VwGH vom 18.03.2022, Ro 2018/04/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der S B.V. in C, vertreten durch die Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W249 2142563-1/3E, betreffend eine Maßnahmenbeschwerde in Zusammenhang mit einer Hausdurchsuchung in einer wettbewerbsrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundeswettbewerbsbehörde), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
11.1. Nach den unstrittigen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts fand am 8. und auf Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der revisionswerbenden Partei in den Niederlanden durch die dortige Wettbewerbsbehörde „Autoriteit Consument & Markt“ (ACM) statt. Das Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde stützte sich auf Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln. Ein kartellgerichtlicher Hausdurchsuchungsbefehl gemäß § 12 Wettbewerbsgesetz (WettbG) lag nicht vor.
21.2. Dagegen erhob die revisionswerbende Partei mit Schriftsatz vom Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.
3Die revisionswerbende Partei führte dazu aus, dass die auf Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde durch die niederländische Behörde als „verlängerter Arm“ der österreichischen Behörde durchgeführte Hausdurchsuchung einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstelle. Eine Hausdurchsuchung dürfe nur Kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehls und nur in bestimmten Fällen vorgenommen werden. Das Kartellgericht überprüfe, ob auf Grund der von der Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Antrag vorgebrachten Argumente ein die Hausdurchsuchung rechtfertigender, begründeter Verdacht bezogen auf den jeweiligen Fall vorliege. Neben einem Anfangsverdacht seien Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Hausdurchsuchung zu prüfen. Erst der Hausdurchsuchungsbefehl des Kartellgerichts ermächtige somit die Bundeswettbewerbsbehörde eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Der Hausdurchsuchungsbefehl enthalte regelmäßig eine Zusammenfassung des Antrags der Bundeswettbewerbsbehörde, eine Beurteilung und Bewertung der Beweise sowie deren rechtliche Beurteilung. Der Schwerpunkt der Prüfung betreffe die materiell-rechtliche Frage, ob von der Bundeswettbewerbsbehörde ein begründeter Verdacht ausreichend dargetan worden sei, um eine Hausdurchsuchung zu rechtfertigen. Sofern dies der Fall sei, werde der Untersuchungsgegenstand in den entsprechenden Grenzen festgelegt.
4Die Hausdurchsuchung sei auf Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde im Rahmen des Netzwerkes der Europäischen Wettbewerbsbehörden auf Basis von Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 durchgeführt worden. Diese Bestimmung sehe die Möglichkeit vor, dass eine nationale Wettbewerbsbehörde nach Maßgabe ihres nationalen Rechts für die Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaates Ermittlungen in deren Namen und für deren Rechnung durchführe um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen EU-Wettbewerbsrecht vorliege. Für die Durchführung einer Hausdurchsuchung auf Initiative der Bundeswettbewerbsbehörde bedürfe es immer eines kartellgerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehls, unabhängig davon ob diese im Ausland oder im Inland erfolge. Die Bundeswettbewerbsbehörde habe im Vorfeld ihres Ersuchens an die niederländische Behörde beim Kartellgericht keine Anordnung einer Hausdurchsuchung beantragt und insofern ohne Rechtsgrundlage und somit rechtswidrig gehandelt. Nach den niederländischen Wettbewerbsregeln sei keine gerichtliche Anordnung erforderlich, die sich inhaltlich mit dem Vorbringen der Bundeswettbewerbsbehörde auseinanderzusetzen habe. Die revisionswerbende Partei bezweifle, dass die sehr geringen Voraussetzungen nach niederländischem Recht den Anforderungen nach den EU-Grundprinzipien bzw. nach der EMRK genügen, weil die Rechtsschutzmöglichkeiten nach niederländischem Recht nicht hinreichend seien. Um eine Umgehung der strengen österreichischen Voraussetzungen zu vermeiden, seien in Bezug auf das Ersuchen um Durchführung einer Hausdurchsuchung gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 dieselben Vorschriften und Voraussetzungen einzuhalten, wie im Fall der Durchführung einer Hausdurchsuchung in Österreich nach dem innerstaatlichen Recht. Das Vorgehen der Bundeswettbewerbsbehörde über den verlängerten Arm der niederländischen Behörde, die ausschließlich auf Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde tätig geworden sei, stelle einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Das Vorgehen der Bundeswettbewerbsbehörde sei durch das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich zu prüfen. Sollte das Bundesverwaltungsgericht zur Auffassung gelangen, dass das Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde den Anforderungen des nationalen Rechts nicht entsprochen habe, wäre eine Übermittlung bzw. Verwertung von Unterlagen, die die niederländische Behörde bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmt habe, an die Bundeswettbewerbsbehörde unzulässig und zu untersagen.
52.1. Mit dem angefochtenen Beschluss vom wies das Bundesverwaltungsgericht die Maßnahmenbeschwerde der revisionswerbenden Partei gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 8. und wegen Unzuständigkeit zurück. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig.
62.2. In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, im konkreten Fall sei die niederländische Wettbewerbsbehörde gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 von der (österreichischen) Bundeswettbewerbsbehörde ersucht worden, im niederländischen Hoheitsgebiet nach Maßgabe des innerstaatlichen (niederländischen) Rechts im Namen und für Rechnung der Bundeswettbewerbsbehörde alle Nachprüfungen und sonstigen Maßnahmen durch Sachverhaltsaufklärung durchzuführen, um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 oder 82 des Vertrages (nunmehr Art. 101 und 102 AEUV) vorliege.
7Die Bundeswettbewerbsbehörde habe die niederländische Behörde gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 um eine Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung ersucht. Dabei seien Angaben zu sämtlichen Umständen zu machen gewesen, die es nach dem nationalen Recht der niederländischen Behörde bedurft habe, um das Vorliegen der danach benötigten Eingriffsvoraussetzungen prüfen zu können. Bei einem Vorgehen in Österreich hätte die Bundeswettbewerbsbehörde die Eingriffsvoraussetzungen dem Kartellgericht vorlegen müssen, um einen Hausdurchsuchungsbefehl gemäß § 12 WettbG zu erwirken. Bei einem Vorgehen gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 seien der nach niederländischem Recht zuständigen Behörde die Eingriffsvoraussetzungen vorzulegen. Diese habe in der Folge das Ersuchen zu prüfen und wäre berechtigt, das Ersuchen in begründeten Ausnahmefällen abzulehnen, insbesondere wenn die ersuchende Behörde nicht in der Lage gewesen wäre, überzeugend darzulegen, dass ein legitimer Anlass für eine Ermittlung bestehe und die Ermittlung verhältnismäßig sei.
8Ein allfälliges Vorgehen der revisionswerbenden Partei gegen die Amtshandlung der niederländischen Wettbewerbsbehörde gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 habe in den Niederlanden nach niederländischem Recht zu erfolgen, weil nach diesen Vorgaben auch die Amtshandlung durchgeführt worden sei. Ebenso sei gemäß dem Territorialitätsprinzip ein sich in einem bestimmten Staatsgebiet ereignender Sachverhalt nach dem dort geltenden Recht durch die dort zuständige Behörde zu beurteilen. Aus diesen Gründen könne der von der revisionswerbenden Partei vorgenommenen Qualifizierung der auf Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde vorgenommenen niederländischen Amtshandlung als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, dessen Bekämpfung in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes falle, nicht gefolgt werden, zumal im Hoheitsgebiet Österreich kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt worden sei. Die Beschwerde sei daher wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen und eine vollinhaltliche Prüfung nicht durchzuführen gewesen.
9Die ordentliche Revision erweise sich als zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei einem Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ohne kartellgerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehl (§ 12 WettbG) eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG vorliege. Es bestehe dazu lediglich (näher bezeichnete) Judikatur des Obersten Gerichtshofes (OGH) zu einem spiegelverkehrten Fall.
103. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
11Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
II.
12Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
131. Die Revision verweist zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf die vom Bundesverwaltungsgericht angeführte grundsätzliche Rechtsfrage und betont, dass diese Frage von „fundamentaler Bedeutung“ für den Rechtschutz sei, den Unternehmen im Ausland gegenüber der Wettbewerbsbehörde genießen würden.
142. Die Revision erweist sich in Hinblick auf die vom Bundesverwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage als zulässig, aus nachstehenden Erwägungen jedoch als nicht begründet.
153. Die Revision rügt, das Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde sei vom Bundesverwaltungsgericht fälschlicherweise nicht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert worden. Die niederländische Behörde habe im Namen und im Auftrag der Bundeswettbewerbsbehörde als deren „verlängerter Arm“ gehandelt. Die Beiziehung bzw. Beauftragung einer anderen Behörde zur Vornahme faktischer Handlungen sei jedenfalls der ersuchenden Behörde zuzurechnen.
16Eine Hausdurchsuchung durch eine andere EU-Wettbewerbsbehörde, die auf Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde erfolge, müsse immer einen auf Österreich bezogenen Sachverhalt und damit im Regelfall österreichische Rechtssubjekte betreffen. Die Notwendigkeit eines richterlichen Befehls für die Durchführung einer Hausdurchsuchung sei in Österreich verfassungsrechtlich begründet. § 12 WettbG regle auf einfachgesetzlicher Ebene die Durchführung einer kartellrechtlichen Hausdurchsuchung, für die eine Entscheidung des Kartellgerichtes auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde Voraussetzung sei. Auch einem Ersuchen auf Hausdurchsuchung nach Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, das darauf abziele, allfälliges Beweismaterial zu beschaffen, das die Eröffnung eines Verfahrens im Land der ersuchenden Behörde ermöglichen solle, müsse nach österreichischem Recht ein kartellgerichtlicher Hausdurchsuchungsbefehl zugrunde liegen, denn auch Hausdurchsuchungen durch eine andere EU-Wettbewerbsbehörde im Namen und auf Rechnung der Bundeswettbewerbsbehörde fielen unter § 12 WettbG. Nach der Systematik der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 bestehe eine „Doppelschranke“, weil sowohl die Voraussetzungen für einen Ermittlungsakt nach dem nationalen Recht der ersuchenden Behörde als auch jene nach dem nationalen Recht der ersuchten Behörde vorliegen müssten. Dem Amtshilfeersuchen komme zudem eine eigenständige rechtliche Qualität gegenüber der Hausdurchsuchung selbst zu, weshalb das Amtshilfeersuchen und die Hausdurchsuchung selbst zwei getrennt bekämpfbare Rechtsakte darstellten.
174.1. Gemäß § 12 Abs. 1 Wettbewerbsgesetz (WettbG), BGBl. I Nr. 62/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 13/2013, hat das Kartellgericht, wenn dies zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist, auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen des begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen die §§ 1, 5 oder 17 KartG 2005 sowie Art. 101 oder 102 AEUV eine Hausdurchsuchung anzuordnen.
Mit der Durchführung der Hausdurchsuchung ist gemäß § 12 Abs. 3 WettbG die Bundeswettbewerbsbehörde zu beauftragen.
18Mit Beziehung auf die Anwendung der Art. 101 und Art. 102 AEUV und der auf Grund der Art. 42 und Art. 43 AEUV erlassenen Wettbewerbsregeln im Einzelfall ist zuständige (österreichische) Wettbewerbsbehörde im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 erstens das Kartellgericht für die Erlassung von Entscheidungen und zweitens die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt für die Antragstellung beim Kartellgericht (§ 83 Abs. 1 KartG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 WettbG). Der Bundeswettbewerbsbehörde obliegt das Zusammenwirken mit den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten (§ 3 Abs. 1 WettbG) im Netzwerk der Wettbewerbsbehörden, worunter auch die Kooperation im Rahmen des Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 fällt (vgl. dazu , mwN).
194.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Unzuständigkeit im angefochtenen Beschluss damit begründet, dass die gegenständliche Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der revisionswerbenden Partei in den Niederlanden durch die dortige Wettbewerbsbehörde erfolgt sei und deshalb kein im österreichischen Hoheitsgebiet gesetzter Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliege.
204.3. Die Revision bringt dagegen vor, dass die niederländische Behörde im Namen und im Auftrag der Bundeswettbewerbsbehörde gehandelt habe und die Beauftragung einer anderen Behörde zur Vornahme faktischer Handlungen jedenfalls der ersuchenden (österreichischen) Behörde zuzurechnen sei. Das Vorgehen der Bundeswettbewerbsbehörde über den „verlängerten Arm“ der niederländischen Behörde stelle sehr wohl einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar, der vom Bundesverwaltungsgericht inhaltlich zu prüfen sei.
214.4. Gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 darf die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts im Namen und für Rechnung der Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaates alle Nachprüfungen und sonstigen Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung durchführen, um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 oder Art 82 des Vertrages (nunmehr Art. 101 und Art. 102 AEUV) vorliegt. Der Austausch und die Verwendung der erhobenen Informationen erfolgen gemäß Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.
22Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ermächtigt demnach die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, die in ihren nationalen Rechten vorgesehenen Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung auch für eine andere Wettbewerbsbehörde durchzuführen und die auf diese Weise erhaltenen Informationen an diese Behörde weiterzuleiten Durch diese Befugnis können nationale Wettbewerbsbehörden einander bei der Ermittlungstätigkeit unter Nutzung aller nach dem jeweiligen nationalen Recht verfügbaren Mittel unterstützen und die für die vollständige Ermittlung kartellrechtsrelevanter Sachverhalte erforderlichen Auskünfte und Unterlagen erlangen, auch wenn diese in einem anderen Mitgliedstaat gelagert sind.
Einzelstaatliche Wettbewerbsbehörden sind daher unter anderem befugt, mit der Kommission und anderen einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden Informationen auszutauschen und als Beweismittel zu nutzen. Sie können auch unter den Voraussetzungen von Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Amtshilfe erbitten. Die nationalen Wettbewerbsbehörden werden in die Lage versetzt, Fällen nachzugehen, in denen sich Beweismittel in anderen Mitgliedstaaten befinden. Diese Möglichkeit hätten sie ohne die Unterstützung durch andere Behörden nicht, weil die Eingriffsbefugnisse jeder nationalen Behörde wegen des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt sind (vgl. zu alldem erneut , sowie , jeweils mwN).
234.5. Im vorliegenden Fall ersuchte die Bundeswettbewerbsbehörde die niederländische Behörde gestützt auf Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 im Weg der Amtshilfe um Durchführung einer Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der revisionswerbenden Partei in den Niederlanden.
24Der OGH hat in einem Fall, in dem der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde die Rolle der ersuchten Behörde zukam, bereits ausgesprochen, dass ein Ersuchen einer nationalen Wettbewerbsbehörde nach Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 nur dann berechtigt sein wird, wenn die Voraussetzungen für einen entsprechenden innerstaatlichen Ermittlungsakt nach dem nationalen Recht der ersuchenden Behörde (insbesondere ein Anfangsverdacht) gegeben sind. Ermittlungsakte im Ausland sollen damit nicht niedrigeren (inhaltlichen) Anforderungen unterliegen als im Inland. Die ersuchende Wettbewerbsbehörde wird daher Angaben zu sämtlichen Umständen machen müssen, die nach dem nationalen Recht der ersuchten Behörde erforderlich sind, um das Vorliegen der danach benötigten Eingriffsvoraussetzungen prüfen zu können. Insbesondere sind die betroffenen Unternehmen sowie Hinweise auf einen Anfangsverdacht, der Gegenstand und der Zweck der Untersuchung zu spezifizieren. Der Wortlaut des Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 legt nahe, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden nur unverbindliche Ersuchen aneinander richten, aber keine rechtlich verbindlichen Ansprüche auf Durchführung von Ermittlungen geltend machen können. Selbst wenn jedoch eine solche Verpflichtung bejaht wird, muss die ersuchte Wettbewerbsbehörde jedenfalls berechtigt sein, in begründeten Ausnahmefällen ein Ersuchen abzulehnen, insbesondere wenn die ersuchende Behörde nicht in der Lage ist, überzeugend darzulegen, dass ein legitimer Anlass für eine Ermittlung besteht und die Ermittlung verhältnismäßig ist (vgl. , mwN).
25Zudem ist durch die Rechtsprechung des OGH bereits klargestellt, dass Amtshilfehandlungen nach Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 mangels Kompetenz und Weisungsbefugnis im fremden Hoheitsgebiet nicht als Handlungen der unterstützten Behörde gelten können. Sie werden vielmehr von der ersuchten Behörde zwar im Interesse der ersuchenden Behörde, aber im eigenen Namen durchgeführt. Ermittlungen „im Namen“ der anderen Behörde bedeutet insoweit nur, dass deutlich zu machen ist, dass die Ermittlungshandlungen für eine andere Behörde vorgenommen werden (vgl. ).
264.6. Die Bundeswettbewerbsbehörde hatte im vorliegenden Fall zunächst die notwendigen Informationen und Beweismittel an die niederländische Behörde zu übermitteln, damit diese prüfen konnte, ob nach der nationalen niederländischen Rechtslage die Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung vorliegen oder nicht. Die Hausdurchsuchung in den Niederlanden wurde somit nach Maßgabe des anzuwendenden niederländischen Rechts angeordnet, zumal nach österreichischem Recht für eine vorherige gerichtliche Prüfung einer Hausdurchsuchung durch eine Wettbewerbsbehörde in einem anderen Mitgliedstaat keine Rechtsgrundlage besteht und das österreichische Kartellgericht daher keine Kompetenz und Weisungsbefugnis gegenüber der niederländischen Wettbewerbsbehörde im fremden Hoheitsgebiet hat.
27Ausgehend davon kann dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei, wonach der in den Niederlanden von der dortigen Behörde gesetzte Akt der Hausdurchsuchung jedenfalls der ersuchenden (österreichischen) Bundeswettbewerbsbehörde zuzurechnen sei und dieser daher auch vom Bundesverwaltungsgericht geprüft werden müsse, nicht gefolgt werden.
Bei der im Rahmen der Amtshilfe durch die niederländische Behörde durchgeführten Hausdurchsuchung handelt es sich vielmehr um eine Ermittlungshandlung der niederländischen Wettbewerbsbehörde nach niederländischem Recht. Die Hausdurchsuchung ist insoweit der niederländischen Behörde zuzurechnen, die selbstständig tätig geworden ist. Die Rechtmäßigkeit der Durchführung der Hausdurchsuchung richtet sich daher nach dem Recht des Staates der ersuchten Behörde und ist dementsprechend durch die im niederländischen Recht vorgesehenen Rechtsschutzinstrumente zu überprüfen.
Dem in diesem Zusammenhang von der revisionswerbenden Partei angeregten Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH war schon mangels näherer Konkretisierung nicht nachzukommen.
285.1. Die Revision bringt schließlich vor, dem Amtshilfeersuchen auf Durchführung einer Hausdurchsuchung komme eine eigenständige rechtliche Qualität zu. Schon die Stellung eines Ersuchens sei als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren.
295.2. Dem ist zu entgegenzuhalten, dass ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nur dann vorliegt, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen (vgl. zuletzt , mwN).
Durch die Stellung des Amtshilfeersuchens hat die Bundeswettbewerbsbehörde nicht unmittelbar in subjektive Rechte der revisionswerbenden Partei eingegriffen, weil die tatsächliche Amtshilfeleistung und damit die Durchführung der Maßnahme erst der ersuchten Behörde obliegen. Das Stellen eines Amtshilfeersuchens bildet daher schon mangels Unmittelbarkeit keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen das Ersuchen selbst gibt es im österreichischen Recht keine gesetzliche Grundlage. Die in der Revision vermutete planwidrige Lücke ist aber nicht ersichtlich, zumal die Möglichkeit besteht, nach niederländischem Recht gegen die Hausdurchsuchung vorzugehen.
306. Aus den dargelegten Erwägungen war die vorliegende Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
31Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2018040001.J00 |
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