VwGH vom 20.11.2019, Ro 2019/08/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W209 2204349-1/3E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Partei: 1. D J in W, vertreten durch Mag. Pia Andrea Zhang, Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22; 2. Pensionsversicherungsanstal t in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifterstraße 65- 67; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Kostenbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse (im Folgenden: GebKK) stellte mit Bescheid vom fest, dass der Erstmitbeteiligte vom 17. Oktober bis nicht der Voll(Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm § 4 Abs. 2 ASVG und (nicht) der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG auf Grund einer Beschäftigung zur Dienstgeberin S. GmbH unterliege. 2 Der Erstmitbeteiligte sei von der S. GmbH vom 17. Oktober bis als Dienstnehmer zur Sozialversicherung nach dem ASVG gemeldet worden. Als Geschäftsführer und Alleingesellschafter der S. GmbH sei im Firmenbuch der 1984 geborene und vom 4. Oktober bis in Österreich gemeldete N. K. eingetragen.
3 Das Finanzamt 8/16/17 habe mit Bescheid vom rechtskräftig festgestellt, dass die S. GmbH ab gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) als Scheinunternehmen gelte. Die S. GmbH habe mit eine Massenanmeldung von 90 Dienstnehmern zur Sozialversicherung vorgenommen. An der angegebenen Geschäftsadresse sei sie nicht bekannt gewesen. Sie habe keine Infrastruktur. Zu ihrem Geschäftsführer N. K. habe kein Kontakt aufgenommen werden können. Am sei über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.
4 Von der GebKK seien sämtliche ab gemeldeten Dienstverhältnisse, darunter das des Erstmitbeteiligten, "amtswegig storniert" worden.
5 Am habe der Erstmitbeteiligte bei der GebKK vorgesprochen und angegeben, er habe im Oktober 2016 bei der RR-P GmbH gearbeitet. Während dieser Arbeit sei er am von N. K. als Fassader aufgenommen worden und habe gemeinsam mit zwei ihm seit vielen Jahren bekannten Arbeitskollegen vom 17. Oktober bis für die S. GmbH vollzeitig Styropor-Fassaden hergestellt. Die Arbeitsanweisungen habe er von R. und von K., den Bauleitern der P&M GmbH, erhalten. Das Entgelt sei auf sein Bankkonto überwiesen worden.
6 Der Erstmitbeteiligte habe vom bis EUR 4.382,71 an Krankengeld bezogen. Dieses sei mit Bescheid der GebKK vom rückgefordert worden. Der Erstmitbeteiligte habe dagegen Klage erhoben. Das Verfahren vor dem ASG Wien ruhe bis zur rechtskräftigen Beendigung des Feststellungsverfahrens über die Pflichtversicherung. 7 Am sei der Erstmitbeteiligte von der GebKK neuerlich befragt worden. Dabei habe er angegeben, er habe N. K. ein Mal gesehen. Dieser sei über 50 Jahre alt gewesen und habe nur ungarisch gesprochen. I. und ein weiterer, dem Erstmitbeteiligten unbekannter Mann hätten übersetzt. Er habe dem unbekannten Mann Kopien seines Reisepasses, des Visums, der e-card, der Bankomatkarte und des Meldezettels übergeben. R. von der P&M GmbH habe ihm gesagt, dass er ab für die S. GmbH arbeite. Dem Erstmitbeteiligten sei nicht aufgefallen, dass die Kontonummer (eines internen Verrechnungskontos bei der BAWAG PSK, welches aufscheine, wenn Kunden Bareinzahlungen per Postamt tätigten), von der ihm der Lohn von der S. GmbH überwiesen worden sei, dieselbe gewesen sei wie die, von der ihm der Lohn der RR-P GmbH überwiesen worden sei. Eine Arbeits- und Entgeltsbestätigung habe er telefonisch lt. Visitenkarte von einem unbekannten Mann gefordert und diese - wie schon die An- und Abmeldung und den Lohnzettel - per Post ohne Absender erhalten. Die Kündigung des Erstmitbeteiligten und seiner zwei Arbeitskollegen sei zum telefonisch von einem unbekannten Mann ausgesprochen worden. Als Grund sei schlechtes Wetter angegeben worden. Nach seinem Krankenstand habe er vom 15. März bis bei der K. GmbH gearbeitet. Vom 22. November bis habe er wieder bei der P&M GmbH und ab wieder bei der K. GmbH gearbeitet. 8 Die P&M GmbH habe auf Nachfrage angegeben - so die GebKK weiter -, dass die L&G GmbH ihr Auftraggeber gewesen sei. Mit den Subunternehmen RR-P GmbH und S. GmbH hätte die P&M GmbH kein Vertragsverhältnis gehabt.
9 Die S. GmbH habe keinen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt. Sie habe in Österreich eine Scheinadresse angegeben. Es habe sich kein Hinweis auf einen tatsächlichen Geschäftsbetrieb in Österreich ergeben. Der Erstmitbeteiligte habe den Geschäftsführer der S. GmbH als einen Mann von über 50 Jahren beschrieben, während dieser 1984 geboren sei. Sollte der Erstmitbeteiligte in der verfahrensgegenständlichen Zeit tätig gewesen sein, so habe dies nicht auf Rechnung und Gefahr der S. GmbH der Fall sein können. Auch N. K. sei als Dienstgeber auszuschließen, weil er auf Grund des Alters nicht mit der Beschreibung des Dienstgebers durch den Erstmitbeteiligten übereinstimme.
10 Der Erstmitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und brachte vor, dass er am vom Geschäftsführer der S. GmbH eingestellt worden und in der Folge vom 17. Oktober bis bei der S. GmbH als Fassader beschäftigt gewesen sei. Zum Beweis beantragte der Erstmitbeteiligte die Einvernahme von drei Zeugen.
11 Der Erstmitbeteiligte begehrte die Feststellung der Pflichtversicherung im angegebenen Zeitraum auf Grund seiner Beschäftigung bei der S. GmbH.
12 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid der GebKK vom gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die GebKK zurückverwiesen. 13 Mit Bescheid des Finanzamtes 8/16/17 vom sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die S. GmbH als Scheinunternehmen gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) gelte. (In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass dies jedenfalls ab dem als dem Beginn der Anmeldung diverser Dienstnehmer bei der GebKK gelte). Gemäß § 35a Abs. 1 ASVG idF BGBl. I Nr. 113/2015 seien die Krankenversicherungsträger an die rechtskräftige Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens durch die Abgabenbehörden des Bundes nach § 8 SBBG gebunden. Gemäß § 43 Abs. 4 ASVG seien die Versicherten verpflichtet, zur Auskunftserteilung über die Beschäftigung bei einem rechtskräftig als Scheinunternehmen nach § 35a ASVG festgestellten Unternehmen binnen sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung persönlich beim Krankenversicherungsträger zu erscheinen. Gemäß § 35a Abs. 3 ASVG habe der Krankenversicherungsträger den Dienstgeber von Personen zu ermitteln, die der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger nach § 43 Abs. 4 ASVG rechtzeitig nachgekommen seien und glaubhaft gemacht hätten, für bestimmte Zeiträume tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich eines Scheinunternehmens verrichtet zu haben.
14 Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (692 BlgNR 25. GP, 8f.) würden dazu ausführen, dass die Krankenversicherungsträger zu ermitteln hätten, ob Personen, die von einem Scheinunternehmen angemeldet worden seien, tatsächlich einschlägige Arbeitsleistungen erbracht hätten. Würden die angemeldeten Personen glaubhaft machen, im Konnex mit dem Scheinunternehmen Arbeitsleistungen erbracht zu haben, so habe der Krankenversicherungsträger den tatsächlichen Dienstgeber zu ermitteln. Würde dies zu keinem Erfolg führen, dann würde auf Grund einer gesetzlichen Vermutung jenes Unternehmen als Dienstgeber gelten, von dem das Scheinunternehmen Aufträge erhalten habe, zu deren Erfüllung die Arbeitsleistungen gedient hätten. Diese Vermutung würde nur dann gelten, wenn das auftraggebende Unternehmen gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass es sich beim auftragnehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen gehandelt habe. Würde dem Unternehmen der Gegenbeweis gelingen, dass es keine Arbeitsleistungen durch die betreffenden Personen erhalten habe, so würde deren Pflichtversicherung ex tunc enden (§ 11 Abs. 7 Z 2 ASVG). 15 Nach § 35a ASVG - so das Bundesverwaltungsgericht weiter - habe der Versicherungsträger somit dann, wenn Versicherte ihrer Verpflichtung nach § 43 Abs. 4 ASVG nachgekommen seien und glaubhaft gemacht hätten, für bestimmte Zeiträume tatsächlich Arbeitsleistungen "im Bereich eines Scheinunternehmens" verrichtet zu haben, den Dienstgeber dieser Personen zu ermitteln. Häufig werde mit dem Scheinunternehmen allerdings gerade der Zweck verfolgt, den wahren Dienstgeber zu verschleiern. In solchen Konstellationen sei - nach den Grundsätzen des § 539a ASVG - der eigentliche Dienstgeber zu ermitteln.
16 Sei der nach allgemeinen Grundsätzen ermittelte Dienstgeber ein Scheinunternehmen, ohne dass die Haftung eines fiktiven Dienstgebers nach § 35a Abs. 3 Satz 2 ASVG in Betracht komme, ändere dies grundsätzlich nichts an der Pflichtversicherung des Dienstnehmers, der tatsächlich Arbeitsleistungen erbringe bzw. erbracht habe, es sei denn, die Pflichtversicherung sei gemäß § 11 Abs. 7 ASVG deswegen erloschen, weil er seiner Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Dementsprechend hätte die GebKK zunächst Feststellungen darüber treffen müssen, ob der Erstmitbeteiligte tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich des Scheinunternehmens geleistet habe.
17 Den Verwaltungsakten sei zu entnehmen, dass der Erstmitbeteiligte von der GebKK zu seinen für das Scheinunternehmen erbrachten Arbeitsleistungen befragt worden sei. Trotz umfangreichen Vorbringens unter Nennung zahlreicher Zeugen sowie auf den Baustellen tätiger Unternehmer habe die GebKK offen gelassen, ob der Erstmitbeteiligte tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht habe. Hätte die weitere Prüfung ergeben, dass der Erstmitbeteiligte auf den genannten Baustellen tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht habe, wäre von der GebKK der tatsächliche Dienstgeber zu ermitteln gewesen. Schließlich wäre für den Fall, dass der tatsächliche Dienstgeber nicht hätte ermittelt werden können, auch das auftraggebende Unternehmen zu ermitteln und als fiktiver Dienstgeber heranzuziehen gewesen, wenn dieses von der Scheinunternehmerschaft der S. GmbH gewusst habe oder davon hätte wissen müssen.
18 Wenn der eigentliche Dienstgeber nicht hätte ermittelt werden können und die Haftung eines fiktiven Dienstgebers nach § 35a Abs. 3 zweiter Satz ASVG nicht in Betracht gekommen wäre, hätte die revisionswerbende Gebietskrankenkasse dies feststellen müssen. In Verkennung der Rechtslage habe die GebKK vermeint, mangels Dienstgeber iSd § 35 ASVG sei die Pflichtversicherung zu verneinen (wie dies vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 113/2015 der Fall gewesen sei). Dies widerspreche jedoch - sofern der Erstmitbeteiligte tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich eines Scheinunternehmens erbracht und iSd § 43 Abs. 4 ASVG mitgewirkt habe - der geltenden Rechtslage, da die Pflichtversicherung in diesem Fall nicht gemäß § 11 Abs. 7 ASVG erloschen sei.
19 Die beschriebenen groben Ermittlungslücken würden das Bundesverwaltungsgericht berechtigen, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die GebKK zurückzuverweisen.
20 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den mit der Novelle BGBl. I Nr. 113/2105 neu eingeführten Regelungen betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung von Personen, die im Konnex mit rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen Arbeitsleistungen erbringen oder erbracht hätten, fehle.
21 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision.
22 Der Erstmitbeteiligte hat keine Revisionsbeantwortung
erstattet.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
24 Die GebKK bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht sei mit
dem Beschluss bzw. mit seiner Ansicht, es seien Pflichtversicherungen auf Grund von Beschäftigungen bei anderen (tatsächlichen oder iSd § 35a Abs. 3 zweiter Satz ASVG fiktiven) Dienstgebern als der S. GmbH zu prüfen, über die Sache des Beschwerdeverfahrens hinausgegangen. Diese umfasse - im Einklang mit dem Beschwerdebegehren - nur die Pflichtversicherung des Erstmitbeteiligten auf Grund seiner Beschäftigung bei der S. GmbH. Die Feststellung der Pflichtversicherung eines Dienstnehmers könne nur in Bezug auf einen konkreten Dienstgeber erfolgen. Es könne weder über eine Dienstgebereigenschaft als solche noch über eine Dienstnehmereigenschaft als solche abgesprochen werden. Die GebKK habe ausreichend begründet, dass es sich bei der S. GmbH nicht um eine Dienstgeberin des Erstmitbeteiligten handeln könne. Ob andere Unternehmen als mögliche Dienstgeber in Betracht kämen, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens bzw. erst in weiteren Verfahren zu prüfen.
25 Der Bescheid des Finanzamtes 8/16/17 vom sei am in Rechtskraft erwachsen. Im Spruch dieses Bescheides sei die Scheinunternehmerschaft nicht rückwirkend ausgesprochen worden. An die Ausführungen in der Begründung über eine Rückwirkung ab dem sei die GebKK nicht gebunden. Ihre Bindung an die rechtskräftige Feststellung einer Scheinunternehmerschaft gelte nicht für davor liegende Zeiträume, in denen diese Rechtskraft noch nicht eingetreten gewesen sei. Daher seien für die gegenständlichen Zeiten weder § 35a Abs. 3 noch § 11 Abs. 7 ASVG anwendbar. 26 Abgesehen davon sei die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts unrichtig, dass die Pflichtversicherung eines im Bereich eines Scheinunternehmens tätigen Dienstnehmers nicht enden würde, wenn weder der wahre noch ein fiktiver Dienstgeber ermittelt werden könnten. Vielmehr sei den Gesetzeserläuterungen zu § 35a ASVG zu entnehmen, dass die Pflichtversicherung in diesem Fall gemäß § 11 Abs. 7 Z 2 ASVG ex tunc (mit der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens) ende. Im Übrigen könne ein Scheinunternehmen, das keinen Betrieb auf seine Rechnung und Gefahr führe, nicht Dienstgeber sein. Die Feststellung einer Pflichtversicherung iSd § 4 ASVG eines Dienstnehmers ohne Bezugnahme auf einen Dienstgeber bzw. in Bezug auf einen unbekannten Dienstgeber sei nicht möglich. Dem Gesetzgeber könne nicht der Wille unterstellt werden, die Pflichtversicherung von Personen, deren Dienstgeber nicht ermittelt werden kann, beitragsfrei bestehen zu lassen. Auch das betrügerische Verhalten eines vermeintlichen Dienstgebers ändere nichts daran, dass mangels Zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses mit diesem - unbeschadet einer (späteren) Ermittlung des wahren Dienstgebers und der Feststellung einer darauf bezogenen Pflichtversicherung - jedenfalls keine Pflichtversicherung nach dem ASVG in Bezug auf den erstgenannten Dienstgeber begründet werde (). 27 Schließlich sei unglaubwürdig, dass der Erstmitbeteiligte tatsächlich gearbeitet habe. Sowohl er als auch die von ihm genannten Zeugen Z. L. und M. S. seien bereits bei 20 bzw. bei über 20 Konkursfirmen zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Sein "Entgelt" sei per Bareinzahlung am Postamt auf sein Konto übertragen worden, sodass der Einzahler nicht habe ermittelt werden können. Er habe lediglich fälschungsanfällige Papier-Lohnzettel vorgelegt. Er habe die angebliche Arbeitstätigkeit nur knapp mehr als einen Monat erbracht und sich unmittelbar danach für mehrere Monate in den Krankenstand begeben. Dies sei aber nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides gewesen. Dieser habe - gestützt allein auf die mangelnde Dienstgebereigenschaft der S. GmbH - das Nichtbestehen einer Pflichtversicherung auf Grund einer Beschäftigung bei der S. GmbH ausgesprochen. Es sei nicht mehr zu prüfen gewesen, ob der Erstmitbeteiligte Arbeitsleistungen erbracht habe. Der Spruch habe nicht die Feststellung umfassen können, dass der Erstmitbeteiligte generell keine Arbeitsleistungen (gegenüber anderen Dienstgebern) erbracht habe. Ihm stehe es frei, einen Bescheid über seine Pflichtversicherung bei anderen Dienstgebern - etwa bei der von ihm erwähnten P&M GmbH - zu beantragen. Davon habe er bisher Abstand genommen. Der Vorwurf, die GebKK habe nicht ermittelt, ob der Erstmitbeteiligte Arbeitsleistungen erbracht habe, sei nicht gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht hätte allfällige weitere Ermittlungen selbst vornehmen und in der Sache entscheiden müssen.
28 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
29 Das Bundesverwaltungsgericht vertrat zusammengefasst die Ansicht, dass eine Person, die sowohl bei der Sachverhaltsermittlung mitgewirkt als auch glaubhaft gemacht habe, für bestimmte Zeiträume tatsächlich Arbeitsleistungen "im Bereich eines Scheinunternehmens" verrichtet zu haben, nach dem ASVG pflichtversichert sei, auch wenn die GebKK keinen Dienstgeber ermitteln könne und auch dem Auftraggeber nicht die Eigenschaft eines (fiktiven) Dienstgebers zukomme. Seit der Novelle BGBl. I Nr. 113/2015 könne ein Dienstnehmer auch ohne Dienstgeber pflichtversichert sein. Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass mit dem Ausspruch einer solchen "abstrakten Pflichtversicherung" des Erstmitbeteiligten die Sache des gegenständlichen Verfahrens nicht überschritten werde. Die GebKK hätte sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für eine solche abstrakte Pflichtversicherung prüfen müssen, insbesondere die Mitwirkung und die tatsächliche Arbeitsleistung des Erstmitbeteiligten, die Unmöglichkeit der Ermittlung des wahren Dienstgebers und die fehlende "fiktive" Dienstgebereigenschaft des auftraggebenden Unternehmens. Es handle sich um grobe Ermittlungslücken, die ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen würden. 30 § 8 und 9 des Bundesgesetzes zur Verbesserung der Sozialbetrugsbekämpfung (Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz - SBBG) in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, lauten auszugsweise samt Überschriften:
"3. Abschnitt
Maßnahmen gegen Scheinunternehmen
Verfahren zur Feststellung des Scheinunternehmens
§ 8. (1) Scheinunternehmen ist ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist,
1. Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/inne/n zu verkürzen, oder
2. Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.
(2) Ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens ist gegeben, wenn die Anhaltspunkte bei einer Gesamtbetrachtung ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach berechtigte Zweifel begründen, ob
1. die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die Meldung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vom Vorsatz getragen ist, die in Folge der Anmeldung oder Meldung auflaufenden Lohn- und Sozialabgaben oder Zuschläge nach dem BUAG zur Gänze zu entrichten, oder
2. die Anmeldung zur Sozialversicherung vom Vorsatz getragen ist, dass die angemeldeten Personen eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. Die Abgabenbehörden des Bundes haben die Ermittlungen hinsichtlich des Verdachtes auf Vorliegen eines Scheinunternehmens im Sinne dieser Bestimmung durchzuführen.
(3) Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens sind insbesondere:
1. Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten,
2. Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen, die dem angegebenen Geschäftszweig entsprechen, an der der Abgabenbehörde oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebenen Adresse oder der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift,
3. Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontakts zu dem/der Rechtsträger/in oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin über die im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift oder die der Abgabenbehörde oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebene Adresse,
4. Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden oder Beweismittel durch die dem Unternehmen zuzurechnenden Personen,
5. Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen,
6. Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung.
(...)
(8) Wird kein Widerspruch erhoben, hat die Abgabenbehörde mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. (...)
(9) Wird Widerspruch erhoben, hat die Abgabenbehörde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid festzustellen, ob das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. (...).
(10) Das Bundesministerium für Finanzen hat eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen im Internet zu veröffentlichen (Identität, Firmenbuchnummer und Geschäftsanschrift des Scheinunternehmens).
(...)"
"Haftung für Entgelt
§ 9. Ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens haftet der/die Auftrag gebende Unternehmer/in, wenn er/sie zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 handelt, zusätzlich zum Scheinunternehmen als Bürg/e/in und Zahler/in nach § 1357 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811, für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer/innen."
31 Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer pflichtversichert. 32 Als Dienstgeber gilt gemäß § 35 Abs. 1 ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.
33 Dienstnehmer ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.
34 Gemäß § 10 Abs. 1 ASVG beginnt die Pflichtversicherung der Dienstnehmer unabhängig von der Erstattung einer Anmeldung mit dem Tag des Beginnes der Beschäftigung.
35 § 11 Abs. 7 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, lautet:
"(7) Die Pflichtversicherung der im § 10 Abs. 1 bezeichneten Personen erlischt auch mit der rechtskräftigen Feststellung eines Scheinunternehmens,
1. wenn sie der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Versicherungsträger nach § 43 Abs. 4 nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen;
2. wenn sie nicht glaubhaft machen können, dass sie tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet haben."
36 Gemäß § 43 Abs. 4 ASVG sind die Versicherten verpflichtet, zur Auskunftserteilung über die Beschäftigung bei einem rechtskräftig als Scheinunternehmen nach § 35a festgestellten Unternehmen binnen sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung persönlich beim Krankenversicherungsträger zu erscheinen (vgl. auch § 33 Abs. 1c ASVG).
37 § 35a ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, lautet samt
Überschrift:
"Scheinunternehmen
§ 35a. (1) Die Krankenversicherungsträger sind an die rechtskräftige Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens durch die Abgabenbehörden des Bundes nach § 8 des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG), BGBl. I Nr. 113/2015, gebunden.
(2) Die Abgabenbehörden des Bundes haben ihre Mitteilungen an Unternehmen über das vermutete Vorliegen eines Scheinunternehmens den Krankenversicherungsträgern zu übermitteln. Das Gleiche gilt für die Widerlegung dieser Vermutung sowie für Bescheide, mit denen bei Widerspruch das Vorliegen eines Scheinunternehmens festgestellt wird.
(3) Haben Personen, die der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger nach § 43 Abs. 4 rechtzeitig nachgekommen sind, glaubhaft gemacht, (für bestimmte Zeiträume) tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich eines Scheinunternehmens verrichtet zu haben, so hat der Krankenversicherungsträger den Dienstgeber dieser Personen zu ermitteln. Ist dies nicht möglich, so gilt - ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens - als Dienstgeber das Auftrag gebende Unternehmen, wenn es wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 SBBG handelt, und nicht beweist, von diesen Personen keine Arbeitsleistungen erhalten zu haben oder zu erhalten. § 49 ist in solchen Fällen sinngemäß anzuwenden."
38 Das Finanzamt 8/16/17 hat mit Bescheid vom festgestellt, dass die S. GmbH als Scheinunternehmen gemäß § 8 SBBG gilt. Dieser Bescheid ist am in Rechtskraft erwachsen. Die S. GmbH gilt somit als Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/inne/n zu verkürzen, oder Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs- , Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. 39 Gemäß § 35a Abs. 1 ASVG ist die GebKK an die rechtskräftige Feststellung, dass die S. GmbH als Scheinunternehmen gilt, gebunden. Die rechtlichen Folgen dieser Bindung ergeben sich insbesondere aus § 11 Abs. 7 und § 35a Abs. 3 ASVG. 40 Eine Folge besteht darin, dass die Pflichtversicherung einer im § 10 Abs. 1 ASVG bezeichneten Person - sohin einer solchen, deren Beschäftigung als Dienstnehmer bei einem Dienstgeber begonnen hat - mit der rechtskräftigen Feststellung eines Scheinunternehmens erlischt, wenn die Person der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Versicherungsträger nach § 43 Abs. 4 ASVG nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt oder wenn sie nicht glaubhaft machen kann, dass sie tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet hat. Wurde ein Dienstnehmer von einem Scheinunternehmen angemeldet, so wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet wurden. Lässt sich indes nachweisen, dass dieser eine Beschäftigung als Dienstnehmer bei einem Dienstgeber gar nicht begonnen hat, so besteht keine Pflichtversicherung, die nach § 11 Abs. 7 ASVG erlöschen könnte. In den Fällen, in denen ein solcher Nachweis nicht vorliegt, bewirkt die Feststellung eines Scheinunternehmens, dass die Bescheinigungslast dafür, dass tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht wurden, für den Zeitraum ab Feststellung des Scheinunternehmens den Dienstnehmer trifft. Denn wirkt der Dienstnehmer nicht mit bzw. gelingt ihm die Glaubhaftmachung nicht, so erlischt die Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 7 ASVG nicht etwa rückwirkend ab ihrem Beginn bzw. ab der Anmeldung, sondern ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens. Dies folgt schon aus der Möglichkeit, dass ein Unternehmen auch erst während einer Beschäftigung zum Scheinunternehmen iSd § 8 SBBG werden kann. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (692 BlgNR 25. GP, 7) zur Novelle BGBl. I Nr. 113/2015, führen dazu aus:
"Erscheint eine versicherte Person, die nach § 43 Abs. 4 ASVG zur Auskunftserteilung über die Beschäftigung bei einem rechtskräftig als Scheinunternehmen festgestellten Unternehmen schriftlich aufgefordert wurde, nicht binnen sechs Wochen beim Krankenversicherungsträger, so endet das durch Beschäftigung beim Scheinunternehmen begründete Versicherungsverhältnis ex lege, und zwar rückwirkend mit der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens."
41 Gemäß § 35a Abs. 3 erster Satz ASVG hat der Krankenversicherungsträger bei Personen, die der nach rechtskräftiger Feststellung des Scheinunternehmens ergehenden Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger nach § 43 Abs. 4 ASVG rechtzeitig nachgekommen sind und die glaubhaft gemacht haben, (für bestimmte Zeiträume) tatsächlich Arbeitsleistungen "im Bereich eines Scheinunternehmens" verrichtet zu haben, den Dienstgeber dieser Personen zu ermitteln (wozu der Krankenversicherungsträger im amtswegigen Verfahren zur Feststellung einer Pflichtversicherung nach allgemeinen Grundsätzen ohnehin verpflichtet ist). 42 Aus der oben wiedergegebenen gesetzlichen Definition eines "Scheinunternehmens" folgt für jene Scheinunternehmer, in deren Bereich Dienstnehmer tatsächlich eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, dass sie grundsätzlich iSd § 35 Abs. 1 ASVG Dienstgeber sein können, die einen Dienstnehmer iSd § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigen, sodass dieser gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG pflichtversichert ist (vgl. auch die in § 9 SBBG vorausgesetzte Pflicht des Scheinunternehmens, als Dienstgeber Entgelt zu zahlen).
43 § 35a Abs. 3 erster Satz ASVG stellt nun entweder auf Fallkonstellationen ab, in denen zusätzlich zu einem Scheinunternehmen eine weitere Person als Dienstgeber in Frage kommt (z.B. ein weiterer Gesellschafter einer GesbR), oder auf Fallkonstellationen, in denen nach den Grundsätzen der Sachverhaltsfeststellung gemäß § 539a ASVG die Dienstgebereigenschaft iSd § 35 Abs. 1 ASVG nicht dem Scheinunternehmen, sondern einer anderen Person zukommt. Denkbar ist freilich auch der Fall, dass das Scheinunternehmen einziger Dienstgeber iSd § 35 ASVG ist.
44 Scheitert in der in § 35a Abs. 3 erster Satz ASVG genannten Situation die Ermittlung eines wahren (d.h. nicht bloß - wie es in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage heisst - als "Anmelde- und Verrechnungsvehikel" fungierenden) Dienstgebers - der vom Scheinunternehmen verschieden ist - so gilt gemäß § 35a Abs. 3 zweiter Satz ASVG ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens als Dienstgeber das Auftrag gebende Unternehmen, wenn es wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 SBBG handelt (was in Anbetracht der Veröffentlichung gemäß Abs. 10 leg.cit. regelmäßig der Fall sein wird), und nicht beweist, von den betreffenden Personen keine Arbeitsleistungen erhalten zu haben oder zu erhalten.
45 Gelingt dem Auftrag gebenden Unternehmen der Gegenbeweis, dass es keine Arbeitsleistungen erhalten hat oder erhält, aus dem Grund, dass die Person gar keine Arbeitsleistungen im Bereich des Scheinunternehmens erbracht hat oder erbringt, so widerlegt dies die ursprüngliche Glaubhaftmachung durch diese Person, dass sie tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hätte (§ 11 Abs. 7 Z 2 ASVG), sodass eine allfällige in Bezug auf eine Beschäftigung im Bereich eines Scheinunternehmens bestehende Pflichtversicherung ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens erlischt.
46 In diesem Sinn sind auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage (692 BlgNR 25. GP, 9) zum SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, zu verstehen:
"Gelingt dem Unternehmen der Gegenbeweis, nämlich dass es keine Arbeitsleistungen durch die auskunftserteilenden Personen erhalten hat oder erhält, so endet deren Pflichtversicherung ex tunc (siehe § 11 Abs. 7 Z 2 ASVG)."
47 Ist das Auftrag gebende Unternehmen außer dem eben genannten Fall aus den in § 35a Abs. 3 ASVG genannten Gründen (Nichtwissen von der Scheinunternehmerschaft oder Beweis, aus anderen Gründen keine Arbeitsleistungen erhalten zu haben oder zu erhalten) nicht als fiktiver Dienstgeber zu betrachten, so erlischt eine allfällige in Bezug auf eine Beschäftigung im Bereich eines Scheinunternehmens bestehende Pflichtversicherung nicht ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens, war es doch Anwendungsvoraussetzung des § 35a Abs. 3 ASVG, dass der Dienstnehmer den in § 11 Abs. 7 ASVG genannten Pflichten nachgekommen ist.
48 Ist das Auftrag gebende Unternehmen hingegen aus den in § 35a Abs. 3 ASVG genannten Gründen als fiktiver Dienstgeber zu betrachten, so tritt es je nachdem, ob ursprünglich in Bezug auf eine Beschäftigung beim Scheinunternehmen eine Pflichtversicherung bestand oder nicht (ein Erlöschen kommt in dieser Situation nicht in Frage, weil der Dienstnehmer die in § 11 Abs. 7 Z 1 und 2 ASVG genannten Voraussetzungen erfüllt), auf Grund einer gesetzlichen Fiktion ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens als fiktiver Dienstgeber neben den Scheinunternehmer oder es besteht ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens eine Pflichtversicherung allein auf Grund der Beschäftigung bei dem fiktiven Dienstgeber.
49 Sache des vorliegenden Verfahrens ist die Feststellung der Pflichtversicherung des Erstmitbeteiligten nach dem ASVG und dem AlVG auf Grund einer behaupteten Beschäftigung bei der Dienstgeberin S. GmbH vom 17. Oktober bis . Der Bescheid des Finanzamts 8/16/17 vom , wonach die S. GmbH als Scheinunternehmen gemäß § 8 SBBG gilt, ist am in Rechtskraft erwachsen. Die Feststellung der Pflichtversicherung wird von der erst nach dem gegenständlichen Zeitraum erfolgten Feststellung der S. GmbH als Scheinunternehmen nicht berührt. Weder kann die gegenständliche Pflichtversicherung nach § 11 Abs. 7 ASVG erlöschen, noch kann für den gegenständlichen Zeitraum ein Auftraggeber fiktiver Dienstgeber iSd § 35a Abs. 3 zweiter Satz ASVG sein.
50 Die GebKK hat die Dienstgebereigenschaft der S. GmbH, verneint, weil sie keinen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt habe, und weil der Erstmitbeteiligte nicht von dem Geschäftsführer der S. GmbH in Dienst genommen worden sei. Inwieweit diese Auffassung mit § 35 Abs. 1 ASVG (im Hinblick auf das dort neben "für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird" beispielhaft angeführte "für dessen Rechnung die Tätigkeit geführt wird") im Einklang steht sowie sich - in Anbetracht dessen, dass kein anderer Dienstgeber ermittelt wurde - mit § 539a ASVG vereinbaren lässt, wird das Bundesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen haben. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die S. GmbH als Dienstgeberin in Frage kommt, wird es die weiteren Voraussetzungen der behaupteten Pflichtversicherung, insbesondere die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit durch den Erstmitbeteiligten zu prüfen haben. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, die GebKK hätte - trotz zutreffender Verneinung der Dienstgebereigenschaft der S. GmbH - weitere Feststellungen über den wahren Dienstgeber, über den fiktiven Dienstgeber und über die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten treffen müssen, trifft nicht zu. Das Bundesverwaltungsgericht hätte auf der Basis der ausreichenden Ermittlungsergebnisse nach allfälligen eigenen ergänzenden Ermittlungen in der Sache entscheiden müssen. Die Begründung der Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG entsprach nicht der Rechtslage. 51 Der angefochtene Beschluss war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
52 Ein Aufwandersatz an die revisionswerbende GebKK kommt nicht in Betracht, weil sie der zum Aufwandersatz an sie selbst verpflichtete Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG wäre. Der diesbezügliche Antrag war daher abzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019080016.J00 |
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