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VwGH vom 29.06.2020, Ro 2018/16/0048

VwGH vom 29.06.2020, Ro 2018/16/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma, und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamts Hollabrunn Korneuburg Tulln in 3430 Tulln an der Donau, Albrechtsgasse 26-30, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102164/2018, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für März 2016 bis Februar 2017 (mitbeteiligte Partei: Univ.-Prof. Dr. F H in S, vertreten durch die AUSTRIA TREUHAND Holding WirtschaftsprüfungsgmbH in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1c/Top 4a), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Mitbeteiligten für seine im März 1996 geborene Tochter S Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum März 2016 bis Februar 2017 zurück. S habe nach dem dritten Semester das Studium gewechselt, sodass ein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG iVm § 17 StudFG erst wieder bestehe, wenn im neuen Studium ebenso viele Semester absolviert worden seien, wie in dem vor dem Studienwechsel betriebenen Studium.

2In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte vor, der Studienwechsel seiner Tochter sei durch ein unabwendbares Ereignis iSd § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG ohne deren Verschulden zwingend herbeigeführt worden, sodass kein schädlicher Studienwechsel iSd § 17 Abs. 1 StudFG vorliege.

3Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde des Mitbeteiligten ab. S habe im Wintersemester 2014 das Bachelorstudium „Vergleichende Literaturwissenschaft“ begonnen und dieses ernsthaft und zielstrebig betrieben. Im Sommersemester 2016 habe sie ein neues Studium, das Bachelorstudium „Instrumental (Gesangs)pädagogik - Klassik Harfe“, als Hauptstudium aufgenommen, ohne vorher das für drei volle Semester absolvierte Studium „Vergleichende Literaturwissenschaft“ abzuschließen. Ein zwingend herbeigeführter Studienwechsel durch ein unabwendbares Ereignis iSd § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG liege nicht vor, wenn ein Wechsel nicht früher möglich gewesen sei, weil in jenem Studium, das nach dem Studienwechsel betrieben werde, ein Mangel an Ausbildungsplätzen bestehe. Die Tochter des Revisionswerbers habe den Studienwechsel freiwillig durchgeführt, sodass dieser nicht auf ein unabwendbares Ereignis zurückzuführen sei.

4Im Vorlageantrag vom führte der Mitbeteiligte ergänzend aus, S habe immer die Absicht gehabt, das Bachelorstudium „Instrumental (Gesangs)pädagogik - Klassik Harfe“ als Hauptstudium durchzuführen. Anlässlich der Inskription sei ihr mitgeteilt worden, dass es keinen Ausbildungsplatz gebe und sie vorübergehend ein anderes Studium aufnehmen solle. Nachdem S die Mitteilung erhalten habe, dass ein entsprechender Studienplatz frei sei, habe sie im Sommersemester 2016 zu ihrem Wunschstudium gewechselt.

5Es liege nicht in der Gestaltungsmacht einer Studentin, eine ausreichende Anzahl an Studienplätzen zur Verfügung zu stellen. Ein Mangel an Studienplätzen sei ein zwingender Grund, ein anderes Studium zu beginnen und auf das Freiwerden eines Studienplatzes zu warten. Der Studienwechsel sei somit auf ein unabwendbares, nicht in der Sphäre der Studentin liegendes, Ereignis zurückzuführen.

6Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht den Rückforderungsbescheid des Finanzamts ersatzlos auf.

7Die 1996 geborene Tochter des Mitbeteiligten habe beabsichtigt, nach Beendigung der Schulausbildung ein Musikstudium mit dem Schwerpunkt auf dem Instrument Harfe zu beginnen. Tatsächlich habe sie am an der Universität Wien die Bachelorstudien „Theater-, Film- und Medienwissenschaft“, „Deutsche Philologie“, „Musikwissenschaft“ und „Vergleichende Literaturwissenschaft“ begonnen und in den Semestern „2014W, 2015S, 2015W, 2016S“ inskribiert. Hauptstudium sei das Bachelorstudium „Vergleichende Literaturwissenschaft“ gewesen. In diesem Studium habe S in der Zeit von bis erfolgreich Prüfungen abgelegt.

8Am habe S an der MUK Privatuniversität Wien die Zulassungsprüfung für das Bachelorstudium Harfe erfolgreich abgelegt. Infolge fehlender freier Studienplätze sei sie auf die Warteliste gesetzt worden.

9Ab dem Sommersemester 2016 habe S an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz das Bachelorstudium „Instrumental (Gesangs)pädagogik - Klassik Harfe“ begonnen. Ab diesem Zeitpunkt habe sie die Studien an der Universität Wien nicht mehr tatsächlich betrieben. Am habe S sich von allen an der Universität Wien betriebenen Studien abgemeldet.

10Am habe S eine weitere Zulassungsprüfung für das Bachelorstudium Harfe an der MUK Privatuniversität Wien abgelegt. Sie sei aber neuerlich infolge fehlender freier Studienplätze auf die Warteliste gesetzt worden.

11Sowohl das Bachelorstudium „Vergleichende Literaturwissenschaft“ als auch das Bachelorstudium „Instrumental(Gesangs)pädagogik - Klassik Harfe“ sei zielstrebig iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG betrieben worden („Vergleichende Literaturwissenschaft“ bis zum Ende des Wintersemesters 2015/16, „Harfe“ ab dem Sommersemester 2016).

12Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen habe S nach dem dritten inskribierten Semester das Studium gewechselt. Damit liege grundsätzlich ein, dem Anspruch auf Familienbeihilfe entgegenstehender Studienwechsel iSd § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG vor. Aus § 2 Abs. 1 lit. b FLAG iVm § 17 Abs. 3 StudFG folge, dass im neuen Studium grundsätzlich für so viele Semester kein Familienbeihilfenanspruch zustehe, wie das zu spät gewechselte Studium gedauert habe.

13Zwar sei dem Finanzamt insoweit zuzustimmen, als dieses die Auffassung vertrete, dass es sich bei der Aufnahme des Studiums „Instrumental (Gesangs)pädagogik - Klassik Harfe“ an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz in Bezug auf das bisherige Hauptstudium „Vergleichende Literaturwissenschaft“ nicht um ein unabwendbares Ereignis handle, das ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt worden sei. Die Tochter des Mitbeteiligten hätte dieses Ereignis durch die Unterlassung des Beginns des neuen Studiums und die Fortsetzung des bis dahin betriebenen Studiums abwenden können.

14Der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG für Studienwechsel geltende Verweis auf § 17 StudFG könne jedoch nicht isoliert von den anderen Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG gesehen werden. § 2 Abs. 1 lit. d FLAG sehe einen Familienbeihilfenanspruch für die Zeit zwischen der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung vor, wenn mit dieser zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen werde.

15S habe zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende der Schulausbildung mit dem Studium „Instrumental (Gesangs)pädagogik - Klassik Harfe“ begonnen. Hätte S diese Zeit nicht durch ein anderes Studium überbrückt, hätte ihr für die Zeit bis zum Beginn des „Harfe-Studiums“ die Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG zugestanden und würde diese Zeit die Anspruchsdauer betreffend die Familienbeihilfe für das „Harfe-Studium“ nicht kürzen. Es wäre ein verfassungsrechtlich bedenklicher Wertungswiderspruch, wenn man den Familienbeihilfenbezug für das nachweislich von Anfang an gewollte Studium nur deshalb kürzen würde, weil die Zeit bis zum Beginn dieses Studiums mit einem anderen Studium überbrückt worden sei.

16Der Verweis in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG auf § 17 StudFG sei im Hinblick auf § 2 Abs. 1 lit. d FLAG teleologisch so zu verstehen, dass in jenen Fällen, in denen das nach Beendigung der Schulausbildung gewünschte Studium aus nicht vom Studierenden zu vertretenden Gründen erst später begonnen werden könne, für das Familienbeihilfenrecht von einem unabwendbaren Ereignis auszugehen sei, das ohne Verschulden des Studierenden zwingend iSd § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG herbeigeführt worden sei. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG sei iVm § 2 Abs. 1 lit. d FLAG so zu verstehen, dass die Zeit eines Zwischenstudiums die familienbeihilfenrelevante Zeit im gewünschten Studium nicht kürze, wenn das Zwischenstudium mangels eines früheren Studienplatzes im gewünschten Studium erst nach mehr als zwei Semestern abgebrochen werde.

17Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob bei einem frühestmöglichen Beginn eines Studiums nach Beendigung der Schulausbildung Zeiten eines zwischen der Beendigung der Schulausbildung und dem Beginn des gewünschten Studiums betriebenen Studiums die familienbeihilfenwirksame Zeit des gewünschten Studiums kürzten, fehle.

18Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

19Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

20Gemäß § 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) werden zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie die im FLAG vorgesehenen Leistungen gewährt.

21Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für bestimmte volljährige Kinder.

22Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge gemäß § 26 Abs. 1 FLAG zurückzuzahlen.

23Gemäß § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein monatlicher Kinderabsetzbetrag in näher festgelegter Höhe zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG anzuwenden.

24§ 2 FLAG (BGBl. Nr. 376/1967 idF BGBl. I Nr. 144/2015) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

...

b)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

[...]

d)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,

[...]“

25§ 17 des Studienförderungsgesetzes 1992 - StudFG, BGBl. Nr. 305/1992 in der Fassung vor BGBl. I Nr. 54/2016, lautet auszugsweise wie folgt:

„Studienwechsel

§ 17. (1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1.das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2.das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3.nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

1.Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind,

2.Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,

[...]

(4) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt haben. Anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.“

26§ 17 des Studienförderungsgesetzes 1992 - StudFG, BGBl. Nr. 305/1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2016, lautet auszugsweise wie folgt:

„Studienwechsel

§ 17. (1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2.das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3.nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

1.Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,

2.Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,

[...]

(3) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.“

27Das Bundesfinanzgericht ist im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen, dass die Tochter der Mitbeteiligten zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende der Schulausbildung mit dem Studium „Instrumental (Gesangs)pädagogik - Klassik Harfe“ begonnen hat.

28Unter der Annahme, dass der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt diese rechtliche Beurteilung zulässt, bestünde nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG ein Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn der weiteren Berufsausbildung.

29Der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG ist grundsätzlich unabhängig davon, wie die Wartezeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn der weiteren Berufsausbildung überbrückt wird.

30So hat es der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2012/16/0088, betreffend die insoweit vergleichbare Regelung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG als unmaßgeblich erachtet, dass der Sohn des damaligen Beschwerdeführers als Überbrückung vor der Aufnahme des gewünschten und tatsächlich begonnenen Studiums der Humanmedizin das Biologiestudium begonnen hat.

31Wird die ins Auge gefasste Berufsausbildung tatsächlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen, gründet sich der Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und der Aufnahme der weiteren Berufsausbildung auf § 2 Abs. 1 lit. d FLAG. Ein zur bloßen Überbrückung der Wartezeit aufgenommenes Studium stellt in diesem Fall keine, einen eigenständigen Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG auslösende, Berufsausbildung dar.

32Erfüllt ein zur Überbrückung der Wartezeit nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG aufgenommenes Studium aber nicht die Voraussetzungen einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, kann mit der Aufnahme des Wunschstudiums zum frühestmöglichen Zeitpunkt aber auch kein Studienwechsel iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegen. Damit stellen sich aber Fragen zur Anwendung der in § 17 StudFG normierten Regeln für den Anspruch auf Familienbeihilfe von vornherein nicht.

33Dem Umstand, dass die frühestmögliche Aufnahme des von vornherein ins Auge gefassten Studiums mit der Aufgabe (Abbruch) des zur Überbrückung der Wartezeit begonnenen Studiums für die Frage der Familienbeihilfe keinen Studienwechsel darstellt, für die Frage der Studienbeihilfe jedoch nach den Bestimmungen des § 17 StudFG schon, stellt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keinen Widerspruch dar, verfolgen das FLAG und das StudFG doch unterschiedliche Zielsetzungen. So handelt es sich bei der Familienbeihilfe um einen vom Einkommen des Anspruchsberechtigten grundsätzlich unabhängigen Beitrag zur Unterhaltslast, während die Studienbeihilfe einen vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abhängigen Beitrag zu den Kosten des Studiums darstellt.

34Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die gewünschte Berufsausbildung nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wurde.

35Wie sich aus dem (zur insoweit vergleichbaren Regelung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG ergangenen) Erkenntnis vom , 2011/16/0057, VwSlg 8643/F, ableiten lässt, ist in einem solchen Fall für die Frage der Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG maßgebend, ob die tatsächlich begonnene Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgenommen wurde. Nur in diesem Fall kommt ein Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen der Beendigung der Schulausbildung und der tatsächlich aufgenommenen Berufsausbildung nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG in Betracht. Für die tatsächlich aufgenommene Berufsausbildung steht aber (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) ein eigenständiger Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG zu. Stellt das tatsächlich aufgenommene Studium aber eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar, kann die spätere Aufnahme eines von vornherein ins Auge gefassten, jedoch nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnenen Studiums sehr wohl einen „schädlichen“ Studienwechsel nach § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG darstellen.

36Ein solcher liegt vor, wenn das Studium nach dem dritten inskribierten Semester gewechselt wird. In diesem Fall steht ein Familienbeihilfenanspruch erst nach Ablauf der in § 17 Abs. 4 StudFG (idF vor BGBl. I Nr. 54/2016) bzw. Abs. 3 StudFG (idF BGBl. I Nr. 54/2016) normierten Wartezeit zu.

37Nach § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG liegt kein schädlicher Studienwechsel vor, wenn dieser durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurde.

38Dies ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Fall, wenn ein Ereignis eintritt, das eine erfolgreiche Fortsetzung des bisher betriebenen Studiums unmöglich macht (vgl. , VwSlg 16.856/A). Davon wäre im revisionsgegenständlichen Fall aber nicht auszugehen, war S doch nicht daran gehindert, das von ihr betriebene Studium „Vergleichende Literaturwissenschaft“ erfolgreich fortzusetzen (vgl. auch ).

39Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom , 2011/16/0076 und 2011/16/0058, ausgeführt hat, bedeutet der Umstand, dass ein Studierender einen Studienwechsel für zweckmäßiger oder den persönlichen Vorstellungen für angemessener hält, nicht bereits, dass er zum Studienwechsel gezwungen gewesen wäre

40Damit liegt aber auch dann kein zwingend herbeigeführter Studienwechsel durch ein unabwendbares Ereignis vor, wenn ein Wechsel nicht früher möglich war, weil in jenem Studium, das nach dem Studienwechsel betrieben wird, ein Mangel an Ausbildungsplätzen besteht (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG² § 2 Rz 103).

41Die vom Bundesfinanzgericht getroffenen Feststellungen, insbesondere zu den konkreten Zulassungsvoraussetzungen und den Fristen und Terminen im konkreten Aufnahmeverfahren, lassen jedoch keine abschließende rechtliche Beurteilung zu, ob S das Studium „Instrumental (Gesangs)pädagogik - Klassik Harfe“ zum objektiv frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss ihrer Schulausbildung aufgenommen hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2011/16/0057, VwSlg 8643/F, zum Ausdruck gebracht hat, liegt keine zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnene Berufsausbildung vor, wenn der tatsächliche Beginn der Berufsausbildung wegen des durch die Zahl der zu vergebenden Ausbildungsplätze beschränkten Zugangs dazu - auch bei Erfüllen der von der Ausbildungseinrichtung geforderten Leistung im Zuge eines Aufnahme- oder Bewerbungsverfahrens - erst später erfolgt.

42Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018160048.J00

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