VwGH vom 31.01.2019, Ro 2018/15/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Salzburg-Stadt in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100364/2017, betreffend Einkommensteuer 2016 (mitbeteiligte Partei: A L in S, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2016 fest.
2 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er beantragte darin, eine von seinem Dienstgeber (einer Bank) erhaltene Pensionsabfindung (Abfindung von 25% der Pensionsansprüche) auf drei Kalenderjahre verteilt steuerlich zu erfassen (§ 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988), wobei jeweils ein Drittel der im Kalenderjahr der Auszahlung durch den Arbeitgeber entrichteten Lohnsteuer angerechnet werden möge.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte aus, eine Dreijahresverteilung sei nur bei einer "gesamten Pensionsabfindung" möglich; da der Mitbeteiligte nur eine Teilpensionsabfindung erhalten habe, sei eine Aufteilung nicht möglich.
4 Der Mitbeteiligte beantragte, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid 2016 ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
6 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensgangs - im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe einen Rechtsanspruch auf eine Firmenpension (direkte Leistungszusage) in Form einer lebenslangen monatlichen Rente. Der Arbeitgeber habe dem Mitbeteiligten und den anderen ehemaligen Dienstnehmern mit Anspruch auf Betriebspension mit Schreiben vom das "einmalige Angebot" unterbreitet, die Betriebspension entweder zu 100%, zu 75%, zu 50% oder zu 25% abzufinden und diesen Abfindungsbetrag bis zu leisten. Als Ende der Frist zur Annahme des Angebotes sei der festgelegt worden. Aus den mitübermittelten Unterlagen sei hervorgegangen, dass sich das Angebot an alle Pensionisten des Dienstgebers richte; dass die Höhe des Angebotes nicht verhandelbar sei; die Bank dieses Angebot nicht wiederholen würde; die monatliche Pensionsleistung würde sich durch die Annahme des Angebotes entsprechend reduzieren.
7 Der Mitbeteiligte habe dieses Angebot auf Teilabfindung am angenommen; er habe sich für ein Ausmaß von 25% entschieden. Der Abfindungsbetrag sei vom Dienstgeber bei der Auszahlung im Jänner 2016 gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 voll besteuert worden.
8 Der Pensionsanspruch habe monatlich 520,31 EUR betragen und habe sich durch die Abfindung um 25% auf monatlich 390,23 EUR reduziert. Der Abfindungsbetrag habe 29.997 EUR betragen; er sei keiner Sozialversicherung oder anderen Abzügen unterlegen.
9 Der Berechnung des Abfindungsbetrages zum Stichtag sei eine statistische Restlebenserwartung des Mitbeteiligten (inklusive allfällig bestehender Hinterbliebenenanwartschaften) von 24 Jahren zugrunde gelegt worden. Die Berechnung des Abfindungsbetrages sei nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik erfolgt.
10 Für die Dreijahresverteilung iSd § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sei es nicht erforderlich, dass die Einkunftsquelle zur Gänze wegfalle. Ausreichend sei, wenn eine Entschädigung für entfallende Einnahmen in einem einzigen Veranlagungszeitraum zufließe und der Zeitraum, für den die Entschädigung gewährt werde, mindestens sieben Jahre betrage. Ein Ausschluss für Teilabfindungen bzw. das Erfordernis der Vollbeendigung der Einnahmen aus einer Einkunftsquelle sei dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Der Sachverhalt enthalte auch keine Hinweise auf eine wiederholte Abfindung oder einen solchen Plan. Anhaltspunkte für einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten bestünden ebenfalls nicht. Bedenken betreffend befürchtete Gestaltungsmöglichkeiten würden schon deshalb in den Hintergrund treten, weil die Initiative für die Abfindung vom Arbeitgeber ausgehen müsse. Die Dreijahresverteilung scheine weiters bei einer Pensionsabfindung generell wenig missbrauchsanfällig, weil dem Vorteil der Progressionsglättung der Nachteil des Verlusts der begünstigten Besteuerung der Sonderzahlungen gegenüberstehe. Ein allfälliger Liquiditätsvorteil könne vom Finanzamt über die Vorschreibung von Einkommensteuervorauszahlungen für die Folgejahre minimiert werden.
11 Die vom Dienstgeber einbehaltene Lohnsteuer sei im Rahmen der Veranlagung zur Gänze anzurechnen.
12 Die hier zentralen Rechtsfragen (Drittelverteilung einer teilweisen Pensionsabfindung; Höhe der jährlichen Anrechnung der Lohnsteuer) seien im Geltungsbereich des EStG 1988 bislang noch nicht abschließend höchstgerichtlich geklärt worden und seien in mehreren weiteren Beschwerdeverfahren von Relevanz. Die Revision sei daher zulässig.
13 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Das Finanzamt bekämpft das Erkenntnis insoweit, als das Bundesfinanzgericht eine Dreijahresverteilung gemäß § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 bei einer bloßen Teilabfindung anerkannt hat; weiters insoweit, als das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, dass die von der gesamten Pensionsteilabfindung durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge bereits bei Veranlagung des ersten Drittels vollständig anzurechnen seien, obwohl es dadurch zu einer Anrechnung von Steuer auf Einkünfte komme, die im ersten Jahr noch nicht veranlagt worden seien.
14 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Die Revision ist aus den vom Bundesfinanzgericht aufgezeigten Gründen zulässig; sie ist auch begründet.
17 Gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988 u.a. auch Entschädigungen, die gewährt werden als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen einschließlich eines Krankengeldes und vergleichbarer Leistungen.
18 Nach § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sind Entschädigungen im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, wenn überdies (im Falle u. a. der lit. a) der Zeitraum, für den die Entschädigungen gewährt werden, mindestens sieben Jahre beträgt, über Antrag gleichmäßig verteilt auf drei Jahre, beginnend mit dem Veranlagungsjahr, dem der Vorgang zuzurechnen ist, anzusetzen.
19 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Stammfassung des Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 (621 BlgNR 17. GP 85) wurde zu § 37 EStG 1988 u.a. ausgeführt, bei Entschädigungen im Sinne des § 32 Z 1 EStG 1988 sei (als Voraussetzung für die Begünstigung) eine "Sperrfrist" von sieben Jahren vorgesehen. Dieser Maßnahme liege u.a. die Überlegung zugrunde, dass eine Minderung der Progression erst bei einer erheblichen Zusammenballung von Einkünften gerechtfertigt sei.
20 Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, wurde u.a. § 37 EStG 1988 neu gefasst. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 BlgNR 20. GP 265 f) wurde hiezu ausgeführt, die steuerliche Berücksichtigung der Zusammenballung von Einkünften in bestimmten Fällen werde auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Bei den Voraussetzungen, welche dem Grunde nach eine Begünstigung wegen kumulierter Erfassung von Einkünften rechtfertigten, träten grundsätzlich keine Änderungen ein. Die Einhaltung der Siebenjahresfristen sei daher für die Gewährung der Progressionsermäßigung weiterhin notwendig. Neu sei, dass die Progressionsermäßigung nur auf Antrag zu gewähren sei.
21 Zunächst ist zu bemerken, dass der Antrag iSd § 37 Abs. 2 EStG 1988 auch - wie hier - im Rechtsmittelverfahren nachgeholt werden kann (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2018, § 37 Tz 56; Fragner/Seebacher, SWK 2016, 1048 ff (1050)).
22 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass Kapitalzahlungen zur Abfindung von Pensionsansprüchen als begünstigte Entschädigungen iSd § 32 EStG 1988 in Betracht kommen. Die Pensionsabfindung sei als "Schadensausgleich" für den Verlust eines Pensionsanwartschaftsrechtes zu werten. Die Initiative zum Abschluss der Abfindungsvereinbarung darf aber nicht vom Pensionsberechtigten ausgegangen sein (vgl. , VwSlg. 7163/F; , 2005/15/0055; , 2010/15/0158, VwSlg. 8809/F, mwN).
23 Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall unbestritten erfüllt.
24 Zweck der Begünstigungen des § 37 Abs. 2 EStG 1988 ist - wie aus den zitierten Erläuterungen zu den Regierungsvorlagen hervorgeht - eine Progressionsmilderung beim zusammengeballten Anfall von Einkünften, die sonst verteilt auf mehrere Wirtschaftsperioden zu erfassen wären (vgl. , VwSlg. 6874/F).
25 An sich zutreffend ist, dass weder § 32 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 noch § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 eine Begünstigung der Entschädigung davon abhängig machen, dass in der Zukunft anfallende Einnahmen (hier aus einer Pensionsvereinbarung) zur Gänze durch eine Kapitalzahlung abgefunden würden, die Pensionsanwartschaft also durch die Zahlung zur Gänze erlischt.
§ 32 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sieht insoweit - anders als die Begünstigung für Entschädigungen nach lit. b bis d dieser Bestimmung - nicht vor, dass eine Tätigkeit oder Rechte "aufgegeben" würden. Entgangene oder entgehende Einnahmen liegen auch dann vor, wenn nur ein Teil (im vorliegenden Fall 25%) der ursprünglich zustehenden Einnahmen aufgrund einer Abfindungsvereinbarung entgehen.
26 Begünstigt ist die Abfindung nach § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 aber nur dann, wenn die Entschädigung für einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren gewährt wird. Dies bedeutet also eine Entschädigung in Bezug auf sieben volle Jahresbeträge.
27 Für diese Interpretation spricht auch der Regelungszweck, nämlich eine Progressionsermäßigung bei erheblicher Zusammenballung von Einkünften. Eine Abfindung nur eines Teils eines Anspruches bewirkt aber, dass die Zusammenballung nur in einem geringeren Ausmaß eintritt. Eine Abfindung etwa von 10% der Pensionsanwartschaften würde bewirken, dass bei einer Abfindung über einen Zeitraum von sieben Jahren lediglich 70% eines Jahresbetrages (zusätzlich zur sodann allenfalls verbleibenden Restpension) zu besteuern wäre (wobei im Allgemeinen noch die Reduktion durch die Abzinsung bei der Ermittlung des Barwerts zu berücksichtigen wäre). Eine "erhebliche Zusammenballung" läge in diesem Fall nicht vor.
28 Eine erhebliche Zusammenballung von Einkünften kann damit nur dann angenommen werden, wenn die Entschädigung dem Barwert der vollen Pensionsanwartschaft für zumindest sieben Jahre entspricht.
29 Ob dies hier der Fall ist, kann mangels Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend beurteilt werden; eine überschlägige Ermittlung des Barwerts (ausgehend von den vom Arbeitgeber zugrunde gelegten Prämissen, insbesondere einer Abzinsung von 3%) würde aber nahe legen, dass die hier vereinbarte und ausbezahlte Abfindung diesen Betrag nicht erreichen würde.
30 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018150008.J00 |
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