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VwGH vom 22.06.2020, Ro 2018/13/0009

VwGH vom 22.06.2020, Ro 2018/13/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7101408/2017, betreffend Einkommensteuer 2012 (mitbeteiligte Partei: K in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Zur Vorgeschichte des Revisionsfalles wird zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2016/13/0004 (im Folgenden: Vorerkenntnis), verwiesen.

2Der Mitbeteiligte erzielte im Jahr 2012 negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einem Dienstverhältnis zur X GmbH, das am begann und am endete, und einem Dienstverhältnis zur Y GmbH, das in den Jahren 2009 und 2010 bestanden hatte (Gehaltsnachzahlungen). Daneben bezog er in diesem Jahr auch Notstandshilfe in Höhe von insgesamt 7.121,30 €.

3Im Einkommensteuerbescheid vom wurde „auf Grund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988“ ein Betrag von 7.121,30 € als Einkünfte angesetzt. Begründend wurde u.a. ausgeführt, bei der Ermittlung des Steuersatzes seien zuerst die steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet worden und anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer sei ein Durchschnittssteuersatz ermittelt worden, der auf das Einkommen angewendet worden sei (Umrechnungsvariante). Danach sei anhand einer Kontrollrechnung festzustellen, ob sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergebe; dies treffe im vorliegenden Fall zu.

4Der Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung. Er machte geltend, ihm sei vom Arbeitsmarktservice zunächst ein Betrag von 7.121,30 € zugeflossen. Er habe jedoch den Großteil der Notstandshilfe wieder zurückzahlen müssen. Es werde daher ersucht, die Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 um den zurückgezahlten Betrag von 6.100 € zu korrigieren.

5Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung ab. Der Umstand, dass der Abgabenpflichtige einen Großteil der Notstandshilfe für 2010 zurückzahlen müsse, führe rückwirkend für das Jahr 2010 zu einer Änderung bei den progressionswirksamen Transferleistungen. Für das Jahr 2012 bewirke dies jedoch keine Änderung.

6Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung durch den unabhängigen Finanzsenat.

7Das Bundesfinanzgericht gab der Berufung (nunmehr Beschwerde) mit Erkenntnis vom teilweise Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid 2012 ab.

8Mit dem Vorerkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil ihm nicht entnommen werden konnte, in welcher Weise die Hochrechnung der für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte vorgenommen wurde. Damit entzog es sich einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.

9Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde wiederum teilweise statt und änderte den Einkommensteuerbescheid 2012 ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

10Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe im Jahr 2012 u.a. Notstandshilfe vom Arbeitsmarktservice erhalten (7.121,30 €). Diese Bezüge seien im Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 erfasst worden. Dabei seien - als für den Revisionswerber günstigere Variante - die steuerfreien Bezüge auf Grund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 mit 7.121,30 € angesetzt worden und somit im Ergebnis nach Tarif versteuert worden (Hinzurechnungsvariante), als würde es sich um steuerpflichtige Einkünfte handeln.

11Der Revisionswerber habe aber am eine Rückzahlung an das Arbeitsmarktservice in Höhe von 6.100 € geleistet. Er habe nämlich auf Grund von zwei Bescheiden des Arbeitsmarktservice vom Arbeitslosengelder und Notstandshilfe aus den Jahren 2009 und 2010 als unberechtigt empfangen (Vergleich mit der Y GmbH) wieder zurückzahlen müssen. Diese Zahlung - sowie ein darüber hinausgehender Einbehalt von Arbeitslosengeld im Jahr 2012 - habe mit einem Betrag von insgesamt 1.124,19 € Zeiträume des Jahres 2009 betroffen; der Rest habe Zeiträume des Jahres 2010 betroffen.

12Im Einkommensteuerbescheid 2009 sei im Hinblick auf die erhaltenen Arbeitslosengelder der besondere Progressionsvorbehalt des § 3 Abs. 2 EStG 1988 zur Anwendung gelangt (Umrechnungsvariante). Im Ergebnis hätten daher die an sich steuerfreien Arbeitslosengelder zu einer höheren Steuerbelastung geführt. Im Jahr 2010 habe der Revisionswerber ausschließlich steuerfreie Einkommensersätze bezogen, sodass kein Einkommensteuerbescheid erlassen worden sei.

13Arbeitslosengelder würden zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählen, wären sie nicht steuerfrei. Der Erhalt der Arbeitslosengelder unterliege daher dem Zu- und Abflussprinzip. Der Zufluss der Arbeitslosengelder im Jahr 2009 habe im Zusammenhang mit dem Bezug von Aktiveinkünften die Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 ausgelöst. Ein späterer Rückersatz an das Arbeitsmarktservice ändere weder die Qualifikation der Leistung als Arbeitslosengeld, noch mache dieser den ursprünglichen Zufluss des Arbeitslosengeldes im Jahr 2009 rückgängig. Auch der deutsche Bundesfinanzhof vertrete zur Rückzahlung von zu Unrecht ausbezahltem Arbeitslosengeld diese Rechtsansicht (Hinweis auf BFH, dBStBl. 1996 III 201).

14Wenn die Bezüge aber dem Zu- und Abflussprinzip unterlägen, ergebe sich aus § 16 Abs. 2 iVm § 19 Abs. 2 EStG 1988, dass die Erstattung von Einnahmen in dem Jahr als Ausgabe anzusetzen sei, in dem die Erstattung erfolge. Im Hinblick auf diese Regelung liege auch kein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO vor.

15Die Rückzahlung steuerfreier Einnahmen führe gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 zu keinem Werbungskostenabzug. Dies würde aber im vorliegenden Fall zu einem teilweise unsachlichen Ergebnis führen. Die steuerfreien Einnahmen hätten im Jahr 2009 zu einer höheren Besteuerung geführt. Es würde dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem objektiven Nettoprinzip widersprechen, würden steuerfreie Einkünfte im Jahr des Zuflusses zu einer höheren Steuerbelastung führen und könnten diese im Jahr der Rückzahlung nicht berücksichtigt werden. Die Rückzahlungen im Streitjahr 2012, die auf die im Jahr 2009 erhaltenen Beträge entfielen, seien somit in Höhe von 1.124,19 € als Abzugsposten (Werbungskosten) bei den die Hochrechnung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auslösenden steuerfreien Bezügen zu erfassen. Anders verhalte es sich mit den Rückzahlungen im Jahr 2012, die auf die im Jahr 2010 erhaltenen Beträge entfallen seien. Im Jahr 2010 seien die erhaltenen Beträge keiner Hochrechnung unterzogen worden, die Beträge seien somit im Ergebnis tatsächlich steuerfrei geblieben. Die Rückzahlung dieser Beträge führe daher zu keinen Werbungskosten.

16Da zur Rechtsfrage, „wie die Rückzahlung steuerfreier Beträge wie Arbeitslosen- und Notstandshilfegelder, die im Jahr des Zuflusses gemäß § 3 Abs. 2 EStG versteuert worden waren, im Jahr der Rückzahlung zu behandeln ist“, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, sei die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

17Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, welches das Erkenntnis insoweit anficht, „als das Bundesfinanzgericht die Rückzahlung des steuerfreien Arbeitslosengeldes als Werbungskosten nach § 16 Abs. 2 EStG 1988 erfasst hat, obwohl nach § 20 Abs. 2 erster Teilstrich EStG 1988 die Rückzahlung steuerfreier Einkünfte zu keinem Werbungskostenabzug führt“. Da das Bundesfinanzgericht die Rückzahlung des steuerfreien Arbeitslosengeldes als Werbungskosten nur im Rahmen der Kontrollrechnung berücksichtigt hat, ist damit Gegenstand des Revisionsverfahrens lediglich die Kontrollrechnung (Hinzurechnungsvariante).

18Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

20Erhält der Steuerpflichtige u.a. steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

21Gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zählt zu den Werbungskosten auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt wurde.

22Nach § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte u.a. Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

23Das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe sind nach § 3 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 steuerfrei, weshalb deren Rückzahlung grundsätzlich zu keinen Werbungskosten führen kann. Zu beachten ist allerdings die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988, die mit dem dritten Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 606/1987, - damals noch in das EStG 1972 - eingefügt wurde. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (277 BlgNR 17. GP 6 f) ergibt sich, dass die Steuerfreiheit für das Arbeitslosengeld eine Begünstigung sei, die aber nicht zu einer Progressionsmilderung anderer Einkünfte führen solle. Dies erreiche die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 dadurch, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge bzw. die Einkünfte der ersten vier Einkunftsarten für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden („Umrechnungsvariante“). Aus der Umrechnung dürfe aber keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten. Daher müsse anhand einer Kontrollrechnung festgestellt werden, ob sich bei Hinzurechnung der betreffenden Bezüge als steuerpflichtige Einnahmen gegenüber der „Umrechnungsvariante“ eine niedrigere Steuer ergebe („Hinzurechnungsvariante“).

24Die Kontrollrechnung in Form der „Hinzurechnungsvariante“ ist im letzten Teil des § 3 Abs. 2 EStG 1988 festgelegt („die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde“). Für Zwecke dieser Kontrollrechnung werden die steuerfreien Bezüge also so behandelt, als wären sie steuerpflichtig, und es wird auf dieser Grundlage die Jahreseinkommensteuer berechnet. Durch die Anwendung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 darf der auf diese Weise errechnete Steuerbetrag nicht überschritten werden.

25Die gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 steuerfrei gestellten Bezüge fallen zwar - wie sich aus § 2 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 EStG 1988 ergibt - nicht unter den in § 2 Abs. 2 EStG 1988 festgelegten Einkommensbegriff (vgl. ), sie lassen sich aber trotzdem einer in § 2 Abs. 3 EStG 1988 angeführten Einkunftsart zurechnen (vgl. Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 3 Tz 1). Im gegenständlichen Fall traten das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe an die Stelle der zuvor bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie sind daher unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu subsumieren, für die gemäß § 19 EStG 1988 das Zu- und Abflussprinzip gilt.

26Im Jahr 2012 hat der Mitbeteiligte u.a. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in Höhe von insgesamt 7.121,30 € bezogen. Er hat im selben Jahr auch Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in Höhe von insgesamt 1.124,19 €, welche er im Jahr 2009 erhalten hat, wieder zurückgezahlt. In Streit steht, wie sich die im Jahr 2012 erfolgte Rückzahlung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bei der in § 3 Abs. 2 EStG 1988 normierten Kontrollrechnung in Form der „Hinzurechnungsvariante“ auswirkt.

27Nun besteht die „Hinzurechnungsvariante“ gerade darin, dass die steuerfreien Einnahmen in Form von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe so behandelt werden, als bestünde die Steuerbefreiung nicht. Für Zwecke der Hinzurechnungsvariante wird gegenständlich daher der Bezug von Arbeitslosengeld als steuerpflichtige Einnahme im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst.

28Zurückgezahlte Einnahmen sind gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 im Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung (§ 19 Abs. 2 EStG 1988) als Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 207 ff). Genauso wie die „Hinzurechnungsvariante“ die zugeflossenen Arbeitslosenbezüge als steuerpflichtige Einnahmen behandelt wissen will, sind im Rahmen dieser Kontrollrechnung die im Veranlagungsjahr zurückgezahlten Arbeitslosengelder - wenn deren Zufluss steuerliche Auswirkungen, sei es im Wege der Umrechnungsvariante, sei es im Wege der Hinzurechnungsvariante, hatte - als Werbungskosten anzusetzen. Im Rahmen der Kontrollrechnung steht dem die Regelung des § 20 Abs. 2 EStG 1988 nicht entgegen, weil die „Hinzurechnungsvariante“ ja gerade die Steuerpflicht der Bezüge unterstellt.

29Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018130009.J00

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