VwGH vom 01.02.2019, Ro 2018/02/0014
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision des C in S, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-602236/11/Kof/CG, betreffend Übertretung des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von
EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom richtete die belangte Behörde gemäß § 103 Abs. 2 KFG eine Lenkeranfrage an den Revisionswerber, in welcher sie ihn aufforderte, als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeugs mitzuteilen, wer dieses Fahrzeug am um 13.52 Uhr an einem näher bezeichneten Ort "gelenkt/verwendet bzw. zuletzt vor diesem Zeitpunkt am Tatort abgestellt" habe, oder die Person zu benennen, welche die Auskunft erteilen könne.
2 Nach einem erfolglosen Versuch, die mittels RSb-Brief versendete Lenkeranfrage am dem Revisionswerber an seiner Abgabestelle zuzustellen, wurde diese beim Postamt in S. hinterlegt und die Abholfrist mit beginnend festgelegt. Dem aktenkundigen Rückschein der Sendung sind keine Angaben zu entnehmen, ob eine Verständigung über diese Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung des Revisionswerbers eingelegt, an dessen Eingangstür angebracht oder an dessen Abgabestelle zurückgelassen wurde.
3 In der Folge legte die belangte Behörde dem Revisionswerber mit Strafverfügung vom zur Last, er habe als Zulassungsbesitzer des genannten Fahrzeugs der belangten Behörde nicht binnen zwei Wochen "nach der am erfolgten Zustellung der schriftlichen Aufforderung" die verlangte Auskunft erteilt. Der Revisionswerber habe dadurch § 103 Abs. 2 KFG verletzt, weshalb die belangte Behörde gemäß § 134 Abs. 1 KFG über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) in bestimmter Höhe verhängte.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber Einspruch und rechtfertigte sich - nach Einsichtnahme in den Strafakt der belangten Behörde - mit Schriftsatz vom damit, er habe die Verständigung über die Hinterlegung nicht "gesehen", wobei es passieren könne, dass "man so etwas übersieht und allenfalls mit Werbematerial entsorgt". Im gegenständlichen Fall sei es jedoch so, dass "der Postbeamte" gar nicht behaupte, die Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt, an der Eingangstür angebracht oder an der Abgabestelle zurückgelassen zu haben. Daher habe der Revisionswerber keine Verständigung vorgefunden und die Postsendung nicht abgeholt.
5 Gegen das darauffolgende Straferkenntnis der belangten Behörde vom erhob der Revisionswerber Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen ein Vorbringen wie in der Rechtfertigung vom erstattete.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der der Revisionswerber sein bisheriges Vorbringen wiederholte, ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.
7 Unter der Überschrift "Entscheidungsgründe I." führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensgangs aus, die Lenkeranfrage sei am beim "Postamt PLZ ****" hinterlegt worden. In der Verständigung über die Hinterlegung sei keine einzige der Rubriken "in Abgabeeinrichtung eingelegt", "an Eingangstür angebracht", "an Abgabestelle zurückgelassen" angekreuzt. Jedoch seien der Beginn der Abholfrist sowie der Ort der Hinterlegung angeführt. Dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 ZustG sei nicht zu entnehmen, dass eine der genannten Rubriken zwingend angekreuzt werden müsse. Dass diese gegenständlich nicht angekreuzt worden seien, sei daher für die Wirksamkeit der Zustellung ohne Bedeutung. Die Österreichische Post AG habe auf Anfrage des Verwaltungsgerichts nicht mitteilen können, ob der Revisionswerber die Lenkeranfrage tatsächlich abgeholt habe oder nicht. Dies sei für den Zustellvorgang jedoch nicht von Bedeutung, weil die Abholung nicht mehr zur Zustellung gehöre. Gemäß § 17 Abs. 2 letzter Satz ZustG sei der erste Tag der Abholfrist in der Verständigung über die Hinterlegung anzugeben. Dies sei im vorliegenden Fall auch geschehen - Beginn der Abholfrist sei der gewesen. Im Ergebnis sei daher festzuhalten, dass dem Revisionswerber die Lenkeranfrage durch Hinterlegung am beim "Postamt ****" rechtswirksam zugestellt worden sei.
8 Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Verwaltungsgericht aus, es existiere zur Rechtsfrage, ob auf dem Zustellnachweis bzw. der Hinterlegungsanzeige eine der Rubriken "in Abgabestelle eingelegt", "an Eingangstür angebracht", "an Abgabestelle zurückgelassen" zwingend angekreuzt werden müsse, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
9 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
10 Die belangte Behörde hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 In der Zulässigkeitsbegründung verweist der Revisionswerber zunächst auf den Zulassungsgrund des Verwaltungsgerichts. Die Revision sei jedoch auch deshalb zulässig, weil das Verwaltungsgericht nicht festgestellt habe, dass der Revisionswerber überhaupt über die Hinterlegung verständigt worden sei. Dies sei im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen einer wirksamen Zustellung durch Hinterlegung (Hinweis auf ).
12 Aus diesem Grund erweist sich die Revision im Ergebnis als
zulässig und begründet.
13 § 17 ZustG lautet:
"Hinterlegung
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus- , Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
14 Dem Revisionswerber ist zuzustimmen, dass nach der hg. Rechtsprechung die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein. Zwar macht ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis als öffentliche Urkunde Beweis über die Zustellung; allerdings ist der Gegenbeweis (etwa dass der in der Urkunde bezeugte Vorgang unrichtig sei; vgl. § 292 Abs. 2 ZPO) möglich (; , Fr 2015/07/0001, jeweils mwN).
15 Fehlen auf dem Rückschein Angaben darüber, ob und auf welche Art und Weise die Hinterlegung der Verständigung erfolgt ist, so liegt keine Beurkundung einer erfolgten Verständigung von der Hinterlegung vor. Das Fehlen eines solchen wesentlichen Teils des Zustellnachweises hat zur Folge, dass die Behörde (bzw. das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht) die Tatsache der Zustellung nachzuweisen hat. Diese dürfen in einem solchen Fall daher nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass eine Verständigung von der Hinterlegung erfolgt wäre (vgl. , mwN).
16 Im vorliegenden Fall ist es unstrittig, dass die Zustellung der von der belangten Behörde an den Revisionswerber gerichteten Lenkeranfrage am versucht und das Dokument sodann bei einem näher angeführten Postamt mit am beginnender Abholfrist hinterlegt worden ist. Dem Rückschein der Sendung ist jedoch nicht zu entnehmen, ob oder auf welche Art und Weise der Revisionswerber von der Hinterlegung verständigt worden wäre.
17 Dem Verwaltungsgericht ist vor diesem Hintergrund entgegenzuhalten, dass es für die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG gerade darauf ankommt, ob auf dem Zustellnachweis, der als öffentliche Urkunde Beweis über die Zustellung durch Hinterlegung liefert, Angaben über die erfolgte Verständigung von der Hinterlegung und über die Art und Weise der Verständigung gemacht worden sind. Da im vorliegenden Fall derartige Angaben gänzlich fehlen und damit keine Beurkundung der Verständigung von der Hinterlegung vorliegt, hätte das Verwaltungsgericht Feststellungen, ob der Revisionswerber die Verständigung dennoch erhalten hat, treffen müssen, um von einer wirksamen Zustellung durch Hinterlegung nach § 17 Abs. 3 ZustG ausgehen zu dürfen. Sofern es jedoch, etwa aufgrund der Behauptung des Revisionswerbers, eine solche Verständigung überhaupt nicht erhalten zu haben, zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass keine rechtswirksame Zustellung vorliegt, hätte es festzustellen gehabt, ob die zuzustellende Lenkeranfrage dem Revisionswerber dennoch tatsächlich zugekommen ist (Heilung von Zustellmängeln nach § 7 ZustG).
18 Das Verwaltungsgericht ist jedoch bloß aufgrund der Angaben über den Beginn der Abholfrist und des Orts der Hinterlegung von einer wirksamen Zustellung durch Hinterlegung ausgegangen und hat daher ausgehend von dieser unzutreffenden Rechtsansicht die für die Beurteilung des Revisionsfalls erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Damit liegt ein sekundärer Feststellungsmangel (vgl. ) vor, der das angefochtene Erkenntnis bereits mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, weshalb auf das übrige Revisionsvorbringen nicht weiter einzugehen war.
19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
21 Der vom Revisionswerber gestellte Hauptantrag an den Verwaltungsgerichtshof, in der Sache selbst zu entscheiden, umfasst einen Antrag auf Aufhebung des bekämpften verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses. Die Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst ist nicht antragsbedürftig (vgl. , mwN). Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes liegen jedoch aufgrund der im fortgesetzten Verfahren vom Verwaltungsgericht zu treffenden Feststellungen nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018020014.J00 |
Schlagworte: | Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensbestimmungen |
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