 Abs. 1 AlSAG bei der nunmehr belangten Behörde stellen.

Da es sich bei der Beschwerde gegenständlich um einen verfahrensrechtlichen Bescheid handelt, kommt die sukzessive Zuständigkeit nach § 19 Abs. 3 AlSAG im konkreten Fall nicht zur Anwendung, weshalb das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich berufen ist, über die Beschwerden zu entscheiden.

Entscheidungsrelevant im gegenständlichen Fall ist die Beantwortung der Rechtsfrage, für welche Schäden nach § 19 Abs. 1 leg. cit. ein Entschädigungsanspruch besteht.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 1 AlSAG sind nur jene Schäden im Entschädigungsverfahren zuzusprechen, welche durch Maßnahmen zum Aufsuchen, Untersuchen, Sichern und Sanieren von Verdachtsflächen und Altlasten entstanden sind. Daraus ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber nur jene Schäden ersetzt haben wollte, welche unmittelbar durch die genannten Maßnahmen entstanden sind (Hervorhebungen wie im Original).

Anspruchsberechtigt ist demnach nur derjenige, in dessen Vermögen oder Person sich der Schaden ereignet hat, während anderen Personen (den durch die Maßnahme nur ‚mittelbar Geschädigten') ein etwaiger Folgeschaden nicht ersetzt wird. Für den Ersatz dieser mittelbaren Schäden bietet § 19 Abs. 1 AlSAG keine Rechtsgrundlage.

Diese Rechtsansicht wird auch auf die im AlSAG-Verfahren anzuwendenden Bestimmungen des BStG 1971 gestützt, nach welchen nur der von der Enteignung Betroffene vermögensrechtlich zu entschädigen ist und die Höhe dieses Entschädigungsanspruches restriktiv festzusetzen ist (vgl. § 18 BStG 1971).

Auf den konkreten Fall bezogen bedeutet das, dass der Eigentümer des beschädigten Stromkabels iSd § 19 Abs. 1 AlSAG einen Schaden erlitten hat, für welchen ihm nach dieser Rechtsgrundlage eine Entschädigung zusteht, unabhängig von der zivilrechtlichen Frage, wer für die fehlerhafte Aufklärung über das Bestehen der im Grundbuch eingetragenen Stromleitung schadenersatzrechtlich einzustehen hat.

Demgegenüber wurden sämtliche Antragstellerinnen nur mittelbar geschädigt, auch wenn die (Drittrevisionswerberin) (im eigenen Interesse) auf eigene Rechnung die Sanierung der schadhaften Stromleitung beauftragt hat, sodass allen Beschwerdeführerinnen ein Entschädigungsanspruch nach dieser Gesetzeslage und somit eine Antragslegitimation nicht zusteht. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Anträge zurückgewiesen."

11 Die beantragte mündliche Verhandlung habe "schon zufolge des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG" (wegen Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags) entfallen können.

12 Eine Revision sei auf Grund des Fehlens einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie auf die Rechtsausführungen im Bescheid vom verweist und auch für den Eigentümer des Kabels einen Anspruch nach § 19 Abs. 1 ALSAG verneint.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 § 13 Abs. 1 ALSAG sieht unter der Überschrift "Aufsuchen von Altlasten" u.a. "ergänzende Untersuchungen" vor, "soweit diese zur Erfassung, Abschätzung und Bewertung von Verdachtsflächen sowie zur Prioritätenklassifizierung erforderlich sind".

16 Der vierte Abschnitt des ALSAG lautet:

"IV. ABSCHNITT

Durchführung der Altlastensanierung

Duldungspflichten

§ 16. (1) Soweit dies zur Beurteilung einer Verdachtsfläche unbedingt erforderlich ist, haben die Liegenschaftseigentümer sowie die an der Liegenschaft dinglich oder obligatorisch Berechtigten das Betreten der Liegenschaften und Anlagen im notwendigen Umfang insbesondere zur Entnahme von Proben durch die Organe der zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes zuständigen Stellen sowie die von diesen Behörden herangezogenen Dritten zu dulden. Vor dem Betreten der Liegenschaft oder der Anlage sind die Eigentümer und die an dieser Liegenschaft dinglich und obligatorisch Berechtigten nach Tunlichkeit zu verständigen. Bei Grundstücken oder Teilen von Grundstücken, die Bergbauzwecken dienen, sind vor dem Betreten die Bergbauberechtigten nach Tunlichkeit zu verständigen.

(2) Der Landeshauptmann hat die Liegenschaftseigentümer sowie die an der Liegenschaft dinglich oder obligatorisch Berechtigten, deren Inanspruchnahme zum Zweck der Untersuchung, Sicherung, Sanierung und Überwachung einer Altlast erforderlich ist, zu verpflichten, die notwendigen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sicherung und Sanierung einer Altlast zu dulden.

(3) Die Organe der zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes zuständigen Stellen sowie die von diesen Behörden herangezogenen Dritten haben darauf Bedacht zu nehmen, daß jede nicht unbedingt erforderliche Störung oder Behinderung vermieden wird.

(4) Die mit den durchzuführenden Maßnahmen Betrauten sind über alle ihnen bei der Ausübung ihres Dienstes bekanntgewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Zwangsrechte

§ 17. (1) Der Landeshauptmann ist zuständige Behörde zur Entscheidung über die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung oder Sanierung von Altlasten nach den § 21a, 30 bis 35 und 138 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), BGBl. Nr. 215, den § 79, 79a und 83 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194, und den § 73 und 74 AWG 2002. Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist in Verfahren nach der GewO 1994 der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und in Verfahren nach dem WRG 1959 und dem AWG 2002 der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

(2) Die Zuständigkeitskonzentration beim Landeshauptmann tritt mit der Ausweisung der Altlast in der Verordnung (Altlastenatlas) ein.

(3) Die mündliche Verhandlung in den Verfahren nach den in Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften sowie nach Abs. 3 ist nach Möglichkeit unter einem durchzuführen.

(4) Kann die Sicherung oder Sanierung nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften nicht oder nicht in jenem Umfang angeordnet werden, daß dadurch die von der Altlast für die Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgehenden Gefahren insbesondere für Boden, Gewässer und Luft abgewendet werden können, so hat der Landeshauptmann die betroffenen Liegenschaftseigentümer sowie die an deren Liegenschaft dinglich oder obligatorisch Berechtigten zu verpflichten, die notwendigen Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen zu dulden. Hiebei ist in bestehende Rechte nicht im größeren Umfang einzugreifen, als dies zur Durchführung der Sicherung oder Sanierung erforderlich ist. Für das Verfahren ist § 16 sinngemäß anzuwenden.

(5) Parteien im Verwaltungsverfahren sind die betroffenen Liegenschaftseigentümer und die an deren Liegenschaften dinglich oder obligatorisch Berechtigten, die betroffenen Wassernutzungsberechtigten sowie der Bund als Träger von Privatrechten (§ 18 Abs. 1) und die betroffenen Gemeinden.

Sanierungsmaßnahmen durch den Bund

§ 18. (1) Sofern nicht einem Verpflichteten nach § 17 Abs. 1 die Sicherung oder Sanierung von Altlasten aufgetragen werden kann, führt der Bund als Träger von Privatrechten die erforderlichen Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen nach Maßgabe der Prioritätenklassifizierung durch, wobei für den Bund keine über den Ertrag der Altlastenbeiträge hinausgehende finanzielle Belastung entstehen darf.

(2) Wer rechtswidrig und schuldhaft entweder eine Altlast verursacht hat oder als Liegenschaftseigentümer der Ablagerung, die zum Entstehen der Altlast geführt hat, zugestimmt oder sie geduldet hat, ist verpflichtet, dem Bund die zur Sicherung oder Sanierung der Altlast erforderlichen Kosten zu ersetzen, soweit dieser nach § 18 Abs. 1 tätig geworden ist. Haben mehrere Personen das Entstehen der Altlast verschuldet, sind die § 1301 und 1302 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden. Über den Ersatz der Kosten entscheiden die ordentlichen Gerichte.

(3) Besteht das Verschulden des Ersatzpflichtigen nur in einem Versehen, so kann das ordentliche Gericht aus Gründen der Billigkeit den Ersatz mäßigen oder, sofern der Schaden nach einem niederen Grad des Versehens zugefügt worden ist, auch ganz erlassen.

Entschädigungen

§ 19. (1) Soweit durch Maßnahmen zum Aufsuchen, Untersuchen, Sichern und Sanieren von Verdachtsflächen und Altlasten Personen, die an der Entstehung einer Verdachtsfläche oder Altlast nicht mitgewirkt oder der Entstehung nicht zugestimmt oder diese nicht geduldet haben, ein Schaden entsteht, sind diese angemessen zu entschädigen.

(2) Für die Entschädigung und das Verfahren gelten nach Maßgabe des Abs. 3 die § 18 bis 20a des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, sinngemäß.

(3) Eine Beschwerde bezüglich der Höhe der im Verwaltungsweg zuerkannten Entschädigung ist unzulässig. Doch steht es dem Entschädigung Beanspruchenden frei, binnen drei Monaten nach Erlassung des Bescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht zu begehren, in dessen Sprengel sich die Liegenschaft befindet."

17 Eine sinngemäße Anwendung des § 20a Bundesstraßengesetz 1971 über die Rückübereignung von Enteignungsgegenständen scheint für den Revisionsfall nicht in Betracht zu kommen. Die § 18 bis 20 dieses Gesetzes lauten:

"Entschädigung, Parteistellung

§ 18. (1) Dem Enteigneten gebührt für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB). Bei Bemessung der Entschädigung hat jedoch der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, den die Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Hingegen ist auf die Verminderung des Wertes eines etwa verbleibenden Grundstücksrestes Rücksicht zu nehmen. Ist dieser Grundstücksrest unter Berücksichtigung seiner bisherigen Verwendung nicht mehr zweckmäßig nutzbar, so ist auf Verlangen des Eigentümers das ganze Grundstück einzulösen. Bei der Bemessung der Entschädigung ist auf jene Widmung abzustellen, die im Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Gemeinde von den Planungsabsichten des Bundes bei der öffentlichen Auflage eines Bundesstraßenplanungsgebiets (§ 14) oder, falls ein solches nicht aufgelegt wurde, bei der öffentlichen Auflage des Bundesstraßenbauvorhabens (§ 4) gegeben war.

(2) Enteigneter ist der Eigentümer des Gegenstandes der Enteignung, andere dinglich Berechtigte, sofern das dingliche Recht mit einem nicht der Enteignung unterworfenen Gegenstand verbunden ist, sowie der dinglich und obligatorisch Berechtigte (insbesondere der Nutzungs- und Bestandberechtigte), sofern dieses Recht für sich allein Gegenstand der Enteignung ist.

(3) Wird dem Enteigneten durch die Enteignung die seinen Hauptwohnsitz bildende Wohngelegenheit entzogen, so ist die Entschädigung unter Berücksichtigung der Bestimmung des Abs. 1 zumindest so zu bemessen, daß ihm der Erwerb einer nach Größe und Ausstattung ausreichenden Wohngelegenheit ermöglicht wird. Entsprechend ist auch auf die Wohnversorgung der Bestandnehmer und sonstigen Nutzungsberechtigten Rücksicht zu nehmen.

Einleitung des Verfahrens

§ 19. Um die Enteignung ist unter Vorlage der zur Beurteilung der Angelegenheit erforderlichen Pläne und sonstigen Behelfe, insbesondere eines Verzeichnisses der zu enteignenden Parzellen mit den Namen und Wohnorten der zu enteignenden Personen und den Ausmaßen der beanspruchten Grundfläche, schließlich eines Grundbuchauszuges beim Landeshauptmann einzuschreiten.

Enteignungsverfahren

§ 20. (1) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung entscheidet der Landeshauptmann als Bundesstraßenbehörde (§ 32) unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes - EisbEG, BGBl. Nr. 71/1954 wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Rücksicht zu nehmen ist.

(2) Der Enteignungsbescheid hat zugleich eine Bestimmung über die Höhe der Entschädigung zu enthalten. Diese ist auf Grund der Bewertung beeideter unparteiischer Sachverständiger unter Beobachtung der in den § 4 bis 8 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes - EisbEG, BGBl. Nr. 71/1954, aufgestellten Grundsätze zu ermitteln.

(3) Gegen die Entscheidung des Landeshauptmannes über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung ist die Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes zulässig. Eine Beschwerde bezüglich der Höhe der im Verwaltungswege zuerkannten Entschädigung ist unzulässig. Doch steht es jedem der beiden Teile frei, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Landesgericht zu begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Mit Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung kann ohne Zustimmung des Antragsgegners nicht zurückgenommen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt der im Enteignungsbescheid bestimmte Entschädigungsbetrag als vereinbart.

(4) Der Vollzug des rechtskräftigen Enteignungsbescheides kann jedoch nicht gehindert werden, sobald der vom Landeshauptmann ermittelte Entschädigungsbetrag oder eine Sicherheit für die erst nach Vollzug der Enteignung zu leistende Entschädigung gerichtlich erlegt ist.

(5) Für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, für deren Feststellung im Wege des Übereinkommens sowie für die Wahrnehmung der Ansprüche, welche dritten Personen auf die Befriedigung aus der Entschädigung auf Grund ihrer dinglichen Rechte zustehen, finden die Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes - EisbEG, BGBl. Nr. 71/1954 sinngemäße Anwendung."

18 Die § 4 bis 8 EisbEG lauten:

"II. Gegenstand und Umfang der Entschädigung.

§ 4. (1) Das Eisenbahnunternehmen ist verpflichtet, den Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile gemäß § 365 ABGB. schadlos zu halten.

(2) Als Enteigneter ist jeder anzusehen, dem der Gegenstand der Enteignung gehört, oder dem an einem Gegenstande der Enteignung ein mit dem Eigentume eines anderen Gegenstandes verbundenes dingliches Recht zusteht.

§ 5. Bei der Ermittlung der Entschädigung ist auch auf die Nachteile Rücksicht zu nehmen, die Nutzungsberechtigte, Gebrauchsberechtigte oder Bestandnehmer durch die Enteignung erleiden, und deren Vergütung dem Enteigneten obliegt, sofern der als Ersatz für den Gegenstand der Enteignung zu leistende Betrag nicht zur Befriedigung der gegen den Enteigneten zustehenden Entschädigungsansprüche zu dienen hat.

§ 6. Wird nur ein Teil eines Grundbesitzes enteignet, so ist bei der Ermittlung der Entschädigung nicht nur auf den Wert des abzutretenden Grundstückes, sondern auch auf die Verminderung des Wertes, die der zurückbleibende Teil des Grundbesitzes erleidet, Rücksicht zu nehmen.

§ 7. (1) Bei der Ermittlung der Entschädigung ist auf Verhältnisse keine Rücksicht zu nehmen, die ersichtlich in der Absicht hervorgerufen worden sind, sie als Grundlage für die Erhöhung der Ansprüche auf Entschädigung zu benützen.

(2) Der Wert der besonderen Vorliebe, dann eine Werterhöhung, die der Gegenstand der Enteignung infolge der Anlage der Eisenbahn erfährt, bleiben bei der Berechnung der Entschädigung außer Betracht.

(3) Im Enteignungsverfahren hat der Enteignungsgegner Anspruch auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung. Dem Enteignungsgegner gebührt voller Kostenersatz, soweit der Enteignungsantrag ab- oder zurückgewiesen oder in einem nicht nur geringfügigen Umfang zurückgezogen wird. In allen anderen Fällen gebührt dem Enteignungsgegner eine Pauschalvergütung in Höhe von 1,5 vH der festgesetzten Enteignungsentschädigung, mindestens aber 500 Euro und höchstens 7 500 Euro.

§ 8. (1) Die Entschädigung ist in barem Gelde zu leisten. Sie geschieht bei dauernder Enteignung durch Zahlung eines Kapitalsbetrages, bei vorübergehender Enteignung durch Zahlung einer Rente.

(2) Wenn jedoch infolge einer vorübergehenden Enteignung eine bei der Bestimmung der Rente nicht berücksichtigte Wertverminderung eintritt, ist dafür nach dem Aufhören der vorübergehenden Enteignung durch Zahlung eines Kapitalsbetrages Ersatz zu leisten."

19 Im vorliegenden Fall haben der Landeshauptmann und das Landesverwaltungsgericht die Entschädigungsanträge "wegen Unzulässigkeit" zurückgewiesen, für die angenommene Unzulässigkeit aber nicht die gleichen Gründe angeführt.

20 Die Argumentation des Landeshauptmanns ist nur im Lichte der (im Bescheid zunächst auch wiedergegebenen) Vorkorrespondenz verständlich. Mit den "in der Regel leicht zu ermittelnden" Ansprüchen, auf die sich das Verfahren nach § 19 ALSAG beschränken solle, waren danach Ansprüche auf Entschädigung für "planmäßig (weil unvermeidbar) und gewollt" entstandene Schäden gemeint. Ein "Schadenersatz für ein schuldhaftes Handeln" (das im Revisionsfall freilich strittig war, weshalb der Versicherer des herangezogenen, mit der Durchführung der Untersuchungen beauftragten Dritten nicht zahlen wollte) solle "nicht aus öffentlichen Geldern bezahlt werden".

21 Das Landesverwaltungsgericht hat sich dieser Sichtweise nicht angeschlossen und den Gegenstand von Verfahren nach § 19 ALSAG auf andere Weise so eingegrenzt, dass er die von den vier Gesellschaften geltend gemachten Ansprüche - unter der Annahme, keine von ihnen sei Eigentümerin der Stromleitung gewesen - ausschloss. Nicht das Vorliegen eines Versehens, sondern die bloß "mittelbare" Schädigung durch den Betriebsstillstand und den Reparaturaufwand für eine nach Meinung des Landesverwaltungsgerichtes fremde Sache wird im angefochtenen Erkenntnis dafür ins Treffen geführt, dass die Ansprüche in § 19 Abs. 1 ALSAG "keine Rechtsgrundlage" hätten und die Anträge daher unzulässig seien.

22 § 19 ALSAG sieht in Abs. 1 eine Entschädigung von Amts wegen vor, spricht in Abs. 3 aber auch von "dem Entschädigung Beanspruchenden". Wer "durch Maßnahmen zum Aufsuchen, Untersuchen, Sichern und Sanieren von Verdachtsflächen und Altlasten", mit deren Entstehung er nichts zu tun hatte, einen "Schaden" erleidet, ist berechtigt, eine angemessene Entschädigung zu fordern.

23 Im Revisionsfall wurde bei einer Maßnahme zum Aufsuchen von Altlasten, nämlich einer ergänzenden Untersuchung einer Verdachtsfläche nach § 13 Abs. 1 ALSAG, die gemäß § 16 Abs. 1 ALSAG geduldet werden musste, ein Stromkabel beschädigt, was einen Stillstand der Betriebe auf dem Gelände und Aufwendungen für die Reparatur des Kabels zur Folge hatte. Es stand stets außer Streit, dass die antragstellenden Gesellschaften keine Verantwortung oder Mitverantwortung für die Entstehung der Verdachtsfläche traf. In ihren Anträgen brachten sie vor, durch den Stillstand ihrer Betriebe und im Fall der Drittrevisionswerberin auch durch die Reparatur des Kabels seien ihnen Schäden entstanden.

24 Für die Ansicht des Landeshauptmanns, ein solcher Antrag sei nur zulässig, wenn fehlendes Verschulden des Verursachers des Schadens behauptet werde, fehlt jeder Anhaltspunkt im Gesetz. § 19 Abs. 1 ALSAG gewährt - vor dem Hintergrund der in diesem Gesetz normierten Duldungspflichten - einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch, schließt diesen Entschädigungsanspruch bei Vorliegen eines Verschuldens des Schädigers aber nicht aus. Ein Schadensereignis wie das revisionsgegenständliche liegt weit innerhalb des Bereichs, in dem der Zusammenhang mit der Duldungspflicht stark genug ist, um die zur Duldung Verpflichteten zur Geltendmachung des in § 19 Abs. 1 ALSAG vorgesehenen Anspruchs gegenüber der Behörde zu legitimieren. Wäre der Gesetzgeber nicht dieser Ansicht gewesen, so hätte er den Entschädigungsanspruch nur für "unvermeidbare" Schäden vorgesehen.

25 Was die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes anlangt, so ist zunächst die Feststellung, keine der Antragstellerinnen sei Eigentümerin des beschädigten Stromkabels gewesen, nicht nachvollziehbar begründet. Zur bloß "mittelbaren" Schädigung durch den Stillstand der Betriebe kann auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs verwiesen werden, in der es um einen durch einen Stromausfall infolge Durchschmelzens unzureichender Sicherungen verursachten Betriebsstillstand ging. Der Beschluss darüber merkte zu Ausführungen des Erstgerichts über die beschränkte Ersatzpflicht bei Sachschäden an, es sei "gesicherte Rechtsprechung", dass die durch den Betriebsstillstand frustrierten Lohnkosten einen beim Bezieher des Stroms "unmittelbar entstandenen Schaden" darstellten (). Die Auslegung des § 19 Abs. 1 ALSAG durch das Landesverwaltungsgericht (Ableitung des Erfordernisses "unmittelbar" aus dem Wort "durch") und ihre Tragfähigkeit für eine Zurückweisung der Anträge bedürfen schon deshalb keiner weiteren Erörterung. Auch die Bezugnahmen auf das Bundesstraßengesetz 1971 gehen fehl. Eine "Enteignung" liegt nicht vor, und dass die antragstellenden Gesellschaften nicht "Betroffene" der schädigenden Maßnahme gewesen wären, ist nicht erkennbar. Es trifft auch nicht zu, dass § 18 dieses Gesetzes ("alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile") eine "restriktive" Festsetzung der "Höhe" der Entschädigung vorsieht, was sich zur Begründung einer Zurückweisung der Anträge aber auch schwer ins Treffen führen ließe.

26 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

27 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Vorbringen in der Revision keine Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwarf, die im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Rechtsmäßigkeit der Zurückweisung der Entschädigungsanträge eine mündliche Verhandlung erfordert hätten.

28 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019130003.J00

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